Zum öffentlichen Auftragswesen existieren in Deutschland keine einheitlichen und belastbaren Daten. Ebenso fehlt ein einheitliches Erhebungs- und Auswertungsinstrument. Derzeit melden die einzelnen Vergabestellen verschiedene Daten in sehr unterschiedlicher Form und Vollständigkeit im Rahmen der bestehenden Regelungen an das für Meldungen an die EU-Kommission zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Aufgrund des fehlenden Datenmaterials sind derzeit valide Aussagen zum öffentlichen Beschaffungswesen in Deutschland
nur eingeschränkt möglich. Weder das Gesamtvolumen der öffentlichen Beschaffungen in Deutschland noch die Zahl der Vergabestellen kann zuverlässig angegeben werden.
Schätzungen gehen von einem Volumen der jährlich durch die Behörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden vergebenen öffentlichen Aufträge zwischen 160 und 360 Milliarden Euro aus. Das entspricht je nach Schätzung einem Anteil von rund 5,9 beziehungsweise von rund 13,2 Prozent am Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik Deutschland. Die vergebenen öffentlichen Aufträge haben daher erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Deutschland. Eine abschließend valide Datenlage für die Bundesrepublik Deutschland existiert allerdings zurzeit nicht. Das Fehlen valider Daten über vergebene öffentliche Aufträge gefährdet insofern den gezielten und damit auch den wirtschaftlichen Einsatz von Haushaltsmitteln. Daneben lässt die mangelhafte Datenlage keine Wertungen zu, inwieweit strategische Ziele beim öffentlichen Einkauf verfolgt werden und inwieweit ein rationaler, am effizienten und effektiven Einsatz von Steuermitteln orientierter staatlicher Einkauf gewährleistet ist. Die zu übermittelnden Daten sind unverzichtbar für die Beobachtung des Einkaufsverhaltens
der öffentlichen Hand sowie für die Vorbereitung und Kontrolle gesetzgeberischer und strategischer Entscheidungen, Maßnahmen und Planungsvorhaben. Zudem sind Daten über die vergebenen öffentlichen Aufträge sowohl für die öffentliche Hand als auch für die als Bieter an Vergabeverfahren teilnehmenden Wirtschaftsunternehmen hilfreich oder sogar erforderlich.
Ferner enthalten die EU-Richtlinien 2014/23/EU mit Artikel 45 Absatz 3, 2014/24/EU mit Artikel 83 Absatz 3 und Artikel 85 sowie 2014/25/EU mit Artikel 99 Absatz 3 und Artikel 101 mehrere Berichtspflichten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Europäischen Kommission. In Satz 1 wird daher eine Verpflichtung aller Auftraggeber im Sinne des § 98 aufgenommen, die für die Gewinnung flächendeckender Daten zum Vergabewesen unterhalb und oberhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte erforderlichen Daten an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu übermitteln.
Die Einbeziehung der öffentlichen Aufträge unterhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte ist notwendig und erforderlich, um einen hohen Grad an Genauigkeit der erhobenen Daten sicherzustellen. Zahl und Wert der öffentlichen Auftragsvergaben unterhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte sind so umfangreich, dass fehlende Daten zu diesen öffentlichen Auftragsvergaben die Berechnung der gesamtstaatlichen Ausgaben und deren Zuordnung zu bestimmten Lieferungs- beziehungsweise Leistungsgruppen sowie die Planung von Investitionen beeinträchtigen
würden.
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes – auch im Hinblick auf die Einbeziehung der öffentlichen Aufträge unterhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte – beruht auf Artikel 73 Absatz 1 Nummer 11 des Grundgesetzes (Statistik für Bundeszwecke). Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie beabsichtigt, die statistische Aufbereitung der übermittelten Daten gemäß § 8 Absatz 1 des Bundesstatistikgesetzes dem Statistischen Bundesamt zu übertragen. Dies soll der Gewinnung allgemein akzeptierter Daten über das Einkaufsverhalten der Auftraggeber
im Sinne des § 98 dienen. In der Bundesrepublik Deutschland existiert zurzeit keine Statistik zum öffentlichen Auftragswesen und somit auch keine valide Datenlage zu diesem. Die Bundesregierung arbeitet seit mehreren Jahren intensiv an einer Verbesserung der Datenlage, denn erst valide Daten ermöglichen es dem Gesetzgeber, das Vergaberecht den tatsächlichen Bedürfnissen der Auftraggeber und der Wirtschaft anzupassen. Die Erhebung dieser Daten schafft außerdem die notwendigen Voraussetzungen, damit die Bundesrepublik Deutschland ihre Berichtspflichten gegenüber der Europäischen Kommission erfüllen kann, die sich aus den neuen EUVergaberichtlinien ergeben. Derartige Berichtspflichten bestehen auch in Bezug auf öffentliche Auftragsvergaben unterhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte. Die an die Europäische Kommission diesbezüglich zu übermittelnden Schätzwerte können nur auf der Basis valider Daten zur Gesamtheit der Vergaben zuverlässig gewonnen werden. Diese Daten müssen daher zumindest die Zahl der vergebenen Aufträge, die Art und Menge der jeweils vergebenen Leistung und die entsprechenden Auftragswerte für öffentliche Aufträge bzw. Vertragswerte für Konzessionen umfassen. Die Zahl der vergebenen Aufträge wird im Rahmen der Aufbereitung der übermittelten Daten errechnet. Eine auf einer Zufallsauswahl beruhende ex-ante-Erhebung von Daten zu öffentlichen Auftragsvergaben unterhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte wäre unverhältnismäßig aufwändig und würde nicht zu einer validen Datengrundlage führen. Zahl und Wert der öffentlichen Auftragsvergaben unterhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte sind zudem so beträchtlich, dass ihre Nichtberücksichtigung die Informationsgrundlage stark verzerren würde. Eine bundesgesetzliche Regelung ermöglicht es, einheitliche Vorgaben für die Datenerhebung bei allen Auftraggebern im Sinne des § 98 zu machen. Das ist insbesondere im Hinblick auf die besondere Bedeutung des öffentlichen Einkaufs für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Erfüllung der verschiedenen Berichtspflichten sinnvoll und erforderlich.
Satz 2 bestimmt, dass die von den Auftraggebern an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zu übermittelnden Daten zu vergebenen Aufträgen oberhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte höchstens eine Teilmenge der mithilfe der Vergabe- und Zuschlagsbekanntmachungen elektronisch an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union zu übermittelnden Daten umfassen. Diese Daten werden automatisch und vollelektronisch übermittelt. Den Auftraggebern entsteht durch die Datenübermittlung kein Erfüllungsaufwand.
Satz 3 begrenzt den Kreis der in Bezug auf Vergaben unterhalb der jeweils geltenden Schwellenwerte zur Datenübermittlung Verpflichteten auf öffentliche Auftraggeber gemäß § 99. Betroffen sind damit ausschließlich Vergaben von Liefer-, Bau- und Dienstleistungen. Außerdem regelt Satz 3, dass auf dem Verordnungswege eine Bagatellgrenze eingeführt wird, unterhalb derer keine Daten zu Auftragsvergaben zu übermitteln sind. Schließlich grenzt Satz 3 die zu übermittelnden Daten auf Daten zur Art und zur Menge der vergebenen Liefer-, Bau- und Dienstleistungen sowie zum Wert des jeweils erfolgreichsten Angebots ein.
Eine Mengenangabe ist nur bei solchen Lieferungen und Leistungen zu übermitteln, die eindeutig der Stückzahl nach quantifizierbar sind. Abhängig von der jeweils vergebenen Leistung ist bei der Mengenangabe auf einzelne Liefer- und Leistungseinheiten, z. B. bei Kraftfahrzeugen oder Rechentechnik, oder auf handelsübliche Abpackungen, z. B. bei Büroverbrauchsmaterial oder Sanitär- und Reinigungsbedarf, abzustellen. Schüttgüter oder andere Liefergegenstände, die nach Gewichts- oder Volumeneinheiten bemessen werden (z. B. in Kilogramm,
Tonnen oder Kubikmetern), sind nicht der Menge nach anzugeben, sondern als eine Lieferung zu werten. Dasselbe gilt für Liefergegenstände, die zwar eindeutig der Stückzahl nach quantifizierbar sind, jedoch ausschließlich zum Zweck der dauerhaften Verbindung mit einem Bauwerk erworben werden, z. B. Elektroinstallationsmaterial, Fenster, Stahlträger oder Türen. Vergebene Bau- und Dienstleistungen sind jeweils als eine Leistung zu werten.
Wertungsmaßstab ist hierbei das jeweils konkret in Bezug genommene Bauobjekt bzw. die jeweilige Art der Dienstleistung.
Die Einzelheiten der Datenübermittlung einschließlich des Umfangs der zu übermittelnden Daten und des Zeitpunkts des Inkrafttretens der entsprechenden Verpflichtungen sollen durch eine von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassende Rechtsverordnung geregelt werden. Satz 4 enthält daher eine entsprechende Ermächtigung für die Bundesregierung.