Vergabekammer Niedersachsen, Az.: VgK-20/2023, Beschluss vom 05.09.2023 – Beauftragung von Dienstleistungen – Lieferung und Einrichtung von Multifunktionsprintern im Mietmodell mit Full-Service-Leistungen

Sep 5, 2023 | Nachrichten, Rechtsprechung

Vergabekammer Niedersachsen beim
Niedersächsischen Ministerium für
Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung
Auf der Hude 2
21339 Lüneburg

Az.: VgK-20/2023

Lüneburg, den 05.09.2023

B e s c h l u s s

In dem Nachprüfungsverfahren

der xxxxxx,

Verfahrensbevollmächtigte: xxxxxx,

– Antragstellerin –

gegen

den xxxxxx,

– Antragsgegner –

beigeladen:

xxxxxx,

– Beigeladene –

wegen

Beauftragung von Dienstleistungen – Lieferung und Einrichtung von Multifunktionsprintern im Mietmodell mit Full-Service-Leistungen

hat die Vergabekammer durch den Vorsitzenden MR Gause, die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ök. Tarnowski und den ehrenamtlichen Beisitzer M.A. Dalchau auf die mündliche Verhandlung vom 25.08.2023 beschlossen:

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

3. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
2

Begründung:

I.
Der xxxxxx schrieb mit der EU-Auftragsbekanntmachung vom xxxxxx.2023 die Beauftragung von Dienstleistungen bzw. Lieferung und Einrichtung von Multifunktionsprintern im Mietmodell mit Full-Service-Leistungen im offenen Verfahren aus. Die zu vergebende Leistung umfasst im Wesentlichen die Lieferung, Aufstellung, Einrichtung und den Betriebsservice netzwerkfähiger Multifunktionsprinter (MFP) mit Kopier-, Druck-, Scan- und Faxfunktionen im Mietmodell inkl. Full-Service-Leistungen zur Sicherstellung einer ständigen Verfügbarkeit und Nutzbarkeit für Anwender und Bedienstete der Verwaltungseinrichtungen. Der Auftragnehmer soll die insgesamt benötigten 77 Geräte frei Haus an die vom Auftraggeber vorgegebenen Standorte liefern. Die Anlagen und Geräte bleiben im Eigentum des Auftragnehmers. Für das Service- und Supportmanagement hat der Auftragnehmer eine Servicestelle bzw. einen technischen Kundendienst vorzuhalten. Das monatliche Druckvolumen beträgt ca. 200.000 Seiten in S/W und ca. 30.000 Seiten in Farbe. Die Leistungen sind ab 01.08.2023 für einen Zeitraum von 48 Monaten (zzgl. Verlängerungsoption von 12 Monaten) an allen (gemäß der den Vergabeunterlagen beigefügten Übersicht) auszurüstenden Standorten zu erbringen.
Die genaue Definition der geforderten Leistung ergibt sich im Wesentlichen aus der Leistungsbeschreibung (Anlage 1 der Vergabeunterlagen) sowie der Bewertungsmatrix – Ermittlung – Leistungspunkte (Anlage 3 der Vergabeunterlagen). Die Zuschlagskriterien werden unter dem Gliederungspunkt 4 der Leistungsbeschreibung (Anlage 1 der Vergabeunterlagen) wie folgt beschrieben:
„Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes findet auf Basis der festgestellten Leistungspunkte und der feststehenden Angebotspreise auf Grundlage des sich aus dem Preisblatt 1 ergebenden monatlichen Gesamtpreises statt (Einfache Richtwertmethode). Für jedes Angebot wird die jeweilige Kennzahl für das Leistungs-Preis-Verhältnis gebildet und daraus eine Rangfolge der Angebote hergestellt.
Im Anschluss wird das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot ermittelt.“
Die Bewertungsmatrix wie auch das Leistungsverzeichnis (Anlage 2) wird in folgende Abschnitte unterteilt:
1. Allgemeines;
2. Druckmodul;
3. Scanmodul/Software; 4. Sicherheit und
5. Sonstiges.

Insgesamt können für die unter diesen Abschnitten anzugebenden technischen Merkmale der zu liefernden Geräte max. 1.000 Qualitätspunkte erreicht werden. Dabei können die Bieter mit den technischen Angaben zu Multifunktionsprinter im ersten Abschnitt „Allgemeines“ max. 480 Punkte (48 % von 1.000 Punkten) erzielen.
Unter der lfd. Nr. 1.13 „Automatische Erkennung des Papiergewichtes LK I“ sowie 1.14 „Automatische Erkennung des Papiergewichtes LK II“ sind max. 20 Punkte je Kriterium (4 % von 480 bzw. 2 % von 1.000 Punkten) erreichbar, bei denen die Punkteverteilung wie folgt aussieht:

„1.13. Automatische Erkennung des Papiergewichtes LK I:
– nein [bei Nichtvorhandensein dieser Funktion]: 0 – 3 Punkte
– nur über Seiteneinzug: 4 – 7 Punkte
– aus allen Papierzuführungen: 8 – 10 Punkte.“

„1.14. Automatische Erkennung des Papiergewichtes LK II:
– nein [bei Nichtvorhandensein dieser Funktion]: 0 – 3 Punkte
– nur über Seiteneinzug: 4 – 7 Punkte
– aus allen Papierzuführungen: 8 – 10 Punkte.“

Hingegen können in dem zweiten Abschnitt „Druckmodul“ insgesamt max. 200 Punkte (20 % von 1.000 Punkten) erzielt werden, die wie folgt aufgeteilt werden:
„2.1. Ausgabegeschwindigkeit A4 in Seiten / Minute LK I:
– >= 40 Seiten: 0 – 3 Punkte
– >= 45 Seiten: 8 – 10 Punkte.“

„2.2. Ausgabegeschwindigkeit A4 in Seiten / Minute LK II:
– >= 25 Seiten: 0 – 3 Punkte
– >= 30 Seiten: 8 – 10 Punkte.“

Ein Mittelfeld von 4 – 7 Punkten wurde nicht festgelegt. Aus den Vergabeunterlagen geht darüber hinaus hervor, dass Bieterfragen zu der Punktevergabe gemäß der veröffentlichten Bewertungsmatrix (Anlage 3) an den Antragsgegner gestellt wurden. Eine dieser Fragen bezog sich u.a. (vermutlich) auf die Punktevergabe bei der lfd. Nr. 2.2 der Bewertungsmatrix, jedoch nicht auf die Ausgestaltung des Erfüllungsgrades bei dem Kriterium, insbesondere auf das fehlende Mittelfeld in der Bewertung. Die Bieterfragen wurden von dem Antragsgegner anonymisiert und innerhalb der Angebotsphase beantwortet sowie allen Bietern zur Verfügung gestellt.
Die Antragstellerin und die Beigeladene reichten ihr Angebot fristgerecht ein.
Mit Schreiben vom 26.06.2023 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin ihre Absicht gemäß § 134 GWB mit, den Zuschlag der Beigeladenen zu erteilen. Außerdem erläuterte er die Gründe für die vorgesehene Zuschlagsentscheidung. Hierbei wurde Bezug auf die erreichten Punkte in der Bewertungsmatrix der Antragstellerin genommen. Ferner informierte der Antragsgegner die Antragstellerin über den hierbei nach der Einfachen Richtwertmethode ermittelten (skalierten) Wert von 2,35 des Angebotes der Antragstellerin sowie den (skalierten) Wert des wirtschaftlichsten Angebotes der Beigeladenen von 2,41.
Mit Schreiben vom 30.06.2023 rügte die Antragstellerin die vorgesehene Zuschlagsentscheidung des Antragsgegners. Dabei wurde vorgetragen, dass das Informationsschreiben vom 26.06.2023 nicht die Voraussetzungen nach § 134 GWB erfülle. Ferner liege bezugnehmend auf die lfd. Nrn. 1.13 sowie 1.14 der Bewertungsmatrix (Anlage 3) ein Verstoß gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung gemäß § 121 GWB, § 31 VgV vor. Außerdem verstoße die Ausschreibung gegen § 58 Abs. 3 VgV, da es vom Antragsgegner versäumt wurde, in der Auftragsbekanntmachung bzw. in den Vergabeunterlagen die Gewichtung der einzelnen Zuschlagskriterien mitzuteilen. Schließlich sei die Bepunktung unter den lfd. Nrn.

Bewertungsmatrix dargestellte Abstufung der Bewertung dieses Kriteriums dagegen nicht kritisch hinterfragt.
Aufgrund der Nichtabhilfe der Rüge beantragte die Antragstellerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.07.2023 die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 160 Abs.1 GWB bei der Vergabekammer. Am 07.07.2023 hat der Antragsgegner daraufhin über die Vergabeplattform an alle am Verfahren beteiligten Bieter eine Nachricht verschickt, dass die Zuschlagsfrist aufgrund von § 169 Abs. 1 GWB auf den 25.08.2023 verschoben werde.
Die Antragstellerin begründete ihren Nachprüfungsantrag unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in dem o.g. Rügeschreiben.
Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet.
Die Antragstellerin habe sich an dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren beteiligt, indem sie am 30.05.2023 ihr Angebot eingereicht habe.
Mit Schreiben vom 26.06.2023 habe der Antragsgegner der Antragstellerin mitgeteilt, dass laut der Auswertung und Prüfung der Angebote die Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Das übermittelte Ergebnis der Bewertung habe aufseiten der Antragstellerin für Verwunderung gesorgt, da im Rahmen der Angebotsprüfung der Antragsgegner die Antragstellerin nach § 60 VgV aufgefordert habe, ihr Angebot wegen eines möglicherweise unangemessen niedrigen Preises aufzuklären. Der Abstand des Angebotes der Antragstellerin betrage mehr als 20 % zum nächsthöheren Angebot.
Rein klarstellend weise die Antragstellerin darauf hin, dass die Rüge hinsichtlich der Vorabinformation des Antragsgegners gemäß § 134 GWB mit Blick auf die nachgeschobenen Informationen im Rahmen des Nichtabhilfeschreibens nicht weiter aufrechterhalten werde.
Der Antragsgegner habe dennoch durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften subjektive Rechte der Antragstellerin i. S. v. § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
Maßstab für die Rügeobliegenheit i. S. v. § 160 Abs. 3 GWB sei die Erkennbarkeit für das
Unternehmen bei Anwendung üblicher Sorgfalt. Die Antragstellerin verweist hierbei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, laut der dieser Maßstab auf einen durchschnittlich fachkundigen Unternehmer abzustellen sei (vgl. EuGH, Urteil vom 12.03.2015-C-
538/13 „eVigilo“ -; so auch OLG Düsseldorf, Beschluss, vom 11.07.2018 – VII Verg 24/18). Eine Rügepräklusion komme nur bei ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht, die einem durchschnittlich erfahrenen Bieter auch ohne eingehende Überprüfung der Vergabeunterlagen auffallen müssen. Ebenso bestehe keine Verpflichtung, die Rechtmäßigkeit von Bekanntmachung und Vergabeunterlagen durch einen Vergabejuristen prüfen zu lassen. Vor diesem Hintergrund gelangt die Antragstellerin zum Ergebnis, dass während der Angebotsphase keine Rügepflicht der Antragstellerin bestanden habe. Die Bekanntmachung habe keinerlei Angaben zu den hier streitgegenständlichen Fragen enthalten, so dass es ohnehin allein auf eine Kenntnis nach Einsichtnahme der Vergabeunterlagen i. S. v. § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB ankommen würde.
Der Nachprüfungsantrag sei begründet, denn der Antragsgegner habe das Angebot der Antragstellerin unter Missachtung der vergaberechtlichen Vorschriften bei seiner Entscheidung über die Auswahl des jeweiligen Bestbieters nicht berücksichtigt.
Im Weiteren werden die bestehenden Beanstandungen im Einzelnen erörtert.
Die unter der lfd. Nr. 1.13 sowie 1.14 der Bewertungsmatrix (Anlage 3) beschriebenen Zuschlagskriterien zur „automatischen Erkennung des Papiergewichtes“ diskriminierten (hier zusammenfassend dargestellt) die Antragstellerin, da offensichtlich nur der Hersteller xxxxxx dieses Merkmal bei seinen Druckern anbieten könne. Es handele sich letztlich um ein hersteller- bzw. produktbezogenes Zuschlagskriterium, das zu einem Wertungsvorsprung für den Bestbieter geführt habe, der sachlich durch nichts gerechtfertigt sei. Die Zuschlagskriterien müssten so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet werde. Im Nichtabhilfeschreiben vom 04.07.2023 werde insoweit ausgeführt, dass das Zuschlagskriterium deshalb aufgenommen worden sei, da mit den zu beschaffenden Geräten vielfältige Ausdrucke erstellt und ausgegeben würden. Diese Drucke würden sich auch durch das Gewicht des Papiers unterscheiden. Unter Umständen wäre als ein vermeidbarer Arbeitsschritt bei der Druckerstellung ein zusätzliches Fach auszuwählen, aus dem das Multifunktionsgerät die Zuführung des Papiers durchführen soll; dieses sollte bestenfalls automatisch ablaufen. Die Anwahl eines bestimmten Druckerfaches könne jedoch auch bei dem von der Antragstellerin angebotenen Produkt systemseitig voreingestellt werden, so dass der von dem Antragsgegner beschriebene vermeidbare Arbeitsschritt für den Anwender auch bei der Druckerlösung der Antragstellerin entfalle. Dies hätte nach Auffassung der Antragstellerin von dem Antragsgegner im Rahmen der Vergabekonzeption aufgeklärt werden müssen. Das habe er offensichtlich unterlassen, anders sei die Wendung „unter Umständen“ nicht zu erklären.
Ferner verstoße die Ausschreibung zudem gegen § 58 Abs. 3 VgV. Danach ist von dem öffentlichen Auftraggeber die Gewichtung der einzelnen Zuschlagskriterien in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen angegeben. Eine solche Angabe fehle vorliegend. Soweit der Antragsgegner in der Nichtabhilfemitteilung vom 04.07.2023 auf die Angabe in der Leistungsbeschreibung verweise, wonach die Einfache Richtwertmethode angewendet werde, führe dies zu keiner anderen Beurteilung. Bei der Einfachen Richtwertmethode handele es sich um eine Wertungsformel und nicht um ein Zuschlagskriterium oder dessen Gewichtung.
Außerdem sei die Ausgestaltung zu den Unterkriterien 2.1 und 2.2 (Ausgabegeschwindigkeit) ebenso vergaberechtswidrig wie die konkrete Bewertung durch den Antragsgegner. Die von dem Antragsgegner vorgenommene Abstufung beim Erfüllungsgrad führe dazu, dass ein Bieter einen eklatant hohen Wertungsvorteil erziele, wenn das angebotene Produkt auch nur eine Seite mehr pro Minute ausgebe. Erst nach vertiefter Prüfung ergebe sich aus der Bewertungsmatrix, dass der Antragsgegner diese beiden Unterkriterien so ausgestaltet habe, dass es einen erheblichen Wertungssprung zwischen dem Leistungsmerkmal 44 Seiten/Minute sowie 45 Seiten/Minute gebe. Anders als etwa bei der Bewertung der Scangeschwindigkeit habe der Antragsgegner den mittleren Erfüllungsgrad ganz aus der Bewertung herausgenommen. Zwar stehe es einem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich frei, bestimmte Abstufungen für die Bewertung zu wählen und dabei auch Wertungssprünge in Kauf zu nehmen. Dies bedürfe aber einer sachlichen Rechtfertigung. Eine solche sachliche Rechtfertigung sei hier nicht gegeben. Der Antragsgegner trage im Nichtabhilfeschreiben vom
04.07.2023 insoweit vor, dass Ausdrucke ausschließlich über die „Follow-Me-Funktion“ erfolgen. Dies bedeute, dass die Mitarbeiter durch ihre Anmeldung am Multifunktionsgerät den Druckvorgang auslösen. Eine möglichst hohe Druckgeschwindigkeit sei damit ein wichtiger Akzeptanzfaktor für die Druckerlösung im Haus. Entscheidend in diesem Zusammenhang dürfte aber nach Einschätzung der Antragstellerin sowohl das Leistungsmerkmal „Erstkopie bei betriebsbereitem System“ als auch die „Aufwärmphase“ sein. Ob der Drucker danach in der Lage sei, 44 Seiten/Minute oder 45 Seiten/Minute auszuwerfen, sei dann nach Auffassung der Antragstellerin nicht mehr so entscheidend, dass sie solche erheblichen Wertungssprünge rechtfertigt.
Mit Schriftsatz vom 24.07.2023 wiederholte und vertiefte die Antragstellerin ihre Beanstandungen. Die Zuschlagskriterien zur automatischen Erkennung des Papiergewichtes seien sachlich nicht gerechtfertigt. Sie verstießen dem Grunde nach gegen § 121 GWB i. V. m. § 31 Abs. 6 VgV. Es liege ein Verstoß gegen die Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung vor. Die fehlende Produktneutralität könne sich nicht nur aus der Vorgabe eines bestimmten Produkts oder Verfahrens ergeben, sondern der Tatbestand sei auch dann erfüllt, wenn bestimmte technische Anforderungen so präzise definiert sind, dass dem Bieter keinerlei Ausweichmöglichkeit mehr bleibt oder Alternativangebote niedriger gewichtet werden. Als Grund für die Zuschlagskriterien benenne der Antragsgegner eine Vereinfachung des Druckvorgangs dadurch, dass der entsprechende Mitarbeiter vor dem Druck nicht das anzusteuernde Papierfach auswählen muss. Die Anwahl eines bestimmten Druckerfaches könne aber auch bei den von der Antragstellerin angebotenen Produkten systemseitig voreingestellt werden, so dass der von dem Antragsgegner beschriebene vermeidbare Arbeitsschritt für den Anwender auch bei der Druckerlösung der Antragstellerin entfalle. Dies hätte dem Antragsgegner bei einer sorgfältigen Erstellung der Leistungsbeschreibung auffallen müssen. Stattdessen habe er sich den Möglichkeiten des Marktes verschlossen.
Die Antragstellerin sei auch insoweit nicht nach § 160 Abs. 3 Nr. 3 GWB präkludiert. Dabei dürften die Anforderungen an den Bieter nicht überspannt werden. Ein durchschnittlicher Bieter müsse insbesondere nicht die vergaberechtliche Rechtsprechung kennen. Nach der vergaberechtlichen Literatur seien insbesondere Verstöße gegen das Gebot zur produktneutralen Ausschreibung für den Bieter häufig wenig deutlich, zumal die Rechtsprechung insoweit stark einzelfallabhängig sei. Von der Antragstellerin habe nicht erwartet werden können, den Verstoß gegen das Gebot zur produktneutralen Ausschreibung zu erkennen. Die Antragstellerin sei eine Bürotechnik- und Büromöbel-Händlerin, von der nicht erwartet werden könne, die von der vergaberechtlichen Rechtsprechung und Literatur als besonders komplex eingestufte Frage nach der Vergaberechtskonformität einer produktneutralen Ausschreibung zutreffend zu bewerten.
Der Antragsgegner habe es versäumt, die Gewichtung der Zuschlagskriterien bekannt zu geben. Der Hinweis auf die Einfache Richtwertmethode genüge dafür nicht. Der Antragstellerin habe die Einfache Richtwertmethode nicht bekannt sein müssen. Auch bezüglich dieser Beanstandung sei die Antragstellerin nicht präkludiert, da von der Antragstellerin nicht erwartet werden konnte, die unübersichtliche und aus mehreren Dokumenten bestehende Gewichtung der Zuschlagskriterien vollumfänglich nachzuvollziehen.
Dies gelte auch bezüglich der Beanstandung des Bewertungskriteriums der Ausgabegeschwindigkeit. Erst nach fachanwaltlicher Prüfung sei es für die Antragstellerin erkennbar gewesen, dass es einen erheblichen Wertungssprung zwischen den Leistungsmerkmalen 44 Seiten/Minute und 45 Seiten/Minute gibt.
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 22.08.2023 trägt die Antragstellerin in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nach, dass sie in der von den Bietern auszufüllenden Bewertungsmatrix Multifunktionsgeräte unter der lfd. 4.1 „Virenscans“ möglich“ angegeben habe, dass Virenscans nur beim Systemstart möglich seien. Dies sei grundsätzlich richtig. Im Rahmen der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung habe die Antragstellerin vom Hersteller xxxxxx aber eine vollständige Beschreibung der bereits im System standardmäßig vorhandenen Funktionen erhalten, in der es heiße:
„Im Gegensatz zu einem klassischen Antivirus, das eine Systemplattform aufgrund einer publizierten Liste von bekannter Malware analysiert, funktioniert der xxxxxx so, dass nur ein zulässiger Code ausgeführt werden kann (Code-Authentifizierung). xxxxxx untersucht laufend den aktiven Speicher (RAM) und verhindert durch Integritätsprüfungen (Hash-Wert-Überprüfungen) die Ausführung von authentifizierten Binärdateien, also Daten, die nicht vom Hersteller definiert sind. Es ist nicht auf Malware-Signaturen angewiesen, wie dies bei Antiviren-Software der Fall ist, und kann sowohl aktuelle als auch zukünftige Malware blockieren. Insoweit ist xxxxxx einem Antivirus überlegen.“
Noch verständlicher werde die Funktionsweise durch einen Vergleich zum Abgleich zwischen einer echten und einer gefälschten Unterschrift. So werde hier mit dem xxxxxx ständig überwacht, ob der ankommende Code authentisch sei oder, es sich um Malware handele.
Deshalb hätte die Antragstellerin das auszufüllende Feld bei der lfd. Nr. 4.1 der Bewertungsmatrix mit der Bemerkung versehen können, dass Virenscans in Echtzeit möglich seien, mit täglicher Überprüfung, ob aktuellere Updates verfügbar seien. Insofern hätte sie dann auch eine höhere Punktzahl bei der Bewertung der Qualitätskriterien erreicht, die wohl schon für sich genommen ausgereicht hätte, um den Zuschlag zu erreichen.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den Antragsgegner vorbehaltlich einer dauerhaften Aufgabe des Beschaffungswillens anzuweisen, das Verfahren zur Vergabe von Dienstleistungen zur Lieferung und Einrichtung von Multifunktionsprintern im Mietmodell mit Full-Service-Leistungen für Verwaltungseinrichtungen (Vergabe-Nr.: xxxxxx) in rechtsfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen;

2. hilfsweise: dem Antragsgegner zu untersagen, das Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen;

3. die Vergabeakten des Antragsgegners beizuziehen und der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;

4. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen;

5. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

Der Antragsgegner beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als teilweise unzulässig und

2. im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen.

Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig und unbegründet.
Die Antragstellerin begründe ihren Nachprüfungsantrag mit einer vermeintlichen Diskriminierung durch das Zuschlags-/Bewertungskriterium „Automatische Erkennung des Papiergewichts“, einer vermeintlich fehlenden Bekanntgabe der Zuschlagskriterien sowie der erfolgten Bewertung des Zuschlags-/Bewertungskriteriums der Ausgabegeschwindigkeit.
Der Antragsgegner hält fest, dass alle diese Aspekte die Zuschlagskriterien in diesem Vergabeverfahren betreffen. Diese müssten gemäß § 127 Abs. 4 GWB so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet werde, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden könne und eine wirksame Überprüfung möglich sei, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Diesen gesetzlichen Ansprüchen entspreche die Vorgehensweise des Antragsgegners in diesem Vergabeverfahren. Dem öffentlichen Auftraggeber werde auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bei der Festlegung der Zuschlagskriterien ein weiter Handlungs- und Beurteilungsspielraum eröffnet (BGH, Beschluss vom 04.04.2017 – X ZB 3/17 – Rn. 34).
Im Weiteren geht der Antragsgegner im Einzelnen auf die beanstandeten Aspekte ein.
Zum einen wird Stellung (hier zusammenfassend dargestellt) zu dem Zuschlagskriterium „Automatische Erkennung des Papiergewichts“ genommen. Da die beiden von der Antragstellerin benannten Kriterien 1.13 und 1.14 lediglich 4,0 % der erreichbaren Leistungspunkte entsprechen, könne der Vorwurf einer Diskriminierung der Antragstellerin durch den Antragsgegner nicht nachvollzogen werden, insbesondere da sich aufgrund der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes durch die Einfache Richtwertmethode eine noch entsprechend niedrigere Gewichtung dieser Kriterien für die Zuschlagsentscheidung ergebe.
Im Nachprüfungsantrag beanstande die Antragstellerin diese Zuschlags-/Bewertungskriterien als hersteller- bzw. produktbezogen. Aus Sicht des Antragsgegners werde hierbei jedoch das Bestimmungsrecht des Auftraggebers nicht überschritten. Der Antragsgegner habe das Bewertungskriterium mit aufgenommen, da die zu liefernden Geräte im gesamten Netz des Antragsgegners eingesetzt, die einzelnen Kassetten aber gerade bei Spezialpapier nicht immer identisch bestückt werden. Da die Benutzer ihre Drucke jedoch an allen Geräten abrufen können („Follow me“), sei es sehr wichtig, dass Ausdrucke nicht mit falschem Papier ausgegeben werden.
Der Antragsgegner macht darauf aufmerksam, dass die Antragstellerin während der Angebotsphase eine Bieterfrage zwar zu einer gestellten Leistungsanforderung eingereicht, aber ein vermeintlich hersteller- bzw. produktbezogenes Zuschlagskriterium hinsichtlich der lfd. Nrn. 1.13 sowie 1.14 nicht erwähnt oder beanstandet habe. Vor diesem Hintergrund zweifelt der Antragsgegner die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages der Antragstellerin gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB an.
Zum anderen reagiert der Antragsgegner auf den Vortrag der Antragstellerin bzgl. der fehlenden Informationen über die Gewichtung der Zuschlagskriterien. Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes finde laut Abschnitt 4 der Leistungsbeschreibung auf Basis der festgestellten Leistungspunkte und der Angebotspreise statt (Einfache Richtwertmethode). Der Antragsgegner vertritt hierbei die Auffassung, dass die Leistungsbeschreibung mit dem Verweis auf die Einfache Richtwertmethode sowie auf weitere Ausführungen zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes hinreichend klare Angaben zur Gewichtung von Preis und Leistung enthält. Der Antragsgegner untermauert seine Ansicht mit der Feststellung durch die Vergabekammer des Bundes in einer Entscheidung aus dem Jahr 2009, dass das Verhältnis von Leistung und Preis bei der Einfachen Richtwertmethode durch die Bildung eines entsprechenden Quotienten bestimmt werde (2. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 22.12.2009 -VK 2 -204/09). Der Antragsgegner habe die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung somit hinreichend transparent bekannt gemacht.
Schließlich geht der Antragsgegner auf den Vortrag der Antragstellerin hinsichtlich der Bepunktung der Ausgabegeschwindigkeit ein. Das Angebot der Antragstellerin umfasse eine Ausgabegeschwindigkeit von 40 Seiten für die LK 1 bzw. 25 Seiten für die LK II und erfülle damit gerade die Mindestanforderung. Die bekannt gegebene Bewertungsmatrix lasse eindeutig und ohne erforderliche Vertiefung erkennen, dass eine höhere Ausgabegeschwindigkeit zu einer höheren Bewertung des Kriteriums geführt hätte. Es sei der Antragstellerin somit unbenommen gewesen, eine höhere Ausgabegeschwindigkeit anzubieten. Der Antragsgegner macht in der Antragserwiderung darauf aufmerksam, dass mit der Ausschreibung vor allem ein leistungsfähiges System beschafft werden solle. Vergleichsweise habe der Antragsgegner die Nachfrage eines anderen Unternehmens während der Angebotsphase nach Streichung oder Abschwächung des geforderten Festplattenspeichers von min. 200 GB SSD unter Hinweis auf das gewünschte performante System abgelehnt. Auch die geforderten Aufwärmzeiten bzw. deren Bewertung ließen erkennen, dass die Geschwindigkeit des gesamten Druckvorgangs große Bedeutung für den Auftraggeber habe. Das gewählte Zuschlagskriterium der Ausgabegeschwindigkeit stehe somit im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand.
Die Beigeladene hat keine eigenen Anträge gestellt und sich auch nicht zum Verfahren geäußert.
Mit Verfügung vom 07.08.2023 hat die Vergabekammer die Frist für die abschließende Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren über die gesetzliche 5-Wochen-Frist hinaus bis zum 06.09.2023 verlängert.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.08.2023 Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig. Er ist wegen Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin die offenkundige und für sie wie jeden anderen fachkundigen Bieter aus der den Bietern für die Kalkulation ihrer Angebote mit den Vergabeunterlagen übersandten Bewertungsmatrix erkennbare, wertungsrelevante Berücksichtigung der Ausgabegeschwindigkeit des anzubietenden Druckmoduls erst aufgrund der Information gemäß § 134 GWB und damit nach Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Antragsgegner gerügt hat (im Folgenden 1).
Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag zulässig, aber unbegründet. Der Antragsgegner ist seiner Pflicht gemäß § 127 Abs. 5 GWB und § 58 Abs. 3 VgV nachgekommen, die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung in den Vergabeunterlagen festzulegen und den Bietern bekannt zu geben. Er hat die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte auch ausschließlich unter Berücksichtigung beider Zuschlagskriterien (Preis und Leistung) und sämtlicher qualitativer, in der Bewertungsmatrix bekannt gegebener qualitativer Unterkriterien und der festgelegten Gewichtung durchgeführt (im Folgenden 2 a). Der Antragsgegner hat auch nicht gegen das Gebot der Produktneutralität gemäß § 121 GWB i. V. m. § 31 Abs. 6 VgV verstoßen. Die punktemäßige Berücksichtigung einer automatischen Erkennung des Papiergewichtes gemäß der lfd. Nrn. 1.13 und 1.14 der Bewertungsmatrix mit insgesamt 40 von 1000 erreichbaren Gewichtungspunkten ist sachlich gerechtfertigt und hält sich in einem angemessenen Rahmen (im Folgenden 2 b).
1. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. d. § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweiligen Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, die nach den EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Liefer- und Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 2 und 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB
i. V. m. Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der seit 01.01.2022 geltenden Fassung zum Zeitpunkt der hier streitbefangenen Auftragsvergabe ein Schwellenwert von 215.000 € gilt. Die vom Antragsgegner gemäß § 3 VgV geschätzten Kosten für den Gesamtauftrag über die ausgeschriebene vierjährige Vertragslaufzeit (Vergabeakte, Gesamtvermerk Vergabemanagementsystem, Seite 2, a3. Verfahren) wie auch die vorliegenden, konkreten Angebotspreise überschreiten den Schwellenwert deutlich.

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie beanstandet, dass der Antragsgegner beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen auf der Grundlage einer vergaberechtswidrigen Ausschreibung zu erteilen.

Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB, § 160, Rn. 23, Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 52). Nach herrschender Meinung und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 – 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB, § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/
Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160 Rn. 34; Möllenkamp in: Kulartz/Kus/Portz/ Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 – X ZB 14/06, zitiert nach VERIS). Der Anspruch an die Substantiierung des antragsbegründenden Vortrags wird durch den Stand der Kenntnis des Antragstellers von dem der beanstandeten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt begrenzt und muss damit korrespondieren. Die Antragstellerin hat eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Chancen auf den Zuschlag und damit einen möglichen Schaden schlüssig dargelegt.

Die Antragstellerin hat allerdings nicht hinsichtlich aller verfahrensgegenständlicher Beanstandungen ihrer Pflicht genügt, die geltend gemachten Verstöße gegen die Vergaberechtsvorschriften gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB vor Einreichen des Nachprüfungsantrags rechtzeitig zu rügen. Sie beruft sich darauf, dass sie erst nach erfolgter Information gemäß § 134 GWB und anwaltlicher Beratung durch ihren Verfahrensbevollmächtigten die mit ihrem Nachprüfungsantrag geltend gemachten Verstöße positiv erkannt hat und diese sodann innerhalb der 10-Tagesfrist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB und damit rechtzeitig gerügt habe. Die Präklusionsregeln gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 2 und 3 GWB seien in ihrem Fall nicht einschlägig, weil die Verstöße für sie weder aus der Bekanntmachung noch aus den Vergabeunterlagen erkennbar gewesen seien.

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch wegen Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unzulässig, soweit die Antragstellerin die offenkundige und für sie wie jeden anderen fachkundigen Bieter aus der den Bietern für die Kalkulation ihrer Angebote mit den Vergabeunterlagen übersandten Bewertungsmatrix erkennbare, wertungsrelevante Berücksichtigung der Ausgabegeschwindigkeit des anzubietenden Druckmoduls erst aufgrund der Information gemäß § 134 GWB und damit nach Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Antragsgegner gerügt hat.

Gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit er sich auf Verstöße gegen Vergabevorschriften stützt, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar sind, aber nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt worden sind.

Es kommt bei der Präklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB auf die objektive Erkennbarkeit für einen durchschnittlichen Anbieter an, nicht auf die tatsächliche Erkenntnis beim Antragsteller. Bei der Feststellung der Erkennbarkeit wird daher nach herrschender Meinung auf einen objektiven Maßstab abgestellt. Beim Maßstab der Erkennbarkeit ist nicht auf den Vergaberechtsexperten, sondern auf diejenigen abzustellen, die Adressaten der Bekanntmachung sind, nämlich die fachkundigen Bieter; diese prägen den objektiven Empfängerhorizont, aus dem die Erkennbarkeit zu beurteilen ist (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 03.07.2018 – Verg 2/18; VK Lüneburg, Beschluss vom 14.05.2018 – VgK11/2018; Hofmann in Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, 2. Aufl., § 160, Rn. 72, 73, m. w. N.).

Erkennbar ist daher, was dem fachkundigen Anbieter bei Erstellung des Angebots auffallen muss.

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs war vorliegend eine Erkennbarkeit der Wertungsrelevanz der Ausgabegeschwindigkeit des anzubietenden Druckmoduls für die Antragstellerin als fachkundigem Unternehmen, das sich ausweislich der im eigenen Angebot benannten Referenzen bereits an mehreren Vergabeverfahren öffentlicher Auftraggeber beteiligt hat, nach Auffassung der Vergabekammer bereits bei der Kalkulation und Legung des Angebots gegeben. Diese Relevanz ging für alle Bieter unmissverständlich aus der den Bietern vom Antragsgegner mit den Vergabeunterlagen übersandten
„Bewertungsmatrix Multifunktionsgeräte (MFG)“ hervor. Dort hatte der Antragsgegner unter „2. Druckmodul“ Leistungsklassen LK I und LK II ausdrücklich festgelegt, dass insgesamt max. 200 Punkte (20 % von 1.000 Punkten) erzielt werden können, die wie folgt aufgeteilt werden:

„2.1. Ausgabegeschwindigkeit A4 in Seiten / Minute LK I:
– >= 40 Seiten: 0 – 3 Punkte
– >= 45 Seiten: 8 – 10 Punkte.“

„2.2. Ausgabegeschwindigkeit A4 in Seiten / Minute LK II:
– >= 25 Seiten: 0 – 3 Punkte
– >= 30 Seiten: 8 – 10 Punkte.“

Daraus ergab sich für das durch die vorliegende Ausschreibung angesprochene Bieterfeld – seien es, wie im Falle der Antragstellerin und der Beigeladenen – Fachhändler oder auch Hersteller selbst – ohne weiteres, dass und wie besonders hohe Ausgabegeschwindigkeiten im Rahmen der Angebotswertung honoriert werden. Die Antragstellerin hat auf Vorhalt des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung der Vergabekammer auch nicht bestritten, dass sie in der Lage gewesen wäre, Geräte des ihrem Angebot zugrunde liegenden Herstellers xxxxxx anzubieten, die ebenfalls die für die Höchstpunktzahl erforderliche Ausgabegeschwindigkeit ermöglichen. Sie hat jedoch davon abgesehen und diese Entscheidung damit erläutert, dass ihr bei Legung des Angebotes nicht richtig klar geworden sei, dass vorliegend wirklich Hochleistungsprodukte gewünscht wurden. Sie sei darauf bedacht gewesen, ein möglichst kostengünstiges Angebot zu unterbreiten und habe lediglich darauf geachtet, dass diese Mindestvorgabe von 40 bzw. 25 Seiten/Minute durch das eigene angebotene Produkt gewährleistet wird.

Es ist jedoch ureigenste Aufgabe des Bieters, sich im Rahmen der Angebotskalkulation zu entscheiden, ob er sein Angebot eher zugunsten eines niedrigen Preises oder einer besonders hohen Erfüllung der qualitativen Zuschlagskriterien ausrichtet, um ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten und die Chance auf den Zuschlag zu erhöhen.

Soweit die Antragstellerin die offenkundige und für sie wie jeden anderen fachkundigen Bieter aus den Vergabeunterlagen erkennbare Wertungsrelevanz der Ausgabegeschwindigkeit des anzubietenden Druckmoduls erst aufgrund der Information gemäß § 134 GWB und damit nach Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Antragsgegner gerügt hat, ist der Nachprüfungsantrag daher wegen Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB bereits unzulässig.

Demgegenüber ist eine Erkennbarkeit der beiden anderen von der Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag beanstandeten, vermeintlichen Vergaberechtsverstöße nach Auffassung der Vergabekammer zumindest nicht evident:

Die Antragstellerin beanstandet, der Antragsgegner sei seiner Pflicht gemäß § 127 Abs. 5 GWB und § 58 Abs. 3 VgV nicht nachgekommen, die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung in den Vergabeunterlagen festzulegen und den Bietern bekannt zu geben. Dem steht zwar entgegen, dass der Antragsgegner neben der detaillierten Bewertungsmatrix in der Leistungsbeschreibung auf Seite 29 dargestellt hat, wie er die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung festgelegt hat. Er hat sich dabei aber hinsichtlich der Gewichtung darauf beschränkt, dass die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes auf Basis der festgestellten Leistungspunkte und der feststehenden Angebotspreise aufgrund des sich aus dem Preisblatt 1 ergebenden monatlichen Gesamtpreises stattfindet, und den Klammerzusatz „(Einfache Richtwertmethode)“ aufgenommen.

Ob dieser kurze Hinweis auf die Einfache Richtwertmethode den Anforderungen des § 127 Abs. 5 GWB und § 58 Abs. 3 VgV an die Bekanntgabe der Gewichtung der Hauptzuschlagskriterien „Preis“ und „Leistung“ genügt oder ob diesbezüglich bei ihr aus der Bieterperspektive Zweifel angebracht waren, konnte die Antragstellerin ohne rechtskundliche Beratung nicht ohne weiteres erkennen. Über diese Beanstandung hatte die Vergabekammer daher im Rahmen der Begründetheit des Nachprüfungsantrags zu entscheiden (dazu unter 2 a).

Dies gilt nach Auffassung der Vergabekammer auch für die Beanstandung der Antragstellerin, der Antragsgegner habe gegen das Gebot der Produktneutralität gemäß § 121 GWB i. V. m. § 31 Abs. 6 VgV verstoßen, indem er eine automatische Erkennung des Papiergewichtes und damit letztlich ein Exklusivmerkmal der von der Beigeladenen angeboten Produkte des Herstellers xxxxxx gemäß der lfd. Nrn. 1.13 und 1.14 der Bewertungsmatrix punktemäßig berücksichtigt hat. Die Frage, ob die punktemäßige Berücksichtigung einer automatischen Erkennung des Papiergewichtes nach der Begründung des Antraggegners sachlich gerechtfertigt war oder ob ein Verstoß gegen den Grundsatz der Produktneutralität vorliegt, war daher ebenfalls im Rahmen der Begründetheit des Nachprüfungsantrags zu entscheiden (dazu unter 2 b).

Bezüglich dieser Beanstandungen ist der Nachprüfungsantrag somit zulässig.

2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist weder durch die von ihr beanstandeten Wertungskriterien noch durch die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes nach der einfachen Richtwertmethode entsprechend UfAB 2018 in ihren Rechten gemäß § 97 Abs. 6 GWB verletzt:

a. Der Antragsgegner ist seiner Pflicht gemäß § 127 Abs. 5 GWB und § 58 Abs. 3 VgV nachgekommen, die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung in den Vergabeunterlagen festzulegen und den Bietern bekannt zu geben. Er hat die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte auch ausschließlich unter Berücksichtigung beider Zuschlagskriterien (Preis und Leistung) und sämtlicher qualitativer, in der Bewertungsmatrix bekannt gegebener qualitativer Unterkriterien und der festgelegten Gewichtung durchgeführt.

Gemäß § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB müssen Zuschlagskriterien so festgelegt und bestimmt sein, dass die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleistet wird, der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden kann und eine wirksame Überprüfung möglich ist, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Werden die Angebote nicht alleine nach ihrem Preis und/oder den Kosten bewertet, stehen dem Auftraggeber verschiedene Bewertungsmethoden für die Ermittlung des besten Preis-Leistung-Verhältnisses bzw. Kosten-Leistungs-Verhältnisses und damit wirtschaftlichsten Angebots zur Verfügung. Das europäische oder das nationale Vergaberecht schreiben keine bestimmte Methode vor (Opitz in: Beck`scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl., § 127 GWB, Rn. 126). Es unterfällt dem – nur auf Einhaltung der rechtlichen Grenzen kontrollierbaren – Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers, wie er die Bewertung organisiert und strukturiert (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.07.2011 – 15 Verg 8/11; OLG München, Beschluss vom 27.01.2006 – Verg 1/06 = Vergaberecht 2006, Seite 537). Das gewählte System muss allerdings vor allem in sich widerspruchsfrei und rechnerisch richtig umgesetzt sein (VK Sachsen, Beschluss vom 19.05.2015 – 1/SVK/014-15). Die Zuschlagskriterien spiegeln dementsprechend wider, wie der Auftraggeber im jeweiligen Vergabeverfahren das Preis-Leistungs-Verhältnis bewerten möchte, wenn sich bei den Angebotspreisen einerseits und der Qualität des Angebots andererseits unterschiedliche Rangfolgen ergeben (vgl. VK Bund, Beschluss vom 07.12.2022 – VK-96/22 – zitiert nach ibr-online).

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Vorgaben und dieses zutreffenden Maßstabes ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die Zuschlagskriterien selbst und auch die Unterkriterien ausreichend dargestellt sind, da im Kontext mit den Darstellungen in der Leistungsbeschreibung den Bietern auch eine detaillierte Bewertungsmatrix mit allen wertungsrelevanten technischen Merkmalen und Eigenschaften übersandt wurde. Auch in der Bekanntmachung wurde bereits dargestellt, dass der Preis nicht das alleinige Kriterium ist.

§ 127 Abs. 5 GWB schreibt vor, dass die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden müssen. Das gilt grundsätzlich sowohl für die Hauptzuschlagskriterien selbst als auch für die Unterkriterien (BGH, Beschluss vom 04.04.2017 – X ZB 3/17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.05.2020 – Verg 26/19; OLG Celle, Beschluss vom 25.03.2021 – 13 Verg 1/21; EuGH, Urteil vom 14.07.2016 – Rs. C-6/15).

Während die Gewichtung des Zuschlagskriteriums „Leistung“ und sämtlicher diesbezüglich festgelegter Unterkriterien durch die den Bietern mit den Vergabeunterlagen bekannt gegebene Bewertungsmatrix diesen Anforderungen zweifellos genügen, ist dies für die Gewichtung der beiden Hauptzuschlagskriterien zueinander nicht so offenkundig. Zweifelhaft könnte vorliegend deshalb sein, ob die Frage der Gewichtung der Zuschlagskriterien „Preis und Leistung“ ausreichend dargestellt ist.

Der Antragsgegner hat in der Leistungsbeschreibung auf Seite 29 dargestellt, wie er die Zuschlagskriterien und deren Gewichtung festgelegt hat. Er hat sich dabei aber hinsichtlich der Gewichtung darauf beschränkt, dass die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes auf Basis der festgestellten Leistungspunkte und der feststehenden Angebotspreise aufgrund des sich aus dem Preisblatt 1 ergebenden monatlichen Gesamtpreises stattfindet, und den Klammerzusatz „(Einfache Richtwertmethode)“ aufgenommen.

Die Einfache Richtwertmethode ist ebenso wie die erweiterte Richtwertmethode eine übliche Wertungsmethode für Beschaffungen im IT-Bereich. Sie wird in der UfAB 2018 (Unterlage für Ausschreibung und Bewertung von IT-Leistungen der Koordinierungs- und Beratungsstelle der Bundesregierung für Informationstechnik in der Bundesverwaltung) empfohlen und erläutert. In der Rechtsprechung wird die Einfache Richtwertmethode ausdrücklich für zulässig erachtet (OLG Dresden, Beschluss vom 05.01.2001 – WVerg 11 und 12/00; OLG Rostock, Beschluss vom 18.10.2000 – 17 W 12/00).

Bereits im Jahre 2003 wurde mit der UfAB III die Einfache Richtwertmethode (Z = L : P) eingeführt. L steht für die tatsächlich erreichten Leistungspunkte. P steht für den angebotenen Preis. In Prozent ausgedrückt enthält die Einfache Richtwertmethode – immer – eine verlautbarte Gewichtung des Preises und der Leistung von je 50 %
(vgl. (Opitz in: Beck`scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl., § 127 GWB,
Rn. 146). Andere Gewichtungen sind mit dieser Formel nicht umsetzbar (Delcuvé in: Müller-Wrede, GWB, 2. Aufl., § 127 GWB, Rn. 64).

Legt sich der öffentliche Auftraggeber auf die Einfache Richtwertmethode fest und gibt dies gegenüber den Bietern bekannt, so ergibt sich sowohl für den Auftraggeber wie auch für die Bieter eine zwingende Gewichtung von Preis und Leistung mit jeweils 50 %. Der Vortrag der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung, dass sie bei Legung ihres Angebotes davon ausgegangen sei, dass dem Zuschlagskriterium Preis ein höheres Gewicht zugemessen wird als dem Zuschlagskriterium Leistung, überzeugt daher nicht.

Da bei Zugrundelegung der einfachen Richtwertmethode keine andere Gewichtung möglich ist, hat der Antragsgegner mit der Festlegung dieser Wertungsmethode in den Vergabeunterlagen zugleich auch die Gewichtung von Preis und Leistung zueinander gemäß § 127 Abs. 5 GWB in den Vergabeunterlagen aufgeführt.

Der Antragsgegner hat ausweislich der Dokumentation in der Vergabeakte im Rahmen der Angebotswertung die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 127 GWB und § 58 VgV auch ausschließlich und vollständig anhand der festgelegten und den Bietern bekannt gemachten Zuschlagskriterien und Gewichtung durchgeführt und Wertung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 8 GWB genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert.

Die Angebotswertung ist daher vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

b. Der Antragsgegner hat auch nicht gegen das Gebot der Produktneutralität gemäß § 121 GWB i. V. m. § 31 Abs. 6 VgV verstoßen. Die punktemäßige Berücksichtigung einer automatischen Erkennung des Papiergewichtes gemäß der lfd. Nrn. 1.13 und 1.14 der Bewertungsmatrix mit insgesamt 40 von 1000 erreichbaren Gewichtungspunkten ist sachlich gerechtfertigt und hält sich in einem angemessenen Rahmen.

Vorliegend hat der Antragsgegner in der Leistungsbeschreibung kein Leitfabrikat oder eine sonstige herstellerspezifische Produktbezeichnung aufgenommen. Auch die streitbefangene Berücksichtigung einer automatischen Erkennung des Papiergewichtes ist ausdrücklich nicht als Ausschlusskriterium, sondern als Wertungskriterium in der Bewertungsmatrix festgelegt worden.

Die Antragstellerin vertritt jedoch die Auffassung, dass durch diese Berücksichtigung im Rahmen der Angebotswertung eine verdeckte hersteller- und produktspezifische Ausschreibung einhergeht, weil nur der Hersteller xxxxxx, dessen Produkte – unstreitig – Gegenstand des Angebots der Beigeladenen sind, dieses Merkmal bei seinen Druckern anbieten könne. Es handele sich letztlich um ein hersteller- bzw. produktbezogenes Zuschlagskriterium, das zu einem Wertungsvorsprung für den Bestbieter geführt habe, der sachlich durch nichts gerechtfertigt sei. Der Bedarf des Antragsgegners könne auch durch andere technische Maßnahmen, wie etwa ein zusätzliches Fach, das ausgewählt werden könne, aus dem die Multifunktionsgeräte die Zuführung des Papiers durchführen sollen, gewährleistet werden.

Grundsätzlich ist der öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffungsentscheidung für eine bestimmte Leistung frei (sog. Bestimmungsfreiheit). Diese Entscheidung erfolgt vor dem eigentlichen Vergabeverfahren. Das Vergaberecht regelt demnach nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur wie (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 08.07.2021 – 19 Verg 2/21). Konsequenz dessen ist, dass die Vergabenachprüfungsinstanzen grundsätzlich auch nur das „Wie“ ins Auge fassen. Da das Vergaberecht jedoch den Zweck erfüllt, das öffentliche Beschaffungswesen für den Wettbewerb zu öffnen und die Warenverkehrsfreiheit im europäischen Binnenmarkt zu gewährleisten, sind der Bestimmungsfreiheit Grenzen gesetzt. Vor diesem Hintergrund statuiert § 31 Absatz 6 VgV sowie die korrespondierenden Vorschriften – etwa § 7 Absatz 2 VOB/A – das Gebot der produktneutralen und das Verbot der produktspezifischen Ausschreibung (vgl. BT-Drs. 18/7318, Seite 172; VK Westfalen, Beschluss vom 16.03.2022 – VK 2-7/22). Nach dieser Vorschrift darf in der Leistungsbeschreibung nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die Erzeugnisse oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens kennzeichnet, oder auf gewerbliche Schutzrechte, Typen oder einen bestimmten Ursprung verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt oder der Auftragsgegenstand kann nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden. Eine produktspezifische Ausschreibung ist daher nur dann vergaberechtskonform, wenn vom Auftraggeber nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden – daher festzustellen und notfalls erwiesen – sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 66/18 sowie Beschluss vom
13.04.2016, Verg 47/15, und Beschluss vom 01.08.2012, Verg 10/12; OLG München, Beschluss vom 26.03.2020, Verg 22/19; OLG Jena, Beschluss vom 25.06.2014, 2 Verg 1/14; OLG Celle Beschluss vom 31.03.2020, 13 Verg 13/19).

Dem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Einschätzung, ob die Vorgabe eines bestimmten Herstellers gerechtfertigt ist, ein Beurteilungsspielraum zu. Dieser ist durch die Nachprüfungsinstanzen voll überprüfbar (vgl. VK Bund, Beschluss vom
16.03.2015 – VK 2-9/15). Die Entscheidung muss allerdings „lediglich“ nachvollziehbar begründet und dokumentiert – mithin plausibel – sein (vgl. VK Sachsen, Beschluss vom 30.08.2016, Verg 47/15, und Beschluss vom 16.09.2015, 3 VK LSA 62/15). Wird die Plausibilität der Erwägungen des öffentlichen Auftraggebers bejaht, beanstanden die Nachprüfungsinstanzen die Entscheidung nicht mehr in fachlicher Hinsicht (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, 01.08.2012, Verg 10/12, VK Westfalen, Beschluss vom 16.03.2022 – VK 2-7/22).

Der öffentliche Auftraggeber ist nicht per se gehalten, Ausschreibungen so zu gestalten, dass sämtliche interessierten Unternehmen die ihnen favorisierten Produkten anbieten können oder sich bewerben dürfen oder bei der qualitativen Bewertung im Rahmen der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gegenüber Konkurrenten den gleichen Rang erreichen.

Allerdings müssen die Gründe, die aus Sicht des Auftraggebers für eine produktscharfe Ausschreibung streiten, dokumentiert und die Erwägungen, die zu den maßgeblichen Entscheidungen geführt haben, niedergelegt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 66/18). Denn die Darlegungslast für die Notwendigkeit einer herstellerbezogenen Leistungsbeschreibung liegt beim öffentlichen Auftraggeber (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 66/18; OLG Celle, Beschluss vom 31.03.2020 – 13 Verg 13/19).

Dieser zutreffende Maßstab und diese Anforderungen gelten nach Auffassung der Vergabekammer grundsätzlich auch, wenn und soweit der öffentliche Auftraggeber zwar – wie im vorliegenden Fall – kein Produkt eines bestimmten Herstellers vorgibt, aber in der Leistungsbeschreibung oder in den Zuschlags(-unter)kriterien Produktmerkale oder technische Spezifika aufnimmt oder berücksichtigt, die aufgrund ihrer Exklusivität die Produkte eines bestimmten Herstellers bevorzugen.

Diesen Anforderungen an die Plausibilität der Gründe für die punktemäßige Berücksichtigung einer automatischen Erkennung des Papiergewichtes im Rahmen der Angebotswertung genügen die von dem Antragsgegner im Nachprüfungsverfahren vorgetragenen Erwägungen.

Der Antragsgegner hat vorgetragen, dass das Bewertungskriterium mit aufgenommen worden sei, weil die zu liefernden Geräte im gesamten Netz des xxxxxx eingesetzt, die einzelnen Kassetten aber gerade bei Spezialpapier nicht immer identisch bestückt werden. Da die Benutzer ihre Drucke jedoch an allen Geräten abrufen können sollen sei es durchaus von Bedeutung, dass Ausdrucke nicht mit falschem Papier ausgegeben werden.

In der mündlichen Verhandlung hat der Antragsgegner unter Vertiefung seines schriftsätzlichen Vortrages die Motivation, ein solches Kriterium im Rahmen der Wertung abzufragen bzw. zu honorieren damit begründet, dass die Druckaufträge regelmäßig von den Sachbearbeitern auch an unterschiedlichen Druckern ausgedruckt werden können müssen. Die abgefragte Gewichtserkennung fördere das sog. „Follow-meSystem“. Dieses hat der Antragsgegner bereits unter 3.6.2 der Leistungsbeschreibung (dort unter „Softwareanforderungen inkl. Anmeldungen am MFP“, Seite 21 ff., 24, 25) erläutert.

„Follow me“ bedeutet für den Antragsgegner in diesem Zusammenhang, dass der Mitarbeiter, der den Druckauftrag auslöst, an ein beliebiges Druckergerät im Hause gehen und dann ohne größere Einstellungen dafür sorgen kann, dass das Papiergewicht auch erkannt werde. Dies gelte z. B. für Urkunden, wo eine höhere Qualität, ein höheres Papiergewicht benötigt werde als für normale Dokumente. Diese Funktion sei bislang nur bei den neuesten Druckern im Hause schon vorhanden. Man wolle diesen Komfort aber eben auch bei den verfahrensgegenständlichen neu zu beschaffenden Multifunktionsprintern gewährleisten, zumal der Antragsgegner intern dazu übergehen werde, dass mehrere Arbeitsplätze im Wege des Desk-Sharing von mehreren Mitarbeitern benutzt werden. Diese sollen dann wiederum auch an unterschiedlichen Zentraldruckern ihre Druckaufträge ausdrucken können, um unnötige Wartezeiten zu vermeiden.

Der Antragsgegner hat auf Nachfrage der Antragstellerin erklärt, dass ihm gleichwertige Alternativen zu dieser Gewichtserkennung nicht bekannt seien. Man sei aber überzeugt von dieser Funktion und habe aus den genannten Gründen dieses Kriterium bewusst zwar nicht als Mindestkriterium in der Leistungsbeschreibung, wohl aber als Wertungskriterium mit in die Bewertungsmatrix aufgenommen.

Diese Begründung ist zumindest plausibel, tragfähig und nach Auffassung der Vergabekammer ausreichend, um eine um die Entscheidung des Antragsgegners für eine Berücksichtigung der Ausstattung der Multifunktionsgeräte mit einer automatischen Erkennung des Papiergewichts im Rahmen der Angebotswertung zu rechtfertigen.
Hinzu kommt, dass der Antragsgegner dieses Ausstattungsmerkmal ausweislich der Bewertungsmatrix nur äußerst maßvoll punkteerhöhend gewichtet hat. Aus der mit den Vergabeunterlagen bekannt gegebenen Bewertungsmatrix zur Ermittlung der Leistungspunkte geht hervor, dass hierbei maximal 1.000 Leistungspunkte erreicht werden können. Bei den hier maßgeblichen Kriterien 1.13 (Automatische Erkennung des Papiergewichtes LK 1) und 1.14 (Automatische Erkennung des Papiergewichtes LK II) konnten jeweils maximal 20 Leistungspunkte vergeben werden, was 4,0 % der erreichbaren Leistungspunkte entspricht.
Der damit einhergehende Wertungsbonus zugunsten der Produkte des Herstellers, der nach vom Antragsgegner unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin dieses Ausstattungsmerkmal exklusiv anbietet, besteht somit in einem derartig geringen Umfang, dass dieser durch Angebote von Bietern, die auf Konkurrenzprodukten basieren, ohne weiteres ausgeglichen werden kann. Dies gilt umso mehr, als der Preis mit einer Gewichtung von 50 % zum Tragen kommt.
Die Vergabekammer teilt daher im Ergebnis die Auffassung des Antragsgegners, dass die Berücksichtigung dieses Kriteriums vom Bestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt ist. Zumindest aber ist sie i. S. d. § 31 Abs. 6 Satz 1 VgV durch Auftragsgegenstand gerechtfertigt.
Der Nachprüfungsantrag war daher, soweit er zulässig ist, als unbegründet zurückzuweisen.

III. Kosten

Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 – 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

Für die Ermittlung des Gegenstandswertwertes ist vorliegend zunächst ein Betrag in Höhe von xxxxxx € (brutto) zugrunde zu legen. Dieser Betrag entspricht der vom Antragsgegner geprüften Gesamtsumme des Angebotes der Antragstellerin über die ausgeschriebene vierjährige Vertragslaufzeit (Vergabeakte, Zusammenstellung der Angebote, VHB Bund-Formblatt 313) und damit ihrem Interesse am Auftrag.

Es ist jedoch eine Verlängerungsoptionen um 12 Monate zu berücksichtigen.

Die Verlängerungsoptionen stellen einen wirtschaftlichen Wert dar, der dem Ausschreibungsgegenstand innewohnt und das Interesse der Bieter am Auftrag mitbestimmt. Die Ungewissheit darüber, ob der Auftraggeber das Optionsrecht ausüben wird, ist mit einem angemessenen Abschlag vom vollen Auftragswert zu berücksichtigen, der rechnerisch während der optionalen Vertragslaufzeit erzielt werden könnte; im Regelfall ist es angezeigt, diesen Abschlag auf 50 % zu veranschlagen (vgl. BGH, Beschluss vom 18.03.2014, X ZB 12/13).

Somit beträgt Gegenstandswert und damit das Interesse der Antragstellerin am Auftrag den
4,5-fachen Jahreswert ihres Angebots, mithin xxxxxx € (brutto).

Bei einer Gesamtsumme von xxxxxx € ergibt sich eine Gebühr in Höhe von xxxxxx €. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein.

Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg hatte.

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens
xxxxxx
auf folgendes Konto zu überweisen:

xxxxxx

IV. Rechtsbehelf

Gemäß § 171 GWB kann gegen diese Entscheidung der Vergabekammer sofortige Beschwerde eingelegt werden. Diese ist beim Oberlandesgericht Celle, Schloßplatz 2, 29221 Celle, schriftlich einzulegen. Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 1 GWB binnen einer Notfrist von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die Beschwerde ist bei Gericht als elektronisches Dokument einzureichen. Dieses muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Dies gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind. Ist die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 2 GWB mit ihrer Einlegung zu begründen.
Die Beschwerdebegründung muss enthalten:
1. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten wird und eine abweichende Entscheidung beantragt wird,

2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten.
Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer.
Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.

Gause Tarnowski Dalchau