Oberlandesgericht Zweibrücken, Az.: 5 U 178/21, Beschluss vom 27.04.2022 – Leistungsgüte „Sportboden“, Funktionsfähigkeit des Bodens, Einhaltung der Maßtoleranzen der DIN 18202, allgemeinanerkannte Regeln der Technik

Apr 27, 2022 | Rechtsprechung

Oberlandesgericht Zweibrücken
Datum: 27.04.2022
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 5 U 178/21

In dem Rechtsstreit

(…)

wegen Kostenvorschuss für Mängelbeseitigung

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ###, die Richterin am Oberlandesgericht ### und die Richterin am Oberlandesgericht ### am 27.04.2022

beschlossen:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal/Pfalz vom 27.09.2021 – 6 O 284/16 – wird gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal/Pfalz vom 27.09.2021 – 6 O 284/16 – ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt vorbehalten, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.

4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 155.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin macht in der Hauptsache Kostenvorschuss für Mängelbeseitigung in Höhe von 131.297,50 Euro geltend, stellt Feststellungsanträge zur Erstattungspflicht der Beklagten für Ausbau-/Einbau-/Einlagerungskosten für das Inventar im Zuge der Mangelbeseitigungsmaßnahmen und zur Erstattung des Mietausfallschadens.

Die Klägerin beauftragte mit Bauvertrag vom 09.06.2011 die Beklagte mit der Errichtung der Räumlichkeiten für ein Fitnessstudio.

Die Klägerin vermietete die Räumlichkeiten seit dem 15.09.2011 an die … Fitness GmbH …. Am 01.12.2011 fand eine Begehung der errichteten Räumlichkeiten statt, über die die Parteien das Protokoll vom 01.12.2011 fertigten. Am 24.01.2012 stellte die Beklagte ihre Schlussrechnung, die die Klägerin voll bezahlte. Im Februar 2012 startete der Studiobetrieb.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin leitete mit Schriftsatz vom 14.08.20214 ein selbständiges Beweisverfahren (7 OH 15/14) beim Landgericht Frankenthal (Pfalz) ein zur Mängelfeststellung. Die Klägerin forderte die Beklagte zuletzt mit Schreiben vom 05.08.2015 auf, die behaupteten Mängel zu beseitigen. Die Beklagte bestritt die Feststellungen des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahrens und zeigte lediglich bei Kostenbeteiligung der Klägerin Mangelbeseitigungsbereitschaft.

Zwischen den Parteien steht zuletzt vor allem noch im Streit, ob die Fußbodenarbeiten im Trainings- und Bistrobereiches mangelhaft ausgeführt worden seien und ob die hierfür im selbständigen Beweisverfahren bezifferten Mangelbeseitigungskosten erforderlich seien.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Akte 7 OH 15/14, im Termin am 19.05.2017 durch informelle Anhörung der Parteien, Einvernahme der Zeugen … und … und mündliche Erläuterung des schriftlichen Gutachtens aus dem selbständigen Beweisverfahren des Sachverständigen … nebst nachfolgender zweimaliger schriftlicher Ergänzung. Zudem hat die Kammer die gerügten Baumängel im Ortstermin am 12.07.2019 in Augenschein genommen.

Das sodann erlassene Urteil vom 27.09.2019 ist mit Urteil des Senats vom 06.10.2020 wegen Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz i.S.d. § 169 GVG samt des Verfahrens aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen worden. Daraufhin hat das Landgericht im Termin am 17.02.2021 den Sachverständigen … ergänzend angehört und die Zeugin … sowie in der Sitzung am 26.05.2021 den Zeugen … nochmals vernommen.

Der Einzelrichter hat hiernach den Kostenvorschuss in Höhe von 131.297,50 Euro zugesprochen, dem Feststellungsantrag zu der Erstattungspflicht der Beklagten für Ausbau-/Einbau- und Einlagerungskosten während der Durchführung der Mängelbeseitigungsarbeiten entsprochen, den Feststellungsantrag hinsichtlich der Betriebsausfallkosten der Klägerin abgelehnt, dem Hilfsantrag auf Feststellung der Ersatzpflicht des Mietausfalls entsprochen sowie der Klage hinsichtlich der Erstattung der außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen seit dem 15.11.2016 stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Kostenvorschuss nach §§ 631, 634 Nr. 1, 637 Abs. 1 BGB i.V.m. 13 Abs. 5 Nr. 2 VOB/B (Stand 2010) zu, die wirksam in den Werkvertrag miteinbezogen worden sei. Die Klägerin habe die Werkleistung der Beklagten abgenommen, § 640 BGB i.V.m. § 12 VOB/B, die Arbeiten seien mangelhaft ausgeführt i.S.d. § 13 Abs. 1 VOB/B und die Beklagte sei erfolglos zur Mangelbeseitigung aufgefordert worden.

Das Gericht sei aufgrund der Beweisaufnahme überzeugt, dass ein Mangel wegen Absenkung des gesamten Bodenbelags, 1013 m², im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VOB/B anzunehmen sei. Zwar bewegten sich die Höhendifferenzen des Bodenbelags innerhalb der maßgeblichen DIN, welche über VOB/C nach § 1 Abs. 1 VOB/B den Mindeststandard der geschuldeten Leistung bestimme, dennoch liege eine Funktionsuntauglichkeit des Bodenbelags als Trainingsfläche eines Fitnessstudios vor, wenn Trainingsgeräten mit Bierdeckeln zu festem Stand verholfen werden müsse. Der sachverständigenseits angesetzte Mangelbeseitigungsaufwand i.H.v. 88.198,50 Euro netto sei erforderlich und angemessen, ein Vorteilsausgleich verbiete sich.

Der Klägerin stehe aufgrund des zu bejahenden wesentlichen Mangels zudem ein Feststellungsanspruch auf Ersatz weiterer Mangelbeseitigungskosten (Aus-/Einbaukosten/Einlagerungskosten) aus § 13 Abs. 5 VOB/B zu.

Ein Schadensersatzanspruch gemäß Antrag 3) bzw. 3a) bestehe zwar nicht, dem Klageantrag zu 3b) sei dagegen stattzugeben. Dies folge aus § 13 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 7 VOB/B, dessen Voraussetzungen erfüllt wären.

Die Erstattung der außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten aus einem vorgerichtlich geltend gemachten Streitwert i.H.v. 131.297,50 Euro sei nach § 13 Abs. 5 VOB/B begründet. Die geltend gemachten Zinsen hierfür seien lediglich i.H.v. 5 % zuzusprechen gewesen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte, die ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag für einen zugesprochenen Betrag, der 43.099 Euro netto übersteigt, weiterverfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor:

Die Kammer habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Parteien die VOB/B und die VOB/C in den Vertrag einbezogen hätten. Die erbrachte Werkleistung sei danach vertragsgemäß erbracht. Es liege keine Mangelhaftigkeit des Hallenbodens wegen der Höhendifferenz vor, weil die einschlägige DIN 18202 eingehalten sei. Die gegenteiligen Ausführungen des Sachverständigen … seien fachlich nicht nachvollziehbar und zudem widersprüchlich, da sie zunächst darauf fußten, dass die einschlägige DIN 18202 nicht eingehalten worden sei, was aber in der ergänzenden Begutachtung durch den Sachverständigen selbst revidiert werden musste, allerdings ohne, dass er auch das Ergebnis seiner Begutachtung angepasst hätte.

Unzutreffend sei die Annahme des Sachverständigen, dass die DIN 18202 zeitlich überholt sei.

Zudem habe die Kammer übersehen, dass für die Estricharbeiten vertraglich vereinbart worden sei, dass die technische Ausführung in Anlehnung an VOB/Teil C DIN 18353 erfolge. Ein darüberhinausgehender Standard sei zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Diesem vertraglich vereinbarten Standard würden die ausgeführten Arbeiten entsprechen. Überdies sei eine gewöhnliche Verwendungseignung des Fußbodenbelags anzunehmen und jedenfalls kein wesentlicher Mangel vorhanden. Aus demselben Grund seien auch die zugesprochenen Feststellungsanträge abzuweisen. Jedenfalls fehle es im Rahmen des § 13 Abs. 7 VOB/B an einem wesentlichen Mangel, was sich bereits darauf ergebe, dass bereits 10 Jahre auf dem beanstandeten Fußbodenbelag ein Fitnessstudio betrieben werde. Ein wesentlicher Mangel ergebe sich auch nicht aufgrund der Mängel im Duschbereich.

Die Beklagte beantragt,

1. das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal vom27.09.2021, AZ: 6 O 284/16, zu ändern und unter Ziffer 1) die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte verurteilt wurde, an die Klägerin einen 43.099,- Euro netto übersteigenden Betrag als Kostenvorschuss zu zahlen.

2. die Klage abzuweisen, soweit festgestellt wurde, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin anfallende Kosten für die Instandsetzung des Fußbodens einschließlich Laminatbelag in der Trainingshalle und dem Bistro in dem Gebäude (Fitnessstudio) …in … für den Aus- und Einbau zu erstatten, insbesondere der Empfangs- und Bistrotheke, Trainingspodesten, Trainingsgeräten sowie der während der Dauer der Instandsetzungsarbeiten anfallenden Einlagerungskosten des Inventars.

Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses verwiesen. Ebenso wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung Bezug genommen.

Der Senat hat die Parteien mit Beschluss vom 18.03.2022 darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Die Beklagte hat hierauf mit ihrem Schriftsatz vom 25.04.2022 nochmals Stellung genommen. Wegen der Einzelheiten wird auf den vorgenannten Schriftsatz verwiesen.

II.

Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4 ZPO).

Der Senat verweist zur Begründung auf seinen Beschluss vom 18.03.2022 und auf die Berufungserwiderung vom 21.02.2022. Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 25.04.2022 ihre bereits geäußerten Rechtsauffassungen im Wesentlichen nochmals wiederholt und betont, dass zwischen den Parteien für die streitgegenständliche Fußbodenfläche keine Beschaffenheit „Sportboden“ vereinbart worden sei. Ihre Rechtsansicht kann jedoch nicht überzeugen. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Beklagten im Schriftsatz vom 25.04.2022 daran fest, dass der „unebene Fußboden“ im streitgegenständlichen Hallenbereich ein Mangel darstellt. Lediglich klarstellend ist nochmals zu betonen:

Unabhängig von den Fragen, ob die Parteien die Leistungsgüte „Sportboden“ für die Trainingsfläche und den Bistrobereich ausdrücklich vereinbart haben und ob die DIN-Norm nach dem zutreffend anzuwendenden Messverfahren eingehalten ist, schuldet die Beklagte vorliegend die Funktionsfähigkeit des Bodens, um auf ihm ein Fitnessstudio zu betreiben. Diese Funktionsfähigkeit ist nach der hinreichenden Überzeugung des Senats, die auch auf den Feststellungen des Sachverständigen basiert, nicht gegeben. Die Einschätzung des Sachverständigen … überzeugt, dass trotz Einhaltung der Maßtoleranzen der DIN 18202 der Fußboden vor dem Hintergrund seiner konkreten Verwendung nicht den allgemeinanerkannten Regeln der Technik entspricht. Dies wird vorliegend auch darin offenbar, dass der stabile Stand von schweren Fitnessgeräten nicht gewährleistet ist, zumal hiermit auch eine erhöhte Unfallgefahr einhergeht und nach den Feststellungen des Sachverständigen die Herstellung eines weniger unebenen Bodens technisch erwartbar gewesen wäre. Zur Vermeidung weiterer Wiederholungen wird auch auf die zutreffenden Ausführungen hierzu des Landgerichts verwiesen.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 48 GKG i.V.m. §§ 3, 5 ZPO (Antrag 1: 131.297,50 – 43.099 Euro; Antrag 2: 30.000 Euro, Antrag 3a), 3b), 3c) wegen wirtschaftlicher Identität, § 45 Abs. 1 Satz 2, 3 GVG: einmalig 30.000 Euro).

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