Begründungen zu § 130 Abs. 1 GWB (Vergabe von öffentlichen Aufträgen über soziale und andere besondere Dienstleistungen)

§ 130 Absatz 1 Satz 1 eröffnet öffentlichen Auftraggebern bei der Vergabe öffentlicher Aufträge über soziale und andere besondere Dienstleistungen die Wahl zwischen offenem Verfahren, nicht offenem Verfahren, Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, wettbewerblichen Dialog und Innovationspartnerschaft. Künftig sollen öffentliche Auftraggeber hierbei zwischen den wettbewerblichen Verfahrensarten frei wählen dürfen. Das hat insbesondere zur Folge, dass die Zulassungsvoraussetzungen für das Verhandlungsverfahren und den wettbewerblichen
Dialog gemäß Artikel 26 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU keine Anwendung finden. Im Übrigen kommen die Vorschriften des Abschnitts 1 des Teils 4, Unterabschnitt 1 und 2, sowie die Verfahrensvorschriften der Vergabeverordnung grundsätzlich uneingeschränkt zur Anwendung. Artikel 76 Absatz 1 Satz 2 der Richtlinie 2014/24/EU setzt voraus, dass die anwendbaren Verfahrensregeln für soziale und andere besondere Dienstleistungen es den öffentlichen Auftraggebern ermöglichen, den Besonderheiten der jeweiligen Dienstleistungen
Rechnung zu tragen. Denn die von Artikel 74 ff. i. V. m. Anhang XIV der Richtlinie erfassten sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen können sehr unterschiedlich sein. Erfasst sind durch Anhang XIV der Richtlinie 2014/24/EU als soziale Dienstleistungen zum Beispiel die Arbeitsmarktdienstleistungen des Sozialgesetzbuchs II, III und IX, und als andere besondere Dienstleistungen die rechtsanwaltlichen Beratungsdienstleistungen ohne forensische Tätigkeit sowie Dienstleistungen des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes. Über die Auswahl
der Verfahrensart hinaus kann es zum Beispiel bei der Anwendung der Vorschriften zur Leistungsbeschreibung, der Eignungs- und Zuschlagskriterien sowie der Ausführungsbedingungen erforderlich sein, die besonderen Anforderungen an die Erbringung der jeweiligen sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen zu beachten.

Das bedeutet vor allem, dass abhängig von den Besonderheiten der jeweiligen sozialen und anderen besonderen Dienstleistungen und den unterschiedlichen Möglichkeiten zur Standardisierung dieser Dienstleistungen Qualitäts- und Nachhaltigkeitskriterien in unterschiedlichem Ausmaß zum Tragen kommen können. Je nach Möglichkeit zur Standardisierung von Leistungsanforderungen in der Leistungsbeschreibung können öffentliche Auftraggeber beispielsweise beim Zuschlag dem Preis unterschiedliches Gewicht gegenüber qualitativen Aspekten einräumen.
§ 130 Absatz 1 Satz 2 bestimmt, dass ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nur zur Verfügung steht, soweit dies aufgrund dieses Gesetzes gestattet ist. Somit müssen die in der Vergabeverordnung umzusetzenden Zulassungsvoraussetzungen für das Verhandlungsverfahren ohne vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb gemäß Artikel 32 der Richtlinie 2014/24/EU beachtet werden.