§ 17 HVTG Ausschluss von unzuverlässigen Unternehmen, Informationsstelle

(1) Öffentliche Auftraggeber können unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen wegen schwerer Verfehlungen, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird, zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme am Wettbewerb ausschließen.

(2) Schwere Verfehlungen im Sinne des Abs. 1 sind

1. Sachverhalte, die nach § 2 des Wettbewerbsregistergesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2739), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Januar 2021 (BGBl. I S. 2), in das Wettbewerbsregister einzutragen sind,

2. Sachverhalte, die nach § 124 Abs. 1 Nr. 1, 3, 4, 8 und 9 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu einem Ausschluss von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren führen können,

3. Sachverhalte, die nach § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes zu einem Ausschluss von der Teilnahme an einem Wettbewerb um einen Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsauftrag führen sollen, sowie

4. Ordnungswidrigkeiten nach § 23 Abs. 1 und 2 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und § 21 Abs. 1 und 2 des Mindestlohngesetzes, die mit einer Geldbuße von wenigstens 2 500 Euro geahndet worden sind.

(3) Für die Beurteilung der schweren Verfehlung kommen alle geeigneten Feststellungen, insbesondere in Haftbefehlen, von Rechnungsprüfungsbehörden, von Innenrevisionen, beauftragten Gutachtern sowie eigene Feststellungen der Dienststellen oder der Kartellbehörde in Betracht. Von einer schweren Verfehlung ist insbesondere dann auszugehen, wenn diese zu einer gerichtlichen Verurteilung geführt hat, unbestritten ist oder ein Geständnis in einem Ermittlungsverfahren, gerichtlichen Strafverfahren oder Bußgeldverfahren vorliegt.

(4) Die bei der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main einzurichtende Informationsstelle prüft das Vorliegen einer schweren Verfehlung nach Abs. 2 Nr. 2 und 3 aufgrund der ihr zugänglichen Informationen und trägt diese, soweit eine solche festgestellt wird, in ein Informationsverzeichnis ein. Sie räumt dem betroffenen Unternehmen vor der Eintragung Gelegenheit zur Stellungnahme ein. Die Informationsstelle teilt dem betroffenen Unternehmen die Eintragung im Informationsverzeichnis sowie jede Veränderung dieser Eintragung unverzüglich mit.

(5) Das Informationsverzeichnis enthält die folgenden Informationen zu den eingetragenen Unternehmen:

1. Name/Firmenname des betroffenen Unternehmens,

2. Rechtsform,

3. Namen der gesetzlichen Vertreter,

4. bei Personengesellschaften die Namen der geschäftsführenden Gesellschafter,

5. Name und Funktion der natürlichen Person, gegen die sich der Vorwurf der schweren Verfehlung richtet,

6. Registergericht und Handelsregisternummer,

7. Gewerbezweig/Branche,

8. Anschrift,

9. Umsatzsteuer Identifikationsnummer,

10. festgestellte Verfehlung,

11. Zeitpunkt oder Zeitraum der Verfehlung

und

12. Datum des Einstellens in das Verzeichnis.

Auf Antrag erteilt die Informationsstelle Unternehmen Auskunft über die im Informationsverzeichnis über sie eingetragenen Informationen.

(6) Die Informationen zu dem Unternehmen sind aus dem Verzeichnis zu löschen, wenn das Unternehmen gegenüber der Informationsstelle nachgewiesen hat, dass die Voraussetzungen nach § 125 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorliegen, und die Informationsstelle die Bewertung nach § 125 Abs. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorgenommen hat. Die Eintragungen sind jedoch spätestens drei Jahre nach dem Ereignis, das zur Eintragung der schweren Verfehlung führte, zu löschen.

(7) Öffentliche Auftraggeber des Landes sind verpflichtet, ab einem Auftragsvolumen von 30 000 Euro ohne Umsatzsteuer vor der Vergabe öffentlicher Aufträge bei der Informationsstelle abzufragen, ob Informationen zu dem zur Auftragsvergabe vorgesehenen Unternehmen vorliegen. Bei Beschränkten Ausschreibungen und Freihändigen Vergaben, nicht offenen Verfahren oder Verhandlungsverfahren sind entsprechende Abfragen bezüglich des gesamten vorgesehenen oder bekannten Bewerber- oder Bieterkreises schon vor der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes an die Informationsstelle zu richten. Den Gemeinden, Gemeindeverbänden, Eigenbetrieben, kommunalen Arbeitsgemeinschaften und Zweckverbänden steht es frei, eine Abfrage bei der Informationsstelle vorzunehmen.

8) Die öffentlichen Auftraggeber entscheiden unter Berücksichtigung der vorliegenden Informationen nach Maßgabe der vergaberechtlichen Vorschriften in eigener Verantwortung über den Ausschluss eines Unternehmens von der Teilnahme an dem Vergabeverfahren.

(9) Die öffentlichen Auftraggeber nach § 1 Abs. 4 melden ihnen vorliegende Informationen hinsichtlich schwerer Verfehlungen von Unternehmen nach Abs. 2 zwecks Prüfung und Erfassung an die Informationsstelle.