Begründung zu § 110 Abs. 1 GWB (Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen, die verschiedene Leistungen zum Gegenstand haben)

§ 110 Absatz 1 dient der Umsetzung von Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 1 und Absatz 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU sowie von Artikel 5 Absatz 1 Unterabsatz 1 und Absatz 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 20 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/23/EU. Die Vorschrift betrifft gemischte Aufträge und Konzessionen, die unterschiedliche Leistungen (Liefer-, Bau-, Dienstleistungen) zum Gegenstand haben. Bislang war die Abgrenzung in den Richtlinien 2004/18/EG und 2004/17/EG für Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen nicht einheitlich geregelt. Die Abgrenzung zwischen Lieferleistungen und Dienstleistungen erfolgte nach dem Wert (Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe d) Unterabsatz 2 der Richtlinie 2004/18/EG und 2004/17/EG), während sich die Abgrenzung zwischen Dienstleistungen und Bauleistungen nach dem Hauptgegenstand des Auftrags
richtete (Erwägungsgrund 10 der Richtlinie 2004/18/EG und Erwägungsgrund 16 der Richtlinie 2004/17/EG). Umgesetzt wurde diese Abgrenzung im bisherigen § 99 Absatz 10 GWB. Für gemischte Aufträge aus sogenannten A- und B-Dienstleistungen richtete sich die Abgrenzung in Artikel 22 der Richtlinie 2014/18/EG nach dem höchsten Wert der jeweiligen Dienstleistungen. Bislang geregelt war die Abgrenzung in § 4 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 VgV. Nunmehr bestimmen sich die für die Gesamtvergabe anwendbaren Vorschriften einheitlich nach dem Hauptgegenstand des Auftrags oder der Konzession.

Der Unionsgesetzgeber stellt im Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 2014/24/EU und Erwägungsgrund 10 der Richtlinie 2014/25/EU heraus, dass ein Auftrag nur dann als öffentlicher Bauauftrag gelten sollte, wenn er speziell die Ausführung der in Anhang II der Richtlinie 2014/24/EU bzw. Anhang I der Richtlinie 2014/25/EU aufgeführten Tätigkeiten zum Gegenstand hat, und zwar auch dann, wenn er sich auf andere Leistungen erstreckt, die für die Ausführung dieser Tätigkeiten erforderlich sind. Öffentliche Dienstleistungsaufträge, insbesondere im Bereich der Grundstücksverwaltung, können unter bestimmten Umständen Bauleistungen umfassen. Sofern diese Bauleistungen jedoch nur Nebenarbeiten im Verhältnis zum Hauptgegenstand des Vertrags darstellen und eine mögliche Folge oder eine Ergänzung des Letzteren sind, rechtfertige die Tatsache, dass der Vertrag diese Bauleistungen
umfasst, nicht eine Einstufung des öffentlichen Dienstleistungsauftrags als öffentlicher Bauauftrag. Abschließend stellt der Unionsgesetzgeber klar, dass angesichts der für die öffentlichen Bauaufträge kennzeichnenden Vielfalt der Aufgaben die öffentlichen Auftraggeber sowohl die getrennte als auch die gemeinsame Vergabe von Aufträgen für die Planung und die Ausführung von Bauleistungen vorsehen können. Die EU-Vergaberichtlinien bezweckten nicht, eine gemeinsame oder getrennte Vergabe vorzuschreiben.