Begründung zu § 125 Abs. 2 GWB (Selbstreinigung)

Die Richtlinie 2014/24/EU überlässt es in Artikel 57 Absatz 7 Satz 1 – wie auch der Erwägungsgrund 102 ausdrücklich klarstellt – den Mitgliedstaaten, die genauen verfahrenstechnischen und inhaltlichen Bedingungen zu bestimmen, die für die Prüfung von Selbstreinigungsmaßnahmen gelten sollen. Gemäß Erwägungsgrund 102 soll es den Mitgliedstaaten insbesondere freistehen zu entscheiden, ob es den jeweiligen öffentlichen Auftraggebern überlassen wird, die einschlägigen Bewertungen vorzunehmen, oder ob sie diese Bewertungen anderen Behörden auf zentraler oder dezentraler Ebene überträgt.

Grundsätzlich muss jeder einzelne öffentliche Auftraggeber sowohl die Prüfung eines Ausschlusses aufgrund des Vorliegens von Ausschlussgründen als auch gegebenenfalls die Prüfung von durchgeführten Selbstreinigungsmaßnahmen in eigener Verantwortung vornehmen, denn beides gehört zusammen. Um den öffentlichen Auftraggebern die Prüfung durchgeführter Selbstreinigungsmaßnahmen und den Bietern den Nachweis einer erfolgreichen Selbstreinigung zu erleichtern, kommen verschiedene Wege in Betracht. So könnte die Prüfung durchgeführter Selbstreinigungsmaßnahmen in einem Land bei einzelnen Landesbehörden gebündelt werden. Ferner könnten Präqualifizierungsstellen hierbei eine entsprechende Funktion übernehmen. Es wäre aber etwa auch an die Möglichkeit einer Zertifizierung von Selbstreinigungsmaßnahmen durch eine unabhängige, dafür akkreditierte Stelle zu denken. Dabei würde das Unternehmen die Zertifizierung der von ihm durchgeführten Maßnahmen freiwillig beauftragen und die Anerkennung eines solchen Zertifikats würde im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers stehen.

Absatz 2 setzt Artikel 57 Absatz 6 Unterabsatz 3 der Richtlinie 2014/24/EU um. Bei der Bewertung, ob die ergriffenen Selbstreinigungsmaßnahmen ausreichend sind, um die Integrität des Unternehmens wiederherzustellen und ausreichende Garantien zu bieten, dass von ihm in Zukunft höchstwahrscheinlich keine Gefahr der Begehung von Straftaten oder eines Fehlverhaltens mehr ausgeht, ist danach der Einzelfall zu berücksichtigen. Dabei müssen sowohl die Schwere als auch die besonderen Umstände der Straftat oder des Fehlverhaltens im Hinblick auf den
zu vergebenden Auftrag Berücksichtigung finden. Es handelt sich um eine auf das konkrete Vergabeverfahren bezogene Prognoseentscheidung. Bei Vorliegen eines obligatorischen Ausschlussgrundes sind daher höhere Anforderungen an die Selbstreinigungsmaßnahmen zu stellen als bei Vorliegen eines fakultativen Ausschlussgrundes.

Je nachdem, um welchen Ausschlussgrund es sich handelt, werden die erforderlichen Selbstreinigungsmaßnahmen unterschiedlich sein. Ferner hängen die erforderlichen Selbstreinigungsmaßnahmen unter anderem davon ab, ob es sich um einen Einzelfall oder um systematisches Fehlverhalten handelt, wie hoch der entstandene Schaden ist und wieviel Zeit seit dem Delikt bzw. dem Fehlverhalten verstrichen ist.