1. Vergabekammer Sachsen-Anhalt, Az.: 1 VK LSA 19/21-20/21, Beschluss vom 02.03.2023 – Privilegierung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB, fehlerhafte Annahme einer Verpflichtung zur Ausschreibung von Maßnahmen der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports

Mrz 2, 2023 | Rechtsprechung

1. Vergabekammer Sachsen-Anhalt

Az.: 1 VK LSA 19/21-20/21

Beschluss vom 02.03.2023

 

B E S C H L U S S

Bestätigt durch Entscheidung OLG Naumburg 7 Verg 2/22 vom 30.03.2022

107 Abs. 1 Nr. 4 GWB; § 13 RettDG LSA; Art. 19 Abs. 4 GG

  • Privilegierung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB
  • fehlerhafte Annahme einer Verpflichtung zur Ausschreibung von Maßnahmen der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransports

 

Der Vergaberechtsweg ist nicht eröffnet, wenn man sich zu Recht auf die Privilegierung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB beruft. Die Regelung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB steht in ihrer Gesamtheit, nicht im Widerspruch zu bindendem europäischem Recht.

Dem in § 107 Abs. 1 Nr. 4, letzter Halbsatz GWB verwendetem Begriff der Hilfsorganisation ist die Gemeinnützigkeit und damit auch die fehlende Gewinnerzielungsabsicht gewissermaßen grundsätzlich immanent.

Dem Rechtstaatsprinzip des Art. 19 Abs. 4 GG kann nicht ausschließlich durch die Gewährung von Primärrechtsschutz entsprochen werden. Ebenso wenig erwächst daraus ein Anspruch auf die Eröffnung eines bestimmten Rechtsweges.

In den Nachprüfungsverfahren der

……………..

Antragsteller

Verfahrensbevollmächtigte

……………..

gegen

……………..

Antragsgegner

Verfahrensbevollmächtigter

……………..

wegen

der gerügten Verstöße gegen die Durchführung eines Auswahlverfahrens zur Erteilung von zwei Genehmigungen zur Leistungserbringung im bodengebundenen Rettungsdienst gemäß der §§ 12 Abs. 2, 13 Abs. 1 Rettungsdienstgesetz des Landes SachsenAnhalt (RettDG LSA) im Landkreis XXX hat die 1. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt im schriftlichen Verfahren unter dem Vorsitz des Leitenden Regierungsdirektors XXX sowie unter Mitwirkung der hauptamtlichen Beisitzerin Frau XXX und des ehrenamtlichen Beisitzers Herrn XXX beschlossen:

  1. Die Anträge sind zu verwerfen.
  2. Dem Antragsteller werden die Kosten der Verfahren und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners auferlegt.
  3. Die Verfahrenskosten beziffern sich auf XXX Euro.
  4. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten des Antragsgegners wird nicht für notwendig erklärt.

 

 Gründe

I.

Der Antragsgegner veröffentlichte am XXX über die Vergabeplattform „Deutsche eVergabe“ ein Auswahlverfahren zur Erteilung von zwei Genehmigungen für die Leistungserbringung im bodengebundenen Rettungsdienst gemäß §§ 12 Abs. 2, 13 Abs. 1 RettDG LSA im Landkreis XXX für den Zeitraum vom 01.01.2023 – 31.12.2028 in zwei Losen. Optional war eine einseitige Verlängerungsoption des Landkreises für maximal zweimal drei Jahre in Aussicht gestellt.

Darüber hinaus wurden durch den Antragsgegner mit Schreiben vom 19.10.2021 die in Betracht kommenden Bewerber (der XXX, der XXX., das XXX, die XXX und der XXX) über die geplante Durchführung des Auswahlverfahrens informiert.

Ausweislich der Bekanntmachung war der Landkreis XXX die ausschreibende Stelle. Als Vergabeart war eine Öffentliche Ausschreibung nach VOL/A vorgegeben. Zugelassen waren elektronische Angebote in Textform für beide Lose. Los 1 umfasste die Rettungsdienstleistungen mit den Rettungswachen XXX, XXX, XXX, XXX, XXX und XXX. Los 2 beinhaltete die Rettungsdienstleistungen mit den Rettungswachen XXX, XXX, XXX und XXX. Vorgesehen war eine losweise Vergabe. Es war der Hinweis gegeben, dass die Vergabeunterlagen digital unter dem Link XXX zur Verfügung stehen. Bezüglich geforderter Unterlagen, Nachweise und Erklärungen zum Nachweis der Eignung, der näheren Losbeschreibung und der Zuschlagskriterien wurde auf die Vergabeunterlagen verwiesen. Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der 03.12.2021, 11:00 Uhr.

Den Unterlagen zu dem Auswahlverfahren war folgendes zu entnehmen: „Der Landkreis XXX führt das vorliegende Auswahlfahren als öffentliche Ausschreibung nach Maßgabe der Bestimmung der §§ 12 Abs. 2, 13 Abs. 1 RettDG LSA durch. Danach sollen, soweit ein Landkreis den Rettungsdienst nicht selbst durchführt, Genehmigungen den gemeinnützigen Organisationen erteilt werden, die gemäß § 12 Abs. 2 des  Katastrophenschutzgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt im Katastrophenschutz mitwirken (§ 13 Abs. 1 RettDG LSA). Entsprechend des in § 13 Abs. 1 RettDG LSA zum Ausdruck gebrachten Willens des Landesgesetzgebers, dass im Bereich der Vergabe von Dienstleistungen des Rettungsdienstes ein Wettbewerb der im Bevölkerungsschutz tätigen gemeinnützigen Organisationen mit gewerblich tätigen Anbietern nicht stattfinden soll, da der spezielle Charakter dieser Organisationen nur schwer gewahrt werden könnte, wenn die Dienstleistungserbringer nach den Bestimmungen des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ausgewählt werden müssten, beschränkt der Landkreis XXX den Kreis der zu der vorliegenden Ausschreibung zugelassenen Bewerber um die hier ausgeschriebenen Genehmigungen auf gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen, die nach § 12 Abs. 2 des Katastrophenschutzgesetzes im Katastrophenschutz mitwirken. Gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen in diesem Sinne sind solche, deren Ziel in der Erfüllung sozialer Aufgaben besteht, die nicht erwerbswirtschaftlich tätig sind und etwaige umständehalber erzielte Gewinne reinvestieren, um ihr Ziel zu erreichen (vgl. dazu Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21. März 2019 – C-465/17, berichtigt mit Beschluss vom 27. Juni 2019, Rdnr. 61 AU). Der Nachweis der Mitwirkung im Katastrophenschutz in Sachsen-Anhalt ist von den Bietern mit dem Angebot zu führen. Die Mitwirkung in den Fachdiensten im Katastrophenschutz des Landkreises XXX nach Anlage 3 erfolgt im Einvernehmen mit den bisherigen Hilfsorganisationen sowie den zukünftigen Leistungserbringern im Rettungsdienst einschließlich dem Träger des Rettungsdienstes. Die Durchführung eines förmlichen Kartellvergabeverfahrens nach den Bestimmungen des GWB ist demgegenüber nicht erforderlich. Der vierte Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen findet auf die Vergabe von Rettungsdienstleistungen, die ausschließlich von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden, keine Anwendung, da insoweit die Bereichsausnahme nach § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB eingreift.“

Weiter wurde in den Unterlagen ausgeführt, dass mit Erteilung der Genehmigung der Leistungserbringer gemäß § 12 Abs. 3 RettDG LSA die Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu erbringen und die Organisations- und Finanzverantwortung zu tragen hat. Ein Vertrag über die Leistungserbringung wird neben der Genehmigung zwischen Antragsgegner und Leistungserbringer nicht geschlossen.

Der Leistungserbringer hat gemäß § 36 Abs. 1 RettDG LSA Nutzungsentgelte für seine Leistungen von den Nutzern zu erheben. Diese sind gemäß § 39 RettDG LSA zwischen Leistungserbringer und der Gesamtheit der Kostenträger für die nächste Abrechnungsperiode zu vereinbaren. Die dem Leistungserbringer während des Genehmigungszeitraumes zustehenden Nutzungsentgelte werden nicht im Rahmen dieses Auswahlverfahrens festgelegt.

Der Träger des Rettungsdienstes ist berechtigt, im Falle der Verletzung der Vorgaben dieser Genehmigung Vertragsstrafen von dem Leistungserbringer zu erheben. Sie dienen dazu, den Leistungserbringer zur Erfüllung seiner Verpflichtungen anzuhalten.

Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots erfolgt getrennt nach Losen. Zuschlagskriterien sind der kalkulierte Gesamtpreis für den Vertragszeitraum und das Konzept des Bewerbers für die Notfallrettung. Beachtlich für die Kalkulation der voraussichtlichen betriebswirtschaftlichen Kosten ist der Kosten- und Leistungsnachweis in Sinne der §§ 38 und 39 des RettDG LSA unter Beachtung der Einsatzzahlen und Einsatzkilometer des Jahres 2021. Zudem sind die Vorgaben der Satzungen, der jeweiligen Genehmigung und sonstiger gesetzlicher Bestimmungen zu berücksichtigen.

Der Leistungserbringer hat sämtliche an den jeweiligen Rettungswachen erforderlichen Rettungsmittel selbst auf eigene Kosten zu beschaffen und für den Genehmigungszeitraum für den Einsatz zur Verfügung zu stellen.

Für Schäden, die der Leistungserbringer selbst zu vertreten hat, hat er Kostenersatz zu leisten oder diese fachgerecht zu beseitigen.

Es ergingen an alle aktiven und zukünftigen am Auswahlverfahren Interessierten Bieterinformationen am 26.10.2021, 27.10.2021, 05.11.2021, 18.11.2021, 25.11.2021,

26.11.2021, 29.11.2021, 06.12.2021 und 08.12.2021. In deren Folge wurde der Schlusstermin für die Abgabe der Angebote auf den 20.12.2021, 10:00 Uhr verlängert.

Noch vor Ablauf der Angebotsfrist ließ der Antragsteller durch seinen Verfahrensbevollmächtigten das Auswahlverfahren am 01.11.2021 mit Schreiben vom 29.10.2021, am 01.11.2021, am 11.11.2021 und am 08.12.2021 mit Schreiben vom 07.12.2021 rügen. Das bisher durchgeführte Verfahren verstoße gegen die bieterschützenden Grundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz, der Gleichberechtigung und der Verhältnismäßigkeit gem. § 97 Abs. 1 und 2 GWB soweit Vergaberecht anzuwenden sei. Hilfsweise werde geltend gemacht, dass das verwaltungsrechtliche Auswahlverfahren rechtswidrig sei. Dazu im Einzelnen:

 

1. Selbstbindung Vergaberecht

Ausweislich der Veröffentlichungen, den Vertragsbedingungen und der Leistungsbeschreibung des Auswahlverfahrens werde eine Öffentliche Ausschreibung nach VOL/A nach den Bestimmungen der §§ 12 Abs. 2, 13 Abs. 1 RettDG LSA durchgeführt. Es werde eine Dienstleistungskonzession bzw. eine Rahmenvereinbarung vergeben, die auch eine Genehmigung beinhalte. Damit habe sich der Antragsgegner im Sinne eines vergaberechtlichen Auswahlverfahrens gebunden. Zudem werde in den Unterlagen von Angeboten gesprochen, die vergaberechtlich anzunehmen seien und der Antragsgegner sei berechtigt, Vertragsstrafen von dem Leistungserbringen im Falle einer Verletzung der Vorgaben der Genehmigung zu erheben. Ohne einen Vertrag könne es keine Vertragsstrafen geben, die in einem Genehmigungsverfahren systemwidrig seien.

 

2. Vergaberecht – Zuständigkeit Vergabekammer

Die Vergabe einer Dienstleistungskonzession im Rettungsdienst unterliege dem Vergaberecht, da die in Rede stehende Vergabe binnenmarktrelevant sei. Dementsprechend greife die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB nicht.

Dabei wende sich der Antragsgegner nicht gegen das Hilfsorganisationsprivileg. Unklar sei jedoch, ob die Neufassung des RettDG LSA ein klares Bekenntnis zugunsten anerkannter Hilfsorganisationen enthalte und Konzessionen nur an diese Organisationen vergeben werden sollen bzw. Vergaberecht anzuwenden sei.

Vergaberecht müsse zudem auch angewandt werden, weil die Vorgaben für die Bereichsausnahme nicht unionskonform umgesetzt worden seien. Der deutsche Gesetzgeber habe in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB die Unionsvorschrift in deutsches Recht umgesetzt und mit dem Zusatz versehen, dass gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne der Norm insbesondere Hilfsorganisationen seien, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- oder Katastrophenschutzorganisation anerkannt seien. Damit verstoße sie gegen Art. 10 Buchstabe h) Richtlinie 2014/24/EU, Art. 21 Buchstabe h) Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 10 Abs. 8 Buchstabe g) der Richtlinie 2014/23/EU. Nunmehr müsse fachgerichtlich der Geltungsbereich der Bereichsausnahme wegen der gebotenen europarechtskonformen Auslegung bestimmt werden. Dazu führe das Bundesverfassungsgericht aus: „… reiche allein die Anerkennung einer Organisation nach dem nationalen Zivil- und Katastrophenschutzrecht (vgl. § 107 Abs. 1 Nr. 4 2. Halbsatz GWB) nicht aus, um sie als gemeinnützige Organisation oder Vereinigung im Sinne der Bereichsausnahme des Europäischen Vergabe- und Konzessionsvergaberechts einzustufen …. Der Europäische Gerichtshof habe zwar auch entschieden, dass „gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen“ im Sinne der Richtlinie solche seien, deren Ziel in der Erfüllung sozialer Aufgaben bestehe, die nicht erwerbswirtschaftlich tätig seien und die etwaige Gewinne reinvestierten. Insoweit ist es aber Sache der nationalen Gerichte zu beurteilen, ob die im jeweiligen Auswahlverfahren bedachten Hilfsorganisationen gemeinnützig im Sinne der Richtlinie sind, wenn sie die Anforderungen des  § 52 AO erfüllen. …“ Da eine solche fachgerichtliche Klärung bisher noch nicht erfolgt sei, sei die Zuständigkeit der Vergabenachprüfungsinstanzen gegeben und die in der Bekanntmachung angegebene Rechtswegzuständigkeit des Verwaltungsgerichts Magdeburg rechtwidrig.

 

3. Rechtswidrigkeit Ausschluss Vergaberechtsweg

Die Beanstandungen der nicht europarechtkonformen Umsetzung der Bereichsausnahme in deutsches Recht durch den EuGH habe die Europäische Kommission in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland weiter präzisiert. Danach seien vergaberechtsfreie Verträge nur solche, die an non-profit Organisationen vergeben werden würden. Dem halte die Bundesrepublik Deutschland zwar entgegen, dass § 107 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 GWB deklaratorisch sei. Die Bundesrepublik gehe davon aus, dass insbesondere in Deutschland anerkannte Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen in der Regel gemeinnützig im Sinn der EU-Vergaberichtlinien seien. Auch folge aus der Gesetzesbegründung nichts Anderes.

Die Gemeinnützigkeit sei jedoch keine Voraussetzung für eine Hilfsorganisation. Aus der namentlichen Nennung von fünf deutschen Organisationen, die als anerkannte Hilfsorganisationen gelten würden, sei zudem nicht zwingend zu schlussfolgern, dass diese deckungsgleich mit non-profit Organisationen im Sinne der Vergaberechtlinien seien und damit ein Nachweis der Gemeinnützigkeit gegeben sei. Der rechtswidrige Vorteil der „anerkannten“ Hilfsorganisation wirke sich aber auf die gesamte Bereichsausnahme aus und mache sie insgesamt unionsrechtswidrig.

Darüber hinaus bestimmten die Länder in ihren Gesetzen selbst wie die Zusammenarbeit mit privaten Hilfsorganisationen im Bereich des Zivil- und Katastrophenschutzes zu erfolgen habe. Die Gemeinnützigkeit sei aber keine Voraussetzung für eine solche Zusammenarbeit. Ebenso werde weder eine fehlende Gewinnerzielungsabsicht vorausgesetzt noch geprüft. Daher stimme diese Regelung nicht mit den Bedingungen der Ausnahmeregelung überein. Hinzu komme, dass die Voraussetzungen, um als gemeinnützig anerkannt zu werden, im deutschen Steuerrecht festgelegt und daher nur auf Organisationen, die dem deutschen Steuerrecht unterlägen, anwendbar seien. Es werde der Eindruck erweckt, dass die anerkannten Hilfsorganisationen eine Vorrangstellung einnehmen würden. Soweit eine Prüfung der Gemeinnützigkeit in Anwendung des  § 52 Abgabenordnung (AO) für eine richtlinienkonforme Auslegung herangezogen werden würde, gelte sie nur für Organisationen, die deutschen Steuerrecht unterlägen. Insoweit obliege es den nationalen Gerichten zu prüfen, ob eine Gemeinnützigkeit der Hilfsorganisationen im Sinne der Richtlinie gegeben sei.

 

4. Keine Dienstleistungskonzession, sondern Rahmenvereinbarung

Die Träger des Rettungsdienstes gem. § 12 Abs. 2 S. 2 RettDG LSA erteilten durch Verwaltungsakt Genehmigungen als Konzessionen an Leistungserbringer. Der EuGH führe in seiner Entscheidung „Eurawasser“ aus, dass der Grad der wirtschaftlichen Entscheidungsfreiheit die Abgrenzung zwischen Dienstleistungskonzession und Rahmenvereinbarung bestimme. Entgegen der gesetzlichen Vorgaben des RettDG LSA werde aber keine Dienstleistungskonzession, sondern eine Rahmenvereinbarung abgeschlossen. Für das Vorliegen eines Rahmenvertrages sprächen die Verpflichtung zum Betrieb, detaillierte Vorgaben zur Leistungsbeschreibung und mögliche Vertragsstrafen, die der wirtschaftlichen Freiheit und dem Betriebsrisiko des Konzessionärs entgegenstünden. Bei dem Bereich der Rettungsdienstleistungen handele es sich um einen stark reglementierten Bereich der Daseinsvorsorge, was gegen ein genügendes Maß an wirtschaftlicher Freiheit sprechen könne. Demgegenüber wirkten bei einer Rahmenvereinbarung festgelegte Bedingungen, die während der Vertragslaufzeit eingehalten werden müssten.

Gegen das Vorliegen einer Konzession spreche auch der Verstoß gegen 37 Abs. 2 RettDG LSA. Diese Norm bestimme, dass die Abrechnungen durch den Träger des Rettungsdienstes ausschließlich im Namen, auf Kosten und Rechnung der beteiligten Leistungserbringer erfolge. Nun sei allerdings beabsichtigt, diese Abrechnungsleistungen separat zu vergeben. Die Herauslösung aus dem Leistungsumfang stehe § 12 Abs. 2 S. 1 RettDG LSA entgegen. Diese Norm bestimme, dass die Finanzierungs- und Organisationshoheit dem Leistungserbringer obliege.

 

5. Vergaberechtliche Infizierung durch zivilrechtliche Verträge

Außer der Erteilung der Genehmigung durch den Landkreis müssten weitere zivilrechtliche Verträge abgeschlossen werden, in denen die Nutzungsentgelte zwischen Leistungserbringer und den Kostenträgern separat zu vereinbaren seien. Die Leistungen der Notfallrettung und der qualifizierten Patientenbeförderung werden nicht im Rahmen des Auswahlverfahrens festgelegt. Es liege ein eigener Beschaffungsvorgang vor, bei dem sich der Auftraggeber Dritter zur Erfüllung ihm obliegender Aufgaben bediene. Dieser unterfalle nicht der Bereichsausnahme des § 107 Ans. 1 Nr. 4 GWB und begründe eine europaweite Ausschreibungspflicht, da der Schwellenwert deutlich überschritten sei.

 

6. Verfahren rechtswidrig aus der Hand gegeben

Es sei festzuhalten, dass die Unterlagen des Auswahlverfahrens von Herrn Rechtsanwalt XXX erstellt worden seien. Eine Vergabestelle, die mit der Vorbereitung und Durchführung eines Vergabeverfahrens ganz oder teilweise eine dritte Stelle betraut, bleibe dennoch weiter in vollem Umfang für die Rechtmäßigkeit des Verfahrens verantwortlich. Es werde jedoch bezweifelt, dass das Vergabeverfahren ordnungsgemäß und eigenverantwortlich durchgeführt und die Entscheidungen eigenverantwortlich getroffen worden sei.

Darüber hinaus werde durch die Beauftragung von Herrn Rechtsanwalt  XXX der Wettbewerb noch mehr einschränkt, weil die XXX nicht mitbieten könnten.

Darüber hinaus rügte der Antragsteller u. a. die fehlende EU-weite Bekanntmachung, die fehlende Barrierefreiheit, die nicht ordnungsgemäße Veröffentlichung von Bieterantworten, die rechtswidrige Losaufteilung und Loslimitierung, eine von den Bietern rechtswidrige abverlangte Mischkalkulation, die Vermischung von Eignungs- und Zuschlagskriterien in Verbindung mit der Anwendung eines fehlerhaften Bewertungsmaßstabes, eine unklare Leistungsbeschreibung, das rechtswidrige Fehlen der Verlängerungsoptionen bei der preislichen Wertung als auch in der Wertungsmatrix sowie das Aufbürden eines ungewöhnlichen Wagnisses. Überdies hätten am Auswahlverfahren befangene Kreistagsmitglieder mitgewirkt.

Ferner wurden die unzureichende und fehlende Beantwortung von Anfragen gerügt.

Mit Schreiben vom 11.12.2021 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller seine Nichtabhilfeentscheidung mit. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei das Auswahlverfahren weder rechtwidrig noch verletze es bieterschützende Normen. Der Vortrag sei unsubstantiiert.

Der Landkreis XXX sei zwar ein Öffentlicher Auftraggeber und der maßgebliche

Schwellenwert für eine europaweite Vergabe werde überschritten, allerdings sei der Antragsgegner nicht verpflichtet, die in Rede stehende Konzession nach den Bestimmungen des Vierten Teils des GWB zu vergeben. Mit der Regelung des  § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB habe der Gesetzgeber für die Vergabe von Rettungsdienstleistungen eine Bereichsausnahme geschaffen, nach der das GWB keine Anwendung finde, wenn Rettungsdienstleistungen an gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen vergeben werden würden. Der Antragsgegner habe bei der Vergabe von  Rettungsdienstleistungen von dem gesetzlich eingeräumten Ermessenspielraum Gebrauch gemacht und den Kreis der Bewerber auf gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen beschränkt. Wie aus den Unterlagen ersichtlich, werde ein verwaltungsrechtliches Auswahlverfahren nach den Bestimmungen des RettDG LSA und kein förmliches Vergabeverfahren durchgeführt. Dies entspreche der geltenden Rechtslage in Sachsen-Anhalt. Die Gültigkeit der Bereichsausnahme sei nicht wirklich umstritten. Dies zeigten Entscheidungen der Vergabekammer Hamburg, des Vergabesenats des Oberlandesgerichtes Hamburg und des Hamburgischen Verwaltungsgerichts zu einer diesbezüglich identischen Regelung im Hamburger RettDG. Die Bereichsausnahme werde nicht durch die in § 107 Abs. 1 Nr. 4, 2. Halbsatz GWB aufgenommene Regelvermutung grundsätzlich in Frage gestellt. Das RettDG LSA greife die Regelungen des § 107 Abs. 1 Nr. 4, 2. Halbsatz GWB nicht auf, sondern lasse generell die Bewerbung gemeinnütziger Organisationen und Vereinigungen zu. Diese umfassten auch solche, die nicht anerkannte Hilfsorganisationen seien. Mithin bleibe die Bereichsausnahme nach § 107 Abs. 1 Nr. 4, 1. Halbsatz GWB bestehen, die eine wörtliche Wiedergabe der EU-Richtlinie darstelle. Damit seien auch die Beanstandungen der fehlenden europaweiten Bekanntmachung und in den Vergabeunterlagen ausgeführte Rechtswegzuständigkeiten für vermeintliche Beanstandungen unzutreffend, da Vergaberecht keine Anwendung finde.

Es handele sich bei den ausgeschriebenen Genehmigungen auch nicht um Rahmenverträge. Aus dem RettDG LSA ergebe sich klar, dass im Ergebnis des Auswahlverfahrens eine Genehmigung vergeben werde. Es entspreche dem Wesen einer Konzession, dass der Leistungserbringer die organisatorische Verantwortung für die Durchführung und Abrechnung der Leistung selbst erbringen müsse. So obliege ihm auch die Aufgabe, die Nutzungsentgelte mit den Kostenträgern eigenständig zu vereinbaren. Dies seien eigenständige Rechtsakte.

Auch aus den Vergabeunterlagen ergebe sich nichts Anderes. Es treffe auch nicht zu, dass bei den Leistungserbringern kein eigener wirtschaftlicher Spielraum und kein Betriebsrisiko verbleibe, was gegen das Vorliegen einer Konzession sprechen könne. Entgegen der antragstellerseitigen Auffassung reiche es nach Auffassung des EuGHs in seiner Entscheidung „Eurawasser“ für die Annahme einer Dienstleistungskonzession aus, wenn das Betriebsrisiko aufgrund der öffentlich-rechtlichen Ausgestaltung der Dienstleistung zwar erheblich eingeschränkt sei, der Leistungserbringer aber dieses eingeschränkte Risiko übernehme. Bei der Leistungserbringung des Rettungsdienstes mögen zwar die Risiken eingeschränkt sein, allerdings bestünden Ausfallrisiken bei Selbstzahlern und Risiken bei Fehleinsätzen. Auch spreche die Festlegung zu Vertragsstrafen nicht gegen das Vorliegen einer Konzession. Laut Konzessionsvergabeverordnung bestehe die Möglichkeit, Vertragsstrafen zum Gegenstand einer Konzessionsvergabe zu machen.

Im Übrigen seien vor dem Hintergrund vorstehender Ausführungen die erhobenen Rügen betreffs der rechtswidrigen Weitergabe des Vergabeverfahrens an Dritte, der Mitwirkung eines befangenen Kreistagsmitgliedes, der rechtwidrigen bzw. unterlassenen Loslimitierung, der unzulässigen Mischkalkulation, der fehlenden Barrierefreiheit des Auswahlverfahrens, der unklaren Leistungsbeschreibung, des Aufbürdens eines ungewöhnlichen Wagnisses, der fehlenden Einbeziehung der Kostenträger in das Auswahlverfahren, der unterlassenen Ausschreibung der SEG in einem eigenen Los zurückzuweisen.

Aufgrund der Nichtabhilfeentscheidung des Antragsgegners, hat der Antragsteller mittels anwaltlichen Fax-Schreibens vom 22.11.2021 die Einleitung der Nachprüfungsverfahren nach § 160 GWB vor der 1. Vergabekammer beantragen lassen.

Am selbigen Tag wurden die Anträge auf Nachprüfung dem Antragsgegner verbunden mit der Aufforderung übersandt, der Vergabekammer die vollständigen Vergabeunterlagen sowie eine Stellungnahme zu den Nachprüfungsanträgen zuzuleiten.

Die erkennende Kammer hat den Antragsteller mittels Verfügung vom 29.12.2021 zum vermeintlichen Unterliegen in den Nachprüfungsanträgen angehört.

Der Antragsteller lässt anwaltlich vortragen, dass er sich zunächst vollumfänglich auf seine Rügevorträge stütze.

Des Weiteren sei der im Anhörungsschreiben der Vergabekammer geäußerten vorläufigen Rechtsauffassung entgegenzutreten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der in § 107 Abs. 1 Nr. 4 letzte Halbsatz GWB verwendete Begriff der Hilfsorganisation mit fehlender Gewinnerzielungsabsicht gleichzusetzen wäre. Hilfsorganisationen seien sehr wohl eine gewisse Gewinnerzielungsabsicht zu unterstellen. In diesem Zusammenhang sei zu erwähnen, dass trotz möglicher Prüfung der satzungsgemäßen Voraussetzung des § 60a AO nach öffentlichem Preisrecht ein kalkulatorischer Gewinn nach Nr. 51 der Leitsätze für die Preisbildung (LSP) ansetzbar sei.

Das RettDG LSA lasse es zudem zu, dass ebenfalls gewerblich tätige Anbieter von Rettungsdienstleistungen eine Genehmigung gemäß § 12 RettDG LSA erhalten können. Auch dies stehe bereits einer Anwendung der Bereichsausnahme entgegen.

Zudem verkenne die Kammer, dass sich der Antragssteller mit seinem Nachprüfungsbegehren nicht auf die Privilegierung berufe, sondern um Rechtsschutz nachsuche. Als bisheriger Leistungserbringer für den gesamten Leistungsbereich habe er Ressourcen gebündelt, die durch die Losaufteilung und Zuschlagslimitierung existenzvernichtend für ihn wirkten. Durch das rechtswidrige Auswahlverfahren in seiner Ausgestaltung würden die Rechte des Antragstellers durch die unwiederbringliche Zerstörung von gewachsenen Strukturen verletzt. Dies könne nicht dem gesetzgeberischen Willen bei der Neuregelung des RettDG LSA im Jahr 2017 entsprechen. Danach solle der Sonderstatus der Hilfsorganisationen aufgrund deren Verdienste bei der Verwirklichung des Gemeinwohls im sozialen Bereich konsequent weiterentwickelt werden.

Eine Zuständigkeit der Vergabekammer ergebe sich auch unter dem Gesichtspunkt des einschlägigen Primärrechtes. Eine Bereichsausnahme in den Vergaberichtlinien bedeute nicht, dass bei der Vergabe von Aufträgen die Grundfreiheiten des Vertrags über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV) gestellt und die daraus abzuleitenden Prinzipien ignoriert werden dürften. Insbesondere begründe die rechtswidrige und fehlende Losaufteilung eine Benachteiligung des Antragstellers. Diese Aufgabe der Nachprüfung obliege der Vergabekammer.

Darüber hinaus sei mit der Beauftragung von Herrn Rechtsanwalt XXX im Vergabeverfahren ein Interessenkonflikt entstanden, da zwischen ihm und den XXX eine langjährige Mandatsbeziehung bestehe. Aus eigener Marktkenntnis heraus werde angenommen, dass sich die XXX auch am Wettbewerb beteiligt haben. Zur Vermutung eines Interessenkonflikts genüge eine aktuelle Beratungstätigkeit für diesen potentiellen Bieter.

Ferner werde die späte Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten seitens des Antragsgegners im Nachprüfungsverfahren als nicht notwendig erachtet. An die Notwendigkeit der Hinzuziehung sei ein strenger Maßstab anzulegen. Dies gelte insbesondere für den Antragsgegner, den die Verpflichtung einer rechtskonformen Ausschreibung und Vergabe treffe. Ausweislich des vorliegenden Schriftverkehrs sei die Hinzuziehung zu einem Zeitpunkt erfolgt, nach dem der Antragsgegner bereits differenziert und umfassend vorgetragen habe.

Der Antragsteller beantragt,

1. dem Antragsgegner zu untersagen, die Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen,

2. den Antragsgegner zu verpflichten, bei Fortbestehen der Vergabeabsicht die in Rede stehende Dienstleistungskonzession nur nach einem unionskonformen Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben,

3. hilfsweise, durch die Kammer unabhängig von den Anträgen auf die Rechtmäßigkeit der Vergabeverfahren einzuwirken,

4. dem Antragsgegner die Kosten der Verfahren sowie die Aufwendungen für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung des Antragstellers aufzuerlegen sowie

5. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers für notwendig zu erklären.

 

Der Antragsgegner beantragt,

1. die Nachprüfungsanträge zurückzuweisen und

2. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

 

Er trägt vor,

dass ausweislich vorliegender Unterlagen das Auswahlverfahren gemäß den Regelungen in § 13 Abs. 1 RettDG LSA durchgeführt werde und auf gemeinnützige Organisationen beschränkt sei, die gemäß § 12 Abs. 2 KatSG LSA im Katastrophenschutz mitwirkten. In den Unterlagen wurde ebenso darauf hingewiesen, dass die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB greife. Da die Nachprüfungsanträge bereits unzulässig seien, komme es auf die materiell-rechtlichen Einwendungen nicht an, die im Übrigen unbegründet seien.

Durch den EuGH (Urteil vom 21.03.2019 – Rechtssache C-465/17) sei inzwischen geklärt, dass die hier streitbefangenen Leistungen zu den Dienstleistungen im Sinne der Regelung in Art. 10 lit. h der Richtlinie über die Vergabe öffentlicher Aufträge (RL

2014/24/EU) gehören. Gleiches gelte auch für die Vergabe von Konzessionen gemäß RL 2014/23/EU. Da § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB den entsprechenden Wortlaut v. g. Richtlinien übernommen habe, sei die Vergabe von Rettungsdienstleistungen an gemeinnützige Organisationen und Vereinigungen vom Anwendungsbereich des GWB ausgenommen. Diese entsprechende Regelung sei in § 13 Abs. 1 RettDG LSA übernommen worden. Mit der Verwendung der Begrifflichkeit „soll“ sei der Verwaltung die Handlung für den Regelfall vorgegeben. Dies ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung zum RettDG LSA.

Ferner sei durch das OLG Hamburg mittels Beschlusses vom 16.04.2020, 1 Verg 2/20 bei einer vergleichbaren Ausgangssituation entschieden worden, dass bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen das Vergaberecht keine Anwendung finde, da die Voraussetzungen für das Vorliegen der Bereichsausnahme gegeben seien. Beachtlich bei dieser Entscheidung sei die identische Ausgestaltung des § 13 Abs. 1 RettDG LSA mit dem § 14 des Hamburger RettDG. Darüber hinaus habe das OLG Hamburg in seinem Beschluss darauf hingewiesen, dass es irrelevant sei, ob die Regelung des  § 107 Abs. 1 Nr. 4, 2. Halbsatz GWB, nach der zu den gemeinnützigen Organisationen und Vereinigungen insbesondere die Hilfsorganisationen gehörten, die nach bundes- oder Landesrecht als Zivil- oder Katastrophenschutzorganisationen anerkannt seien, eine zutreffende oder unzutreffende Umsetzung der Vergaberichtlinien darstellten. Insoweit sei die Entscheidung des EuGHs vom 21.02.2019, C-465/17 zutreffend, dass es keinen Automatismus gäbe, wonach Hilfsorganisationen gemeinnützig seien. Gleichwohl wäre, wenn dieser Halbsatz unwirksam wäre, die Bereichsausnahme nach wie vor wirksam, wenn Rettungsdienstleistungen von gemeinnützigen Organisationen erbracht würden.

Soweit antragstellerseitig weiter ausgeführt und auf eine Entscheidung aus Niedersachsen Bezug genommen werde, dass der Antragsgegner befugt sei, die Genehmigung für Rettungsdienstleistungen nach den Bestimmungen des IV. Teils des GWB zu vergeben, indem er auch nicht gemeinnützige Unternehmen zum Wettbewerb zulasse, irre dieser. Abweichend von der Rechtslage in Niedersachsen sei im RettDG LSA verbindlich geregelt, die Genehmigung regelmäßig an gemeinnützige Organisationen zu vergeben. Die Entscheidungen des OLG Celle in seinen Beschlüssen vom 24.10.2019, 13 Verg 9/19 und vom 25.06.2019, 13 Verg 4/19 basierten auf der Rechtslage, dass in Niedersachsen sowohl gemeinnützige als auch nicht gemeinnützige Organisationen als Leistungserbringer gleichberechtigt zugelassen seien.

Auch könne sich der Antragsteller nicht darauf berufen, dass sich der Antragsgegner im Rahmen des Auswahlverfahrens selbst an die Bestimmungen des GWB gebunden habe. Der Antragsgegner habe mehr als deutlich herausgestellt, dass das Verfahren als reines Verwaltungsverfahren durchgeführt werde. Zudem könne ein vermeintlicher Hinweis auf die VOL/A nicht bedeuten, dass ein förmliches Verfahren durchgeführt werde.

Im Übrigen ergebe sich weder aus dem Beschluss des BVerfGs vom 30.03.2020,  1 BvR 843/18, den Entscheidungen der OLGs München und Celle, der Stellungnahme der EU-Kommission in dem Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland Nr. 2018/2272 noch aus der Gesetzesbegründung zum sachsen-anhaltinischen RettDG, dass der Rechtsweg zur Vergabekammer eröffnet sei. Ferner würden mit dem Ausschluss des vergaberechtlichen Primärschutzes auch die Rechtschutzmöglichkeiten des Antragstellers nicht unzumutbar eingeschränkt. Bei öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art sei der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eröffnet, sofern die Streitigkeit im Rahmen einer abdrängenden Sonderzuweisung nicht ausnahmsweise einem anderen Gerichtszweig zuzuweisen wäre (§ 40 Abs, 1 Satz 1, Halbs. 2 VwGO). Dies habe der Bundesgerichtshof (BGH) in einem vergleichbaren Fall in seinem Beschluss vom 23.01.2012 -XZB 5/11 festgestellt.

Als öffentlich-rechtliche Streitigkeit sei die hier gegenständliche Erteilung einer Genehmigung in Form einer Konzession zur Durchführung von Rettungsdienstleistungen gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 RettDG LSA zu betrachten, da sie öffentlich-rechtlichen Normen unterliege. Es handele sich um ein klassisches Verwaltungsverfahren. Rechtsschutz sei grundsätzlich vor den Verwaltungsgerichten zu suchen.

Eine abdrängende Sonderzuweisung im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 VwGO stellten die Regelungen der §§ 155, 156 GWB dar. Bei dem Auswahlverfahren zur Beschaffung von Rettungsdienstleistungen werde allerdings kein öffentlicher Auftrag im Sinne des GWB vergeben, so dass weder die Vorschriften der §§ 97 ff. GWB noch die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) zur Anwendung kämen. Das Auswahlverfahren unterliege der Bereichsausnahme des 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB.

Anders als der Antragsteller meint, würden Rettungsdienstleistungen auch von gemeinnützigen Organisationen und Vereinigungen im Sinne des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB erbracht. Bei der Beantwortung der Frage, wann Rettungsdienstleistungen von gemeinnützigen Organisationen und Vereinigungen erbracht würden, sei nicht darauf abzustellen, ob in der Vergangenheit am Rettungsdienst private wie auch gemeinnützige Organisationen beteiligt waren oder sind. Wenn dies so wäre, wäre die Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendung des europäischen Vergaberechts und damit auch die Frage des für eine Nachprüfung zu beschreitenden Rechtswegs von der Zufälligkeit abhängig. Soweit territorial auch ein gewerblich tätiges Unternehmen den Rettungsdienst durchgeführt habe, sei die Anwendung eines europaweiten Vergabeverfahrens verpflichtend. Im Gegenzug wären Rettungsdienstleistungen in Bereichen in denen nur gemeinnützige Organisationen Leistungserbringer gewesen seien, keine europaweiten Vergabeverfahren durchzuführen. Dies wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar, denn Bewerber hätten einen Rechtsanspruch darauf, vorher zu wissen, welches Verfahren zur Anwendung komme.

Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus der Entscheidung des BVerfG vom 30.03.2020. Das BVerfG habe sich in dem Beschluss, in dem eine Verfassungsbeschwerde gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 RettDG LSA in seiner Neufassung aus dem Jahr 2017 nicht angenommen worden sei, auch nicht zu den Voraussetzungen der Bereichsausnahme geäußert. Vielmehr habe eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Gemeinnützigkeit im Sinne des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB stattgefunden. Danach sei einfachrechtlich im Rahmen des Auswahlverfahrens zu klären, ob das Tatbestandsmerkmal „gemeinnützig“ in § 13 Abs. 1 Satz 1 RettDG LSA neben der Mitwirkung im Katastrophenschutz gemäß § 12 Abs. 2 KatSG LSA – eine zusätzliche Anforderung normiere. Im letzteren Fall wäre die Auslegung fachgerichtlich zu klären. Ein Rückgriff auf das Abgabengesetz sei dabei nicht zwingend.

Es stelle sich auch nicht die Frage, ob die Regelung in § 107 Abs. 1 Nr. 4, Halbsatz 2 GWB unionskonform sei. Das Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland befasse sich nicht mit der Gültigkeit von  § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB generell, sondern nur mit dem 2. Halbsatz. In das RettDG LSA sei dieser 2. Halbsatz weder übernommen worden noch habe der Antragsgegner in dem Auswahlverfahren den Begriff der „gemeinnützigen Organisationen und Vereinigungen“ mit dem Begriff „Hilfsorganisation, die im Katastrophenschutz tätig ist“ gleichgesetzt. Sowohl im RettDG LSA als auch in dem Auswahlverfahren werde ausschließlich auf dem Begriff der Gemeinnützigkeit abgestellt.

Der Ausschluss des Rechtsweges nach §§ 155 ff, GWB und damit des Primärrechtsschutzes stelle keine unzulässige Verkürzung oder Einschränkung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Antragstellers im rettungsdienstlichen Auswahlverfahren dar. Es sei in der Rechtsprechung seit langem geklärt, dass verfassungsrechtlich ein bestimmter, von einem Rechtsschutzsuchenden bevorzugter Rechtsschutz, nicht zur Verfügung stehen müsse.

Soweit der Antragsteller eine mögliche Interessenkollision bei der Begleitung des Auswahlverfahrens zu konstruieren suche, fehle es vorliegend bereits aufgrund der Unzuständigkeit der Vergabekammer an der Fallrelevanz. Im Übrigen sei mit der Begleitung des streitbefangenen Verfahrens nicht der jetzige Verfahrensbevollmächtigte, sondern ein Ingenieurbüro aus Bonn beauftragt worden.

Die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners müsse vorliegend zudem bejaht werden, da die antragstellerseitig dargestellte Tendenz in der neueren vergaberechtlichen Rechtsprechung bei Auswahlverfahren nach dem RettDG LSA nicht von Bedeutung sei. In diesem Zusammenhang sei es unzumutbar, die Antragsgegnerin in der Pflicht zu sehen, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um juristische Fragestellungen des europäischen Vergaberechtes mit eigenem Personal hinreichend beantworten zu müssen. Der Antragsgegner verfüge auch rein tatsächlich nicht über entsprechendes Personal.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vortrag der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und die vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

 

II.

In Ermangelung der Eröffnung des Vergaberechtsweges müssen die Nachprüfungsanträge als unzulässig gelten.

Der Vergaberechtsweg ist vorliegend nicht eröffnet, da sich der Antragsgegner zu Recht auf die Privilegierung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB beruft. Die Nachprüfungsanträge gründen auf der fehlerhaften Annahme einer vorliegend bestehenden Verpflichtung zur Ausschreibung von Maßnahmen der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes. Es handelt sich demnach zum einen um Leistungen, die nach dem Willen des Bundesgesetzgebers grundsätzlich geeignet sind, der Privilegierung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB zu unterfallen. Zum anderen steht die Regelung des  § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB in ihrer Gesamtheit, entgegen der Auffassung des Antragstellers, nicht im Widerspruch zu bindendem europäischen Recht. Dies wäre in Teilbereichen dann anders zu beurteilen, entzöge sich die hier in Rede stehende bundesgesetzliche Regelung dort einer unionsrechtskonformen Auslegung (so auch die antragstellerseitig bemühte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes unter dem Aktenzeichen C-465/17). Entscheidend ist demnach, ob der in § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB verwendete Begriff der Hilfsorganisation sich ausschließlich über die Mitwirkung im Katastrophenschutz definiert oder zusätzlich mit fehlender Gewinnerzielungsabsicht gleichgesetzt werden kann. Aus Kammersicht ist Letzteres der Fall, denn dem in  § 107 Abs. 1 Nr. 4, letzter Halbsatz GWB verwendeten Begriff der Hilfsorganisation ist die Gemeinnützigkeit und damit auch die fehlende Gewinnerzielungsabsicht gewissermaßen grundsätzlich immanent.

Die Vergabekammer steht mit diesem grundsätzlichen Begriffsverständnis offenbar nicht allein. Unterstützung findet diese Haltung etwa durch die Herangehensweise des Landesgesetzgebers im Zusammenhang mit der Novellierung des Rettungsdienstgesetzes Sachsen-Anhalt im Jahre 2017. Dieser spricht in § 13 RettDG LSA von gemeinnützigen Organisationen, einer Formulierung, die den vom Antragsteller zu Recht zitierten einschlägigen europäischen Richtlinien entspricht. In der Gesetzesbegründung zum RettDG LSA wird, wohl aus Gründen der sprachlichen Variabilität, der Begriff der Hilfsorganisation als Synonym zu dem im Gesetzestext selbst Eingang gefundenen Begriffspaar der gemeinnützigen Organisation verwendet. Hilfsorganisationen werden zudem als solche bezeichnet, die den Menschen und dessen Wohlbefinden in den Mittelpunkt ihres Handelns gestellt haben und sich nur diesem Ziel verpflichtet sehen. Ausdrücklich wird den Hilfsorganisationen ferner jedwede Gewinnerzielungsabsicht abgesprochen. Spricht § 13 RettDG LSA also von gemeinnützigen Organisationen, die gemäß § 12 KatSG LSA im Katastrophenschutz mitwirken, so definiert in diesem Lichte die bloße Mitwirkung im Katastrophenschutz allenfalls die Eignung der betreffenden Organisationen, nicht jedoch ihre Gemeinnützigkeit. Letztere folgt ausweislich der Gesetzesbegründung vielmehr aus der mit dem synonymen Begriff der Hilfsorganisation einhergehenden Abwesenheit jeglichen, über den Erhalt der Funktionsfähigkeit hinausgehenden, relevanten Gewinnstrebens.

Ebenso verhält es sich bei § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB. Der Begriff der Hilfsorganisation ist auch hier mit einer gemeinnützigen Organisation und damit mit dem Fehlen einer rechtlich relevanten Gewinnerzielungsabsicht gleichzusetzen. Die Mitwirkung im Katastrophenschutz nach Bundes- oder Landesrecht ist daher neben der Gemeinnützigkeit eine weitere Voraussetzung, die erfüllt sein muss, will man sich – wie vorliegend – zu Recht auf die Privilegierung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB berufen. Entgegen dem anwaltlichen Vorbringen der Antragstellerseite steht diese rechtliche Bewertung durchaus im Einklang mit der im Beschluss vom 30.03.2020 unter dem Aktenzeichen  1 BvR 843/18 zum Ausdruck kommenden Rechtsauffassung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach die Rechtsschutzmöglichkeiten des Vergaberegimes erst dann eröffnet sind, wenn die Bereichsausnahme des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB nicht eingreift.

Ebenfalls nicht durchzudringen vermag die Antragstellerseite mit dem Hinweis, die konkrete Ausgestaltung des RettDG LSA stehe der Anwendung der Bereichsausnahme bereits insofern entgegen, als die Landesregelung die Erteilung einer Genehmigung zur Erbringung von Leistungen der Notfallrettung sowie des qualifizierten Krankentransportes durch Gewerbetreibende nicht ausschließt. Nach dem Dafürhalten der erkennenden Kammer kommt es diesbezüglich entscheidend auf die Festlegungen des Antragsgegners im Auswahlverfahren an. Danach war den gewerblich tätigen Anbietern eine Beteiligung ausdrücklich versagt. Die Regelungen des RettDG LSA bilden insoweit lediglich den Rahmen für die Ermessensentscheidungen des Trägers des bodengebundenen Rettungsdienstes. In diesem Zusammenhang ist weiterhin festzustellen, dass es sich aufgrund des in § 13 RettDG LSA festgelegten Regel-Ausnahmeverhältnisses zudem noch um eine gebundene Ermessenausübung der Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes handelt. Einer gesetzlichen Regelung, die die Erteilung einer Genehmigung nach dem RettDG LSA an Gewerbetreibende generell ausschließt, bedarf es nicht.

Als nicht zielführend muss auch der Vorstoß des anwaltlichen Vertreters des Antragstellers gewertet werden, dem streitgegenständlichen Verfahren die Einordnung als Konzession zu versagen und dasselbe stattdessen als den Versuch zum Abschluss eines vergaberechtlichen Rahmenvertrages zu qualifizieren, der vom RettDG LSA nicht erfasst werde und so gleichsam die Unanwendbarkeit der Bereichsausnahme und die Eröffnung des Vergaberechtsweges zur Folge habe. Der Antragsteller verkennt, dass materiell-rechtliche Fragen des Rettungsdienstrechtes der Beurteilung der Vergabekammer entzogen sind. Das dargestellte Gedankenkonstrukt ist daher ungeeignet, die Unzuständigkeit der erkennenden Kammer auch nur in Frage zu stellen.

Soweit der anwaltliche Vertreter des Antragstellers in der konkreten Ausgestaltung des Auswahlverfahrens Anzeichen für eine Selbstbindung des Antragsgegners an vergaberechtliche Regelwerke zu erkennen glaubt, möchte es die erkennende Kammer beim Hinweis belassen, dass die Eröffnung des Vergaberechtsweges der Dispositionsbefugnis der Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes entzogen ist.

Als ähnlich gewichtig wird der anwaltliche Vortrag gewertet, die erkennende Kammer verstoße mit ihrer Rechtsauffassung gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Die Antragstellerseite verkennt, dass die Entscheidung des Bundes- bzw. Landesgesetzgebers, zur Möglichkeit der Nutzung der Bereichsausnahme die Beteiligten des Auswahlverfahrens nicht rechtlos stellt. Dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 19 Abs. 4 GG kann nicht ausschließlich durch die Gewährung von Primärrechtsschutz entsprochen werden. Ebenso wenig erwächst daraus ein Anspruch auf die Eröffnung eines bestimmten Rechtsweges. Den Ausführungen des Antragsgegners im anwaltlichen Schriftsatz vom 18.01.2022 ist insoweit zuzustimmen.  

Hinsichtlich der Auffassung der EU-Kommission im Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland weist die erkennende Kammer darauf hin, dass dort lediglich die Unionsrechtskonformität des § 107 Abs. 1 Nr. 4, letzter Halbsatz GWB in Frage gestellt wird. Auch dieses Argument ist daher nicht geeignet, die generelle Unanwendbarkeit der Bereichsausnahme zu begründen.

Mit Unverständnis hat die erkennende Kammer schließlich den Vorwurf der Antragstellerseite zur Kenntnis genommen, die Kammer verkenne, dass die Privilegierung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB den Antragsteller vorliegend gerade nicht besser-, sondern tatsächlich schlechterstelle. Der Vergabekammer ist selbstverständlich nicht verborgen geblieben, dass mit der Freistellung von den Erfordernissen des materiellen Vergaberechtes durch die Bereichsausnahme auch ein Verlust des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes einhergeht. Der Bundesgesetzgeber hat den verantwortlichen Ländern und Trägern des bodengebundenen Rettungsdienstes diese Möglichkeit bewusst eröffnet, um den Anforderungen dieses besonderen Bereiches der Daseinsvorsorge hinreichend Rechnung zu tragen. Die gesetzgeberische Privilegierung wirkt demnach in zwei Richtungen. Zum einen soll den gemeinnützigen Organisationen und Vereinigungen der Wettbewerb mit gewerblich organisierten Konkurrenten erspart bleiben, zum anderen sollen die Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes von der Verpflichtung zur Durchführung eines förmlichen Vergabeverfahrens befreit werden. Letztlich geht es bei der Privilegierung des § 107 Abs. 1 Nr. 4 GWB jedoch stets um den Erhalt der Funktionsfähigkeit des Rettungsdienstes. Dieser Abwägung des Bundesgesetzgebers ist kammerseitig nichts mehr hinzuzufügen.

Da weder seitens des Antragstellers konkrete Anhaltspunkte vorgetragen wurden noch kammerseitig solche erkennbar sind, die an der Anerkennung der Gemeinnützigkeit der am Auswahlverfahren Beteiligten zweifeln lassen, muss der Vergaberechtsschutz vorliegend verwehrt bleiben.

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 GWB. Nach dieser Vorschrift hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt. Vor diesem Hintergrund ist der Antragsteller als Unterlegener anzusehen, da er mit seinem Begehren nicht durchgedrungen ist.

Die Höhe der Kosten bestimmt sich nach dem personellen und sachlichen Verwaltungsaufwand, welchen die Anträge bei der Kammer verursacht haben und der wirtschaftlichen Bedeutung der Gegenstände der Verfahren. Ausgehend von der für die Vergabekammern geltenden Gebührentabelle des Landes Sachsen-Anhalt richtet sich die Höhe der Verfahrensgebühr vor der Vergabekammer (§ 182 Abs. 2 Satz 1 GWB) nach der Bruttoangebotssumme des Antragstellers. Unter Zugrundelegung der nachgerechneten Angebotssumme des Antragstellers für die Vertragslaufzeit vom 01.01.2023 bis zum 31.12.2028 zzgl. des hälftigen Wertes einer zweimaligen einseitigen optionalen Vertragsverlängerung für drei Jahre (Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 18.03.2014 – X ZB 12/13) zu beiden Losen ergeben sich Gebühren in Höhe von XXX Euro. Unter Beachtung der Tatsache, dass sich die Entscheidung der Kammer auf die Fragestellung der Zuständigkeit begrenzt, sieht die Kammer aus Gründen der Billigkeit eine Reduzierung der Gebühren auf den hälftigen Wert als angezeigt an.

Diese belaufen sich damit auf XXX Euro.

Auslagen nach § 182 GWB i. V. m. § 10 des Verwaltungskostengesetzes, die nicht bereits durch die Gebühr erfasst werden, sind vorliegend keine angefallen.

Die Höhe der Gesamtkosten für die Verfahren beläuft sich demnach auf

XXX Euro,

gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 GWB.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner war angesichts der vorliegend relevanten Rechtsfragen nicht notwendig. Beim Antragsgegner handelt es sich um eine Behörde, zu deren Aufgabenbereich sowohl die Durchführung von Auswahlverfahren nach dem RettDG LSA als auch von förmlichen Vergabeverfahren gehört. Vorliegend kam es ausschließlich auf Rechtsfragen an, mit denen sich der Antragsgegner im Rahmen seiner Aufgabenerledigung im Vorfeld der Durchführung des Auswahlverfahrens bereits auseinandergesetzt haben muss. Zudem lassen die Rügeerwiderung sowie die eigenen Ausführungen des Antragsgegners vor der erkennenden Kammer durchaus eine an Sachgesichtspunkten orientierte differenzierende Herangehensweise erkennen. In diesem Zusammenhang hat sich der Antragsgegner bereits selbst mit den einschlägigen europäischen Richtlinien und der antragstellerseitig zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes befasst. Soweit sich in der Stellungnahme des erst in der Endphase der Kammerverfahren mandatierten anwaltlichen Vertreters des Antragsgegners diesbezüglich noch vertiefende Ausführungen finden, stellen diese keine Grundlage für die Feststellung der Notwendigkeit anwaltlicher Unterstützung dar. Gleiches gilt auch hinsichtlich der anwaltlichen Ausführungen zu Art 19 Abs. 4 GG sowie zur Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges. Gerade diese Materie gehört aus Kammersicht zum Kernbereich des Antragsgegners.

 

IV.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig,  § 171 Abs. 1 GWB. Sie ist schriftlich innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung des Beschlusses beginnt, beim Oberlandesgericht Naumburg,  Domplatz 10 in 06618 Naumburg, einzulegen, § 172 Abs. 1 GWB.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit der Beschluss der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird sowie die Tatsachen und Beweismittel bezeichnen, auf die sich die Beschwerde stützt,  § 172 Abs. 2 GWB.

Die Beschwerde muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts,  § 172 Abs. 3 GWB.

 

V.

Der ehrenamtliche Beisitzer hat den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin der Vergabekammer ermächtigt, den Beschluss allein zu unterschreiben. Ihm lag der Beschluss hierzu vor.

 

 

XXX                                       XXX