Begründung zu § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB (Fakultative Ausschlussgründe)

§ 124 Absatz 1 Nummer 3 setzt Artikel 57 Absatz 4 Buchstabe c der Richtlinie 2014/24/EU um. Nummer 3 enthält den fakultativen Ausschlussgrund der „schweren Verfehlung“, der in der bisherigen Praxis eine wichtige Rolle als Auffangtatbestand einnimmt. Dieser Ausschlussgrund wird gegenüber der Formulierung in Artikel 45 Absatz 2 Buchstabe d der Richtlinie 2004/18/EG in der neuen Richtlinie insofern etwas eingeengt, als nunmehr die schwere Verfehlung des Unternehmens oder einer für das Unternehmen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit
handelnden Person die Integrität des Unternehmens infrage stellen muss. Eine schwere Verfehlung kommt bei der Verletzung gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen (z. B. auch bei der Verletzung von Auftragsausführungsbedingungen bei früheren öffentlichen Aufträgen) in  Betracht, die eine solche Intensität und Schwere aufweisen, dass der öffentliche Auftraggeber berechtigterweise an der Integrität des Unternehmens zweifeln darf. Im Regelfall dürften Verletzungen der Verpflichtung zu Vertraulichkeit und Sicherheit eine schwere Verfehlung im
Sinne des § 124 Absatz 1 Nummer 3 darstellen, durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird.

Der fakultative Ausschlussgrund nach Nummer 3 hat auch weiterhin eine Bedeutung als Auffangtatbestand, der neben den anderen fakultativen oder zwingenden Ausschlussgründen anwendbar sein kann, wenn deren Voraussetzungen nicht oder nur teilweise vorliegen. So kann eine schwere, die Integrität des Unternehmens beeinträchtigende Verfehlung nach Nummer 3 insbesondere auch dann in Betracht kommen, wenn hinsichtlich einer nach § 123 zu einem zwingenden Ausschlussgrund führenden Straftat noch keine rechtskräftige Verurteilung vorliegt (so auch Erwägungsgrund 101 der Richtlinie 2014/24/EU) oder wenn eine Straftat begangen wurde, die zwar
nicht in § 123 aufgeführt ist, aber durch die die Integrität des Unternehmens infrage gestellt wird.