2. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt, Az.: 2 VK LSA 53/20, Beschluss vom 27.01.2021

Jan 27, 2021 | Rechtsprechung

§ 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB, § 122 Abs. 4 S. 2 GWB, § 127 GWB, § 160 Abs.3 Satz 1 Nr.3 GWB, § 134 Abs.1 und 2 GWB, § 172 Abs.1 GWB

– Unzulässiger Nachprüfungsantrag

– Rügepräklusion

Die Antragstellerin hat nicht schlüssig und substantiiert geltend gemacht, dass sie durch die Wertung des Angebotes der Beigeladenen in Hinblick auf die Erfüllung des Qualitätskriteriums 5.5 in ihren Rechten verletzt ist.

Die Antragstellerin hat in nicht ausreichendem Maße Anknüpfungspunkte bekaannt, aus denen ein Vergaberechtsverstoß zumindest plausibel erscheint.

Soweit die Antragstellerin auf die von der Beigeladenen veröffentlichte Internetpräsentation mit dem Funktionsvorteil „stabile Client-Server Datenbank (open Source)“ verweist, ist dies nicht hinreichend konkret.

Diesem Begriff ist nicht zu entnehmen, dass der Zugriff auf das Hintergrundsystem ohne Installation einer Zusatzsoftware unmöglich wäre.

Ein Client-Server-System besteht der Definition nach lediglich aus einem Client, der über marktübliche Browser eine Verbindung mit einem zentralen Server aufbaut.

Die Antragstellerin ist in Bezug auf das von der Antragsgegnerin verwendete Preisbewertungssystem ihrer Rügeobliegenheit nicht ordnungsgemäß nachgekommen.

Eine Rügepräklusion kommt im Allgemeinen bei solchen Rechtsverstößen in Betracht, die sich auf eine allgemeine Überzeugung der Vergabepraxis gründen und aufgrund einer Parallelwertung in der Laiensphäre und ohne Anwendung juristischen Sachverstandes ins Auge fallen.

Der Vergaberechtsverstoß muss einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots unter Beachtung der gebotenen üblichen Sorgfalt ohne weiteres auffallen.

Von einem Durchschnittsbieter kann nicht eine umfassende Kenntnis der Vergabeliteratur und Rechtsprechung erwartet werden.

Es kann aber vorausgesetzt werden, dass er den Text der einschlägigen Verfahrensordnung zur Kenntnis nimmt und mit dem wichtigsten Regeln des Vergaberechts vertraut ist.

Da bereits im Rahmen der Beantwortung einer Bieteranfrage die Systematik der Preisbewertung veröffentlicht wurde, kann eine Kenntnis der Antragstellerin hierüber in tatsächlicher Hinsicht zum genannten Zeitpunkt vorausgesetzt werden.

Die Systematik enthält keine komplizierten, sondern eine auf den ersten Blick erkennbare Ableitung von Preispunkten.

Gerade einem erfahrenen Bieter (die Antragstellerin darf als langjährig am Markt tätiges Unternehmen dazu gerechnet werden) konnte sich diese Systematik ohne weiteres erschließen.

Es kann aber vorausgesetzt werden, dass der Antragstellerin das Wettbewerbsprinzip als zentraler Vergabegrundsatz geläufig ist.

Ebenfalls musste ihr bekannt sein, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgt. Aus der Wertungsmatrix war auch für einen durchschnittlichen Bieter ableitbar, dass bereits geringfügige Preisunterschiede zwischen den Angeboten zu deutlich überproportionalen Punktabstufungen führen.

So konnte bereits ein Preisunterschied von nur einem Cent zu einem Punktunterschied von vier Punkten (von insgesamt 40 maximal zu erreichenden Punkten) führen.

Aufgrund dieses Missverhältnisses musste sich der Antragstellerin in rechtlicher Hinsicht der Schluss aufdrängen, dass die Anwendung der Bewertungsmatrix bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nach ihrer Auffassung zu wettbewerbsverzerrenden Ergebnissen führt.

 

Vk_Sachsen_Anhalt_2_VK_LSA_53_20