§ 123 Absatz 5 gibt öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit, ausnahmsweise von einem an sich zwingend vorgesehenen Ausschluss eines Unternehmens abzusehen, wenn dies aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses geboten ist. Damit wird von der nach Artikel 57 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU bestehenden Möglichkeit, eine Ausnahme vom zwingenden Ausschluss vorzusehen, Gebrauch gemacht. Diese Ausnahmeregelung ist eng auszulegen. Es reicht nicht, wenn die Teilnahme des Unternehmens, bei dem ein zwingender
Ausschlussgrund nach § 123 Absatz 1 vorliegt, aus Gründen des öffentlichen Interesses sinnvoll erscheint oder das Unternehmen einen günstigeren Preis geboten hatte, sondern seine Teilnahme muss aus zwingenden Gründen des öffentlichen Interesses geboten sein. Erwägungsgrund 100 der Richtlinie 2014/24/EU führt als Beispiel hierfür die Beschaffung dringend benötigter Impfstoffe an, die nur von einem Unternehmen erworben werden können, bei dem ein zwingender Ausschlussgrund vorliegt. Weniger eng formuliert ist die Ausnahmemöglichkeit
nach Absatz 5 Satz 2 – in Umsetzung von Artikel 57 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU – für den Fall einer Nichtentrichtung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen. Hierbei genügt es für die Möglichkeit einer Ausnahme vom zwingenden Ausschluss, wenn ein Ausschluss offensichtlich unverhältnismäßig wäre. Die Richtlinie führt in Artikel 57 Absatz 3 Unterabsatz 2 als Beispiele für eine solche offensichtliche Unverhältnismäßigkeit auf, dass nur geringfügige Beträge an Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen nicht
gezahlt wurden oder dass das Unternehmen im Zusammenhang mit der Zahlung von Steuern oder Sozialversicherungsbeiträgen so spät über den genauen geschuldeten Betrags unterrichtet wurde, dass es keine Möglichkeit hatte, die nachträgliche Zahlung vor dem Ablauf der Frist für die Beantragung der Teilnahme bzw. im offenen Verfahren der Frist für die Einreichung der Angebote durchzuführen.