Erste Entscheidungen zur E-Vergabe – newsletter 05/2017

Seit der Vergaberechtsreform sind Vergabestellen verpflichtet, die Vergabeunterlagen kostenlos, elektronisch und uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen. Mit der ausschließlich elektronischen Kommunikation in Vergabeverfahren kommt es zu Fällen, die Probleme hinsichtlich der Erreichbarkeit, der Registrierung oder technischer Störungen bei der Angebotsabgabe beinhalten.

Zwar kann über die Analogie zum Briefkasten und zur postalischen Angebotsabgabe die bislang entwickelte Spruchpraxis zum (rechtzeitigen) Zugang von Angeboten grundsätzlich auf die E-Vergabe übertragen werden, es bleiben jedoch IT-spezifische Fragestellungen und Abgrenzungsfragen.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass das Verlangen nach einer elektronischen Registrierung für das Verfahren zulässig ist, vgl. § 9 Abs. 3 Satz 1 VgV. Der Zugang zur Auftragsbekanntmachung und zu den Vergabeunterlagen darf dabei aber gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 VgV nicht von einer Registrierung abhängig gemacht werden. Eine freiwillige Registrierung ist jedoch zulässig.

 

1.     VK Baden-Württemberg vom 30.12.2016 (1 VK 51/16) – inzwischen gegenstandslos, da sich die Parteien verglichen haben

Lässt die Vergabestelle die Einreichung von Angeboten ausschließlich über eine an das Internet angebundene Plattform zu (E-Vergabe) und ist es einem Bieter – aus Gründen, die allein aus der Sphäre der Vergabestelle stammen – unmöglich und unzumutbar, sein Angebot nur der Form nach rechtzeitig abzugeben, darf das Angebot deswegen nicht ausgeschlossen werden. Die Vergabestelle hat den elektronischen Zugang zu ihrem Vergabeverfahren derart auszugestalten und wie einen offenen Briefkasten zur Verfügung zu halten, sodass sich auch Bieter ohne eigene IT-Abteilung schrankenlos beteiligen können müssen.

Die Vergabekammer befasst sich insbesondere mit den Fragestellungen, welche Maßstäbe an eine E-Vergabeplattform als „offener Briefkasten“ anzulegen sind und welche Maßnahmen zur Angebotsabgabe einem Bieter zugemutet werden können.

Die Entscheidung finden Sie hier.

 

2.     VK Südbayern, Beschluss vom 17.10.2016 (Z3-3-3194-1-36-09/16)

Sind die Vergabeunterlagen über eine Plattform zu beziehen, für deren Zugang eine freiwillige Registrierung erforderlich ist, und hat ein Bieter hiervon Gebrauch gemacht, so muss ihn die Vergabestelle per E-Mail über Änderungen an den Vergabeunterlagen informieren. Die Vergabestelle trifft eine Obliegenheit, registrierte Unternehmen insbesondere dann über Änderungen der Vergabeunterlagen gesondert zu informieren, wenn zu befürchten sei, dass diese eine weitere Änderung nicht mehr mitbekommen, weil sie bspw. ihr Angebot schon abgegeben haben.

Die Entscheidung finden Sie hier.

 

Zusammenfassung zur Registrierung:

  • Sinn und Zweck der Registrierung ist es, die Erreichbarkeit von am Auftrag interessierten  Unternehmen sicherzustellen.
  • Die amtliche Begründung zu § 9 Abs. 3 VgV geht davon aus, dass eine freiwillige Registrierung den Unternehmen den Vorteil bietet, dass sie automatisch über Änderungen an den Vergabeunterlagen oder über Antworten auf Fragen zum Vergabeverfahren informiert werden.
  • Eine Holschuld besteht nur für Unternehmen, die sich nicht registrieren lassen.
  • Wird der Leistungsumfang kurzfristig geändert, besteht die erhöhte, vom Auftraggeber verursachte Gefahr, dass ein Bieter seinen Teilnahmeantrag schon hochgeladen hat und keine Notwendigkeit mehr sieht, sich erneut einzuloggen. In diesem Fall muss der Auftraggeber die registrierten Unternehmen zumindest (per E-Mail) auf die Änderung hinweisen.

Vergabestellen ist zu raten, alle elektronisch (z.B. auf einer Vergabeplattform) registrierten Bewerber zur Sicherheit immer per E-Mail über Änderungen an den Vergabeunterlagen zu informieren.