EuGH, Urteil vom 07.09.2023, C ‑ 601 / 21
Normen:
Art. 15 Abs. 2
Entscheidungstext:
In der Rechtssache C-601/21
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 28. September 2021,
Europäische Kommission, vertreten zunächst durch P. Ondrusek, M. Siekierzy?ska, A. Stobiecka-Kuik und G. Wils, dann durch G. Gattinara, P. Ondrusek, A. Stobiecka-Kuik und G. Wils als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna, E. Borawska-K?dzierska und M. Horoszko als Bevollmächtigte,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richter P. G. Xuereb, T. von Danwitz und A Kumin,
Generalanwalt: N. Emiliou,
Kanzler: C. Di Bella, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Dezember 2022,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. März 2023
folgendes
Urteil
1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 1 Abs. 1 und 3 sowie Art. 15 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. 2014, L 94, S. 65, berichtigt in ABl. 2022, L 192, S. 39) in Verbindung mit Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV verstoßen hat, dass sie in das polnische Recht Ausnahmen betreffend Aufträge für die Herstellung bestimmter Dokumente, Vordrucke und Zeichen aufgenommen hat, die in der Richtlinie 2014/24 nicht vorgesehen sind.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
2
Art. 1 der Richtlinie 2014/24 bestimmt:
„(1) Mit dieser Richtlinie werden Regeln für die Verfahren öffentlicher Auftraggeber bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Durchführung von Wettbewerben festgelegt, deren geschätzter Wert nicht unter den in Artikel 4 festgelegten Schwellenwerten liegt.
(2) Auftragsvergabe im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet den im Wege eines öffentlichen Auftrags erfolgenden Erwerb von Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen durch einen oder mehrere öffentliche Auftraggeber von Wirtschaftsteilnehmern, die von diesen öffentlichen Auftraggebern ausgewählt werden, unabhängig davon, ob diese Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen für einen öffentlichen Zweck bestimmt sind oder nicht.
(3) Die Anwendung dieser Richtlinie unterliegt Artikel 346 AEUV.
…“
3
In Art. 2 Abs. 1 Nrn. 6 und 9 dieser Richtlinie heißt es:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
…
6. ‚öffentliche Bauaufträge‘ öffentliche Aufträge mit einem der folgenden Ziele:
a) Ausführung oder sowohl die Planung als auch die Ausführung von Bauleistungen im Zusammenhang mit einer der in Anhang II genannten Tätigkeiten;
b) Ausführung oder sowohl die Planung als auch die Ausführung eines Bauvorhabens;
c) Erbringung einer Bauleistung durch Dritte – gleichgültig mit welchen Mitteln – gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber, der einen entscheidenden Einfluss auf die Art und die Planung des Vorhabens hat, genannten Erfordernissen;
…
9. ‚öffentliche Dienstleistungsaufträge‘ öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen, bei denen es sich nicht um die in Nummer 6 genannten handelt“.
4
In Art. 4 der Richtlinie sind die Schwellenwerte festgelegt, ab denen die Richtlinie anwendbar ist.
5
In Art. 12 („Öffentliche Aufträge zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors“) Abs. 1 der Richtlinie heißt es:
„Ein von einem öffentlichen Auftraggeber an eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts vergebener öffentlicher Auftrag fällt nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wenn alle der folgenden Bedingungen erfüllt sind:
a) Der öffentliche Auftraggeber übt über die betreffende juristische Person eine ähnliche Kontrolle aus, wie über seine eigenen Dienststellen;
b) mehr als 80 % der Tätigkeiten der kontrollierten juristischen Person dienen der Ausführung der Aufgaben, mit denen sie von dem die Kontrolle ausübenden öffentlichen Auftraggeber oder von anderen von diesem kontrollierten juristischen Personen betraut wurde und
c) es besteht keine direkte private Kapitalbeteiligung an der kontrollierten juristischen Person, mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die in Übereinstimmung mit den Verträgen durch nationale gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln.
…“
6
Art. 15 („Verteidigung und Sicherheit“) Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2014/24 sieht vor:
„(2) Liegt nicht bereits eine der in Absatz 1 genannten Ausnahmen vor, so findet diese Richtlinie keine Anwendung, soweit der Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen eines Mitgliedstaats nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen, zum Beispiel durch Anforderungen, die auf den Schutz der Vertraulichkeit der Informationen abzielen, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines Vergabeverfahrens im Sinne dieser Richtlinie zur Verfügung stellt, gewährleistet werden kann.
Ferner findet diese Richtlinie im Einklang mit Artikel 346 Absatz 1 Buchstabe a AEUV keine Anwendung auf öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die nicht anderweitig im Rahmen des Absatzes 1 des vorliegenden Artikels ausgenommen sind, soweit ein Mitgliedstaat mit der Anwendung dieser Richtlinie verpflichtet würde, Informationen zu übermitteln, deren Offenlegung nach seiner Auffassung seinen wesentlichen Sicherheitsinteressen zuwiderlaufen würde.
(3) Werden die Auftragsvergabe und die Ausführung des öffentlichen Auftrags oder Wettbewerbs für geheim erklärt oder erfordern sie nach den in einem Mitgliedstaat geltenden Rechts- oder Verwaltungsvorschriften besondere Sicherheitsmaßnahmen, so findet diese Richtlinie keine Anwendung, sofern der Mitgliedstaat festgestellt hat, dass die betreffenden wesentlichen Interessen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen, wie jene gemäß Absatz 2 Unterabsatz 1, gewährleistet werden können.“
7
In Art. 28 („Nichtoffenes Verfahren“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie heißt es:
„(1) Bei nichtoffenen Verfahren kann jeder Wirtschaftsteilnehmer auf einen Aufruf zum Wettbewerb hin … einen Teilnahmeantrag einreichen …
…
(2) Lediglich jene Wirtschaftsteilnehmer, die von dem öffentlichen Auftraggeber infolge seiner Bewertung der bereitgestellten Informationen dazu aufgefordert werden, können ein Angebot übermitteln. Die öffentlichen Auftraggeber können die Zahl geeigneter Bewerber, die zur Teilnahme am Verfahren aufgefordert werden, gemäß Artikel 65 begrenzen.
…“
8
Art. 29 („Verhandlungsverfahren“) Abs. 6 der Richtlinie bestimmt:
„Verhandlungsverfahren können in verschiedene aufeinander folgende Phasen unterteilt werden, um die Zahl der Angebote, über die verhandelt wird, anhand der in der Auftragsbekanntmachung, der Aufforderung zur Interessensbestätigung oder in anderen Auftragsunterlagen angegebenen Zuschlagskriterien zu verringern. …“
9
Art. 30 Abs. 4 der Richtlinie lautet:
„Der wettbewerbliche Dialog kann in verschiedene aufeinander folgende Phasen unterteilt werden, um die Zahl der in der Dialogphase zu erörternden Lösungen anhand der in der Bekanntmachung oder in der Beschreibung festgelegten Zuschlagskriterien zu verringern. In der Bekanntmachung oder Beschreibung gibt der öffentliche Auftraggeber an, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wird.“
10
Art. 42 der Richtlinie 2014/24 regelt, auf welche Art und Weise öffentliche Auftraggeber technische Spezifikationen formulieren und bei der Auswahl der Angebote berücksichtigen können. In Abs. 1 dieses Artikels heißt es:
„Die technischen Spezifikationen im Sinne von Anhang VII Nummer 1 werden in den Auftragsunterlagen dargelegt. In den technischen Spezifikationen werden die für die Bauleistungen, Dienstleistungen oder Lieferungen geforderten Merkmale beschrieben.
Diese Merkmale können sich auch auf den spezifischen Prozess oder die spezifische Methode zur Produktion beziehungsweise Erbringung der angeforderten Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen oder auf einen spezifischen Prozess eines anderen Lebenszyklus-Stadiums davon beziehen, auch wenn derartige Faktoren nicht materielle Bestandteile von ihnen sind, sofern sie in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen und zu dessen Wert und Zielen verhältnismäßig sind.
In den technischen Spezifikationen kann ferner angegeben werden, ob Rechte des geistigen Eigentums übertragen werden müssen.
…“
11
In Art. 58 („Eignungskriterien“) dieser Richtlinie heißt es:
„(1) Die Eignungskriterien können Folgendes betreffen:
a) Befähigung zur Berufsausübung;
b) wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit;
c) technische und berufliche Leistungsfähigkeit.
Die öffentlichen Auftraggeber können Wirtschaftsteilnehmern nur die in den Absätzen 2, 3 und 4 genannten Anforderungen an die Teilnahme auferlegen. Sie beschränken die Anforderungen auf jene, die zweckmäßig sind, um sicherzustellen, dass ein Bewerber oder Bieter über die rechtlichen und finanziellen Kapazitäten sowie die technischen und beruflichen Fähigkeiten zur Ausführung des zu vergebenden Auftrags verfügt. Alle Anforderungen müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und mit diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.
(2) Im Hinblick auf die Befähigung zur Berufsausübung können die öffentlichen Auftraggeber den Wirtschaftsteilnehmern vorschreiben, in einem Berufs- oder Handelsregister ihres Niederlassungsmitgliedstaats gemäß Anhang XI verzeichnet zu sein oder jedwede andere in dem Anhang genannte Anforderung… zu erfüllen.
…
(3) Im Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit können die öffentlichen Auftraggeber Anforderungen stellen, die sicherstellen, dass die Wirtschaftsteilnehmer über die erforderlichen wirtschaftlichen und finanziellen Kapazitäten für die Ausführung des Auftrags verfügen. Zu diesem Zweck können die öffentlichen Auftraggeber von den Wirtschaftsteilnehmern insbesondere verlangen, einen bestimmten Mindestjahresumsatz, einschließlich eines bestimmten Mindestumsatzes in dem vom Auftrag abgedeckten Bereich, nachzuweisen. Zusätzlich können die öffentlichen Auftraggeber verlangen, dass die Wirtschaftsteilnehmer Informationen über ihre Jahresabschlüsse mit Angabe des Verhältnisses z. B. zwischen Vermögen und Verbindlichkeiten bereitstellen. Sie können auch eine Berufshaftpflichtversicherung in geeigneter Höhe verlangen.
…
(4) Im Hinblick auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit können die öffentlichen Auftraggeber Anforderungen stellen, die sicherstellen, dass die Wirtschaftsteilnehmer über die erforderlichen personellen und technischen Ressourcen sowie Erfahrungen verfügen, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können.
Die öffentlichen Auftraggeber können von den Wirtschaftsteilnehmern insbesondere verlangen, ausreichende Erfahrung durch geeignete Referenzen aus früher ausgeführten Aufträgen nachzuweisen. Ein öffentlicher Auftraggeber kann davon ausgehen, dass ein Wirtschaftsteilnehmer nicht über die erforderliche berufliche Leistungsfähigkeit verfügt, wenn der öffentliche Auftraggeber festgestellt hat, dass der Wirtschaftsteilnehmer kollidierende Interessen hat, die die Auftragsausführung negativ beeinflussen können.
Bei Vergabeverfahren, die … Dienstleistungen … zum Gegenstand haben, kann die berufliche Leistungsfähigkeit der Wirtschaftsteilnehmer zur Erbringung dieser Leistungen … anhand ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Erfahrung und Zuverlässigkeit beurteilt werden.
…“
12
Art. 63 („Inanspruchnahme der Kapazitäten anderer Unternehmen“) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„In Bezug auf die Kriterien für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit gemäß Artikel 58 Absatz 3 und die Kriterien für die technische und berufliche Leistungsfähigkeit gemäß Artikel 58 Absatz 4 kann ein Wirtschaftsteilnehmer gegebenenfalls für einen bestimmten Auftrag die Kapazitäten anderer Unternehmen – ungeachtet des rechtlichen Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen – in Anspruch nehmen. …
…
Nimmt ein Wirtschaftsteilnehmer im Hinblick auf Kriterien für die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit die Kapazitäten anderer Unternehmen in Anspruch, so kann der öffentliche Auftraggeber vorschreiben, dass der Wirtschaftsteilnehmer und diese Unternehmen gemeinsam für die Auftragsausführung haften.
…“
13
Art. 71 der Richtlinie regelt die Modalitäten der Vergabe von Unteraufträgen.
Polnisches Recht
14
Art. 4 Nr. 5c der Ustawa Prawo zamówie? publicznych (Gesetz über öffentliche Aufträge) vom 29. Januar 2004 (Dz. U. Nr. 19, Pos. 177) in der durch die Ustawa o dokumentach publicznych (Gesetz über öffentliche Dokumente) vom 22. November 2018 (Dz. U. 2019, Pos. 53) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz über öffentliche Aufträge) sah vor:
„Dieses Gesetz findet keine Anwendung
…
5c) auf Aufträge für die Herstellung von
a) Blankos von öffentlichen Dokumenten im Sinne von Art. 5 Abs. 2 des [Gesetzes über öffentliche Dokumente] sowie deren Personalisierung oder Individualisierung,
b) Steuerzeichen,
c) Legalisierungszeichen und Kontrollaufklebern im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes [(Dz. U. 2018, Pos. 1990) vom 20. Juni 1997 mit späteren Änderungen],
d) Stimmzetteln im Sinne von Art. 40 des Gesetzes vom 5. Januar 2011 zur Festlegung des Wahlgesetzbuchs (Dz. U. 2019, Pos. 684 und 1504) und Art. 20 des Gesetzes vom 14. März 2003 über das nationale Referendum (Dz. U. 2019, Pos. 1444 und 1504),
e) holografischen Zeichen auf Wahlscheinen im Sinne von Art. 32 Abs. 1 des [Wahlgesetzbuchs],
f) Mikroprozessorsystemen mit Software für die Verwaltung öffentlicher Dokumente, IT-Systemen und Datenbanken, die für die Nutzung öffentlicher Dokumente im Sinne von Art. 5 Abs. 2 des [Gesetzes über öffentliche Dokumente] erforderlich sind, die ihrer Zweckbestimmung entsprechend einen elektronischen Chip enthalten“.
15
Öffentliche Dokumente im Sinne von Abs. 5 Abs. 2 des Gesetzes über öffentliche Dokumente sind:
„1) Personalausweise;
2) Reisepässe;
3) Seefahrtbücher im Sinne von Art. 10 Abs. 1 des Seearbeitsgesetzes vom 5. August 2015;
4) Dokumente, die nach Art. 44 Abs. 1 und Art. 83 Abs. 1 des Gesetzes über Personenstandsurkunden vom 28. November 2014 ausgestellt werden;
5) Dokumente, die Ausländern nach den Art. 37 und 226 des Ausländergesetzes vom 12. Dezember 2013 ausgestellt werden;
6) Dokumente, die Mitgliedern diplomatischer Missionen und konsularischer Vertretungen ausländischer Staaten oder Personen, die ihnen aufgrund von Gesetzen, Übereinkommen oder Völkergewohnheitsrecht gleichgestellt sind, ausgestellt werden, sowie Dokumente, die ihren, mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen nach Art. 61 des [Ausländergesetzes] ausgestellt werden;
7) Dokumente, die Unionsbürgern nach Art. 48 Abs. 1 des Gesetzes vom 14. Juli 2006 über die Einreise nach, den Aufenthalt in und die Ausreise aus dem Hoheitsgebiet der Republik Polen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der … Union und ihre Familienangehörigen ausgestellt werden;
8) Dokumente, die Familienangehörigen eines Unionsbürgers nach Art. 30 Abs. 1 und Art. 48 Abs. 2 des [Gesetzes über die Einreise nach, den Aufenthalt in und die Ausreise aus dem Hoheitsgebiet der Republik Polen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Union und ihre Familienangehörigen] ausgestellt werden;
9) Dokumente, die Ausländern nach Art. 55 Abs. 1 und Art. 89i Abs. 1 des Gesetzes vom 13. Juni 2003 über die Gewährung von Schutz für Ausländer im Hoheitsgebiet der Republik Polen ausgestellt werden;
10) vollstreckbare Titel, die von Gerichten oder Justizbeamten ausgestellt werden;
11) Ausfertigungen von rechtskräftigen Urteilen, mit denen der Erwerb, das Bestehen oder das Erlöschen eines Rechts festgestellt wird oder die sich auf den Personenstand beziehen;
12) Ausfertigungen von Urteilen oder Bescheinigungen, die von einem Gericht ausgestellt wurden und die zur Vertretung einer Person, zur Vornahme einer Rechtshandlung oder zur Verwaltung eines bestimmten Vermögensgegenstandes ermächtigen;
13) Ausfertigungen von Anordnungen von Gerichten und Justizbeamten über die Erteilung der Vollstreckungsklausel für einen Vollstreckungstitel, bei dem es sich nicht um einen solchen im Sinne von Art. 777 § 1 Abs. 1 und 11 des Gesetzes vom 17. November 1964 zur Einführung der Zivilprozessordnung handelt, wenn sie einen nicht vom Gericht ausgestellten Vollstreckungstitel zum Gegenstand haben;
14) Ausfertigungen von und Auszüge aus Dokumenten, die sich auf notarielle Urkunden im Sinne von Art. 79 Nrn. 1 bis 1b und 4, Genehmigungen im Sinne von Art. 79 Nr. 2 und Einwendungen im Sinne von Art. 79 Nr. 5 des Gesetzes vom 14. Februar 1991 über den Notarberuf beziehen;
15) die einem Luftfahrzeugbesatzungsmitglied ausgestellte Bescheinigung;
16) persönliche Militärdokumente, die in das Militärregister eingetragenen Personen nach Art. 54 § 1 des Gesetzes vom 21. November 1967 über die allgemeine Pflicht zur Verteidigung der Republik Polen ausgestellt werden;
17) persönliche Militärdokumente, die nach Art. 48 Abs. 1 des Gesetzes vom 11. September 2003 über den Berufsmilitärdienst ausgestellt werden;
18) Identitätskarten, die nach Art. 137c Abs. 1 des [Gesetzes über den Berufsmilitärdienst] ausgestellt werden;
19) Identitätskarten, die nach Art. 54a § 1 des [Gesetzes über die allgemeine Pflicht zur Verteidigung der Republik Polen] ausgestellt werden;
20) ein Vermerk in einem Reisepass im Sinne von Art. 19 Abs. 1 des Gesetzes vom 13. Juli 2006 über Reisepässe;
21) der Visumaufkleber;
22) die „Polnische Karte“ (Karta Polaka);
23) der Ausweis, der eine Behinderung oder den Grad einer Behinderung bescheinigt;
24) die Zulassung zur Tätigkeit als Arzt;
25) die Zulassung zur Tätigkeit als Zahnarzt;
26) der Führerschein;
27) die Bescheinigung über die Berufszulassung und die Bescheinigung über die Zulassung eines Fahrzeugs, mit Ausnahme der Zulassungsbescheinigungen für Fahrzeuge nach Art. 73 Abs. 3 des [Straßenverkehrsgesetzes];
28) das Fahrzeugheft (karta pojazdu);
29) die befristete Bescheinigung nach Art. 71 Abs. 1 des [Straßenverkehrsgesetzes];
30) die Fahrtenschreiberkarte nach Art. 2 § 4 des Gesetzes vom 5. Juli 2018 über den Fahrtenschreiber;
31) die ADR-Bescheinigung im Sinne von Art. 2 § 10 des Gesetzes vom 19. August 2011 über die Beförderung gefährlicher Güter;
31a) das Registrierungsdokument nach Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 12. April 2018 über die Registrierung von Jachten und anderen Schiffen mit einer Länge von bis zu 24 Metern;
32) Dienstausweise von
a) Polizisten,
b) Grenzschutzbediensteten,
c) Bediensteten des Staatsschutzes,
d) Bediensteten des Amtes für Innere Sicherheit,
e) Bediensteten des Nachrichtendienstes,
f) Bediensteten des Zentralen Antikorruptionsbüros,
g) Bediensteten des Militärischen Abschirmdienstes und zum Dienst im Militärischen Abschirmdienst abgestellten Berufssoldaten,
h) Bediensteten des Militärischen Nachrichtendienstes und zum Dienst im Militärischen Nachrichtendienst abgestellten Berufssoldaten,
i) Bediensteten und Mitarbeitern der Verwaltung von Haftanstalten,
j) Bediensteten der Steuer- und Zollverwaltung,
k) Beschäftigten organisatorischer Einheiten der nationalen Steuerverwaltung,
l) Inspektoren der Aufsichtsbehörde für den Straßenverkehr,
m) Angehörigen der Militärpolizei.“
Zum Vorverfahren
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Mit Aufforderungsschreiben vom 25. Januar 2019 teilte die Kommission der Republik Polen mit, dass sie insbesondere Zweifel habe, ob das Gesetz über öffentliche Aufträge, mit dem die Richtlinie 2014/24 in polnisches Recht umgesetzt worden sei, mit dieser Richtlinie vereinbar sei.
17
Die Kommission war insbesondere der Ansicht, dass dieser Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus der genannten Richtlinie verstoßen habe, da durch dieses Gesetz die in dessen Art. 4 Nr. 5c genannten Dienstleistungen (im Folgenden: in Rede stehende Dienstleistungen) der Herstellung von Dokumenten, Steuerzeichen, Legalisierungszeichen, Kontrollaufklebern, Stimmzetteln, holografischen Zeichen auf Wahlscheinen sowie Mikroprozessorsystemen mit Software für die Verwaltung öffentlicher Dokumente, IT-Systemen und Datenbanken, die für die Nutzung öffentlicher Dokumente erforderlich seien, die ihrer Zweckbestimmung entsprechend einen elektronischen Chip enthielten, von den Vergabeverfahren ausgenommen worden seien, obwohl eine solche Ausnahme in der Richtlinie nicht vorgesehen gewesen sei.
18
In ihrer Antwort vom 25. März 2019 trat die Republik Polen dieser Rüge der Kommission entgegen.
19
Am 5. November 2019 unterrichtete dieser Mitgliedstaat die Kommission über den Erlass eines neuen Gesetzes, das mit Wirkung vom 1. Januar 2021 an die Stelle des Gesetzes über öffentliche Aufträge treten solle.
20
Da die Kommission der Ansicht war, dass dieses neue Gesetz die diesem Mitgliedstaat vorgeworfenen Verstöße gegen die Richtlinie 2014/24 noch nicht behebe, richtete sie mit Schreiben vom 28. November 2019 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Republik Polen und forderte diesen Mitgliedstaat auf, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt nachzukommen.
21
In ihrer Antwort vom 28. Januar 2020 wies die Republik Polen u. a. die Rüge der Kommission zurück, dass in das polnische Recht Ausnahmen eingeführt worden seien, die in dieser Richtlinie, was die in Rede stehenden Dienstleistungen betreffe, nicht vorgesehen seien.
22
Da die Antworten der Republik Polen die Kommission nicht zufriedenstellten, hat sie am 9. Juni 2021 beschlossen, beim Gerichtshof die vorliegende Klage zu erheben.
Zur Klage
Vorbringen der Parteien
23
Die Kommission macht geltend, die Republik Polen habe bei der Umsetzung der Richtlinie 2014/24 in das polnische Recht die in Rede stehenden Dienstleistungen unter Verstoß gegen diese Richtlinie von den darin vorgesehenen Vergabeverfahren ausgenommen. Solche Ausnahmen seien weder in den Art. 7 bis 12 der Richtlinie vorgesehen noch könnten sie auf der Grundlage von Art. 15 der Richtlinie gerechtfertigt werden.
24
Die Kommission weist darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Mitgliedstaat, der die in Art. 15 vorgesehenen Ausnahmen in Anspruch nehmen wolle, die Beweislast dafür trage, dass außergewöhnliche Umstände, die diese Ausnahmen rechtfertigten, tatsächlich vorlägen.
25
Unter Verweis auf das Urteil vom 20. März 2018, Kommission/Österreich (Staatsdruckerei) (C-187/16, EU:C:2018:194), weist die Kommission darauf hin, dass es Sache der Mitgliedstaaten sei, ihre wesentlichen Sicherheitsinteressen und die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit im Rahmen des Drucks von Ausweisdokumenten und sonstigen amtlichen Dokumenten erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen festzulegen, und dass die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der berechtigten Belange von nationalem Interesse getroffenen Maßnahmen nicht schon deshalb in ihrer Gesamtheit der Anwendung des Unionsrechts entzogen seien, weil sie namentlich im Interesse der öffentlichen Sicherheit oder der Landesverteidigung ergingen. Insbesondere müsse die Republik Polen nachweisen, dass das Erfordernis, die von ihr geltend gemachten Interessen zu schützen, im Rahmen einer Ausschreibung nicht habe erfüllt werden können. Im Übrigen stellten wirtschaftliche oder industrielle Interessen grundsätzlich keine solchen wesentlichen Sicherheitsinteressen dar.
26
Insoweit hält die Kommission die von der Republik Polen in Bezug auf die in Rede stehenden Dienstleistungen vorgebrachten Gründe für eine Ausnahme von der Anwendung der in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Vergabeverfahren für unzureichend.
27
Der Umstand, dass der Staat alleiniger Anteilseigner des Unternehmens sei, das mit der Erbringung der in Rede stehenden Dienstleistungen betraut worden sei, könne weder eine Garantie gegen eine mögliche Insolvenz dieses Unternehmens noch eine Garantie für die Zuverlässigkeit der Ausführung der betreffenden Verträge darstellen. Insoweit bezweifelt die Kommission zum einen, dass eine Insolvenz der Polska Wytwórnia Papierów Warto?ciowych S.A. (im Folgenden: PWPW) angesichts der für staatliche Beihilfen geltenden Vorschriften unmöglich sei, und führt zum anderen die für PWPW bestehende Möglichkeit an, Unteraufträge zu vergeben.
28
Zum Vorliegen einer möglichen Bedrohung der Sicherheit der Republik Polen in dem Fall, dass der erfolgreiche Bieter ein privater Wirtschaftsteilnehmer sei, weil dieser möglicherweise von neuen Anteilseignern aufgekauft werde, trägt die Kommission vor, dass der öffentliche Auftraggeber geeignete Garantien einführen könne, einschließlich der Kündigung des betreffenden Vertrags über den öffentlichen Auftrag.
29
Außerdem habe die Republik Polen in Bezug auf die Möglichkeit des Durchsickerns von Verschlusssachen oder sensibler Informationen nicht den Zusammenhang zwischen dem Status von PWPW als öffentliches Unternehmen und den Garantien, die ein solches Durchsickern verhindern sollten, nachgewiesen. Eine 100 %ige staatliche Beteiligung an dieser Gesellschaft stelle angesichts der Möglichkeit, Unterauftragnehmer in Anspruch zu nehmen, keine Garantie gegen ein solches Durchsickern dar.
30
Die Kommission bestreitet zwar nicht, dass die mit der Vergabe der in Rede stehenden Dienstleistungen verbundene Notwendigkeit, die Sicherheit der Informationen zu gewährleisten, im Allgemeininteresse liegt, doch entspricht dieses Interesse ihrer Ansicht nach nicht systematisch einem wesentlichen Sicherheitsinteresse eines Mitgliedstaats.
31
Der öffentliche Auftraggeber könne besonders hohe Anforderungen an die Eignung und Zuverlässigkeit der erfolgreichen Bieter stellen und die Bedingungen für Ausschreibungen und Dienstleistungsverträge anpassen.
32
Insbesondere könne der öffentliche Auftraggeber technische Spezifikationen im Sinne von Art. 42 der Richtlinie 2014/24 vorsehen und/oder Eignungskriterien im Sinne von Art. 58 dieser Richtlinie festlegen und damit sicherstellen, dass der erfolgreiche Bieter in der Lage sei, ein hochwertiges Produkt unter Einhaltung der vorgeschriebenen Bedingungen und Techniken zu liefern.
33
Was die technischen Spezifikationen im Sinne von Art. 42 der Richtlinie 2014/24 anbelange, könne der öffentliche Auftraggeber u. a. besondere Anforderungen und Verfahren vorschreiben, die die Sicherheit der Räumlichkeiten, des Transports sowie der Handhabung des Materials und des physischen Zugangs zu diesen Räumlichkeiten, die Führung angemessener Aufzeichnungen, den Schutz personenbezogener Daten oder die Vorlage laufender Berichte durch den ausgewählten Wirtschaftsteilnehmer gewährleisteten. Der öffentliche Auftraggeber könne diesen Wirtschaftsteilnehmer darüber hinaus verpflichten, ihm die Durchführung der Kontrollen zu ermöglichen, die er für notwendig erachte.
34
Nach Ansicht der Kommission könnten durch vertragliche Vereinbarungen Garantien wie beispielsweise eine Bankbürgschaft oder eine Bürgschaft für den Ersatz etwaiger Schäden im Schadensfall mit der Zusicherung gegeben werden, dass jedes Durchsickern von Informationen als schwerwiegendes berufliches Fehlverhalten angesehen werde. Außerdem könnte in Betracht gezogen werden, dem erfolgreichen Bieter die Pflicht aufzuerlegen, im Fall von Unregelmäßigkeiten einen detaillierten Bericht zu erstellen, oder Bestimmungen über den Schutz des geistigen Eigentums und die Übernahme der in Rede stehenden Dienstleistungen durch ein anderes Unternehmen für den Fall in den Vertrag aufzunehmen, dass der erfolgreiche Bieter nicht in der Lage sein sollte, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
35
Ferner macht die Kommission bezüglich der Irreversibilität eines etwaigen Schadens, der sich aus einer Beeinträchtigung wesentlicher Interessen der Republik Polen durch das Durchsickern sensibler Informationen ergäbe, geltend, dass diese Irreversibilität eine sowohl kompensatorische als auch abschreckende Wirkung von Schadensersatzklauseln nicht ausschließe.
36
Hierzu führt die Kommission weiter aus, dass solche Verpflichtungen und Anforderungen dem erfolgreichen Bieter unabhängig davon auferlegt werden könnten, ob sich sein Sitz im Hoheitsgebiet der Republik Polen oder in dem eines anderen Mitgliedstaats befinde.
37
Die Kommission weist darauf hin, dass es dem öffentlichen Auftraggeber freistehe, im Rahmen der Festlegung der Eignungskriterien im Sinne von Art. 58 der Richtlinie 2014/24 bestimmte Anforderungen zu stellen, die den Nachweis einschlägiger Erfahrungen im Bereich der Herstellung von Dokumenten mit besonderen Sicherheitsmerkmalen, des Vorhandenseins der erforderlichen Infrastruktur und Ausrüstung, des Vorhandenseins von ausreichend qualifiziertem und erfahrenem Personal – das im Übrigen keine Einträge im Strafregister haben dürfe –, einer finanziellen Situation, die eine sichere Erfüllung des betreffenden Vertrags ermögliche, oder auch einer Versicherung über Berufshaftpflichtrisiken bezweckten.
38
Die Kommission trägt ferner vor, dass die Vertraulichkeit der Informationen, was die in Rede stehenden Dienstleistungen anbelange, durch die Auferlegung einer Geheimhaltungspflicht gewährleistet würde. Insoweit könne der öffentliche Auftraggeber für den Zugang zu Verschlusssachen den Besitz einer nationalen Sicherheitsermächtigung verlangen. Im Übrigen behalte der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, den betreffenden öffentlichen Auftrag zu ändern oder zu kündigen, wenn Umstände einträten, die der öffentliche Auftraggeber nicht habe vorhersehen können.
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Die Republik Polen bestreitet unter Berufung auf das Gebot des Schutzes ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen die behauptete Vertragsverletzung in Bezug auf die in Rede stehenden Dienstleistungen.
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Nach Ansicht dieses Mitgliedstaats ist es nicht möglich, diese Dienstleistungen den in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Vergabeverfahren zu unterwerfen, ohne diese Interessen zu beeinträchtigen. Die von der vorliegenden Klage erfassten Ausnahmen stellten verhältnismäßige, angemessene und erforderliche Maßnahmen zur Erreichung des Ziels dar, den Schutz der genannten Interessen auf einem Niveau zu gewährleisten, das die Republik Polen für angemessen halte.
41
Was erstens die Ausnahme der in Art. 4 Nr. 5c des Gesetzes über öffentliche Aufträge genannten Herstellung öffentlicher Dokumente von den Vergabeverfahren anbelangt, berief sich die Republik Polen zum einen im Vorverfahren auf die Notwendigkeit, die Sicherheit dieser als für die Sicherheit dieses Mitgliedstaats wesentlich angesehenen Dokumente zu schützen, indem deren Fälschung verhindert werde. Nur das Drucken dieser Dokumente durch PWPW würde es diesem Mitgliedstaat ermöglichen, sich gegen derartige Fälschungsrisiken zu schützen.
42
Die Republik Polen betont, dass die Sicherheit der genannten Dokumente eng mit den grundlegenden Interessen des Staates verbunden sei, nämlich sowohl den internen Interessen, die die Sicherheit, die Gesundheit und die Freiheit der Bürger sowie die Wahrung der öffentlichen Ordnung umfassten, als auch den grenzüberschreitenden Interessen, die den Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Freiheiten der Bürger sowie die Verhütung von Terrorismus, Menschenhandel und organisierter Kriminalität umfassten.
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Was insbesondere die in Art. 5 Abs. 2 Nr. 32 des Gesetzes über öffentliche Dokumente genannten Dokumente betrifft, d. h. konkret die Dienstausweise von Polizisten, von Grenzschutzbediensteten, von Bediensteten des Staatsschutzes, von Bediensteten des Amtes für Innere Sicherheit, von Bediensteten des Nachrichtendienstes, von Bediensteten des Militärischen Abschirmdienstes und von zu diesem Dienst abgestellten Berufssoldaten, von Bediensteten des Militärischen Nachrichtendienstes und von zu diesem Dienst abgestellten Berufssoldaten sowie von Angehörigen der Militärpolizei, macht dieser Mitgliedstaat geltend, dass die Ausnahme dieser Dokumente vom Anwendungsbereich der Vergabeverfahren durch den Schutz dieser grundlegenden Interessen gerechtfertigt sei.
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Insoweit ist die Republik Polen der Ansicht, dass ein angemessener Schutz dieser Dokumente, insbesondere gegen die Gefahren einer Verfälschung und Fälschung, für ihre innere Sicherheit von erheblicher Bedeutung sei. Um das höchste Niveau eines Schutzes gegen diese Gefahren zu gewährleisten, müssten die betreffenden Dokumente von einem Wirtschaftsteilnehmer, der wie PWPW vollständig von diesem Mitgliedstaat kontrolliert werde, hergestellt werden.
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Darüber hinaus ist die Republik Polen in Bezug auf militärische Identitätskarten und persönliche Militärdokumente der Ansicht, dass deren Ausnahme vom Anwendungsbereich der in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Vergabeverfahren durch das sich aus der Verfassung dieses Mitgliedstaats ergebende Gebot des Schutzes der nationalen Sicherheit des Staates im Verteidigungsbereich gerechtfertigt sei, was auch die Unabhängigkeit und Integrität seines Hoheitsgebiets garantiere und die Sicherheit seiner Bürger gewährleiste.
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Insoweit macht die Republik Polen geltend, dass sich die Kontrolle der Herstellung dieser Dokumente in den größeren Rahmen der Sicherheit und der Glaubwürdigkeit dieses Mitgliedstaats im Bereich der Verteidigung einfüge, und zwar unter Berücksichtigung seiner geopolitischen Lage, seines Beitritts zu den Strukturen der Nordatlantikvertrags-Organisation (NATO), aber auch des gegenwärtigen internationalen Kontexts.
47
Zum anderen ist die Republik Polen hinsichtlich der in Art. 4 Nr. 5c Buchst. f des Gesetzes über öffentliche Aufträge genannten Mikroprozessorsysteme mit Software für die Verwaltung öffentlicher Dokumente, IT-Systeme und Datenbanken, die für die Nutzung öffentlicher Dokumente erforderlich sind, die ihrer Zweckbestimmung entsprechend einen elektronischen Chip enthalten, der Ansicht, dass aufgrund dessen, dass es nicht möglich sei, die Sicherheit öffentlicher Dokumente zu gewährleisten, ohne ein angemessenes Niveau der Sicherheit der elektronischen Komponenten dieser Dokumente sowie der für die Verarbeitung dieser Dokumente verwendeten Systeme und Datenbanken zu gewährleisten, auf diese Komponenten, Systeme und Datenbanken ähnliche Schutzmaßnahmen anzuwenden seien.
48
Was zweitens die in Art. 4 Nr. 5c Buchst. b des Gesetzes über öffentliche Aufträge genannten Steuerzeichen betrifft, macht die Republik Polen im Wesentlichen geltend, dass Steuerzeichen für ihre nationale Sicherheit von strategischer Bedeutung seien. Insoweit sind die grundlegenden Interessen, auf die sich dieser Mitgliedstaat beruft, der Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bürger, die Sicherheit der wirtschaftlichen Transaktionen, die wirksame Verhütung von organisierter Kriminalität und Wirtschaftskriminalität, die finanzielle Sicherheit sowie die Bereitstellung eines angemessenen Steueraufkommens.
49
Der Umstand, dass mit der Herstellung der Steuerzeichen ein Wirtschaftsteilnehmer wie PWPW betraut werde, der über langjährige Erfahrung in der Planung, der umfassend sicheren Herstellung, der Lagerung und der Lieferung von Steuerzeichen im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats verfüge, stelle eine wesentliche Maßnahme dar, um die Sicherheit der Bürger in diesem Bereich zu gewährleisten, da kein anderes polnisches Unternehmen in der Lage sei, Aufträge in Bezug auf Steuerzeichen zu erfüllen.
50
Die Sicherheit der Herstellung von Steuerzeichen solle die Kontrolle der Erhebung der Steuern und Abgaben sowie den Vertrieb und die Registrierung der Transportmittel gewährleisten. Würde die Herstellung von Steuerzeichen einem anderen Unternehmen als PWPW übertragen, könnte dies zu einer Verringerung des Sicherheitsniveaus führen, das die Republik Polen in diesem Bereich aufrechterhalten möchte.
51
Was drittens die in Art. 4 Nr. 5c Buchst. c des Gesetzes über öffentliche Aufträge genannten Legalisierungszeichen und Kontrollaufkleber für Fahrzeuge betrifft, hebt dieser Mitgliedstaat die Bedeutung der Dokumente betreffend die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs für die Sicherheit eines Staates hervor. Da die Herstellung dieser Dokumente den Zugang zu geheimen Informationen erfordere und den Einsatz einer zentralen Personalisierungstechnologie mittels eines elektronischen Systems impliziere, sei der Schutz der betreffenden Verschlusssachen und personenbezogenen Daten zu gewährleisten, was einen der wesentlichen Sicherheitsaspekte der Republik Polen darstelle.
52
Insbesondere erfordere die Beförderung gefährlicher Güter, die u. a. zur Begehung terroristischer Anschläge verwendet werden könnten, dass die Daten des Fahrers und des Kontrollaufklebers des betreffenden Fahrzeugs nur für streng ausgewählte Einrichtungen, wie z. B. Unternehmen, die sich vollständig im Eigentum des Staates befänden, zugänglich seien.
53
Was viertens die in Art. 4 Nr. 5c Buchst. d und e des Gesetzes über öffentliche Aufträge genannten Stimmzettel und holografischen Zeichen auf Wahlscheinen betrifft, beruft sich die Republik Polen auf das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ordnungsgemäßen Ablauf und die Sicherheit der Wahlen sowie der Referenden in diesem Mitgliedstaat. Insbesondere sei der ordnungsgemäße Ablauf der Wahlen sowohl unter dem Gesichtspunkt des Vertrauens der Bürger in die staatlichen Organe als auch unter dem Gesichtspunkt der nationalen Sicherheit von grundlegender Bedeutung und erfordere den rechtzeitigen Druck von Stimmzetteln in ausreichender Zahl.
54
Die Republik Polen trägt vor, der Umstand, dass eine Einrichtung wie PWPW, die von ihr vollständig kontrolliert werde, mit der Erbringung der in Rede stehenden Dienstleistungen betraut werde, gewährleiste ihren Einfluss auf das Niveau der Sicherheit der von ihr als „sensibel“ eingestuften öffentlichen Dokumente, indem er eine kontinuierliche Überwachung der Situation dieser Einrichtung und eine rasche Reaktion auf etwaige Bedrohungen ermögliche.
55
Der Mitgliedstaat betont, dass er sowohl die Arbeitsweise der Organe von PWPW als auch das Verfahren zur Herstellung der öffentlichen Dokumente vollständig kontrolliere und verwalte, was es ermögliche, den Schutz seines grundlegenden Sicherheitsinteresses zu gewährleisten.
56
Insbesondere könne die Republik Polen dadurch, dass sie 100 % der Anteile an PWPW halte, verhindern, dass diese Gesellschaft von einer anderen Einrichtung als einer unter der Kontrolle des Fiskus stehenden Einrichtung erworben werde. Auf diese Weise gewährleiste sie die Kontinuität der Herstellung und ermögliche es, die Gefahr einer Insolvenz des mit damit betrauten Wirtschaftsteilnehmers zu vermeiden.
57
Die Gefahr einer Insolvenz einer Gesellschaft wie PWPW sei nämlich rein theoretisch, und die Kommission habe auch keine Gründe vorgetragen, weshalb es im Fall finanzieller Schwierigkeiten von PWPW nicht möglich sein sollte, dieser Gesellschaft eine staatliche Beihilfe zu gewähren.
58
Was die Gefahr einer Insolvenz dieses Wirtschaftsteilnehmers betreffe, könne mit der von der Kommission vorgeschlagenen Lösung eine plötzliche Verschlechterung seiner finanziellen Lage nicht vermieden werden, während ein solcher Fall im Rahmen eines Systems wie dem von der Republik Polen eingeführten im Gegenteil ausgeschlossen wäre.
59
Außerdem wären die Folgen des Fehlens von für das Funktionieren des Staates wesentlichen Dokumenten, die sich aus einer plötzlichen Unterbrechung ihrer Herstellung durch den ausgewählten Wirtschaftsteilnehmer ergäben, irreparabel.
60
Des Weiteren ist die Republik Polen der Ansicht, das die Beauftragung einer Einrichtung wie PWPW mit der Herstellung solcher Dokumente, ohne ein in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenes Vergabeverfahren durchzuführen, die Echtheit dieser Dokumente und damit die Sicherheit dieses Mitgliedstaats gewährleisteten, indem zudem der Kreis der Einrichtungen, die Zugang zu Verschlusssachen hätten, begrenzt werde.
61
Was die für den öffentlichen Auftraggeber bestehende Möglichkeit anbelangt, Unterauftragnehmer in Anspruch zu nehmen, ist die Republik Polen der Ansicht, dass eine Situation, in der ein Auftrag von einem vollständig im Eigentum des Staates stehenden Unternehmen ausgeführt werde, selbst wenn dies unter Inanspruchnahme von Unterauftragnehmern geschehe, nicht mit einer Situation vergleichbar sei, in der dieser Auftrag von einer Einrichtung ausgeführt werde, die gemäß den in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Vergabeverfahren ausgewählt worden sei. Im Übrigen habe PWPW, wenn ein Unterauftragnehmer den Auftrag nicht ordnungsgemäß ausführe, die Möglichkeit, ihn bezüglich der gesamten Kette der Herstellung von Dokumenten auszutauschen.
62
Die Republik Polen ist der Ansicht, dass die Kommission ihr Vorbringen zu Unrecht auf das Urteil vom 20. März 2018, Kommission/Österreich (Staatsdruckerei) (C-187/16, EU:C:2018:194), stütze, das für die Prüfung der vorliegenden Vertragsverletzungsklage nicht einschlägig sei. Insoweit macht dieser Mitgliedstaat geltend, dass die Anwendung der Vergaberichtlinien, die in der Rechtssache angeführt worden seien, in der dieses Urteil ergangen sei, es ermöglicht habe, ein Sicherheitsniveau zu gewährleisten, das dem entspreche, das ohne Anwendung der in diesen Richtlinien vorgesehenen Vergabeverfahren erreicht worden wäre. Dies sei hier jedoch nicht der Fall.
63
Die Republik Polen betont, dass sie nicht verpflichtet sei, das Niveau des Schutzes ihrer eigenen wesentlichen Sicherheitsinteressen dem eines anderen Mitgliedstaats, konkret dem der Republik Österreich, anzupassen. Insoweit ist die Republik Polen der Ansicht, dass die Maßnahmen, die nach Ansicht der Kommission getroffen werden könnten, um den Schutz ihrer wesentlichen Interessen sicherzustellen und gleichzeitig die in Rede stehenden Dienstleistungen den in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Vergabeverfahren zu unterwerfen, zwar für die meisten Aufträge ausreichend seien, es aber nicht erlaubten, das Niveau des Schutzes der wesentlichen Sicherheitsinteressen zu erreichen, für das sie sich in Bezug auf die Aufträge für die in Rede stehenden Dienstleistungen entschieden habe.
64
Was den Schutz der Sicherheit von Informationen betreffend die in Rede stehenden öffentlichen Dokumente anbelange, würde die Öffnung der Dienstleistungen der Herstellung dieser Dokumente für den Wettbewerb die Anzahl der Einrichtungen erhöhen, die Zugang zu Informationen betreffend die Sicherheit der Republik Polen haben könnten, was die Gefahr eines Durchsickerns dieser sensiblen Informationen erhöhen würde. Eine solche Beeinträchtigung der wesentlichen Sicherheitsinteressen dieses Mitgliedstaats wäre ebenso wie eine Unterbrechung der Versorgung mit solchen Dokumenten irreversibel und würde die Kontinuität seines Funktionierens gefährden, da die so verbreiteten Informationen von Drittstaaten, kriminellen Vereinigungen oder terroristischen Organisationen verwendet werden könnten.
65
Hinsichtlich der von der Kommission angedachten Maßnahme, die darin besteht, eine Geheimhaltungspflicht aufzuerlegen, indem für den Zugang zu Verschlusssachen der Besitz einer nationalen Sicherheitsermächtigung verlangt wird, ist die Republik Polen der Ansicht, dass eine solche Verpflichtung die Sicherheit sensibler Informationen nur in gewissem Umfang gewährleiste. Gleiches gelte für die Maßnahmen zur Festlegung technischer Spezifikationen, mit denen besondere Anforderungen und Verfahren zur Gewährleistung der Sicherheit aufgestellt würden.
66
Die Kommission habe zwar geltend gemacht, dass Bedrohungen für die Sicherheit des betreffenden Mitgliedstaats auch dann vorliegen könnten, wenn ein öffentliches Unternehmen wie PWPW mit den in Rede stehenden Dienstleistungen betraut werde, jedoch habe sie nicht nachgewiesen, dass das Ausmaß dieser Bedrohungen ebenso hoch sei wie in dem Fall, dass eine nach dieser Richtlinie ausgewählte Einrichtung mit der Ausführung des betreffenden Auftrags betraut werde.
67
Denn selbst wenn die in Rn. 65 des vorliegenden Urteils genannten Maßnahmen es ermöglichten, dass nur eine begrenzte Zahl von Bewerbern Zugang zu diesen Informationen erhalte, die zudem nachgewiesen hätten, dass sie hohe Standards in Bezug auf die Zuverlässigkeit und die Verfahren zum Schutz der Informationen erfüllten, ermögliche das von der Republik Polen gewählte System es, die Zahl der Einrichtungen, die Zugang zu solchen Informationen hätten, zu verringern.
Würdigung durch den Gerichtshof
68
Die vorliegende Klage betrifft die Vereinbarkeit der polnischen Rechtsvorschriften, die eine Direktvergabe der Aufträge für die in Rede stehenden Dienstleistungen an PWPW vorsehen, mit den Anforderungen der Richtlinie 2014/24.
69
Zunächst ist festzustellen, dass, wie sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten ergibt, zum einen die von diesen Rechtsvorschriften erfassten öffentlichen Aufträge öffentliche Dienstleistungsaufträge im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 9 dieser Richtlinie darstellen und zum anderen unstreitig ist, dass der geschätzte Wert dieser Aufträge die Schwellenwerte für die Anwendung der Richtlinie überschreitet. Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie müssen die genannten Rechtsvorschriften daher grundsätzlich vorsehen, dass die Vergabe dieser Aufträge unter Einhaltung der in der Richtlinie festgelegten Regeln erfolgt.
70
Die Richtlinie 2014/24 ist nur in den Fällen unanwendbar, die in ihr selbst ausdrücklich und abschließend aufgeführt sind (vgl. entsprechend Urteil vom 18. November 1999, Teckal, C-107/98, EU:C:1999:562, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).
71
Nach einer ständigen Rechtsprechung zur Beweislast im Vertragsverletzungsverfahren obliegt es gemäß Art. 258 AEUV der Kommission, das Vorliegen der behaupteten Vertragsverletzung nachzuweisen. Sie muss dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte liefern, die es ihm ermöglichen, das Vorliegen der Vertragsverletzung zu prüfen, ohne dass sie sich dabei auf irgendeine Vermutung stützen kann (Urteil vom 2. September 2021, Kommission/Schweden [Abwasserbehandlungsanlagen], C-22/20, EU:C:2021:669, Rn. 143 und die dort angeführte Rechtsprechung).
72
Im vorliegenden Verfahren beruft sich die Republik Polen auf Art. 15 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2014/24 in Verbindung mit Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV, um die Vereinbarkeit der polnischen Rechtsvorschriften, die eine Direktvergabe der in Rede stehenden Dienstleistungsaufträge an PWPW vorsehen, mit dem Unionsrecht darzutun.
73
Hierzu ist festzustellen, dass die Richtlinie 2014/24, wie sich aus ihrem Art. 15 Abs. 2 ergibt, für öffentliche Aufträge nicht gilt, soweit der Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen eines Mitgliedstaats nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen, zum Beispiel durch Anforderungen, die auf den Schutz der Vertraulichkeit der Informationen abzielen, die der öffentliche Auftraggeber im Rahmen eines Vergabeverfahrens im Sinne dieser Richtlinie zur Verfügung stellt, gewährleistet werden kann.
74
Außerdem wird in dieser Vorschrift klargestellt, dass die Richtlinie 2014/24 im Einklang mit Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV keine Anwendung auf öffentliche Aufträge findet, soweit ein Mitgliedstaat mit der Anwendung dieser Richtlinie verpflichtet würde, Informationen zu übermitteln, deren Offenlegung nach seiner Auffassung seinen wesentlichen Sicherheitsinteressen zuwiderlaufen würde.
75
Art. 15 Abs. 3 der genannten Richtlinie sieht vor, dass, wenn die Auftragsvergabe und die Ausführung des öffentlichen Auftrags für geheim erklärt werden oder nach den in einem Mitgliedstaat geltenden Rechts- oder Verwaltungsvorschriften besondere Sicherheitsmaßnahmen erfordern, die Richtlinie keine Anwendung findet, sofern der Mitgliedstaat festgestellt hat, dass die betreffenden wesentlichen Interessen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen gewährleistet werden können.
76
Was die in Art. 15 der Richtlinie 2014/24 enthaltene Ausnahme betrifft, so ist es Sache der Mitgliedstaaten, ihre wesentlichen Sicherheitsinteressen festzulegen, und im vorliegenden Fall Sache der polnischen Behörden, die Sicherheitsmaßnahmen zu bestimmen, die zum Schutz der nationalen Sicherheit der Republik Polen im Rahmen des Drucks von Dokumenten wie den in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehenden erforderlich sind (vgl. entsprechend Urteil vom 20. März 2018, Kommission/Österreich [Staatsdruckerei], C-187/16, EU:C:2018:194, Rn. 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).
77
Der Wortlaut von Art. 15 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2014/24 in Verbindung mit Art. 346 AEUV erlegt den Mitgliedstaaten nämlich keine Verpflichtung in Bezug auf das angestrebte Niveau des Schutzes ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen auf.
78
Wie der Generalanwalt in Nr. 48 seiner Schlussanträge im Kern ausgeführt hat, schließt der in diesen Bestimmungen verwendete Begriff „Sicherheit“ u. a. die Wahrung der nationalen Sicherheit ein.
79
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das Ziel der Wahrung der nationalen Sicherheit dem zentralen Anliegen entspricht, die wesentlichen Funktionen des Staates und die grundlegenden Interessen der Gesellschaft durch die Verhütung und Repression von Tätigkeiten zu schützen, die geeignet sind, die tragenden Strukturen eines Landes im Bereich der Verfassung, Politik oder Wirtschaft oder im sozialen Bereich in schwerwiegender Weise zu destabilisieren und insbesondere die Gesellschaft, die Bevölkerung oder den Staat als solchen unmittelbar zu bedrohen, wie insbesondere terroristische Aktivitäten (Urteil vom 5. April 2022, Commissioner of An Garda Síochána u. a., C-140/20, EU:C:2022:258, Rn. 61 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
80
Allerdings sind die Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten im Rahmen der berechtigten Belange von nationalem Interesse getroffen werden, nicht schon deshalb in ihrer Gesamtheit der Anwendung des Unionsrechts entzogen, weil sie im Interesse der öffentlichen Sicherheit ergehen (vgl. entsprechend Urteil vom 20. März 2018, Kommission/Österreich [Staatsdruckerei], C-187/16, EU:C:2018:194, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung).
81
Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass Ausnahmen wie die im Rahmen der vorliegenden Klage geltend gemachten eng auszulegen sind (vgl. entsprechend Urteil vom 20. März 2018, Kommission/Österreich [Staatsdruckerei], C-187/16, EU:C:2018:194, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).
82
Auch wenn die Abs. 2 und 3 von Art. 15 der Richtlinie 2014/24 den Mitgliedstaaten bei der Entscheidung über die Maßnahmen, die sie als für den Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen erforderlich erachten, einen Ermessensspielraum lassen, können diese Bestimmungen daher gleichwohl nicht als Ermächtigung der Mitgliedstaaten ausgelegt werden, durch bloße Berufung auf diese Interessen von den Bestimmungen des AEU-Vertrags abzuweichen. Ein Mitgliedstaat, der die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Ausnahmen geltend macht, muss daher nachweisen, dass eine Ausschreibung, wie sie nach dieser Richtlinie vorgesehen ist, dem Erfordernis des Schutzes solcher Interessen nicht hätte gerecht werden können (vgl. entsprechend Urteil vom 20. März 2018, Kommission/Österreich [Staatsdruckerei], C-187/16, EU:C:2018:194, Rn. 78 und 79 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
83
Im vorliegenden Fall hat die Republik Polen zwar ihre wesentlichen Sicherheitsinteressen, deren Schutz sie für notwendig erachtet, und die mit dem Schutz dieser Interessen einhergehenden Garantien benannt, jedoch ist gleichwohl zu prüfen, ob sie nachgewiesen hat, dass die von ihr verfolgten Ziele nicht im Rahmen einer Ausschreibung gemäß der Richtlinie 2014/24 hätten erreicht werden können.
84
Insoweit ist zunächst das Vorbringen der Republik Polen zurückzuweisen, wonach sich die Kommission nicht mit Erfolg auf das Urteil vom 20. März 2018, Kommission/Österreich (Staatsdruckerei) (C-187/16, EU:C:2018:194), berufen könne, da es sich bei der Staatsdruckerei, um die es in der Rechtssache gegangen sei, in der dieses Urteil ergangen sei, anders als im vorliegenden Fall um ein privatrechtliches Unternehmen gehandelt habe. Die Rechtsform der Gesellschaft, die auf nationaler Ebene mit dem Druck amtlicher Dokumente betraut ist, entbindet den betreffenden Mitgliedstaat nämlich vorbehaltlich der Anwendbarkeit von Art. 12 der Richtlinie 2014/24 nicht von der Verpflichtung, nachzuweisen, dass die von ihm verfolgten Ziele im Rahmen einer Ausschreibung nicht hätten erreicht werden können. Die Republik Polen hat aber nicht nachgewiesen, dass die von den in Rede stehenden polnischen Rechtsvorschriften erfassten öffentlichen Aufträge Gegenstand einer Inhouse-Vergabe sind, die zu den in diesem Art. 12 genannten besonderen Fällen gehört, die von den Regeln der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgenommen sind.
85
Was erstens das Vorbringen der Republik Polen betrifft, die Direktvergabe der in Rede stehenden Dienstleistungsaufträge an PWPW entspreche dem Ziel, die kontinuierliche Versorgung mit amtlichen Dokumenten sicherzustellen, indem die Gefahr einer Insolvenz dieses Unternehmens vermieden werde, ist festzustellen, dass zwar die meisten dieser Dokumente eng mit der öffentlichen Ordnung und dem institutionellen Funktionieren eines Mitgliedstaats, die voraussetzen, dass eine Versorgungskontinuität gewährleistet ist, verknüpft sind, die Republik Polen jedoch nicht nachgewiesen hat, dass dieses Ziel nicht im Rahmen einer Ausschreibung sichergestellt werden könnte und dass diese Gewährleistung gefährdet wäre, wenn andere Unternehmen, gegebenenfalls auch in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Unternehmen, mit diesen Dienstleistungen betraut würden.
86
Insbesondere hat dieser Mitgliedstaat nicht nachgewiesen, dass die Gefahr einer Störung der Herstellung der in Rede stehenden öffentlichen Dokumente infolge einer etwaigen Insolvenz des mit dieser Herstellung betrauten Wirtschaftsteilnehmers im Fall der Anwendung eines in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Vergabeverfahrens erheblich höher wäre.
87
Um solchen Gefahren zu begegnen, hätten die in Rede stehenden polnischen Rechtsvorschriften nämlich vorsehen können, dass in dem betreffenden Vertrag über einen öffentlichen Auftrag andere Maßnahmen auferlegt werden, wie etwa eine Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers, Verträge mit mehreren Lieferanten abzuschließen, wenn dem andere Erwägungen nicht entgegenstehen.
88
Außerdem hätte ein solcher Vertrag Anforderungen an die Gewährleistung der finanziellen Solidität der Bewerber vorsehen können. Art. 58 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 sieht nämlich vor, dass die öffentlichen Auftraggeber Anforderungen stellen können, die sicherstellen, dass die Wirtschaftsteilnehmer über die erforderlichen wirtschaftlichen und finanziellen Kapazitäten für die Ausführung des Auftrags verfügen. In dieser Vorschrift wird klargestellt, dass die öffentlichen Auftraggeber zu diesem Zweck von den Wirtschaftsteilnehmern insbesondere verlangen können, einen bestimmten Mindestjahresumsatz, einschließlich eines bestimmten Mindestumsatzes in dem vom Auftrag abgedeckten Bereich, nachzuweisen. Zusätzlich können die öffentlichen Auftraggeber verlangen, dass die Wirtschaftsteilnehmer Informationen über ihre Jahresabschlüsse bereitstellen und gegebenenfalls über eine Berufshaftpflichtversicherung in geeigneter Höhe verfügen.
89
Der Republik Polen ist es nicht gelungen, nachzuweisen, dass die Auferlegung solcher Anforderungen nicht geeignet wäre, den behaupteten Gefahren bezüglich der Versorgung mit entsprechenden Dokumenten, die insbesondere auf eine plötzliche Verschlechterung der finanziellen Lage des mit der Herstellung der Dokumente betrauten Unternehmens zurückzuführen wären, zu begegnen. Denn wie die Kommission ausgeführt hat, kann die Gefahr einer Insolvenz eines Unternehmens wie PWPW, auch wenn sie geringer ist, nicht als völlig ausgeschlossen angesehen werden.
90
Was die Notwendigkeit der rechtzeitigen Herstellung der in Art. 4 Nr. 5c Buchst. d und e des Gesetzes über öffentliche Aufträge genannten Stimmzettel und holografischen Zeichen auf Wahlscheinen in ausreichender Zahl betrifft, um den ordnungsgemäßen Ablauf und die Sicherheit der Wahlen zu gewährleisten, weist die Republik Polen nicht nach, dass andere Unternehmen als PWPW zwangsläufig weniger leistungsfähig wären als PWPW und dass sie diese Stimmzettel nicht rechtzeitig in ausreichender Menge drucken und diese holografischen Zeichen nicht rechtzeitig in ausreichender Menge herstellen könnten. Folglich ist nicht nachgewiesen, dass es erforderlich ist, die Anwendung der in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Bestimmungen über die Auftragsvergabe auszuschließen, um das von diesem Mitgliedstaat vorgebrachte Ziel zu erreichen.
91
Was zweitens die Notwendigkeit betrifft, in Bezug auf die meisten der in Rede stehenden Dienstleistungen den Schutz der Sicherheit der betreffenden Dokumente und insbesondere der darin enthaltenen Informationen zu gewährleisten, hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Notwendigkeit, eine Vertraulichkeitsverpflichtung vorzusehen, an sich nicht an einer Auftragsvergabe im Ausschreibungsverfahren hindert (Urteil vom 20. März 2018, Kommission/Österreich [Staatsdruckerei], C-187/16, EU:C:2018:194, Rn. 89).
92
Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass die Vertraulichkeit von Daten durch eine Geheimhaltungspflicht sichergestellt werden kann, ohne dass es notwendig wäre, gegen die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu verstoßen. Der öffentliche Auftraggeber ist nämlich durch nichts daran gehindert, besonders hohe Anforderungen an die Eignung und Vertrauenswürdigkeit der Auftragnehmer festzuschreiben, die Ausschreibungsbedingungen und Dienstleistungsverträge entsprechend zu gestalten sowie von den potenziellen Bewerbern die nötigen Nachweise zu verlangen (Urteil vom 20. März 2018, Kommission/Österreich [Staatsdruckerei], C-187/16, EU:C:2018:194, Rn. 90 und 91).
93
Um die Sicherheit der meisten der betreffenden Dokumente zu gewährleisten, hätte der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Vergabeverfahren u. a. technische Spezifikationen gemäß Art. 42 dieser Richtlinie vorsehen und/oder Eignungskriterien gemäß Art. 58 der Richtlinie festlegen können.
94
Was konkret die technischen Spezifikationen im Sinne von Art. 42 der Richtlinie 2014/24 betrifft, geht aus Abs. 1 dieses Artikels hervor, dass darin die für die betreffenden Dienstleistungen geforderten Merkmale beschrieben werden und dass sie sich auch auf den spezifischen Prozess oder die spezifische Methode zur Erbringung der angeforderten Dienstleistungen beziehen können, sofern sie in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen und zu dessen Wert und Zielen verhältnismäßig sind.
95
Bezüglich der Eignungskriterien im Sinne von Art. 58 dieser Richtlinie hat der Gerichtshof entschieden, dass der Unionsgesetzgeber dem öffentlichen Auftraggeber bei der Festlegung dieser Kriterien ein weites Ermessen eingeräumt hat. So verfügt er gemäß Art. 58 Abs. 1 über einen gewissen Spielraum, um diejenigen Bedingungen für die Teilnahme an einem Vergabeverfahren festzulegen, die seiner Auffassung nach mit dem Gegenstand des betreffenden Auftrags zusammenhängen und hierzu verhältnismäßig sowie geeignet sind, die rechtliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der Bewerber oder Bieter ebenso sicherzustellen wie ihre technische und berufliche Eignung für die Ausführung dieses Auftrags. Im Einzelnen beurteilt der öffentliche Auftraggeber gemäß Art. 58 Abs. 4 der Richtlinie in freiem Ermessen die Teilnahmebedingungen, die er u. a. für die Ausführung des Auftrags in angemessener Qualität für geeignet erachtet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. Januar 2023, Construct, C-403/21, EU:C:2023:47, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).
96
Insbesondere erlaubt dieser Abs. 4 dem öffentlichen Auftraggeber, Anforderungen zu stellen, die sicherstellen, dass die Wirtschaftsteilnehmer über die erforderlichen personellen und technischen Ressourcen sowie Erfahrungen verfügen, um den betreffenden Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können, was anhand ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Erfahrung und Zuverlässigkeit beurteilt werden kann. So können Wirtschaftsteilnehmer, von denen angenommen wird, dass sie nicht über die erforderliche berufliche Leistungsfähigkeit verfügen, ausgeschlossen werden, und zwar auch bei kollidierenden Interessen, die die Ausführung dieses Auftrags negativ beeinflussen könnten.
97
Wie die Kommission vorgetragen hat, könnte der öffentliche Auftraggeber außerdem, was die meisten der in Rede stehenden Dienstleistungen anbelangt, nur einer begrenzten Zahl von Bewerbern Zugang zu den betreffenden vertraulichen Informationen gewähren, indem er das nicht offene Verfahren nach Art. 28 der Richtlinie 2014/24 oder gegebenenfalls die Verfahren nach den Art. 29 und 30 dieser Richtlinie anwendet. Der öffentliche Auftraggeber kann nämlich von der in Art. 29 Abs. 6 der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit, die Zahl der Angebote, über die verhandelt wird, zu verringern, oder von der in Art. 30 Abs. 4 der Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit, die Zahl der zu erörternden Lösungen zu verringern, Gebrauch machen.
98
Was erstens das Vorbringen der Republik Polen anbelangt, wonach die Herstellung der in Art. 4 Nr. 5c Buchst. c des Gesetzes über öffentliche Aufträge genannten Legalisierungszeichen und Kontrollaufkleber für Fahrzeuge sowie der Dokumente betreffend die Inbetriebnahme eines Fahrzeugs den Zugang zu geheimen oder vertraulichen Informationen erfordere und den Schutz von Verschlusssachen und personenbezogenen Daten impliziere, ist in Rn. 92 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen worden, dass die Vertraulichkeit von Daten grundsätzlich durch eine Geheimhaltungspflicht sichergestellt werden kann, ohne dass es erforderlich wäre, gegen die in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu verstoßen.
99
Um ein Durchsickern sensibler Informationen zu verhindern, steht es den polnischen Behörden frei, in die Ausschreibungsbedingungen Klauseln aufzunehmen, die den Auftragnehmer zur allgemeinen Geheimhaltung verpflichten, und vorzusehen, dass Bewerber, die keine ausreichenden Garantien für die Beachtung dieser Pflicht bieten können, vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Ferner steht es den polnischen Behörden frei, im Fall der Verletzung einer solchen Pflicht bei Ausführung des betreffenden Auftrags die Anwendung von Sanktionen, insbesondere vertraglicher Art, gegenüber dem Auftragnehmer vorzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. März 2018, Kommission/Österreich [Staatsdruckerei], C-187/16, EU:C:2018:194, Rn. 93).
100
Im Übrigen kann ein Mitgliedstaat zwar Maßnahmen ergreifen, um insbesondere sicherzustellen, dass die Daten eines Fahrers und des Kontrollaufklebers eines Fahrzeugs im Rahmen der Beförderung gefährlicher Güter nur streng ausgewählten Einrichtungen zugänglich sind, doch könnte die Vertraulichkeit dieser Daten auch durch eine Vertraulichkeitsverpflichtung der an einem Vergabeverfahren nach der Richtlinie 2014/24 teilnehmenden Unternehmen gewährleistet werden.
101
Da die Republik Polen nichts vorgetragen hat, was belegen könnte, dass die Anwendung eines so gestalteten Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags es nicht ermöglichen würde, den Zugang zu diesen geheimen Daten in vergleichbarer Weise wie die Direktvergabe der betreffenden Aufträge an PWPW zu sichern, ist nicht nachgewiesen, dass der Schutz der Sicherheit dieser Daten einem Ausschreibungsverfahren zur Vergabe dieser Aufträge entgegensteht.
102
Was zweitens die in Art. 4 Nr. 5c Buchst. b des Gesetzes über öffentliche Aufträge genannten Steuerzeichen betrifft, so kann die Republik Polen zwar Maßnahmen ergreifen, die erforderlich sind, um u. a. die Sicherheit ihrer Bürger zu gewährleisten, jedoch weist dieser Mitgliedstaat nicht nach, dass nur die Vergabe der Herstellung dieser Zeichen an ein Unternehmen wie PWPW die Erreichung eines solchen Ziels gewährleisten kann und dass die Anwendung der in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Bestimmungen über die Auftragsvergabe auszuschließen ist.
103
Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass dieses Ziel nicht erreicht werden könnte, wenn mit der Herstellung andere Wirtschaftsteilnehmer als PWPW betraut würden, die über ausreichende Erfahrung in der Planung, der umfassend sicheren Herstellung, der Lagerung und der Lieferung von Steuerzeichen im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats verfügen. Außerdem deutet nichts darauf hin, dass es unmöglich wäre, diesen Wirtschaftsteilnehmern vertraglich die erforderlichen Vertraulichkeits- und Sicherheitsmaßnahmen aufzuerlegen.
104
Drittens ist, soweit die Republik Polen insbesondere in Bezug auf die Herstellung der in Abs. 5 Abs. 2 des Gesetzes über öffentliche Dokumente genannten öffentlichen Dokumente und der in Art. 4 Nr. 5c Buchst. f des Gesetzes über öffentliche Aufträge genannten Mikroprozessorsysteme mit Software für die Verwaltung öffentlicher Dokumente, IT-Systeme und Datenbanken, die für die Nutzung öffentlicher Dokumente erforderlich sind, die ihrer Zweckbestimmung entsprechend einen elektronischen Chip enthalten, das Gebot, deren Verfälschung oder Fälschung zu verhindern, geltend macht, festzustellen, dass in Bezug auf die meisten dieser Dokumente und Systeme die Garantien, die der öffentliche Auftraggeber verlangen kann, ausreichend erscheinen, um den von diesem Mitgliedstaat geltend gemachten Gefahren für seine wesentlichen Sicherheitsinteressen zu begegnen.
105
Die strikte Einhaltung der Zuschlagskriterien durch den ausgewählten Wirtschaftsteilnehmer und ihre kontinuierliche Überprüfung während der Ausführung des vergebenen Auftrags sind nämlich grundsätzlich geeignet, Indiskretionen und möglichen internen Missbräuchen vorzubeugen, die zu solchen Verfälschungen oder Fälschungen führen könnten.
106
Daraus folgt, dass die Nichtanwendung der in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Vergabeverfahren auf die Aufträge für die Herstellung der meisten der in Art. 4 Nr. 5c des Gesetzes über öffentliche Aufträge genannten öffentlichen Dokumente, aber auch auf die ebenfalls in dieser Bestimmung genannten Aufträge betreffend die Herstellung von Steuerzeichen, Legalisierungszeichen, Kontrollaufklebern, Stimmzetteln, holografischen Zeichen auf Wahlscheinen sowie Mikroprozessorsystemen mit Software für die Verwaltung öffentlicher Dokumente, IT-Systemen und Datenbanken, die für die Nutzung öffentlicher Dokumente erforderlich sind, in Anbetracht der von der Republik Polen geltend gemachten Ziele unverhältnismäßig erscheint.
107
Hingegen ist, was bestimmte, in Art. 5 Abs. 2 Nrn. 16 bis 19 und 32 des Gesetzes über öffentliche Dokumente genannte öffentliche Dokumente anbelangt, nämlich persönliche Dokumente und Identitätskarten von Militärangehörigen, Dienstausweise von Polizisten, von Grenzschutzbediensteten, von Bediensteten des Staatsschutzes, von Bediensteten des Amtes für Innere Sicherheit, von Bediensteten des Nachrichtendienstes, von Bediensteten des Militärischen Abschirmdienstes und von zu diesem Dienst abgestellten Berufssoldaten, von Bediensteten des Militärischen Nachrichtendienstes und von zu diesem Dienst abgestellten Berufssoldaten sowie von Angehörigen der Militärpolizei, davon auszugehen, dass diese Dokumente einen unmittelbaren und engen Zusammenhang mit dem Ziel des Schutzes der nationalen Sicherheit aufweisen, so dass sie zusätzliche Anforderungen an die Vertraulichkeit rechtfertigen können.
108
Hierzu ist festzustellen, dass die in der vorstehenden Randnummer aufgeführten Dokumente, da sie Bedienstete betreffen, deren Aufgaben unmittelbar und eng mit Aufgaben verbunden sind, die zur Wahrung der nationalen Sicherheit eines Mitgliedstaats beitragen, eine Beschränkung der Offenlegung ihrer Merkmale und der in ihnen enthaltenen Informationen, insbesondere der Identität dieser Bediensteten, unerlässlich machen können, so dass sie als besonders sensibel anzusehen sind, was einen verstärkten Schutz u. a. gegen Indiskretionen und Fälschungen erfordert.
109
Wie die Republik Polen im Wesentlichen geltend macht, ohne dass die Kommission dem widersprochen hätte, könnte ein etwaiges Durchsickern solcher Informationen nämlich irreparable Folgen für die nationale Sicherheit eines Mitgliedstaats haben, da diese Informationen von Drittstaaten oder insbesondere von kriminellen Vereinigungen oder terroristischen Organisationen verwendet werden könnten.
110
Daher wäre es zwar denkbar gewesen, Garantien wie die Anwendung von Sanktionen, insbesondere vertraglicher Art, gegenüber dem Wirtschaftsteilnehmer, der mit der Herstellung der in Rn. 107 des vorliegenden Urteils genannten Dokumente betraut worden wäre, im Fall eines Durchsickerns der genannten sensiblen Informationen vorzusehen, doch können solche Garantien nicht als hinreichend wirksam angesehen werden, um die Sicherheit dieser Informationen zu gewährleisten.
111
Wie der Generalanwalt in Nr. 95 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, stellen die Anwendung von Sanktionen wegen eines Fehlverhaltens gegen die Personen, die für ein solches Durchsickern von Informationen verantwortlich sind oder es ermöglicht haben, oder die Aufnahme von Klauseln, die eine finanzielle Entschädigung vorsehen, die zwangsläufig nach Eintritt des Schadens gezahlt wird, in die Verträge keine angemessenen Lösungen zum Schutz solcher Informationen dar.
112
Zum Vorbringen der Kommission, dass ein Unternehmen wie PWPW Unterauftragnehmer in Anspruch nehmen könne und es daher nicht gerechtfertigt sei, die in Rede stehenden Dienstleistungen ausschließlich an dieses Unternehmen zu vergeben, ist zunächst festzustellen, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die polnischen Rechtsvorschriften die Vergabe von Unteraufträgen für die Herstellung der in Rn. 107 des vorliegenden Urteils genannten Dokumente ausdrücklich erlauben.
113
Sodann ist unstreitig, dass eine solche Vergabe von Unteraufträgen allenfalls eine PWPW eröffnete Möglichkeit darstellen würde und daher nur unter der Kontrolle dieses Unternehmens sowie in dem von ihm festgelegten Umfang und unter den von ihm festgelegten Bedingungen in Betracht käme. Im Übrigen hat die Republik Polen in der mündlichen Verhandlung, ohne dass ihr die Kommission widersprochen hätte, klargestellt, dass PWPW nur für bestimmte begrenzte Dienstleistungen Unterauftragnehmer in Anspruch nehme und dass die Herstellung der in Rn. 107 des vorliegenden Urteils aufgeführten Dokumente nicht dazu zähle.
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Schließlich ist für den Fall, dass diese Herstellung von einem gemäß den in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Regeln ausgewählten Unternehmen durchgeführt würde, darauf hinzuweisen, dass dieses Unternehmen, wie sich aus Art. 63 Abs. 1 und Art. 71 dieser Richtlinie ergibt, selbst Unterauftragnehmer in Anspruch nehmen könnte, ohne dass ein im Eigentum des betreffenden Mitgliedstaats stehendes Unternehmen die Tätigkeit dieser Unterauftragnehmer kontrollieren oder die Bedingungen für ihre Tätigkeit festlegen könnte. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine etwaige Vergabe von Unteraufträgen durch PWPW bedeuten würde, dass das für die genannte Herstellung erforderliche Sicherheitsniveau nicht höher wäre als dasjenige, das sich aus der Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Vergabeverfahren ergäbe.
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Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass sich die Republik Polen auf Art. 15 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2014/24 berufen kann, wenn sie geltend macht, dass die Art der in Rn. 107 des vorliegenden Urteils aufgeführten Dokumente mit der Verpflichtung, diese Verfahren anzuwenden, unvereinbar sei.
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Da die Kommission für ihr Vorbringen bezüglich dieser Dokumente keinen Nachweis erbracht hat, ist ihre Klage somit abzuweisen, soweit sie sich auf die Bestimmungen der polnischen Rechtsvorschriften bezieht, die eine Direktvergabe der Aufträge für die Herstellung dieser Dokumente an PWPW ohne Anwendung der in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Vergabeverfahren vorsehen.
117Nach alledem ist festzustellen, dass die Republik Polen dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 1 Abs. 1 und 3 sowie Art. 15 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2014/24 in Verbindung mit Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV verstoßen hat, dass sie in das polnische Recht Ausnahmen aufgenommen hat, die in der Richtlinie 2014/24 nicht vorgesehen sind, was Aufträge für die Herstellung zum einen der in Art. 4 Nr. 5c des Gesetzes über öffentliche Aufträge genannten öffentlichen Dokumente anbelangt, mit Ausnahme der persönlichen Dokumente und Identitätskarten von Militärangehörigen, der Dienstausweise von Polizisten, von Grenzschutzbediensteten, von Bediensteten des Staatsschutzes, von Bediensteten des Amtes für Innere Sicherheit, von Bediensteten des Nachrichtendienstes, von Bediensteten des Militärischen Abschirmdienstes und von zu diesem Dienst abgestellten Berufssoldaten, von Bediensteten des Militärischen Nachrichtendienstes und von zu diesem Dienst abgestellten Berufssoldaten sowie von Angehörigen der Militärpolizei, und zum anderen der ebenfalls in diesem Art. 4 Nr. 5c genannten Steuerzeichen, Legalisierungszeichen, Kontrollaufkleber, Stimmzettel, holografischen Zeichen auf Wahlscheinen sowie Mikroprozessorsysteme mit Software für die Verwaltung öffentlicher Dokumente, IT-Systeme und Datenbanken, die für die Nutzung öffentlicher Dokumente erforderlich sind.
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Im Übrigen ist die Klage abzuweisen.
Kosten
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Gemäß Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.
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Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Der Gerichtshof kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.
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Im vorliegenden Fall haben die Kommission und die Republik Polen beantragt, der jeweils anderen Partei die Kosten aufzuerlegen.
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Da der Klage der Kommission außer in Bezug auf die Ausnahme der Aufträge für die Herstellung bestimmter, in Art. 5 Abs. 2 Nr. 32 des Gesetzes über öffentliche Dokumente genannter Dokumente, auf den Art. 4 Nr. 5c des Gesetzes über öffentliche Aufträge verweist – nämlich der persönlichen Dokumente und Identitätskarten von Militärangehörigen, der Dienstausweise von Polizisten, von Grenzschutzbediensteten, von Bediensteten des Staatsschutzes, von Bediensteten des Amtes für Innere Sicherheit, von Bediensteten des Nachrichtendienstes, von Bediensteten des Militärischen Abschirmdienstes und von zu diesem Dienst abgestellten Berufssoldaten, von Bediensteten des Militärischen Nachrichtendienstes und von zu diesem Dienst abgestellten Berufssoldaten sowie von Angehörigen der Militärpolizei –, von den in der Richtlinie 2014/24 vorgesehenen Vergabeverfahren stattgegeben wird, ist gemäß Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung zu entscheiden, dass die Republik Polen außer ihren eigenen Kosten zwei Drittel der Kosten der Kommission trägt.
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Die Kommission trägt ein Drittel ihrer eigenen Kosten.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Republik Polen hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 1 Abs. 1 und 3 sowie Art. 15 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG in Verbindung mit Art. 346 Abs. 1 Buchst. a AEUV verstoßen, dass sie in das polnische Recht Ausnahmen aufgenommen hat, die in der Richtlinie 2014/24 nicht vorgesehen sind, was Aufträge für die Herstellung zum einen der in Art. 4 Nr. 5c der Ustawa Prawo zamówie? publicznych (Gesetz über öffentliche Aufträge) vom 29. Januar 2004 in der durch die Ustawa o dokumentach publicznych (Gesetz über öffentliche Dokumente) vom 22. November 2018 geänderten Fassung genannten öffentlichen Dokumente anbelangt, mit Ausnahme der persönlichen Dokumente und Identitätskarten von Militärangehörigen, der Dienstausweise von Polizisten, von Grenzschutzbediensteten, von Bediensteten des Staatsschutzes, von Bediensteten des Amtes für Innere Sicherheit, von Bediensteten des Nachrichtendienstes, von Bediensteten des Militärischen Abschirmdienstes und von zu diesem Dienst abgestellten Berufssoldaten, von Bediensteten des Militärischen Nachrichtendienstes und von zu diesem Dienst abgestellten Berufssoldaten sowie von Angehörigen der Militärpolizei, und zum anderen der ebenfalls in diesem Art. 4 Nr. 5c genannten Steuerzeichen, Legalisierungszeichen, Kontrollaufkleber, Stimmzettel, holografischen Zeichen auf Wahlscheinen sowie Mikroprozessorsysteme mit Software für die Verwaltung öffentlicher Dokumente, IT-Systeme und Datenbanken, die für die Nutzung öffentlicher Dokumente erforderlich sind.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Republik Polen trägt neben ihren eigenen Kosten zwei Drittel der Kosten der Europäischen Kommission.
4. Die Europäische Kommission trägt ein Drittel ihrer eigenen Kosten.
Unterschriften