Begründung zu § 108 Abs. 6 GWB (Ausnahmen bei öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit)

§ 108 Absatz 6 betrifft die Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr öffentlichen Auftraggebern auf horizontaler Ebene (oftmals auch interkommunale Kooperation genannt) und dient der Umsetzung des Artikel 12 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU. Anders als in den Absätzen 1 bis 5 fehlt es in diesen Fällen an einem Über-/Unterordnungsverhältnis und der damit verbundenen Kontrolle des Auftraggebers über den Auftragnehmer. Stattdessen soll § 108 Absatz 6 öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit einräumen, öffentliche Dienstleistungen unter bestimmten Voraussetzungen gemeinsam im Wege der Zusammenarbeit zu erbringen, ohne dass das Vergaberecht zur Anwendung kommt.

Aufträge für die gemeinsame Erbringung öffentlicher Dienstleistungen sollen nach § 108 Absatz 6 dann von der Anwendung des Vergaberechts ausgenommen sein, wenn die Aufträge ausschließlich zwischen öffentlichen Auftraggebern geschlossen werden, die Durchführung dieser Zusammenarbeit ausschließlich von Erwägungen des öffentlichen Interesses bestimmt wird und kein privater Dienstleister einen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern erhält (siehe im Einzelnen Erläuterungen zu Nummer 1 bis 3). Im Wesentlichen kodifizieren die EU-Richtlinien damit die Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Urteil vom 13.6.2013, Rs. C-386/11, „Piepenbrock“; EuGH, Urteil vom 19.12.2012, Rs. C-159/11, „Lecce“ und EuGH, Urteil vom 9.6.2009, Rs. C-480/06, „Kommission/Deutschland“).

Unerheblich ist nach § 108 Absatz 6, ob an den öffentlichen Auftraggebern nach § 99 Nummer 1 bis 3 eine private Kapitalbeteiligung besteht. Sofern der Auftrag ausschließlich zwischen öffentlichen Auftraggebern nach § 99 Nummer 1 bis 3 geschlossen wird und die übrigen Voraussetzungen des § 108 Absatz 6 Nummer 1 bis 3 erfüllt sind, können somit auch öffentliche Auftraggeber mit einer privaten Kapitalbeteiligung die Ausnahmeregelung für die horizontale Zusammenarbeit in Anspruch nehmen.