1. Beschaffungsrecht als Teil des Haushaltsrechts (nationale Vergaben), Vergabeerlass Hessen

1.1 Anwendung VOL/A Abschnitt 1 und VOB/A Abschnitt 1

Soweit das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG) vom 19.12.2014 (GVBl. I S. 354) und dieser Gemeinsame Runderlass nichts anderes bestimmen, gelten als einheitliche Richtlinien nach § 55 Abs. 2 LHO und als Vergabegrundsätze nach § 29 Abs. 2 GemHVO für alle Beschaffungsverfahren außerhalb des EU-Vergaberegimes der §§ 97 ff. GWB folgende Bestimmungen:

a. Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) – Ausgabe 2009 –, Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen (VOL/A),  Abschnitt 1: Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen vom 20.11.2009 (BAnz. Nr. 196a vom 29.12.2009, berichtigt am 26.02.2010 (BAnz. S. 755),

b. Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) – Ausgabe 2012, Teil A: Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen (VOB/A), Abschnitt 1: Basisparagrafen vom 31.07.2009 (BAnz. Nr. 155a vom 15.10.2009), berichtigt am 19.02.2010 (BAnz. S. 940), zuletzt geändert am 26.06.2012 (BAnz AT 13.07.2012 B3).  Soweit ein Interessenbekundungsverfahren nach § 10 Abs. 4 und 5 HVTG durchgeführt wird, ersetzt es die Vorabbekanntmachung nach § 19 Abs. 5 VOB/A. Im Übrigen ist § 19 Abs. 5 VOB/A – Vorabbekanntmachung über Beschränkte Ausschreibungen – zur Anwendung freigestellt.

 

1.2 Beschaffungen bis 10.000 Euro[1]

Beschaffungen bis zu 10.000 Euro können ohne Pflicht

  • zur Einholung von förmlichen Angeboten bei Lieferleistungen durchgeführt werden. Ab einem Auftragswert von 7.500 Euro sind grundsätzlich zwei weitere Preise zu ermitteln (z. B. durch Internetrecherche oder fernmündliche Preisabfrage);
  • zur Einholung von Vergleichsangeboten bei Bau- und Dienstleistungen durchgeführt werden.

Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind zu beachten. Die Beschaffungen sind zu dokumentieren.

 

1.3 Freihändige Vergaben

Bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen ist über § 3 Abs. 5 VOL/A Abschnitt 1 hinaus eine Freihändige Vergabe auch möglich, wenn es sich  

  • um Leistungen handelt, die besondere schöpferische Fähigkeiten verlangen,
  • um Börsenwaren handelt oder
  • um eine vorteilhafte Gelegenheit handelt.

Eine vorteilhafte Gelegenheit liegt vor, wenn durch die Freihändige Vergabe offenkundig eine wirtschaftlichere Bedarfsdeckung möglich ist als dies bei Anwendung der Öffentlichen oder Beschränkten Ausschreibung möglich wäre.

 

1.4 Interessenbekundungsverfahren

Ergänzend zu der Regelung des Interessenbekundungsverfahrens nach § 10 Abs. 4 und 5 HVTG gilt, dass in der Bekanntmachung eine Mindestzahl und – soweit gewollt – auch eine Höchstzahl der im weiteren Verfahren zu berücksichtigenden geeigneten Bewerber anzugeben sind. Die Mindestzahl soll nicht unter drei liegen. Öffentliche Auftraggeber können bereits bekannte, geeignete Bieter berücksichtigen („setzen“). Sollte mehr als ein Bieter gesetzt werden, so erhöht sich die Mindestzahl entsprechend der Anzahl der gesetzten Bieter. Soweit keine Höchstzahl angegeben wird, steht es im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers, nach Eingang der Bewerbungen über die Anzahl der maximal aufzufordernden Bieter zu entscheiden. Bewerbungen nach Ablauf der Frist werden nicht berücksichtigt. Soweit Bewerber über eine Ablehnung ihrer Bewerbung informiert werden möchten, hat dies unverzüglich nach abgeschlossener Prüfung durch den öffentlichen Auftraggeber zu geschehen. Bezüglich der Angabe der Gründe für die Nichtberücksichtigung gelten § 19 Abs. 2 VOB/A, § 19 Abs. 1 VOL/A.

 

1.5 Benennung geeigneter Bewerber

Soweit öffentliche Auftraggeber die Benennung geeigneter Bewerber bei Beschränkter Ausschreibung und Freihändiger Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen wünschen, benennt die Auftragsberatungsstelle Hessen e.V. – ABSt He –  Bierstadter Straße 9, 65189 Wiesbaden, Telefon: +49 (0)611 974588-0, Fax: +49 (0)611) 974588-20 info@absthessen.de; www.absthessen.de kostenfrei präqualifizierte Unternehmen aus dem Hessischen Präqualifikationsregister (HPQR) als Maßnahme eines wirksamen Beschaffungswettbewerbs und zur Vorbeugung illegaler Vergabepraktiken.

Die Eignung für den konkreten Auftrag ist gesondert zu prüfen. Die ABSt He übernimmt keine Haftung für die ordnungsgemäße Ausführung der Leistung des auftragnehmenden Unternehmens.

 

1.6     Berücksichtigung von Werkstätten für behinderte Menschen, Blindenwerkstätten und Integrationsunternehmen

Bei Aufträgen, die von anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, Blindenwerkstätten und Integrationsunternehmen ausgeführt werden können, werden diese bevorzugt zur Abgabe von Angeboten aufgefordert. Solange die von der Bundesregierung zu erlassenden allgemeinen Verwaltungsvorschriften nach §141 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nicht vorliegen, kann wie folgt verfahren werden:

Anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen nach §§ 136 Abs. 1, 142 SGB IX und anerkannte Blindenwerkstätten im Sinne des § 143 SGB IX sowie Integrationsunternehmen nach § 132 SGB IX können in einem eigenen Wettbewerbsverfahren untereinander antreten.

 

1.7     Soweit ein Wettbewerbsverfahren nicht auf die vorgenannten bevorzugten Bieter beschränkt werden soll, kann deren Angebotspreis bei der Wertung mit einem Abschlag von 15 % berücksichtigt werden. Diese Bevorzugungsregelung muss in der Bekanntmachung und in den Vergabeunterlagen angegeben werden.

 

1.8     Nachprüfungsverfahren (VOB-Stellen)

Nachprüfungsstellen nach § 21 VOB/A – VOB-Stellen –sind für die Bau-Vergabeverfahren der Geschäftsbereiche:

 

a. Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen (LBIH)  und Technische Universität (TU) Darmstadt

Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main – Referat Vergabe- und Vertragsangelegenheiten – Zum Gottschalkhof 3, 60594 Frankfurt am Main, Telefon: +49(0)69-58303-0 poststelle@ofd.hessen.de

 

b. Landesstraßenbau

Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement – VOB-Stelle, Wilhelmstraße 10, 65185 Wiesbaden, Postfach 32 27, 65022 Wiesbaden, Telefon: +49 (0)611 366-3385 (0), Fax: +49(0)611 366-3435; vobstelle@mobil.hessen.de

 

c. Andere Beschaffungsstellen in Hessen, soweit diese nach Landeshaushaltsrecht (einschließlich Zuwendungsbedingungen und Teilnehmergemeinschaften in Flurbereinigungsverfahren) oder kommunalem Haushaltsrecht zur Anwendung der VOB/A Abschnitt 1 verpflichtet sind, je nach Ort des Bauvorhabens:

  • Regierungspräsidium Darmstadt, VOB-Stelle, Wilhelminenstraße 1- 3, 64283 Darmstadt, Postfach, 64278 Darmstadt, Telefon: +49 (0)6151 12-6348 (0), Fax: +49 (0)6151 12-5816; vobstelle@rpda.hessen.de
  • Regierungspräsidium Gießen, VOB-Stelle, Landgraf-Philipp-Platz 3 – 7, 35390 Gießen, Postfach 10 08 51, 35338 Gießen, Telefon: +49 (0)641 303-2331 (0), Fax: +49 (0)641) 303-2197; vobstelle@rpgi.hessen.de
  • Regierungspräsidium Kassel, VOB-Stelle, Steinweg 6, 34117 Kassel, Postfach, 35112 Kassel, Telefon: +49 (0)561) 106-3222 (0), Fax: +49 (0)561) 106-1643 vobstelle@rpks.hessen.de

Die VOB-Stellen der Regierungspräsidien beraten kostenlos die öffentlichen Auftraggeber des Landes und der Kommunen in allen Fragen der VOB/A Abschnitt 1. Nach Ermessen der VOB-Stellen können Fragen zum Europäischen Vergaberecht behandelt werden, soweit das zur Vermeidung von Streitverfahren und EU-Vertragsverletzungsverfahren dienlich und mit dem förmlichen Nachprüfungsrecht der §§ 107 ff. GWB vereinbar ist. Sie können Zuwendungsnehmer, die zur Einhaltung vergaberechtlicher Bestimmungen verpflichtet sind, beraten.

d. Soweit in diesem Erlass nichts anderes geregelt ist, können Landesbetriebe, landesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts, der Landeswohlfahrtsverband (LWV) und andere der Staats- oder Rechtsaufsicht des Landes unterstehende Körperschaften und Anstalten die nach § 21 VOB/A Abschnitt 1 zuständige Nachprüfungsstelle (VOB-Stelle) im eigenen Geschäftsbereich selbst bestimmen. Sie muss unabhängig von der Vergabestelle sein.

[1] Alle Auftragswerte gelten ohne Umsatzsteuer.