Die Regelung in Artikel 57 Absatz 6 der Richtlinie 2014/24/EU zur Selbstreinigung stellt die erste Kodifizierung dieses Instruments auf europäischer Ebene dar. In Deutschland – wie in den meisten Mitgliedstaaten – gab es bisher keine gesetzliche Regelung zur Selbstreinigung. Die deutsche Rechtsprechung, unterstützt von der Literatur, hat aber die Möglichkeit einer Selbstreinigung zu einem allgemein akzeptierten Instrument entwickelt und die dafür zu erfüllenden Voraussetzungen herausgearbeitet. Diese Rechtsprechung und Literatur hat die Regelung
zur Selbstreinigung in der neuen europäischen Richtlinie mitgeprägt.
Unter Selbstreinigung sind Maßnahmen zu verstehen, die ein Unternehmen ergreift, um seine Integrität wiederherzustellen und eine Begehung von Straftaten oder schweres Fehlverhalten in der Zukunft zu verhindern. Liegt ein fakultativer oder obligatorischer Ausschlussgrund vor, ist das Unternehmen dennoch nicht vom Vergabeverfahren auszuschließen, wenn es ausreichende Selbstreinigungsmaßnahmen durchgeführt hat. Selbstreinigungsmaßnahmen, die eine Wiederherstellung der Zuverlässigkeit dauerhaft gewährleisten, haben bereits nach bisheriger
Rechtsprechung Einfluss auf die Prognoseentscheidung, ob ein Unternehmen als zuverlässig angesehen werden kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. April 2003 – Verg 43/02; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Juli 2004 – 11 Verg 6/04). Hat ein Unternehmen, bei dem ein Ausschlussgrund vorliegt, Maßnahmen ergriffen, die dazu führen, dass sich ein in der Vergangenheit liegendes Fehlverhalten höchstwahrscheinlich nicht wiederholen wird, darf aus dem Fehlverhalten nicht mehr die fehlende Zuverlässigkeit des Unternehmens für die Zukunft
abgeleitet werden. Es gibt dann keinen Grund mehr, das Unternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren auszuschließen.