Begründung zu § 124 GWB (Fakultative Ausschlussgründe)

§ 124 regelt, wann ein Unternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausgeschlossen werden kann.

Das betrifft insbesondere den Fall eines schwerwiegenden beruflichen Fehlverhaltens, das die Integrität eines Unternehmens infrage stellt und das zum Ausschluss führen kann, selbst wenn die Eignung nach § 122 ansonsten gegeben ist. Dabei besteht bei § 124 – anders als bei Vorliegen eines zwingenden Ausschlussgrundes nach § 123 – ein Ermessen des öffentlichen Auftraggebers, ob er das Unternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließt. Es handelt sich hier nicht nur um ein Beurteilungsermessen des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich des Vorliegens des Ausschlussgrundes, sondern auch um einen Ermessensspielraum hinsichtlich des „Ob“ des Ausschlusses, dann wenn der fakultative Ausschlussgrund nachweislich vorliegt. Es steht im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers zu entscheiden, ob aufgrund des Fehlverhaltens des Unternehmens, das einen fakultativen Ausschlussgrund nach § 124 begründet, die Zuverlässigkeit des Unternehmens zu verneinen ist. Dabei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung dahingehend, ob von dem Unternehmen trotz des Vorliegens eines fakultativen Ausschlussgrundes im Hinblick auf die Zukunft zu erwarten ist, dass es den öffentlichen Auftrag gesetzestreu, ordnungsgemäß und sorgfältig ausführt. Im Einzelfall und abhängig von dem anwendbaren Ausschlussgrund kann das Ermessen des öffentlichen Auftraggebers auf Null reduziert sein, so dass nur ein Ausschluss ermessensfehlerfrei ist.

Die öffentlichen Auftraggeber haben bei der Anwendung fakultativer Ausschlussgründe insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Wie Erwägungsgrund 101 der Richtlinie 2014/24/EU ausführt, sollten daher kleinere Unregelmäßigkeiten nur in Ausnahmefällen zum Ausschluss eines Unternehmens führen; allerdings können wiederholte Fälle kleinerer Unregelmäßigkeiten einen Ausschluss rechtfertigen.

Scheitert ein zwingender Ausschluss eines Unternehmens am Fehlen bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen eines zwingenden Ausschlussgrundes, kann ein fakultativer Ausschluss nach § 124, insbesondere nach § 124 Absatz 1 Nummer 3, in Betracht kommen. Erwägungsgrund 101 der Richtlinie 2014/24/EU stellt klar, dass ein öffentlicher Auftraggeber ein schwerwiegendes berufliches Fehlverhalten eines Unternehmens auch dann bejahen – und ihn deswegen nach § 124 ausschließen – kann, wenn vor einer rechtskräftigen Entscheidung über das Vorliegen zwingender Ausschlussgründe Nachweise vorliegen, dass das Unternehmen gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat.