Begründung zu § 123 Abs. 3 GWB (Zwingende Ausschlussgründe)

§ 123 Absatz 3 regelt, wann das Verhalten einer wegen einer Straftat verurteilten natürlichen Person einem Unternehmen zugerechnet werden kann. Damit wird Artikel 57 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU umgesetzt.

Die Formulierung in Absatz 3 („für die Leitung des Unternehmens Verantwortlicher“) erfolgt in Anlehnung an § 30 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten: Diese Vorschrift regelt, wann aufgrund einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit einer natürlichen Person eine Geldbuße gegen eine juristische Person oder eine Personenvereinigung verhängt werden kann. Dabei enthält § 30 Absatz 1 Nummer 5 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten den Oberbegriff des relevanten Personenkreises, während die in § 30 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 des
Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten aufgelisteten Personen Unterfälle darstellen. Danach gehört zu den für die Leitung des Unternehmens verantwortlich handelnden Personen insbesondere, wer vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder Mitglied eines solchen Organs, Vorstand eines nicht rechtsfähigen Vereins oder Mitglied eines solchen Vorstands, vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder Generalbevollmächtigter ist oder wer in leitender Stellung Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter
einer juristischen Person, eines nicht rechtsfähigen Vereins bzw. einer rechtsfähigen Personengesellschaft ist.

Gemäß Artikel 57 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU findet die Verpflichtung zum Ausschluss eines Unternehmens auch dann Anwendung, wenn „die rechtskräftig verurteilte Person ein Mitglied im Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremium dieses Unternehmens ist oder darin Vertretungs-, Entscheidungs- oder Kontrollbefugnisse hat“. Das Wort „darin“ bezieht sich auf das Unternehmen insgesamt und nicht nur eingeschränkt auf das Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremium dieses Unternehmens. Ansonsten würde der
zweite Halbsatz weitgehend leerlaufen und insbesondere der Fall eines Prokuristen nicht erfasst werden, der eventuell nur für einen Teil der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens Prokura besitzt und nicht Mitglied eines Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremiums des Unternehmens ist. Auch Straftaten eines solchen Prokuristen sollten aber dem Unternehmen, für das der Prokurist tätig ist, zugerechnet werden können.

Durch die Formulierung in Absatz 3, dass nur Straftaten einer Person, die als „für die Leitung des Unternehmens Verantwortlicher gehandelt hat“, dem Unternehmen zugerechnet werden, wird klargestellt, dass ein Ausschluss eines Unternehmens vom Vergabeverfahren nur aufgrund von solchen (durch natürliche Personen begangenen) Straftaten erfolgen kann, die einen Unternehmensbezug aufweisen. Nur solche Straftaten können dem „Wirtschaftsteilnehmer“ im Sinne von Artikel 57 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU zugerechnet werden, mit der
Folge des zwingenden Ausschlusses des Unternehmens. Eine ausschließlich im privaten Zusammenhang stehende Straftat beispielsweise des Geschäftsführers eines Unternehmens, die keinen Bezug zur wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens aufweist, kann dagegen keinen Ausschlussgrund nach § 123 darstellen.