Schwellenwertberechnung bei mehreren HOAI-Leistungen für ein Bauprojekt – OLG München hegt Zweifel an getrennter Betrachtung – newsletter 05/2017

Das OLG München hat in seiner Entscheidung vom 13.03.2017 (Verg 15/16) erhebliche Zweifel daran geäußert, dass die Regelung in § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO (identisch mit § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV) europarechtskonform ist.

Die Vorschrift sieht vor, dass bei der Schätzung des Auftragswertes nur die Auftragswerte von Losen mit gleichartigen Leistungen zusammenzurechnen sind. Obwohl es nach Auffassung des OLG München für den entschiedenen Einzelfall nicht hierauf ankommt, befasst es sich ausführlich mit dieser Frage. Dabei betrachtet es neben den Vergaberichtlinien auch die Entscheidung des EuGH Autalhalle und berücksichtigt das zuletzt angekündigte, dann aber nicht durchgeführte Vertragsverletzungsverfahren Stadt Elze (Wir berichteten in unseren Newslettern 06/2016 und 02/2017).

Nach dem OLG München ist es fraglich nach welchen Kriterien die „Gleichartigkeit“ der Planungsleistungen zu beurteilen ist.

Die bislang wohl herrschende Ansicht nimmt für die freiberuflichen Planungsleistungen die unterschiedlichen Leistungsbilder der HOAI als Indiz. Danach stellen die Planungsleistungen der Objektplanung, der Tragwerksplanung und der Planung der technischen Gebäudeausrüstung unterschiedliche Leistungsbilder dar und werden mithin als verschiedenartige und somit nicht zu addierende Planungsleistungen i.S. des § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO angesehen.

Für diese Auslegung spricht der Wortlaut, der auf die „Gleichartigkeit“ und nicht auf eine wirtschaftliche oder technische Funktion der Planungsleistung abstellt.

Ferner lässt sich hierfür die Entstehungsgeschichte dieser Norm anführen. In einem Referentenentwurf zur VgV (bei der sich im Rahmen des § 3 Abs. 7 VGV die gleiche Problematik stellt) war vorgesehen, dass sämtliche Leistungen, „die in funktionalem Zusammenhang stehen“, zu addieren seien. Demgegenüber wurde dann im endgültigen Entwurf die jetzige Regelung vorgesehen, um, wie sich aus mündlichen Äußerungen in den Plenarprotokollen ergibt, die bisherige mittelstandsfreundliche Lösung fortzuschreiben.

Zudem wäre der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 7 Satz 2 GWB bei einer funktionalen Betrachtungsweise gering. Objekt- und Tragwerksplanung sowie die Planung der technischen Gebäudeausrüstung werden häufig einem einheitlichen Bauvorhaben dienen und in wirtschaftlich und technisch engem Zusammenhang stehen. Mithin würde bei einer funktionalen Betrachtungsweise auch die Ausschreibungspflicht jedenfalls für die Planungsleistungen deutlich ausgeweitet, selbst wenn die Schwellenwerte für die eigentlichen Bauleistungen möglicherweise noch nicht erreicht wären. Damit verbunden wäre ein erheblicher Mehraufwand für die Auftraggeber gerade bei kleineren Bauvorhaben.

Allerdings bestehen erhebliche Bedenken, ob diese Auslegung des § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO mit den europarechtlichen Vorgaben in Einklang steht. Art. 16 Abs. 8 der RiLi 2014/25/EU regelt, der geschätzte Gesamtwert aller Lose sei zu berücksichtigen, wenn ein Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung von Dienstleistungen zu Aufträgen führen könne, die in mehreren Losen vergeben würden. Wenn der kummulierte Wert der Lose den in Art. 15 genannten Schwellenwert übersteige, gelte die Richtlinie für die Vergabe jedes Loses. Eine Einschränkung wie in § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO, dass nur gleichartige Planungsleistungen zu addieren sind, findet sich in der RiLi 2014/25/EU nicht. Auf die „Gleichartigkeit“ wird nur in Art. 16 Abs. 9 RiLi 2014/25/EU, soweit die Aufträge den Erwerb von Waren betreffen, abgestellt.

Die Entscheidung finden Sie hier.