Vergabekammer Berlin, Az.: VK – B2 – 35 / 22, Beschluss vom 24.01.2023 – Vergabeverfahren „Landschaftsbauarbeiten …“, Ausschluss der Nachforderung in die Vergabeunterlagen, Gewährung von Akteneinsicht

Jan 24, 2023 | Rechtsprechung

Vergabekammer Berlin

Aktenzeichen: VK – B2 – 35 / 22

Beschluss vom 24.01.2023

 

Entscheidungstext:

In dem Vergabenachprüfungsverfahren der … ,

pp.

… wegen des Vergabeverfahrens „Landschaftsbauarbeiten …“ hat die 2. Beschlussabteilung der Vergabekammer des Landes Berlin durch den Vorsitzenden Dr. Lux, den hauptamtlichen Beisitzer Sauer und den ehrenamtlichen Beisitzer … am 24. Januar 2023 beschlossen:

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners und der Beigeladenen.

3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen war notwendig.

4. Der Antrag der Antragstellerin auf Einsicht in die Vergabeakte wird zurückgewiesen.

5. Die Verfahrensgebühren werden auf … EUR festgesetzt. Auslagen werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Der Antragsgegner schrieb mit am … August 2022 an das Amtsblatt der Europäischen Union versandter Auftragsbekanntmachung Landschaftsbauarbeiten im Rahmen des Bauvorhabens

… in einem offenen Verfahren aus.

Die Baukosten für das gesamte Bauvorhaben belaufen sich auf mindestens 32 Millionen EUR.

Unter Ziffer VI.4.3) der Auftragsbekanntmachung erfolgte ein Hinweis auf Rügeobliegenheiten nach § 160 Abs. 3 GWB.

In der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Formblatt V 2111EZ.G F) in der Fassung vom 25. August 2022 waren unter Punkt C. Anlagen benannt, die, „soweit erforderlich, ausgefüllt mit dem Angebot einzureichen sind“. Unter Ziffer 3.1. („Folgende Unterlagen sind mit dem Angebot einzureichen:“) waren weitere Unterlagen benannt, die mit dem Angebot einzureichen sind. Unter Ziffer 3.3 („Nachforderung“) war Folgendes eingetragen:

„Fehlende Unterlagen, deren Vorlage mit dem Angebot gefordert war, werden nachgefordert.“

Unter Ziffer 3.4 („Folgende Unterlagen sind auf gesondertes Verlangen der Vergabestelle vorzulegen“) waren weitere Unterlagen aufgeführt.

Am 7. Oktober 2022 ging über die Vergabeplattform folgende Bieterfrage ein:

„Die vereinbarte Bauzeit für das BV soll laut BVB 16 Monate betragen. Den Vergabeunterlagen liegen keine Vereinbarungen über eine Preisgleitklausel, gemäß Bundeserlass vom 25.03.2022, Punkt II, bei. Wir bitten dies kurzfristig nachzuholen oder die Vorgaben des Senates durch ein Kopplung an die Wertes des statistischen Bundesamtes (siehe Anlage) als verbindlich zu erklären.“

Der Antragsgegner beantwortete diese Bieterfrage am 11. Oktober 2022 über die Vergabeplattform wie folgt:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

bitte beachten Sie das Änderungspaket 2. Eine Vereinbarung zur Preisgleitklausel wird nachgeholt. Hierzu wurden im Änderungspaket 2 zunächst der Submissionstermin, die Bindefrist und die Ausführungsfristen angepasst.

Die entsprechenden ABau-Formblätter für die Vereinbarung zur Preisgleitklausel werden in einem weiteren Änderungspaket schnellstmöglich nachgereicht.“

Der Antragsgegner informierte die Antragstellerin wie die übrigen Bieter am gleichen Tag über die Vergabeplattform über die Antwort.

Mit am 11. Oktober 2022 an das Amtsblatt der Europäischen Union versandter Nachbekanntmachung legte der Antragsgegner unter anderem den 4. November 2022 als neuen Schlusstermin für den Eingang der Angebote fest.

Am 17. Oktober 2022 lud der Antragsgegner auf der Vergabeplattform ein sogenanntes Änderungspaket 3 hoch, mit dem die Vergabeunterlagen um folgende, bisher nicht in der Aufforderung zur Angebotsabgabe aufgeführte Unterlagen ergänzt wurden:

Formblatt V 2251 F („Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 1“)

Formblatt V 2251 F („Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 2“)

Formblatt V 2251 F („Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 3“)

Bestandteil des Änderungspaketes war außerdem eine aktualisierte Fassung der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Formblatt V 2111EZ.G F), in der unter Ziffer 3.1 nunmehr als mit dem Angebot einzureichende Unterlage „V 2251 F Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 1 bis 3“ aufgeführt war. Ferner war unter Ziffer 3.3 („Nachforderung“) Folgendes eingetragen:

„Fehlende Unterlagen, deren Vorlage mit dem Angebot gefordert war, werden teilweise nachgefordert, und zwar folgende Unterlagen:

alle fehlenden Unterlagen werden nachgefordert, mit Ausnahme der Formblätter V 2251 F“

In der Folge veröffentlichte der Antragsgegner am gleichen Tag auf der Vergabeplattform folgende Antwort auf eine Bieterfrage:

„Sehr geehrte Damen und Herren, bezugnehmend auf die Bieterfragen vom 11.10.2022 wird die Vereinbarung zur Stoffpreisgleitklausel nun nachgereicht.

Bitte beachten Sie entsprechend das Änderungspaket 3

Es wurden folgende Formblätter hinzugefügt, die mit Abgabe des Angebotes entsprechend der aktualisierten Fassung des Vordrucks V 2111EU.G F (siehe Punkt 3.1) VOLLSTÄNDIG AUSGEFÜLLT eingereicht werden müssen:

V 2251 F Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 1

V 2251 F Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 2

V 2251 F Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 3

ACHTUNG! Da es sich um Preisangaben handelt, können fehlende Angaben nicht nachgefordert werden (siehe auch Erlass des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) vom 25. März 2022 (BWI7-70437/9#4) mit Hinweisblatt sowie das Rundschreiben SenSBW V M Nr. 02 / 2022 vom 11.04.2022 mit den Regelungen für die Berliner Gegebenheiten sowie der Änderung des Erlasses vom 22.06.2022 in Verbindung mit dem Rundschreiben SenSBW V M Nr. 03 / 2022 vom 04.07.2022).“

Der Antragsgegner informierte die Antragstellerin wie die übrigen Bieter am gleichen Tag über die Vergabeplattform über die Antwort.

Am 19. Oktober 2022 lud die Antragstellerin das sogenannte Änderungspaket 3 von der Vergabeplattform.

Neben der Antragstellerin und der Beigeladenen beteiligten sich acht weitere Bieter durch Abgabe von Angeboten an dem Vergabeverfahren. Die Antragstellerin lud ihr Angebot am 4. November 2022 über die Vergabeplattform hoch. Ihre Angebotssumme betrug … EUR (brutto). Die Unterlage „V 2251 F Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 1 bis 3“ war dem Angebot nicht beigefügt.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2022 (Formblatt V 334EU.H F („Informations-, Absageschreiben nach § 134 GWB“) teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der … zu erteilen. In dem Schreiben teilte der Antragsgegner ferner mit, dass das Angebot der Antragstellerin von der Wertung ausgeschlossen werde, weil geforderte Unterlagen, deren Nachforderung ausgeschlossen war, nicht mit dem Angebot vorgelegt wurden.

Die Antragstellerin rügte mit Schreiben ihrer nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten vom 16. Dezember 2022 den Ausschluss ihres Angebotes und führte hierzu unter anderem Folgendes aus:

„Sie haben in Ihrer Aufforderung zur Abgabe eines Angebots vom 25. August 2022 unter Ziffer 3.3. ausdrücklich klargestellt, dass fehlende Unterlagen, deren Vorlage mit dem Angebot geforderten war, nachgefordert werden. Diese, für die Bieter wesentliche Regelung kann nicht im Rahmen eines Änderungspaketes (zum Nachteil der Bieter) geändert werden.

Sie haben es als ausschreibende Stelle, entgegen der Vorgaben der Ministerien und Senatsverwaltungen versäumt, eine Regelung hinsichtlich einer Stoffpreisgleitklausel in die Vergabebedingungen mit aufzunehmen. Zum Zeitpunkt des 3. Änderungspaktes hatte unsere Mandantin ihr Angebot bereits eingereicht. Die Einreichung des Formblattes V 2251 F hätte von Ihnen zwingend nachgefordert werden müssen. Alternativ hätte es Ihnen offen gestanden, das Vergabeverfahren aufzuheben.

Soweit Sie auf das Rundschreiben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen vom 4. Juli 0222 verweisen, weisen wir vorsorglich daraufhin, dass die Senatsverwaltung in diesem Rundschreiben die Auffassung vertritt, dass einzelne Angaben nicht nachgefordert werden und Angebote, bei denen Angaben des Stoffpreisanteils zu einer oder mehrerer GPNummern fehlen, von der Wertung auszuschließen sind. Unser Mandant hat das Formblatt insgesamt auf Grund der von Ihnen veranlassten Umstände (fehlende Regelung zur Stoffpreisgleitklausel und Einstellen des 3. Änderungspaktes nach Einreichung des Angebots unserer Mandantin) insgesamt nicht eingereicht. Dies kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu einem Ausschluss führen.

Der Vollständigkeit halber weisen wir auf die Bedenken hinsichtlich der Fachkunde des Bieters … hin. Nach den öffentlich zugänglichen Daten lag der Gesamtumsatz der … im Jahr 2000 bei ca. … €. Der Umsatz im Jahr 2019 soll bei ca. … € gelegen haben. Es dürfte ausgeschlossen sein, dass die … in den letzten drei Jahren ein Referenzobjekt mit einem Bauvolumen von 2 Mio. € fertig gestellt hat.“

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2022 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, ihrer Rüge nicht abzuhelfen. Die Antragstellerin habe in Kenntnis der mit dem Änderungspaket 3 erfolgten Forderung des Formblatts V 2251 F ein Angebot ohne das entsprechende Formblatt hochgeladen. Das Verhalten der Antragstellerin sei bezogen auf das Formblatt in keiner Weise nachvollziehbar gewesen. Im Übrigen sei die Forderung des genannten Formblatts auch vergaberechtskonform erfolgt. Die Antragstellerin sei zudem mit ihrer Rüge präkludiert, da diese nicht bis zum Submissionstermin übermittelt worden sei.

Am 21. Dezember 2022 hat die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Landes Berlin eingereicht, mit dem sie ihre Rüge weiterverfolgt und Einsicht in die von der Kammer beigezogene Vergabeakte beantragt.

Die Antragstellerin macht in Ergänzung ihrer Rüge geltend, dass es bereits fraglich erscheine, ob die nachträgliche Einführung einer Preisgleitklausel möglich war oder das Verfahren nicht hätte aufgehoben werden müssen. Der Antragsgegner habe sich im August 2022 offenbar bewusst dafür entschieden, keine Preisgleitklausel oder ein vergleichbares Instrument wie eine Kopplung an die Werte des Statistischen Bundesamtes vorzusehen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Bieter lediglich aus diesem Grund kein Angebot abgegeben hätten. Jedenfalls hätte einem Bieter, der die erst im Laufe des Vergabeverfahrens geforderte Einreichung der Formblätter „erkennbar übersehen“ habe, die Möglichkeit eingeräumt werden müssen, diese nachzureichen. Ferner hat die Antragstellerin in diesem Zusammenhang mit dem Nachprüfungsantrag Folgendes vortragen lassen:

„Die Antragstellerin sowie die weiteren Bieter durften sich darauf verlassen, dass, wie in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots von dem Antragsgegner festgelegt, fehlende Unterlagen – ohne Ausnahme – nachgefordert werden.

Hinzu kommt, dass das Änderungspaket 3 zwar den Hinweis enthält, dass die Formblätter vollständig auszufüllen sind und am Ende des Änderungspaketes unter Anführung von diversen Erlassen und Rundschreiben die Auffassung vertreten wird, dass fehlende Angaben nicht nachgefordert werden können. Ein (eindeutiger) Hinweis darauf, dass das Angebot (ohne Möglichkeit des Nachreichens der nachträglichen geforderten Formulare) bei Nichtvorlage der Formulare ausgeschlossen wird, fehlt.“

In Bezug auf die Eignung der Beigeladenen hat die Antragstellerin im Nachprüfungsantrag Folgendes vortragen lassen:

„Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin in ihrem Rügeschreiben auch darauf hingewiesen hat, dass es greifbare Bedenken hinsichtlich der Fachkunde des Bieters … , die nach Mitteilung des Antragsgegners den Auftrag erhalten soll, gibt. Ausweislich des Auftritts im Internet der … handelt es sich bei diesem Bieter um ein junges Bauunternehmen mit dem Schwerpunkt Straßenbau. Dem Internetauftritt sind unter „Projekte“ kleinere Straßenbauarbeiten zu entnehmen. Den durch die … veröffentlichten Umsätzen für die Jahre 2019 und 2020 (…) kann entnommen werden, dass sich der Gesamtumsatz der … im Jahr 2019 auf ca. … Millionen € und im Jahr 2020 auf ca. … Millionen € belief. Es kann nahezu ausgeschlossen werden, dass die … die Vorgabe des Antragsgegners, zum Nachweis der Fachkunde habe der Bieter mindestens einen in den letzten drei Jahren fertiggestelltes Referenzobjekt (Gewerk Landschaftsbauarbeiten-Schulhöfe, öffentliche Parks oder Plätze) mit einem Bauvolumen von 2 Millionen € nachzuweisen, erbracht hat, bzw. erbringen kann.“

Die Antragstellerin hat mit dem Nachprüfungsantrag sinngemäß beantragt, dem Antragsgegner zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, dem Antragsgegner zu untersagen, das Angebot der Antragstellerin auszuschließen, den Antragsgegner zu verpflichten, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ein Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen, hilfsweise, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen, und die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Der Nachprüfungsantrag ist dem Antragsgegner am 23. Dezember 2022 übermittelt worden.

Mit Beschluss vom 30. Dezember 2022 hat die Kammer die für den Zuschlag vorgesehene … beigeladen.

Mit Schriftsatz vom 2. Januar 2023 hat der Antragsgegner sinngemäß beantragt, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegner macht über seine Rügebeantwortung hinaus geltend, dass die Prüfung der Eignung der Beigeladenen fachgerecht und vergaberechtskonform erfolgt sei. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte für die Behauptung, die Bieterin sei ungeeignet mit dem Verweis auf fehlende Referenzen. Die Beigeladene habe eine entsprechende und den Anforderungen genügende Referenz eingereicht.

Die Beigeladene hat mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 10. Januar 2023 beantragt, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen und die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig. Die Antragstellerin habe ihr Angebot entgegen der Darstellung im Nachprüfungsantrag nicht bereits am 26. September 2022 abgegeben, sondern erst am 4. November 2022, also mehr als zwei Wochen nachdem der Antragsgegner das dritte Änderungspaket auf die Vergabeplattform eingestellt habe. Sie habe ihr Angebot zudem in positiver Kenntnis des Änderungspaketes eingereicht. Es könne daher überhaupt keine Rede davon sein, dass die ergänzten Vorgaben in Bezug auf die Stoffpreisgleitklausel von der Antragstellerin „übersehen“ worden seien. Es sei ferner nicht richtig, dass nach der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Bieter alle fehlenden Unterlagen hätten nachreichen können. Vielmehr sei dort unter Ziffer 3.3 klargestellt, dass alle fehlenden Unterlagen nachgefordert würden, mit Ausnahme der Formblätter V 2251 F.

Sie sei auch in vollem Umfang geeignet. Sie habe die geforderten Referenzen eingereicht, die den Vorgaben der Vergabestelle entsprächen. Soweit die Antragstellerin behaupte, aus ihren veröffentlichten Umsätzen für die Jahre 2019 und 2021 könne geschlossen werden, dass die geforderte Referenz nicht vorgelegt worden sei, verkenne sie, dass größere Bauvorhaben über mehrere Jahre laufen könnten, sodass sich die Umsätze auch auf mehrere Jahre verteilten. Im Übrigen sei es so, dass sie im Jahr 2020 Umsätze von mehr als … Mio. EUR und im Jahr 2021 von mehr als … Mio. EUR erzielt habe.

Die erfolgte Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch sie sei notwendig, da im hiesigen Verfahren vergaberechtliche Fragen im Streit stünden, die einem durchschnittlichen Bieter nicht unmittelbar vertraut seien, und sie auch nicht über eine eigene Rechtsabteilung oder rechtlich versierte Personen verfüge, die die hier streitgegenständlichen Fragen sachkundig hätten klären können.

Mit Verfügung vom 4. Januar 2023 hat der Vorsitzende die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass die Kammer beabsichtige, gemäß § 166 Abs. 1 S. 3 GWB nach Lage der Akten ohne vorherige Gewährung von Akteneinsicht zu entscheiden.

II.

Der Nachprüfungsantrag, über den die Kammer gemäß § 166 Abs. 1 S. 3 GWB nach Lage der Akten ohne vorherige Gewährung von Akteneinsicht entscheiden durfte, bleibt ohne Erfolg.

1. Der Nachprüfungsantrag ist selbst bei unterstellt ausschließlicher Berücksichtigung des Vortrages der Antragstellerin unzulässig und zudem teilweise offensichtlich unbegründet. Durch eine mündliche Verhandlung könnte sich insofern keine andere Bewertung ergeben, so dass von der Anberaumung eines Termins abgesehen und nach Lage der Akten entschieden werden kann. Die Kammer hätte den Nachprüfungsantrag gemäß § 163 Abs. 2 S. 3 GWB schon nicht übermittelt, wäre von der Antragstellerin bereits darin offengelegt worden, dass mit dem Änderungspaket 3 auch die Aufforderung zur Angebotsabgabe im Hinblick auf die Nachforderung von Unterlagen angepasst wurde.

a) Soweit sich die Antragstellerin dagegen wendet, dass ihr Angebot wegen der fehlenden Einreichung der Unterlage „V 2251 F Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 1 bis 3“ ohne vorherige Gelegenheit zur Nachreichung ausgeschlossen wurde, ist der Nachprüfungsantrag nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB unzulässig und zudem offensichtlich unbegründet.

Es ist unstreitig, dass der Antragsgegner im Laufe des Vergabeverfahrens die Bieter aufforderte, mit dem Angebot die Unterlage „V 2251 F Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 1 bis 3“ einzureichen. Es ist ebenfalls unstreitig, dass der Antragsgegner im Rahmen des Änderungspaketes 3 am 17. Oktober 2022 die Aufforderung zur Angebotsabgabe dergestalt änderte, dass die vorgenannten Unterlagen von einer möglichen Nachforderung ausgenommen sind. Es ist ferner unstreitig, dass der Antragsgegner die Antragstellerin vor Ablauf der Angebotsfrist über das Änderungspaket 3 und die in diesem Zuge geänderten Vergabeunterlagen informierte. Es ist außerdem unstreitig, dass die vorgenannte Unterlage nicht in den von der Antragstellerin innerhalb der Angebotsfrist einreichten Angebotsunterlagen enthalten war.

Soweit die Antragstellerin erstmalig mit ihrem Rügeschreiben vom 16. Dezember 2022 geltend machte, dass die bisherige Regelung, wonach fehlende Unterlagen einschränkungslos nachgefordert werden, nicht im Rahmen eines Änderungspaketes geändert werden könne, erfolgte dies zu spät. Gleiches gilt für die erstmalig mit dem Nachprüfungsantrag erhobene Rüge gegen die nachträgliche Einführung einer Preisgleitklausel.

Unbeschadet dessen, dass vorliegend für die Kammer keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Antragsgegners bestehen, hätte die Antragstellerin die geltend gemachten Vergabeverstöße gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe, also am 4. November 2022, gegenüber dem Auftraggeber rügen müssen. Nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Dieser Rügeobliegenheit, auf die der Antragsgegner in der Auftragsbekanntmachung auch hingewiesen hat, ist die Antragstellerin nicht nachgekommen.

Die geltend gemachten Vergabeverstöße waren in den Vergabeunterlagen erkennbar.

Erkennbar sind Verstöße, die bei üblicher Sorgfalt und den üblichen Kenntnissen von einem durchschnittlichen Unternehmen erkannt werden (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 1. September 2016 – 11 Verg 6/16, NZBau 2016, 787, 789). Dabei muss neben die Erkennbarkeit der die (mögliche) Vergaberechtswidrigkeit begründenden Tatsachen das Bewusstsein hinzutreten, dass hieraus in rechtlicher Hinsicht ein Vergaberechtsverstoß resultieren könnte (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 9. Mai 2017 11 Verg 5/17, BeckRS 2017, 112554).

Die Erkennbarkeit in tatsächlicher Hinsicht ist gegeben.

Die Antragstellerin wie die übrigen Bieter hatten aufgrund der Information des Antragsgegners über das Änderungspaket 3 bei üblicher Sorgfalt Anlass, sich mit den in diesem Zuge geänderten Bestimmungen spätestens bei der Erstellung ihrer Angebote zu befassen. Die erfolgten Änderungen waren auch hinreichend transparent. Hiergegen wendet die Antragstellerin nichts Substantielles ein. Soweit sie behauptet, die mit dem Änderungspaket 3 erfolgten Änderungen schlicht übersehen zu haben, räumt sie damit letztlich ein, die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen zu haben. Dies stellt die Erkennbarkeit der die (mögliche) Vergaberechtswidrigkeit begründenden Tatsachen nicht in Frage.

Die Erkennbarkeit ist auch in rechtlicher Hinsicht gegeben.

Insofern ist nicht etwa auf den Erkenntnishorizont eines Vergaberechtsexperten abzustellen, sondern auf den Adressatenkreis des Vergabeverfahrens, mithin den der Bieter (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 16. Dezember 2016 7 Verg 6/16, BeckRS 2016, 115763). Dabei ist nach zutreffender Ansicht ein objektiver Maßstab anzulegen, wonach es darauf ankommt, ob ein sorgfältig handelnder Unternehmer, der mit den wichtigsten Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe vertraut ist, den geltend gemachten Vergabeverstoß ohne besonderen Rechtsrat erkennen kann (statt vieler OLG Schleswig, Beschluss vom 28. Oktober 2021 – 54 Verg 5/21, NZBau 2022, 114, 121).

Vorliegend war für einen sorgfältig handelnden Bieter auch ohne besonderen Rechtsrat die von der Antragstellerin beanstandete rechtliche Konsequenz erfassbar, wonach die Unterlage „V 2251 F Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 1 bis 3“ mit dem Angebot einzureichen und insofern eine Nachforderung ausgeschlossen ist. Die Bestimmungen sind eindeutig. Ein abweichendes Verständnis wird auch von der Antragstellerin nicht geltend gemacht. Für einen sorgfältig handelnden Bieter war ferner ohne besonderen Rechtsrat durch bloßes Lesen der einschlägigen Normen § 16 EU Nr. 3 VOB/A und § 16a EU Abs. 3 VOB/A zu erfassen, dass Angebote, bei denen diese Unterlage fehlt, zwingend auszuschließen sind. Eines gesonderten Hinweises auf diese Rechtsfolge bedurfte es entgegen der Antragstellerin nicht. Woraus sich die Unzulässigkeit des erfolgten Nachforderungsausschlusses ergeben soll, lässt die Antragstellerin auch nach Mandatierung ihrer nunmehrigen Verfahrensbevollmächtigten offen. Der Vortrag beschränkt sich darauf, dass die bisherige, für die Bieter wesentliche Regelung nicht im Rahmen eines Änderungspaketes zum Nachteil der Bieter geändert werden könne. Für diese im Ergebnis unzutreffende Einschätzung hätte es der Einholung eines Rechtsrates nicht bedurft.

Die Antragstellerin hat erstmalig mit ihrem Rügeschreiben vom 16. Dezember 2022 bzw. mit dem Nachprüfungsantrag die nachträgliche Einführung einer Preisgleitklausel sowie den erfolgten Nachforderungsausschluss beanstandet, mithin nach Ablauf der Angebotsfrist. Die Antragstellerin ist insofern mit ihrer Rüge präkludiert.

Die Präklusion erfasst vorliegend auch die Beanstandung des auf die Unvollständigkeit gestützten Ausschlusses des Angebotes der Antragstellerin durch den Antragsgegner. Zwar erfolgte der Angebotsausschluss erst am 15. Dezember 2022. Die hiergegen vorgebrachte Rüge der Antragstellerin beschränkt sich jedoch darauf, dass ihr keine Gelegenheit zur Nachreichung der fehlenden Unterlage gegeben worden ist und erschöpft sich insoweit in der bereits präkludierten Beanstandung des erfolgten Nachforderungsausschlusses.

Soweit sich der Nachprüfungsantrag gegen den erfolgten Angebotsausschluss richtet, ist dieser zudem offensichtlich unbegründet.

Der Antragsgegner hat das Angebot der Antragstellerin zu Recht wegen der fehlenden Unterlage „V 2251 F Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 1 bis 3“ ausgeschlossen.

Der Angebotsausschluss war nach § 16 EU Nr. 3 VOB/A zwingend. Der Antragsgegner hat mit der erfolgten Änderung der Aufforderung zur Angebotsabgabe im Rahmen des Änderungspaketes 3 festgelegt, dass die vorgenannte Unterlage mit dem Angebot einzureichen ist und er diese nicht nachfordern wird. Beide Festlegungen sind entgegen der Antragstellerin nicht zu beanstanden. Auftraggeber sind bei Wahrung der Verfahrensgrundsätze aus § 97 Abs. 1 und 2 GWB grundsätzlich berechtigt, die Vergabeunterlagen nachträglich zu ändern. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend die erfolgte Änderung nicht im Einklang mit den Verfahrensgrundsätzen steht, sind weder von der Antragstellerin dargelegt worden noch ersichtlich. Der außerdem erfolgte Nachforderungsausschluss ist von § 16a EU Abs. 3 VOB/A gedeckt.

Hiernach ist es öffentlichen Auftraggebern – a maiore ad minus – nicht nur erlaubt, gar keinen Gebrauch von der Nachforderungsmöglichkeit zu machen, sondern auch, die Nachforderung auf bestimmte Unterlagen zu beschränken (vgl. Ziekow/Völlink/Steck VOB/A-EU § 16aEU Rn. 26). Hiervon hat der Antragsgegner Gebrauch gemacht und war insofern auch daran gebunden. Sofern die Antragstellerin meint, dass ein Nachforderungsausschluss nicht nachträglich über eine Änderung der Vergabeunterlagen im Vergabeverfahren festgelegt werden kann, ist dem nicht zu folgen. Eine solche Beschränkung ist weder der Norm selbst zu entnehmen, noch aus allgemeinen Verfahrensgrundsätzen abzuleiten. Eine Nachforderung der fehlenden Unterlage bei der Antragstellerin war mithin ausgeschlossen und deren Angebot demnach wegen Unvollständigkeit zwingend auszuschließen.

b) Soweit sich die Antragstellerin gegen die beabsichtigte Zuschlagserteilung an die Beigeladene wendet und insoweit die Prüfung von deren Eignung durch den Antragsgegner beanstandet, ist der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB unzulässig.

Zwar hat die Antragstellerin ihr erforderliches Interesse an dem Auftrag, dessentwegen der Antragsgegner das zur Nachprüfung gestellte Vergabeverfahren durchführt, bereits durch die Abgabe ihres Angebots hinreichend belegt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006 X ZB 14/06, NZBau 2006, 800, 801).

Die Antragstellerin hat allerdings nicht vermocht darzulegen, dass ihr infolge der behaupteten fehlerhaften Prüfung der Eignung der Beigeladenen ein Schaden zu entstehen droht.

Konkret fehlt ein schlüssiger Vortrag, aus dem sich ergibt, dass gerade durch den gerügten Vergaberechtsverstoß die Aussichten der Antragstellerin auf die Erteilung des Zuschlages beeinträchtigt worden sein könnten (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 4. Februar 2009 – 1 Verg 4/08, ZfBR 2009, 292, 294). Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sich auch solche Antragsteller auf eine Verschlechterung ihrer Zuschlagschancen berufen können, deren Angebote – wie vorliegend zu Recht ausgeschlossen worden sind. Dies setzt allerdings voraus, dass der Zuschlag nach dem Antragstellervortrag auch keinem anderen Bieter erteilt werden kann, das Vergabeverfahren deshalb – bei fortbestehender Beschaffungsabsicht – zu wiederholen und dem Antragsteller so eine „zweite Chance“ auf Abgabe eines zuschlagfähigen Angebots einzuräumen ist (vgl. statt vieler OLG Rostock, Beschluss vom 17. Juli 2019 – 17 Verg 1/19, NZBau 2020, 120, 122). Der Vortrag der Antragstellerin beschränkt sich vorliegend auf die Prüfung der Eignung der Beigeladenen. In Anbetracht dessen, dass neben der Beigeladenen aber zahlreiche weitere Bieter Angebote eingereicht haben, genügt dies nicht, um eine mögliche Beeinträchtigung der Zuschlagsaussichten der Antragstellerin annehmen zu können. Anhaltspunkte dafür, dass die Eignungsprüfung des Antragsgegners auch in Bezug auf die übrigen Bieter vergaberechtswidrig erfolgt wäre, sind auch sonst für die Kammer nicht ersichtlich.

2. Im Hinblick auf die Unzulässigkeit und teilweise offensichtliche Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages ist der Antragstellerin die beantragte Gewährung von Akteneinsicht zu versagen.

Die bloße Tatsache, dass ein Wirtschaftsteilnehmer einen Nachprüfungsantrag stellt, begründet noch keinen Anspruch auf Akteneinsicht, da die Akteneinsicht nur ein unterstützendes Verfahrensrecht ist (Beck VergabeR/Vavra/Willner GWB § 165 Rn. 16).

Das grundsätzlich unumschränkte Akteneinsichtsrecht setzt demnach voraus, dass der Nachprüfungsantrag statthaft und zulässig ist (vgl. Ziekow/Völlink/Dicks GWB § 165 Rn. 4). Verneinendenfalls besteht das Akteneinsichtsrecht nur in dem Umfang, in dem die Vergabeakte zur Beantwortung der die Statthaftigkeit oder die Zulässigkeit betreffenden Fragen einzusehen ist (vgl. Ziekow/Völlink/Dicks GWB a.a.O.). Die Akteneinsicht ist dagegen gänzlich zu versagen, wenn die Unzulässigkeit des Nachprüfungsantrages offensichtlich ist, d.h. wenn an der Unzulässigkeit keine vernünftigen Zweifel bestehen (vgl. KG, Beschluss vom 10. Februar 2020 Verg 6/19, VPR 2020, 118).

So liegt der Fall hier. Der Nachprüfungsantrag ist selbst bei einseitiger Berücksichtigung des Vortrages der Antragstellerin mangels Antragsbefugnis bzw. wegen Rügepräklusion unzulässig.

Soweit sich der Nachprüfungsantrag gegen den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin richtet, ist die Akteneinsicht zudem mangels Erforderlichkeit zu versagen (vgl. Ziekow/Völlink/Dicks GWB § 165 Rn. 4). Der von der Antragstellerin eingenommene Standpunkt, wonach ihr Angebot nicht ohne vorherige Gelegenheit zur Nachreichung der fehlenden Unterlage „V 2251 F Stoffpreisgleitklausel ohne Basiswert 1 Teil 1 bis 3“ hätte ausgeschlossen werden dürfen, beruht auf einer fehlerhaften Würdigung eines insofern aber unstrittigen Sachverhalts. Die Einsichtnahme in Aktenbestanteile ist insoweit für die Durchsetzung subjektiver Rechte daher nicht erforderlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.

Nach § 182 Abs. 3 S. 1 hat die Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) zu tragen.

Die Antragstellerin hat zudem nach § 182 Abs. 4 S. 1 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen. Dies gilt im gleichen Maße nach § 182 Abs. 4 S. 2 GWB hinsichtlich der Beigeladenen. Denn jene ist dem Nachprüfungsantrag entgegengetreten und hat das Verfahren durch entsprechende Schriftsätze aktiv gefördert, sodass ihre Aufwendungen der unterlegenen Antragstellerin aufzuerlegen sind (zu diesen Maßstäben vgl. auch OLG Rostock, Beschluss vom 5. Februar 2020 – 17 Verg 4/19, NZBau 2021, 70, 74; OLG München, Beschluss vom 21. Oktober 2019 – Verg 13/19, NZBau 2020, 263, 266).

Nach § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, 3 S. 2 VwVfG hat die Kammer zudem die Notwendigkeit der Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Beigeladenen festzustellen. Ob die Hinzuziehung einer anwaltlichen Vertretung im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig ist, kann nicht schematisch, sondern stets nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalles entschieden werden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 26. September 2006 – X ZB 14/06, NZBau 2006, 800, 806; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30. März 2010 – 11 Verg 3/10, ZfBR 2013, 517). Jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit erscheint hier eine anwaltliche Vertretung der Beigeladenen opportun (zu diesem Aspekt vgl. auch VK Niedersachsen, Beschluss vom 5. September 2017 – VgK-26/2017, BeckRS 2017, 126982; VK Bund, Beschluss vom 31. Juli 2017 – VK 2 – 68/17, BeckRS 2017, 130187). Im Hinblick auf die Antragstellerin kann eine dahingehende Feststellung hingegen unterbleiben, da sie mangels entsprechender Kostengrundentscheidung ins Leere ginge.

Die Festsetzung der Verfahrensgebühr beruht schließlich auf § 182 Abs. 1, 2 GWB und entspricht dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer in dem Verfahren. Die Vergabekammer zieht als Ausgangspunkt insofern die auftragswertorientierte Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes (derzeit abrufbar unter http://www.bundeskartellamt.de/DE/Vergaberecht/Materialien/Materialien_node.html) heran. Dabei legt die Kammer den Brutto-Angebotspreis (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. August 2014 – 11 Verg 3/14, IBRRS 2014, 2521) der Antragstellerin in Höhe von … EUR zugrunde, der ihr Interesse am Auftrag manifestiert. Bei linearer Interpolation (vgl. etwa OLG München, Beschluss vom 15. Oktober 2012 – Verg 18/12, IBRRS 2012, 3900; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. April 2004 – VII – Verg 9/04, VPRRS 2013, 0551; Burgi/Dreher/Opitz/Krohn § 182 GWB, Rn. 14) dieses von der Tabelle nicht ausgewiesenen Zwischenwerts ergibt sich danach eine Gebühr … EUR. Dieser Wert entspricht allerdings nicht dem Aufwand der Kammer. Das Nachprüfungsverfahren war, insbesondere mangels Gewährung von Akteneinsicht und mangels Vorbereitung sowie Durchführung einer mündlichen Verhandlung, unterdurchschnittlich aufwändig. Insofern ist ein Abschlag auf die vorstehend errechnete Gebühr in Höhe von einem Viertel angebracht. Die danach festgesetzte Gebühr beträgt … EUR.

Unbeschadet der Frage, ob die Regelung des § 182 Abs. 3 S. 6 GWB in dieser Konstellation überhaupt anwendbar ist (vgl. etwa Burgi/Dreher/Opitz/Krohn § 182 GWB, Rn. 25 m.w.N.), ist ein weiterer Verzicht auf die so ermittelte Gebühr aus Billigkeit jedenfalls vorliegend nicht angezeigt.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich oder als elektronisches Dokument gemäß den Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr bei dem Kammergericht, Elßholzstr. 30/31, 10781 Berlin, einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Dr. Lux

Sauer