17 Unzuverlässige Bewerber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge VV Korruptionsprävention RLP

17.1 Regelungen der Vergabe- und Vertragsordnungen

Die Zuverlässigkeit von Bewerbern und Bietern ist wesentliches Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Haben Unternehmen nachweislich eine schwere Verfehlung begangen, die ihre Zuverlässigkeit in Frage stellt, können sie von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden. Diese Grundsätze gelten bei Vergaben aller öffentlichen Aufträge.

 

17.2 Schwere Verfehlungen

Schwere Verfehlungen in diesem Sinne sind, unabhängig von der Beteiligungsform, insbesondere

  • das Anbieten, Versprechen oder Gewähren von Vorteilen an Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete, die bei der Vergabe oder Ausführung von Aufträgen mitwirken (Bestechung oder Vorteilsgewährung)
  • schwerwiegende Straftaten, die im Geschäftsverkehr begangen worden sind, u. a. Betrug, Untreue, Urkundenfälschung, wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen sowie
  • Verstöße gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), u. a. Beteiligung an Absprachen über Preise oder Preisbestandteile, verbotene Preisempfehlungen, Beteiligung an Empfehlungen oder Absprachen über die Abgabe oder Nichtabgabe von Angeboten sowie über die Gewinnbeteiligung und Abgaben anderer Bewerber.

Eine schwere Verfehlung liegt auch vor, wenn Bewerber bzw. Unternehmen Personen, die Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst Verpflichteten nahe stehen, unerlaubte Vorteile anbieten, versprechen oder gewähren. Amtsträger in diesem Sinne kann dabei auch der sein, der dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der Organisationsform wahrzunehmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB). Hierzu können auch freiberuflich Tätige zählen.

Die Lieferung konkreter Planungs- und Ausschreibungshilfen mit dem Ziel, den Wettbewerb zu unterlaufen, stellt ebenfalls eine schwere Verfehlung dar.

 

17.3 Nachweis der Verfehlung

Eine Verfehlung gilt insbesondere dann als nachgewiesen, wenn sie zu einer gerichtlichen Verurteilung geführt hat, unbestritten ist oder ein Geständnis in einem Ermittlungsverfahren vorliegt. Bei Verstößen gegen das GWB kommen für den Nachweis die Feststellungen der Kartellbehörde und deren Unterlagen, insbesondere Bußgeldbescheide in Betracht. Inwieweit Ermittlungsunterlagen der Staatsanwaltschaft zum Anlass für den Ausschluss von Bewerbern oder Unternehmen genommen werden können, ist vom Vorliegen beweiskräftigen Materials abhängig. Verdachtsmomente allein können nicht ausschlaggebend sein. Im Übrigen kommen für die Beurteilung des Sachverhalts alle geeigneten Feststellungen, z. B. in Haftbefehlen, von Rechnungsprüfungsbehörden, einer Innenrevision, beauftragter Gutachter sowie Feststellungen der auftragsvergebenden Dienststellen in Betracht.

 

17.4 Ausschluss von der Teilnahme am Wettbewerb

Bewerber oder Bieter, denen eine schwere Verfehlung nachgewiesen wurde, sind im Einzelfall von der Teilnahme am Wettbewerb auszuschließen, wenn die Verfehlung ihre Zuverlässigkeit für den zur Vergabe anstehenden Auftrag in Frage stellt. Führt die Prüfung des Sachverhalts zu dem Ergebnis, dass die Zuverlässigkeit des Bewerbers beeinträchtigt ist, so ist ein im Rahmen einer Öffentlichen Ausschreibung vorgelegtes Angebot nicht zu werten; bei Beschränkter Ausschreibung oder Freihändiger Vergabe ist der Bewerber nicht zur Angebotsabgabe aufzufordern. Er kann in diesem Fall auch nicht als Nachunternehmer oder als Mitglied einer Bietergemeinschaft am Wettbewerb teilnehmen.

Die Zuverlässigkeit eines Unternehmens, dem eine schwere Verfehlung nachgewiesen wurde, kann in der Regel dann als wieder hergestellt angesehen werden, wenn

  • das Unternehmen durch geeignete organisatorische und personelle Maßnahmen Vorsorge gegen die Wiederholung der Verfehlungen getroffen hat und
  • ein durch die Verfehlung entstandener Schaden ersetzt wurde oder eine verbindliche Anerkennung der Schadensersatzverpflichtung vorliegt.

 

17.5 Melde- und Informationsstelle

Beim Ministerium der Finanzen ist eine Melde- und Informationsstelle eingerichtet. Diese Stelle sammelt Informationen über Unternehmen, denen eine schwere Verfehlung nachgewiesen wurde. Dienststellen, die aus ihrem Vergabebereich Kenntnis von schweren Verfehlungen erlangen, melden die Unternehmen auf dem Dienstweg in schriftlicher oder elektronischer Form mit elektronischer Signatur laut Signaturgesetz an die Melde- und Informationsstelle beim Ministerium der Finanzen und unterrichten zugleich das betroffene Unternehmen über die Meldung, ihren Zweck und ihren wesentlichen Inhalt. Dies gilt nicht, wenn zu diesem Zeitpunkt die Zuverlässigkeit des Unternehmens wieder hergestellt ist.

Die Bestandteile der Meldung ergeben sich aus der Anlage 2 zu dieser Verwaltungsvorschrift.

Sofern die Meldung einen Einzelunternehmer betrifft, sind die Bestimmungen des Datenschutzes über personenbezogene Daten zu beachten (Landesdatenschutzgesetz in der jeweils geltenden Fassung, BS 204-1).

Die Melde- und Informationsstelle kann involvierte Dienststellen auch zu einer entsprechenden Meldung auffordern, wenn sie auf anderem Wege Kenntnis von einem Sachverhalt erlangt, der eine Aufnahme des Unternehmens in das Verzeichnis zu rechtfertigen scheint.

Zu melden ist auch die Wiederherstellung der Zuverlässigkeit von erfassten Unternehmen aufgrund von geeigneten, zu bezeichnenden Maßnahmen der Unternehmen. Ist die Zuverlässigkeit eines Unternehmens wieder hergestellt, werden alle gesammelten Informationen vernichtet. Im Übrigen werden die erfassten Informationen nach Ablauf von drei Jahren seit der Meldung vernichtet.

Auftragsvergebende Dienststellen können die Informationen über erfasste Unternehmen unmittelbar bei der Melde- und Informationsstelle abfragen. Das Muster einer Vergabeanfrage ist als Anlage 3 beigefügt. Die Vergabeanfrage kann auch elektronisch übermittelt werden. Das Muster ist auf der Internet-Homepage des Ministeriums der Finanzen abgelegt. Dienststellen, die nicht über einen Internet-Browser verfügen, können ein Text-Dokument per eMail an die Melde- und Informationsstelle senden. Der Vordruck kann formlos per eMail bei der Melde- und Informationsstelle angefordert werden. Die Melde- und Informationsstelle antwortet in diesen Fällen in der Regel ebenfalls per eMail.

Sollten für die Entscheidung dieser Vergabestelle weitere Auskünfte erforderlich sein, so wird die Melde- und Informationsstelle einen Ansprechpartner bei der Dienststelle mitteilen, die den Sachverhalt gemeldet hat.

Bei geplanten Vergaben von Dienstleistungsaufträgen mit einem Wert von über 15.000 EUR (bei Dauerschuldverhältnissen der Jahresbetrag), von Lieferaufträgen mit einem Wert von über 25.000 EUR und Bauaufträgen von über 50.000 EUR hat die Vergabestelle vor der Vergabe bei der Melde- und Informationsstelle nachzufragen, ob Informationen über ein für die Vergabe in Betracht kommendes Unternehmen vorliegen. Bei geplanten Vergaben unterhalb der genannten Wertgrenzen steht die Anfrage im pflichtgemäßen Ermessen der Vergabestelle.

 

17.6 Entscheidung über den Ausschluss vom Wettbewerb

Jede Dienststelle entscheidet im Rahmen des konkreten Vergabeverfahrens eigenverantwortlich auch darüber, ob ein Unternehmen vom Wettbewerb ausgeschlossen werden soll. Die Auskünfte der Melde- und Informationsstelle sollen diese Entscheidung erleichtern.

Soll einem Unternehmen ein Auftrag erteilt werden, obwohl Informationen vorliegen, die Zweifel an seiner Zuverlässigkeit begründen, so hat die auftragsvergebende Dienststelle die Gründe hierfür aktenkundig zu machen.