Verwaltungsgericht Köln, Az.: 16 K 2955/20, Urteil vom 03.03.2023 – Auslegung der Regelungen des Zuwendungsbescheids aus Sicht eines objektiven Empfängers, Unklarheiten des Zuwendungsbescheides gehen zu Lasten der Erlassbehörde

Mrz 3, 2023 | Rechtsprechung

Verwaltungsgericht Köln

Urteil vom 03.03.2023

Az.: 16 K 2955/20

 

Tenor:

Der Erstattungs- und Zinsbescheid vom 27.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2020 wird insoweit aufgehoben, soweit darin die laufenden Nr. 42, 68, 92, 156, 182 und 183 des Bauausgabebuchs nicht als zuwendungsfähig anerkannt und hieraus Erstattungs- und Zinsansprüche gegen den Kläger abgeleitet wurden.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die teilweise Rückforderung einer dem Kläger gewährten und ausgezahlten Zuwendung wegen vergaberechtlicher Verstöße.

Anfang 2006 wurde die Möglichkeit für Bauunternehmen geschaffen, sich auftragsunabhängig zu präqualifizieren. Hierzu können sich Bauunternehmen in eine allgemein zugängliche Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen e. V. (im Weiteren: Präqualifizierungsliste) eintragen lassen. Die Eintragung gilt als Nachweis der Auftragseignung. Mit Erlass des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) vom 17.01.2008, Az. B 15 – 0 1082 -102/11 (im Weiteren: Präqualifizierungserlass), bestimmte das BMVBS, dass ab dem 01.10.2008 bei Vergaben des Bundeshochbaus im Rahmen einer Beschränkten Ausschreibung und einer Freihändigen Vergabe grundsätzlich nur Unternehmen zur Abgabe eines Angebots aufzufordern seien, die ihre Eignung durch eine Eintragung in die Präqualifizierungsliste nachgewiesen haben. Im Rahmen einer Beschränkten Ausschreibung seien grundsätzlich drei bis acht Unternehmen aus der Präqualifizierungsliste auszuwählen. Solange ausreichende Unternehmen auf der Liste ständen, dürften nur Unternehmen von dieser Liste zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden. Nur wenn die Liste weniger als drei präqualifizierte Unternehmen aufweise, dürften andere Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden und ihre Eignung durch Einzelnachweise erbringen. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Präqualifizierungserlass (Bl. 119 – 122 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verband der Wohlfahrtspflege. Er ist Träger einer Mutter-Kind-Klinik auf der Insel Langeoog. Unter dem 12.11.2008 meldete der Kläger bei der Beklagten Bedarf hinsichtlich einer Zuwendung für die bauliche Entwicklung der Klinik an. Am 27.03.2009 stellte er einen ersten informellen Förderantrag.

Am 26.05.2009 fand ein erstes Koordinierungsgespräch zwischen den Beteiligten sowie der Oberfinanzdirektion Niedersachsen (OFD) statt. Im Rahmen dieses Gesprächs forderte die Beklagte den Kläger auf, während der Durchführung des Projekts spätere Auflagen und Nebenbestimmungen einzuhalten.

Im Jahr 2009 beschloss die Bundesregierung ein Konjunkturprogramm (sog. Konjunkturpaket II), um die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise zu mildern. Im Zuge dessen wurden u. a. befristete Änderungen zur Beschleunigung und Vereinfachung des Vergaberechts beschlossen. Mit Erlass des BMVBS vom 27.01.2009, Az. B 15 – 8163.6/1 (im Weiteren: Vergabebeschleunigungserlass) – wurde bestimmt, dass ergänzend zu den geltenden Bestimmungen von § 3 VOB/A Beschränkte Ausschreibungen und Freihändige Vergaben zugelassen sind, wenn bei einer zu vergebenden Leistung hinsichtlich der Beschränkten Ausschreibung ein Schwellenwert von 1.000.000,00 EUR nicht überschritten werde, bei einer Freihändigen Vergabe bis 100.000 EUR. Bei der Beschränkten Ausschreibung sei die Eignung vor Aufforderung zur Angebotsabgabe zu prüfen. In einem solchen Fall werde der Rückgriff auf präqualifizierte Unternehmen eine erhebliche Zeiteinsparung begründen. Hierzu wurde auf den Präqualifizierungserlass Bezug genommen.

Am 20.05.2010 fand ein weiteres Koordinierungsgespräch zwischen den Beteiligten statt. In diesem Gespräch teilten Vertreter des Klägers mit, die aufgrund des Konjunkturpaketes II bestehende Möglichkeit zur Durchführung einer Beschränkten Ausschreibung in Anspruch nehmen zu wollen. Vertreter der Beklagten erwiderten hierauf, dies sei möglich, es würden allerdings im Rahmen dieser Ausschreibungsarten aufgrund der Vorgaben des Konjunkturpaketes II erhebliche Auflagen an die Durchführung und Dokumentation gestellt, deren Aufwand teilweise deutlich höher sei als die Durchführung einer konventionellen öffentlichen Ausschreibung. Zudem seien die Vorgaben des Konjunkturpaketes II einer genauen Überprüfung des Zuwendungsgebers zu unterziehen und eine Nichtbeachtung habe unweigerlich die Aberkennung der Zuwendungsfähigkeit des gesamten betroffenen Gewerks zur Folge. Der Zuwendungsempfänger sei daher zu einer strikten Einhaltung der vorgegebenen Regelungen verpflichtet. Die Vertreter des Klägers teilten mit, gleichwohl die Ausschreibungen entsprechend des Konjunkturpakets II durchführen zu wollen. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll des Koordinierungsgesprächs (Bl. 112 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Mit E-Mail vom 03.07.2010 übermittelte die Beklagte dem Kläger die Durchführungsverordnungen und Erlasse hinsichtlich der vergaberechtlichen Neuregelungen des Konjunkturpakets II, darunter den Präqualifizierungserlass und den Vergabebeschleunigungserlass. In der Mail wies die Beklagte darauf hin, dass befristet bis zum 31.12.2010 (Baubeginn) aufgrund der Regelungen des Konjunkturpakets II die Möglichkeit bestehe, bei einem Auftragswert von 100.000 EUR – 1.000.000,00 EUR eine Beschränkte Ausschreibung bzw. bei einem Auftragswert von unter 100.000,00 EUR eine Freihändige Vergabe durchzuführen. Eine Nichteinhaltung der vorgegebenen Formalien könne im Rahmen der Verwendungsnachweisprüfung zur Aberkennung der Zuwendungsfähigkeit einzelner oder aller Gewerke führen.

Am 19.07.2010 stellte der Kläger einen förmlichen Förderantrag auf Bewilligung einer Zuwendung in Höhe von 2.218.560,00 EUR. Der Finanzierungsplan sah Gesamtkosten von 4.726.837,00 EUR vor.

Aufgrund des Zeitfortschritts beantragte der Kläger am 22.10.2010 den vorzeitigen Maßnahmenbeginn. Dieser wurde mit Schreiben der Beklagten vom 29.10.2010 bewilligt. Im Schreiben wies die Beklagte darauf hin, dass bei durch Bundesmittel geförderten Baumaßnahmen die dem Schreiben beigefügten ANBest-P zwingend einzuhalten seien.

Unter dem 03.11.2010 übersandte die OFD den baufachlichen Prüfvermerk. Dieser enthielt unter Ziffer 6.1.3 folgende auszugsweise Angaben:

„Eine Beschränkte Ausschreibung kommt nur in Betracht, wenn die Eigenart der Leistung oder besondere Umstände eine Abweichung rechtfertigen (VOB § 3 Nr. 2). Sollte der Zuwendungsempfänger zu dem Entschluss kommen, eine Beschränkte Ausschreibung für einzelne Gewerke durchführen zu wollen, so sollte dies unbedingt im Vorfeld bzw. vor jeweiligem Baubeginn mit dem Zuwendungsgeber […] schriftlich abgestimmt werden.

In diesem Zusammenhang verweise ich auch noch auf die Beachtung des zeitbefristeten [Vergabebeschleunigungserlasses] – hier Punkt V: Anwendung der Regelungen bei Zuwendungsmaßnahmen – durch den Zuwendungsgeber […]. Dieser Erlass ist bis 31.12.2010 gültig.“

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den baufachlichen Prüfvermerk vom 03.11.2010 (Bl. 825 ff. der Verwaltungsvorgänge) Bezug genommen.

Am 05.11.2010 versandte der Kläger im Rahmen einer Beschränkten Ausschreibung die Aufforderungen zur Abgabe eines Angebots für das Gewerk Rohbauarbeiten. Dabei schrieb er insgesamt zwölf Unternehmen an, von denen sieben auf der Präqualifizierungsliste aufgeführt waren. Der Kläger kalkulierte dabei mit einer geschätzten Auftragssumme von 435.000,00 EUR.

Mit E-Mail vom 23.11.2010 bat der Kläger die Beklagte um Auskunft, weil er beabsichtige, Rohbauarbeiten im Rahmen des Konjunkturpakets II Beschränkt auszuschreiben. Er sei jedoch darauf hingewiesen worden, die jeweilige Vergabeart mit der Beklagten abzustimmen. Mit Blick auf weitere anstehende Ausschreibungen, die noch im Jahr 2010 entsprechend zu vergeben seien, bat der Kläger um Abstimmung der Verfahrensweise.

Mit E-Mail vom 24.11.2010 antwortete die Beklagte zunächst, es stehe dem Kläger frei, im Rahmen des Konjunkturpakets II die Beschränkte Ausschreibung zu wählen. Die Zustimmung der Beklagten sei einzuholen, wenn im Rahmen allgemeiner Ausschreibungen, die nach den ANBest-P als Öffentliche Ausschreibungen durchzuführen seien, eine andere Vergabeart gewählt werden solle.

Mit weiterer E-Mail vom gleichen Tag änderte die Beklagte ihre Ausführungen dahin, es sei nach Auskunft des BMVBS im Haushaltsvermerk zum Konjunkturpaket II festgelegt, dass die Auftragserteilung und der Baubeginn bis Ende 2010, die Abrechnung bis Ende 2011 erfolgen müsse. Es müsse insbesondere gewährleistet werden, dass die Abrechnung bis Ende 2011 erfolge, da hier kein Ermessensspielraum bestehe. Dementsprechend komme die Verfahrensvereinfachung nach Konjunkturpaket II im Förderfall nicht in Betracht, da die Baumaßnahme sich voraussichtlich bis 2013 erstrecke. Für die bereits durchgeführte Ausschreibung verbleibe es bei der Zustimmung zur Beschränkten Vergabe, für künftige Ausschreibungen müssten jedoch die Vorgaben von Nr. 3.1 ANBest-P beachtet werden.

Am 29.11.2010 erfolgte die Submission der eingegangenen Angebote hinsichtlich des Gewerks Rohbau. Aus dieser ergab sich, dass sechs der zwölf angeschriebenen Unternehmen ein Angebot abgegeben hatten, darunter drei Unternehmen, die nicht auf der Präqualifizierungsliste eingetragen waren. Zu diesen nicht präqualifizierten Unternehmen gehörte die Firma Schreiber, die ein Angebot mit einer Angebotssumme von 542.570,54 EUR und damit das niedrigste Angebot abgab.

Mit Zuwendungsbescheid vom 06.12.2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine nicht rückzahlbare Zuwendung bis zur Höhe von insgesamt 2.268.900,00 EUR als Projektförderung im Rahmen einer Anteilsfinanzierung (48 %) zur Durchführung des Projekts Umgestaltung und Erweiterung der ### Klinik ###. Als Bewilligungszeitraum wurde der Zeitraum vom 21.10.2010 bis zum 30.06.2013 festgelegt. Dem Bescheid beigefügt waren u. a. die ANBest-P, deren Beachtung der Zuwendungsbescheid zwingend vorschrieb. Ergänzend enthielt der Zuwendungsbescheid unter dem Abschnitt „Allgemeine Nebenbestimmungen“ folgenden auszugsweisen Inhalt:

„Hierzu möchte ich noch folgende konkretisierende Hinweise geben:

[…]

Gemäß Nr. 3 der ANBest-P sind die Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) anzuwenden. Es gilt der Grundsatz der „öffentlichen Ausschreibung“ für die Baumaßnahme. Für die bis zum 31.12.2010 begonnenen Ausschreibungen wurde Ihnen die Beschränkte Ausschreibung erlaubt. Ab dem 01.01.2011 sind die Bestimmungen der VOB und VOL in der dann jeweils gültigen Fassung anzuwenden.

Zudem verweise ich hinsichtlich der Vergabe auf die Ausführungen in der baufachlichen Stellungnahme der OFD Niedersachsen vom 03.11.2010, lfd. Nr. 6.1.3, die ebenfalls Bestandteil dieses Bescheides werden.“

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Zuwendungsbescheid (Bl. 104 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Am 07.12.2010 erfolgte der Vergabevorschlag. Dieser führte hinsichtlich des Angebots der Firma ### aus, die Eignung des Bieters sei vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe geprüft worden. Der Bieter habe eine Eignererklärung zur Eignung eingereicht und mache hiernach einen kompetenten Eindruck. Es wurde vorgeschlagen, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot der Firma ### zu erteilen. Es ergebe sich eine Auftragssumme von 542.053,20 EUR. Es erfolgte dann am 14.12.2010 der Zuschlag an die Firma ###.

Auf einen Änderungsantrag des Klägers vom 14.10.2011 wurde mit Änderungsbescheid vom 28.11.2011 die Zuwendung auf insgesamt 2.445.600 EUR erhöht. Die Zuwendung wurde in voller Höhe in fünf Raten an den Kläger ausgezahlt.

Am 31.03.2014 legte der Kläger den Verwendungsnachweis vor.

Mit Schreiben vom 14.12.2017 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage u. a. der vollständigen Ausschreibungsunterlagen im Original mit Vergabevermerk sowie Nachweisen für die Durchführung der Ausschreibungen auf.

Mit Schreiben vom 11.02.2019 teilte die Beklagte dem Kläger das vorläufige Ergebnis der Verwendungsnachweisprüfung mit. Dabei monierte sie unter anderem die hier allein verfahrensgegenständliche unter den laufenden Nr. 45, 68, 92, 156, 182 und 183 des Bauausgabebuchs durchgeführte Ausschreibung und die hieraus resultierende Vergabe an die Firma ### (Nr. 6 des Schreibens). Hierzu führte die Beklagte aus, es sei bis zum 31.12.2010 eine Beschränkte Ausschreibung für Auftragswerte von 100.000,00 EUR bis 1.000.000,00 EUR nach den Vorgaben des Konjunkturpakets II möglich gewesen. Dafür seien aber auch verschärfte Transparenz- und Dokumentationspflichten vorgegeben. Unter anderem sei es verbindlich vorgegeben, dass im Rahmen einer Beschränkten Ausschreibung nach dem Konjunkturpaket II nur drei bis maximal acht Unternehmen des betroffenen Gewerks auszuwählen gewesen seien, die zudem auf der Präqualifizierungsliste des entsprechenden Gewerks aufgeführt gewesen sein müssten. Der Kläger habe für das Gewerk Rohbauarbeiten insgesamt zwölf Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert, von denen lediglich sieben auf der Präqualifizierungsliste gestanden hätten. Am Ende des Verfahrens hätten dem Kläger unter anderem drei Angebote präqualifizierter Firmen vorgelegen, aber eine nicht präqualifizierte Firma habe den Zuschlag erhalten. Der Kläger habe damit sowohl hinsichtlich der Anzahl als auch hinsichtlich der Auswahl verbindliche Vorgaben des Konjunkturpakets II missachtet. Der Kläger sei im Verfahren immer wieder auf die strikte Beachtung der Vorgaben des Konjunkturpakets II hingewiesen worden. Angesichts dessen könnten die abgerechneten Kosten nicht als zuwendungsfähig anerkannt werden. Vor Erlass eines förmlichen Rückforderungs- und Zinsbescheids erhalte der Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme.

Unter dem 11.04.2019 erwiderte der Kläger hinsichtlich des hier verfahrensgegenständlichen Punkts, im Zuwendungsbescheid sei eine Beschränkte Ausschreibung erlaubt worden, eine solche habe auch stattgefunden. Die Firma, die den Zuschlag erhalten habe, habe ihre Eignung durch Einzelnachweise erbracht.

Mit Erstattungs- und Zinsbescheid vom 27.06.2019 forderte die Beklagte vom Kläger einen Betrag in Höhe von 116.566,97 EUR wegen nachträglicher Ermäßigung der zuwendungsfähigen Ausgaben zurück (Ziffer 1.). Wegen nicht rechtzeitig verausgabter Fördermittel wurde ein Zinsanspruch in Höhe von 72.231,23 EUR erhoben (Ziffer 2.), was einem zu zahlenden Betrag von insgesamt 188.798,20 EUR entsprach. Zur Begründung verwies die Beklagte auf das Schreiben vom 11.02.2019 und führte hinsichtlich des hier verfahrensgegenständlichen Punkts 6. des Schreibens (Ausschreibung Gewerk Rohbau) ergänzend aus, der Kläger habe die notwendigen Vorgaben des Konjunkturpakets II missachtet, da eine hinreichende Anzahl an präqualifizierten Unternehmen vorhanden gewesen sei. Dem Bescheid beigefügt war eine tabellarische Aufstellung unter anderem des Mittelabflusses sowie der Zinsberechnung, zu deren Einzelheiten auf Bl. 1724 ff. der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen wird.

Am 29.07.2019 legte der Kläger Widerspruch gegen den Erstattungs- und Zinsbescheid ein. Zur Begründung machte der Kläger geltend, der Widerspruch richte sich gegen die nicht als zuwendungsfähig anerkannten Kosten für das Gewerk Rohbau (Bauausgabebuchnummern 45, 68, 92, 156, 182 und 183) in einer Gesamthöhe von 259.562,89 EUR zuwendungsfähiger Anteile. Dem Kläger sei ein Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften nicht vorzuwerfen. Aus dem Schrift- und E-Mailverkehr zwischen den Beteiligten sei hervorgegangen, dass der Kläger die Beschränkte Ausschreibung für die gegenständliche Vergabe habe wählen können. Im Zuwendungsbescheid vom 06.12.2010 sei dementsprechend die Beschränkte Ausschreibung für die bis zum 31.12.2010 begonnenen Ausschreibungen generell erlaubt worden. Zur Einhaltung der VOB sei der Kläger erst ab 2011 verpflichtet worden. Auf die Einhaltung der Vorgaben des Konjunkturpakets II enthalte der Bescheid keinen Hinweis, auch auf den insoweit einschlägigen vorherigen Schriftverkehr werde nicht Bezug genommen. Der Kläger habe darauf vertrauen dürfen, dass ihm durch den Bescheid die Beschränkte Ausschreibung unabhängig von vorherigen Angaben erlaubt worden sei. So sei auch die E-Mail vom 24.11.2010 der Beklagten zu verstehen gewesen, die wegen Nichterfüllbarkeit der Kriterien des Konjunkturpakets II die Beschränkte Ausschreibung gebilligt habe. Selbst wenn man dies anders sähe und eine Beachtungspflicht der Vorgaben des Konjunkturpakets II annähme, läge jedenfalls kein solch schwerwiegender Verstoß vor, dass eine Ermessensreduzierung zu einer vollständigen Nichtanerkennung vorliege. Der Kläger habe eine zulässige Vergabeart gewählt. Ein eventueller Verstoß gegen die Vorgaben des Präqualifizierungserlasses sei nicht schwerwiegend, da der Wettbewerb nicht unzulässig eingeschränkt und gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht verstoßen worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar habe das Konjunkturpaket II in vergaberechtlicher Hinsicht die Ziele der Vereinfachung und Beschleunigung verfolgt, dies korrespondiere aber mit der vollständigen Einhaltung der rechtlichen Vorgaben, um subjektiv gestaltete Ausschreibungen auszuschließen. Dementsprechend sei es nicht möglich, einerseits die Vereinfachungen des Konjunkturpakets in Anspruch zu nehmen, andererseits die damit einhergehenden weitergehenden Verpflichtungen aus Gründen individueller Gestaltungswünsche zu missachten. Die Beklagte habe den Kläger immer wieder auf die Einhaltung der Vorgaben des Konjunkturpakets II hingewiesen und die notwendigen Erlasse und Durchführungsbestimmungen frühzeitig übermittelt. Der Kläger habe im Rahmen seiner Wahlfreiheit zwischen einer Ausschreibung nach den allgemeinen Vorgaben der ANBest-P einerseits und einer Ausschreibung nach den Vorgaben des Konjunkturpakets II andererseits trotzdem auf die Durchführung nach Konjunkturpaket II bestanden. Für die gegenständliche Ausschreibung im Gewerk Rohbau sei bei einem geplanten Auftragswert von ca. 500.000 EUR nach allgemeinen Vorgaben eine öffentliche Ausschreibung erforderlich und eine Anfrage, ob unabhängig von den Vorgaben des Konjunkturpakets II eine Beschränkte Ausschreibung gestattet werde, habe der Kläger nicht gestellt. Ohne eine Zustimmung der Beklagten sei eine nicht nach den Vorschriften des Konjunkturpakets II durchgeführte Beschränkte Ausschreibung als schwerer Vergabeverstoß zu werten. Die Zustimmung zur Beschränkten Ausschreibung in der E-Mail vom 24.11.2010 sei dahin zu verstehen gewesen, dass die Zustimmung zu einer Beschränkten Ausschreibung nach dem Konjunkturpaket II erteilt werde, unabhängig davon ob eine Rechnungslegung bis zum 31.12.2011 erfolgen könne. Eine Suspendierung auch der übrigen Vorgaben des Konjunkturpakets II sei jedoch nicht erfolgt. Der Kläger habe dies in Anbetracht des gesamten Verfahrensablaufs auch nicht anders verstehen können. Vor diesem Hintergrund sei es auch nicht mehr notwendig gewesen, die Verpflichtung zur Beachtung der Vorschriften des Konjunkturpakets II unmittelbar im Zuwendungsbescheid zu regeln. Denn die einzige betroffene Ausschreibung des Gewerks Rohbau sei zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses ohnehin weitgehend abgeschlossen gewesen. Dass der Kläger nach Bescheiderlass tatsächlich darauf vertraut habe, die Vorgaben des Konjunkturpakets II in einer Beschränkten Ausschreibung nicht beachten zu müssen, sei im Übrigen zweifelhaft, weil der Kläger noch im Vergabevorschlag des Gewerks Rohbauarbeiten nach Erlass des Zuwendungsbescheids angegeben habe, nach den Vorgaben des Konjunkturpakets II auszuschreiben.

Der Kläger hat am 29.05.2020 Klage erhoben.

Zur Begründung trägt er unter Wiederholung und Vertiefung der Widerspruchsbegründung vor, er habe mit Blick auf den Zeitablauf auch nicht präqualifizierte Bieter angeschrieben, da er Sorge gehabt habe, wegen der Insellage des Projekts nicht genügend geeignete Bieter im notwendigen Zeitrahmen zu finden. Das staatliche Baumanagement Weser-Ems habe dem Zuschlag an die nicht präqualifizierte Firma nicht widersprochen, was jedenfalls im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sei. Der Ablauf sei insoweit dadurch erschwert worden, dass die Beklagte ihre Rechtsauffassung zur Anwendbarkeit des Konjunkturpakets II im Prozess geändert habe.

Der Kläger beantragt,

den Erstattungs- und Zinsbescheid vom 27.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2020 aufzuheben, soweit darin die laufenden Nr. 42, 68, 92, 156, 182 und 183 des Bauausgabebuchs nicht als zuwendungsfähig anerkannt und hieraus Erstattungs- und Zinsansprüche gegen den Kläger abgeleitet wurden.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie ist in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen und bezieht sich zur Begründung schriftsätzlich auf die angegriffenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.

Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO statthaft. Denn der Kläger wendet sich gegen den Erstattungs- und Zinsbescheid vom 27.06.2019, der eine ihn rein belastende Regelung darstellt. Die mit dem Erstattungs- und Zinsbescheid getroffenen Regelungen führen nämlich noch unabhängig von der Frage, wie das Verhältnis zwischen Zuwendungsbescheid und Erstattungs- und Zinsbescheid dogmatisch zu bewerten ist, jedenfalls dazu, dass dem Kläger eine ihm bereits durch den Zuwendungsbescheid vom 06.12.2010 gewährte subjektive Rechtsposition – die gewährte Förderung sowie damit verbunden das Recht, diese Förderung während des Bestands des Zuwendungsbescheids behalten zu dürfen – teilweise entzogen wird. Dieser Belastung kann er sich entsprechend seines maßgeblichen Klagebegehrens nach § 88 VwGO am besten erwehren, indem er den Erstattungs- und Zinsbescheid vom 27.06.2019 anficht. Es liegt insbesondere auch kein Fall einer vorrangigen Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 S. Alt. VwGO vor, weil es dem Kläger nicht darum geht, einen materiellen Anspruch durch das Erzwingen des Erlasses eines Verwaltungsakts durchzusetzen. Er kann durch eine Verpflichtungsklage etwa gerichtet auf Erlass eines Schlussbescheids anderen Inhalts keine Erweiterung seiner subjektiven öffentlichen Rechte erreichen, da er bereits aufgrund des Zuwendungsbescheids die Maximalförderung ausgezahlt bekommen hat (vgl. VG Köln, Urteil vom 16. September 2022 – 16 K 125/22 -).

Die Klage ist auch begründet.

Der angefochtene Erstattungs- und Zinsbescheid vom 27.06.2019 der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2020 ist, soweit er Gegenstand der Klage ist, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Die Beklagte konnte den Erstattungs- und Zinsbescheid im verfahrensgegenständlichen Umfang nicht auf die einzig in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage des entsprechend anzuwendenden § 49a Abs. 1, Abs. 3 VwVfG stützen. Danach sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen oder widerrufen worden oder infolge des Eintritts einer auflösenden Bedingung unwirksam geworden ist. Ab dem Zeitpunkt des Eintritts der Unwirksamkeit ist der zu erstattende Betrag mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Diese Regelungen sind entsprechend anzuwenden auf den Fall eines Verwaltungsakts, der eine Zuwendung zunächst nur vorläufig bewilligt und dann rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt, der die Zuwendung endgültig in geringerer Höhe festsetzt, ersetzt wird. Der Zuwendungsempfänger muss eine hiernach zu viel erhaltene Leistung daher erstatten und den zu erstattenden Betrag vom Empfang an verzinsen (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. November 2009 – 3 C 7.09 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17; Urteil vom 14. Dezember 2020 – 4 A 1992/16 m. w. N.).

So liegt der Fall dem Grunde nach hier. Der nur vorläufige Charakter des Zuwendungsbescheids vom 06.12.2010 ergibt sich aus der insoweit maßgeblichen Sicht eines objektiven Empfängers aus der im Tenor des Zuwendungsbescheids geregelten zukunftsoffenen Festlegung einer „nicht rückzahlbaren Zuwendung bis zur Höhe von insgesamt 2.268.900,00“ EUR, aus der Gestaltung der Förderung als Projektförderung im Rahmen einer Anteilsfinanzierung sowie aus dem Erfordernis einer Verwendungsnachweisprüfung (vgl. zu einer solchen Bescheidgestaltung OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Juni 2018 – 4 A 1781/15 -; Urteil vom 14. Dezember 2020 – 4 A 1992/16 -).

Die Voraussetzungen für die Festsetzung der Rückerstattung und des Zinsbetrages hinsichtlich der aufgrund des Zuwendungsbescheids vom 06.12.2010 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 28.11.2011 vorläufig bewilligten Zuwendung lagen hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Teils des Bescheids nicht vor. Die Beklagte hat zu Unrecht angenommen, dass der Kläger hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Ausschreibung des Gewerks Rohbau zur Beachtung insbesondere des Präqualifizierungserlasses verpflichtet war. Eine rechtsverbindliche Verpflichtung des Klägers, Beschränkte Ausschreibungen, die vor dem 31.12.2010 begonnen wurden, nur unter Beachtung des Präqualifizierungserlasses durchzuführen, ist weder im Zuwendungsbescheid vom 06.12.2010 noch im vorherigen Verwaltungsverfahren erfolgt.

Der Zuwendungsbescheid vom 06.12.2010 enthält keine Verpflichtung des Klägers, die Vorgaben des Präqualifizierungserlasses zu beachten. Eine solche Verpflichtung lässt sich auch nicht im Wege der Auslegung der Allgemeinen Nebenbestimmungen entnehmen.

Die Regelungen des Zuwendungsbescheids unterliegen der Auslegung aus Sicht eines objektiven Empfängers entsprechend der §§ 133, 157 BGB. Das Gericht hat den Bewilligungsbescheid dahin zu erforschen, wie der Adressat ihn unter Berücksichtigung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände bei objektiver Auslegung verstehen musste (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 – 10 C 5.17 -; Urteil vom 15. März 2017 – 10 C 1.16 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Juni 2020 – 4 A 436/17 -; Beschluss vom 29. Mai 2017 – 4 A 1513/15 -).

Bei der Auslegung der Regelungen des Zuwendungsbescheids gehen Unklarheiten zu Lasten der Erlassbehörde. Diese hat es in der Hand, Bestimmtheits- oder Auslegungsprobleme durch eindeutige Formulierungen im Bescheid zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Mai 2012 – 6 C 8.11 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. Mai 2017 – 4 A 1513/15 -; Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens, 10. Aufl. 2022, VwVfG § 35 Rn. 80).

Soweit in einem Zuwendungsbescheid Vorgaben zur Einhaltung vergaberechtlicher Bestimmungen getroffen werden, ist diesbezüglich ein strenger Maßstab anzulegen. Denn angesichts der Fülle der vergaberechtlichen Vorschriften, der vielfältigen Anwendungsprobleme selbst für öffentliche Vergabestellen sowie mangels einer bei Zuwendungsempfängern regelmäßig nicht gegebenen Vertrautheit mit den Vorgaben des Vergaberechts (vgl. hierzu Hildebrandt/Conrad, ZfBR 2013, 130 (130)), ist es für einen privatrechtlichen Zuwendungsempfänger von besonderer Bedeutung, dass er eindeutig und unmissverständlich nachvollziehen kann, ob und inwieweit er den Vorgaben des Vergaberechts unterworfen wird (vgl. aus der Rechtsprechung der Kammer VG Köln, Urteil vom 3. September 2015 – 16 K 3369/14 -; Urteil vom 13. November 2014 – 16 K 7404/12 -; Gerichtsbescheid vom 13. April 2016 – 16 K 3382/14 -, wo entsprechende Verweise auf vergaberechtliche Vorschriften wegen mangelnder Bestimmtheit sogar für nichtig gehalten wurden).

Unter Berücksichtigung dessen enthält der Zuwendungsbescheid vom 06.12.2010 keine hinreichend bestimmte Verpflichtung des Klägers zur Beachtung der vergaberechtlichen Vorschriften des Präqualifizierungserlasses.

Zunächst ist der Präqualifizierungserlass nicht schon aufgrund der Ziffer 3. der ANBest-P zu beachten. Zwar sind die ANBest-P Bestandteil des Zuwendungsbescheids vom 06.12.2010. Ziffer 3. der ANBest-P ordnet jedoch nur die Anwendung der Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) an. Da der Präqualifizierungserlass kein Bestandteil der VOB ist, kann diese Anordnung auch nicht dahin ausgelegt werden, dass sie die Verpflichtung zur Beachtung des Präqualifizierungserlasses umfasst.

Dem Passus

„Für die bis zum 31.12.2010 begonnenen Ausschreibungen wurde Ihnen die Beschränkte Ausschreibung erlaubt“

kann eine entsprechende Regelung ebenfalls nicht entnommen werden.

Diese Bestimmung ist bereits nicht auf eine Regelung im Sinne des Setzens einer Rechtsfolge gerichtet. Sie spricht ihrem Wortlaut nach keine Erlaubnis zur Durchführung der Beschränkten Ausschreibung im Rahmen des Zuwendungsbescheids aus, sondern nimmt Bezug auf eine bereits vor Erlass des Bescheids ausgesprochene Erlaubnis gegenüber dem Kläger. Sie hat ihrem Wortlaut nach lediglich hinweisenden Charakter. Für ein solches Verständnis spricht auch die Systematik des Zuwendungsbescheids. Zwar steht dieser Abschnitt unter der Überschrift „Allgemeine Nebenbestimmungen“, der Abschnitt ordnet jedoch konkret lediglich die Geltung der ANBest-P und der Baufachlichen Nebenbestimmungen (NBest-Bau) an, die Bestandteil dieses Bescheids seien und deren Beachtung und Einhaltung zwingend vorgegeben sei. Die oben zitierte Angabe steht dagegen unter dem einleitenden Satz

„Hierzu möchte ich Ihnen noch folgende konkretisierende Hinweise geben:“

Diese Einleitung legt ebenfalls nahe, dass diese Angabe nicht als rechtsverbindlicher Erlass einer Nebenbestimmung, sondern als Erläuterung oder Klarstellung hinsichtlich bereits erfolgter Ausschreibungen zu verstehen ist.

Für ein solches Verständnis ist darüber hinaus anzuführen, dass die zitierte Angabe rechtlich kaum als Nebenbestimmung gefasst werden könnte. Denn sie bezieht sich angesichts des Erlassdatums des Bescheids am 06.12.2010 und des (erlaubten) vorzeitigen Maßnahmenbeginns bereits am 29.10.2010 jedenfalls im Schwerpunkt auf Vergaben, die entweder bereits stattgefunden haben oder zumindest bereits begonnen wurden. Vor diesem Hintergrund kann es sich insbesondere kaum um eine Auflage im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG handeln, da eine vollziehbare Verhaltenspflicht für ein bereits in der Vergangenheit liegendes Tun regelmäßig nicht in Betracht kommt. Zumindest müsste einer solchen Auflage aber eindeutig zu entnehmen sein, dass sie rückwirkend in Kraft treten soll (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12. Juni 2007 – 15 A 1243/05 -; OVG Sachsen, Urteil vom 11. Mai 2017 – 1 A 140/16 -; restriktiver Kulartz/Schilder, NZBau 2005, 552 (554), die eine rückwirkende Auflage generell ausschließen).

Anhaltspunkte dafür, dass hier eine rückwirkende Verhaltenspflicht begründet werden sollte, bestehen jedoch angesichts des Wortlauts, der formuliert, dass die Beschränkte Ausschreibung erlaubt wurde, nicht. Der Begriff des Erlaubens impliziert bereits seiner Bedeutung nach keine Verhaltenspflicht. Da nach der Formulierung die Erlaubnis auch in der Vergangenheit erteilt wurde, legt der Wortlaut zudem einen bereits abgeschlossenen Vorgang nahe, nicht die Begründung einer rückwirkenden Pflicht erstmalig mit Erlass des Zuwendungsbescheids.

Eine verbindliche Verpflichtung des Klägers, die Vorgaben des Präqualifizierungserlasses zu beachten, ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der OFD vom 03.11.2010, konkret der dortigen Nr. 6.1.3, die ebenfalls zum Bestandteil des Zuwendungsbescheids gemacht wurde. Denn der zum Bestandteil gemachte Abschnitt des Schreibens der OFD vom 03.11.2010 adressiert weder seinem Wortlaut noch seiner Systematik nach den Kläger.

Das Schreiben der OFD vom 03.11.2010 verweist nicht auf die Beachtung des Präqualifizierungserlasses oder des Vergabebeschleunigungserlasses durch den Zuwendungsempfänger, sondern durch den Zuwendungsgeber – hier das BVA. Es ist daher nicht auf die Begründung einer Pflicht des Klägers gerichtet, sondern dient seinem Inhalt nach der Information des Klägers, dass die Beklagte im Zuwendungsverfahren den Vergabebeschleunigungserlass beachten wird. Für diese Deutung spricht auch, dass in diesem Abschnitt lediglich auf Punkt V. des Vergabebeschleunigungserlasses Bezug genommen wird. In diesem Punkt ist geregelt, dass die Vorgaben des Vergabebeschleunigungserlasses auch im Zuwendungsrecht gelten sollen und die zuständigen Bundesministerien dies bei den Zuwendungsbewilligungsverfahren zu beachten haben. Wäre hiermit eine unmittelbare Verpflichtung eines Zuwendungsempfängers beabsichtigt, wäre es naheliegend gewesen, auf den gesamten Erlass zu verweisen. Schließlich wird diese Auslegung in systematischer Hinsicht dadurch bestätigt, dass der Hinweis auf den Vergabebeschleunigungserlass ausdrücklich im Zusammenhang mit dem vorherigen Absatz steht, in welchem dem Zuwendungsempfänger empfohlen wurde, die Durchführung einer Beschränkten Ausschreibung nur nach Abstimmung mit der Beklagten durchzuführen. Der Verweis auf den Vergabebeschleunigungserlass stellt damit lediglich einen informatorischen Hinweis dar, dass die Beklagte im Rahmen der Bewertung, ob eine Beschränkte Ausschreibung in Betracht kommt, den Vergabebeschleunigungserlass beachten würde. Unter Berücksichtigung all dessen kann dieser Abschnitt des Schreibens der OFD auch dann nicht als Verpflichtung gerade des Zuwendungsempfängers zur Beachtung des Vergabebeschleunigungserlasses verstanden werden, wenn er insoweit zum Gegenstand des Zuwendungsbescheids gemacht wird. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Erläuterung, ob eine bloße Bezugnahme auf den Vergabebeschleunigungserlass überhaupt ausreichen würde, um auch von einer Verpflichtung zur Beachtung des Präqualifizierungserlasses auszugehen.

Mangels einer expliziten Regelung der Beachtung des Präqualifizierungserlasses im Zuwendungsbescheid könnte eine derartige Verpflichtung des Klägers nur in Betracht kommen, wenn der Kläger aufgrund sonstiger erkennbarer Umstände zu dem Schluss hätte kommen müssen, dass ihm die Beschränkte Ausschreibung nur mit der Maßgabe der Beachtung insbesondere des Präqualifizierungserlasses erlaubt wird. Umstände, die unter Berücksichtigung der strengen Anforderungen an die Bestimmtheit vergaberechtlicher Nebenbestimmungen zu einem derartigen Schluss zwingen und eine andersartige Deutung nicht ernsthaft zulassen, liegen jedoch nicht vor.

Im Ausgangspunkt zutreffend weist die Beklagte zwar darauf hin, dass die Beteiligten jedenfalls bis zur E-Mail-Korrespondenz vom 23.11. und 24.11.2010 übereinstimmend von einer Verpflichtung zur Einhaltung der Vorgaben des Konjunkturpakets II ausgingen und dies in ihrem übereinstimmenden Verständnis auch die Vorgaben des Präqualifizierungserlasses umfasste. Dieser übereinstimmenden Annahme wurde jedoch durch die zweite E-Mail der Beklagten vom 24.11.2010 die Grundlage entzogen. Dort heißt es auszugsweise als Antwort auf die Anfrage des Architekten des Klägers nach den Abstimmungsmodalitäten hinsichtlich der auszuwählenden Vergabeart:

„[…] Laut der Antwort des BMVBS kommt eine Anwendung der Verfahrensvereinfachung zur Vergabe nach dem KP II [Konjunkturpaket II] in diesem Förderfall überhaupt nicht in Betracht, da die Baumaßnahme sich ja voraussichtlich bis 2013 erstreckt. Somit ist das Formerfordernis der Abrechnung bis Ende 2011 nicht erfüllbar. Zu der bereits vorgenommenen Ausschreibung verbleibt es bei der Zustimmung zur Beschränkten Vergabe, jedoch [es folgen Hinweise auf Nr. 3.1 ANBest-P und die Anwendung der VOB]“.

Mit dieser E-Mail hat die Beklagte gegenüber dem Kläger die übereinstimmende Annahme ausgeräumt, dass das Förderverfahren die vergaberechtlichen Vereinfachungen des Konjunkturpakets II nutzen könne. Die Mitteilung, dass es hinsichtlich der hier gegenständlichen bereits vorgenommenen Ausschreibung bei der Zustimmung zur Beschränkten Vergabe bleibt, musste der Kläger angesichts dessen nicht dahin verstehen, dass alle übrigen Vorgaben des Konjunkturpakets II und insbesondere der Präqualifizierungserlass davon unabhängig zu beachten seien. Denn es war für die Beteiligten ab diesem Zeitpunkt klar, dass jedenfalls nicht alle Vorgaben des Konjunkturpakets II hätten eingehalten werden können. Wäre es die Absicht der Beklagten gewesen, den Kläger nur vom Erfordernis der Abrechnung bis Ende 2011 freizustellen, hätte sie dies ausdrücklich so formulieren können und auch müssen. Die Formulierung, die Anwendung der Verfahrensvereinfachungen komme „überhaupt nicht in Betracht“, legt ebenfalls den Schluss nahe, dass es auf die Vorgaben des Konjunkturpakets II nicht mehr ankommen soll. Hinzu kommt, dass die Beklagte noch in der ersten E-Mail vom 24.11.2010 angegeben hatte, dass ihre Zustimmung zur Beschränkten Vergabe nur dann erforderlich sei, wenn außerhalb der Vereinfachungen des Konjunkturpakets II im Rahmen der ANBest-P ausgeschrieben werde. Vor diesem Hintergrund konnte der Kläger die Angabe in der zweiten E-Mail vom 24.11.2010, dass es bei der Zustimmung zur Beschränkten Vergabe bleibe, auch dahin verstehen, dass nunmehr die Zustimmung im Rahmen der ANBest-P für die verfahrensgegenständliche Beschränkte Ausschreibung erteilt wird – und zwar unabhängig von den ohnehin nicht mehr vollständig erfüllbaren Voraussetzungen des Konjunkturpakts II und als Ausnahme zu den Vorgaben der ANBest-P.

Ab diesem Zeitpunkt war es damit für den Kläger nicht hinreichend eindeutig erkennbar, ob er die übrigen Vorgaben des Konjunkturpakets II beachten muss oder nicht. Eine weitere Klarstellung oder weitere Kommunikation über dieses Thema ist im Zeitraum zwischen diesen E-Mails und dem Erlass des Zuwendungsbescheids am 06.12.2010 weder vorgetragen noch sonst aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich.

Auch im vorherigen Verwaltungsverfahren erfolgte keine rechtsverbindliche Verpflichtung des Klägers zur Beachtung des Präqualifizierungserlasses.

Eine entsprechende Verpflichtung kann zunächst den E-Mails vom 24.11.2010 nicht entnommen werden. Wie bereits dargelegt wurde, kann insbesondere die zweite E-Mail vom 24.11.2010 gerade auch dahingehend gedeutet werden, dass ab diesem Zeitpunkt für die Ausschreibung des Gewerks Rohbau eine Zustimmung zu einer einfachen Beschränkten Ausschreibung unabhängig von den Vorgaben des Konjunkturpakets II erteilt wird. Im Übrigen ist die E-Mail weder ihrer Form noch ihrer Formulierung nach hinreichend eindeutig auf das verbindliche Setzen einer Rechtsfolge im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG gerichtet.

Auch die Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn mit Bescheid vom 29.10.2010 enthält keine Verpflichtung hinsichtlich des Präqualifizierungserlasses, sondern – wenn überhaupt – hinsichtlich der allgemeinen vergaberechtlichen Bestimmungen der ANBest-P. Diese umfassen wie bereits dargelegt nicht die Beachtung des Präqualifizierungserlasses.

Soweit die Beklagte noch vor diesem Zeitpunkt in diversen E-Mails und Gesprächen auf die Einhaltung der Vorgaben des Konjunkturpakets II und insbesondere auf den Präqualifizierungserlass hingewiesen hat, ist auch hierin nicht die Begründung einer Rechtspflicht zu sehen. Insbesondere die E-Mail vom 03.07.2010 lässt weder ihrem Wortlaut noch ihrer Form nach eine hinreichend eindeutige Verpflichtung des Klägers erkennen. Die E-Mail formuliert ebenfalls dahin, dass auf die Bestimmungen hingewiesen werde, was auch als Aufklärungsmaßnahme verstanden werden kann. Gegen eine Deutung als Verwaltungsakt spricht im Übrigen, dass die Beteiligten zu diesem Zeitpunkt erkennbar davon ausgingen, dass der Zuwendungsbescheid vor Maßnahmenbeginn ergehen würde und dementsprechend eine derartige Regelung mit hinreichendem Vorlauf im Zuwendungsbescheid würde getroffen werden können.

Angesichts dessen dringt auch der Einwand der Beklagten im Widerspruchsbescheid, es sei angesichts des Ablaufs des Verfahrens zwingend gewesen, dass der Kläger habe erkennen müssen, die übrigen Vorgaben des Konjunkturpakets II einhalten zu müssen, nicht durch. Zwar sind die Beteiligten wohl übereinstimmend bis zum 24.11.2010 davon ausgegangen, dass der Kläger die Wahl habe, entweder nach den allgemeinen Bestimmungen der ANBest-P und insbesondere der VOB oder alternativ nach den vereinfachten Vorgaben des Konjunkturpakets II ausschreiben zu können. Dieser Annahme wurde jedoch aufgrund der Mitteilung des BMVBS, dass im Fall des Klägers eine Anwendung des Konjunkturpakets II ohnehin nicht in Betracht käme, die Grundlage entzogen. In diesem Kontext musste ein objektiver Empfänger nicht mehr zwingend davon ausgehen, dass die Beklagte auf die Einhaltung der übrigen Regelungen des Konjunkturpakets II und insbesondere des Präqualifizierungserlasses bestehen würde. Dass eine Beschränkte Vergabe für das verfahrensgegenständliche Gewerk nach den Schwellenwerten der VOB einen schweren Vergabeverstoß dargestellt hätte, steht dem nicht entgegen. Denn es war angesichts der übereinstimmenden Vorstellung der Beteiligten hinsichtlich der Voraussetzungen der Vergabevereinfachungen des Konjunkturpakets II nicht fernliegend, dass die Beklagte in Anerkennung der eigenen später revidierten Wertung den Kläger nicht für eine nach allgemeinen Vorschriften fehlerhafte Beschränkte Vergabe verantwortlich macht, wenn die Beklagte diese Form der Ausschreibung zuvor noch für möglich erklärt hatte.

Hiergegen kann schließlich auch nicht eingewendet werden, der Kläger habe sich bewusst für eine Vergabe nach den Regelungen des Konjunkturpakets II entschieden und müsse sich hieran festhalten lassen. Das gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Kläger selbst nach Erlass des Zuwendungsbescheids vom 06.12.2010 am 07.12.2010 im Vergabevorschlag für das Gewerk Rohbau angegeben hat, nach den Regelungen des Konjunkturpakets II auszuschreiben. Da nach den obigen Ausführungen weder der Zuwendungsbescheid noch die vorherige Kommunikation der Beteiligten aus Sicht eines objektiven Empfängers eine Verpflichtung des Klägers enthalten, die Vorgaben des Präqualifizierungserlasses im Rahmen der Ausschreibung des Gewerks Rohbau zu beachten, hat der Kläger objektiv nicht gegen ihm auferlegte zuwendungsrechtliche Vorgaben verstoßen, und zwar unabhängig davon, ob er irrig davon ausgegangen sein könnte, zur Einhaltung dieser Bestimmungen verpflichtet zu sein.

Aus alledem ergibt sich, dass die Beklagte die Kosten des Gewerks Rohbau zu Unrecht nicht als zuwendungsfähig anerkannt hat. Der Erstattungs- und Zinsbescheid vom 27.06.2019 ist daher aufzuheben, soweit die dort geforderte Summe auf der Nichtanerkennung dieser Kosten beruht. Da der Erstattungs- und Zinsbescheid vom 27.06.2019 im Übrigen in rechtmäßiger Weise bestehen bleiben kann, konnte das Gericht sich auf die beantragte Teilaufhebung beschränken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. 709 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung

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