Begründung zu § 123 GWB (Zwingende Ausschlussgründe)

Die in § 123 und § 124 geregelten Ausschlussgründe legen fest, wann ein Bewerber oder Bieter im Rahmen der Auswahl der Teilnehmer eines Vergabeverfahrens von dem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden kann bzw. werden muss. Davon zu unterscheiden ist der Ausschluss eines Angebots, weil dieses beispielsweise formale Mängel aufweist; dazu werden Regelungen in der Vergabeverordnung getroffen.

§ 123 regelt, wann ein Unternehmen zwingend von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden muss. Bei Vorliegen eines zwingenden Ausschlussgrundes steht dem öffentlichen Auftraggeber kein Ermessen bei der Entscheidung zu, ob das Unternehmen ausgeschlossen wird. Damit setzt § 123 die Bestimmungen in Artikel 57 Absatz 1, 2 und 5 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU um. Da der Ausschluss eines Unternehmens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren in Grundrechte eingreifen kann, erfolgt nunmehr eine Regelung
im Gesetz.

Nur in Ausnahmefällen haben öffentliche Auftraggeber trotz des Vorliegens eines zwingenden Ausschlussgrundes die Möglichkeit bzw. sogar die Verpflichtung, von einem Ausschluss des Unternehmens abzusehen. Zum einen kann nach § 123 Absatz 5 bei zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses von einem Ausschluss abgesehen werden. Zum anderen ist ein Ausschluss dann nicht zulässig, wenn das Unternehmen eine erfolgreiche Selbstreinigung nach § 125 oder § 123 Absatz 4 Satz 2 durchgeführt hat.

Artikel 57 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU sieht einen Ausschluss eines Wirtschaftsteilnehmers für den Fall vor, dass „dieser Wirtschaftsteilnehmer“ wegen einer der aufgelisteten Straftaten rechtskräftig verurteilt worden ist. Das ist zum einen dann der Fall, wenn eine natürliche Person, deren Verhalten dem Wirtschaftsteilnehmer nach Artikel 57 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU zuzurechnen ist, verurteilt worden ist. Zum anderen liegt eine Verurteilung des Wirtschaftsteilnehmers im Sinne von Artikel 57 Absatz 1 der Richtlinie
2014/24/EU aber auch dann vor, wenn gegen das Unternehmen selbst eine Geldbuße nach § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten festgesetzt worden ist. Voraussetzung dafür ist, dass eine natürliche Person, deren Verhalten dem Unternehmen zuzurechnen ist, eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen hat, durch die Pflichten des Unternehmens verletzt worden sind oder das Unternehmen bereichert worden ist bzw. werden sollte. Die Richtlinie 2014/24/EU stellt nicht auf eine strafgerichtliche Verurteilung ab, sondern auf eine Verurteilung aufgrund einer Straftat; daher wird auch die Verurteilung eines Unternehmens nach § 30 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten
erfasst.

Artikel 57 Absatz 1 Unterabsatz 1 und Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU enthalten einen Katalog von Straftaten. Im Vergleich zur Richtlinie 2004/18/EG wurde dieser Katalog um terroristische Straftaten und Terrorismusfinanzierung sowie um Kinderarbeit und Menschenhandel ergänzt. Die Umsetzung in § 123 geht grundsätzlich nicht über die verpflichtenden Vorgaben der Richtlinie hinaus und zeichnet diese soweit wie möglich für das deutsche Recht nach. Insbesondere wurde davon abgesehen, solche Ausschlussgründe, die nach der Richtlinie 2014/24/EU  fakultativ sind, in § 123 als zwingende Ausschlussgründe zu gestalten oder nicht in der Richtlinie aufgeführte Straftaten in den Katalog des § 123 aufzunehmen. Angesichts der gravierenden Rechtsfolge des zwingenden Ausschlusses von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren darf die Festlegung obligatorischer Ausschlussgründe nicht weiter als unbedingt notwendig gehen. Bei nicht in § 123 aufgeführten Straftaten kann aber der fakultative Ausschlussgrund nach § 124 Absatz 1 Nummer 3 in Betracht kommen.