3. Vergabekammer Westfalen, Az.: VK 3 – 48 / 22, Beschluss vom 17.02.2023

Feb 17, 2023 | Rechtsprechung

Vergabekammer Westfalen

Aktenzeichen: VK 3 – 48 / 22

Entscheidungsdatum: 17.02.2023

Normen: §§ 121, 160 GWB

 

Leitsatz (amtlich):

1. Eine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB kommt jedenfalls bei offensichtlichen, ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht, die einem Bieter bei der bloßen Durchsicht der Vergabeunterlagen auffallen bzw. sich ihm aufdrängen müssen. Unter einem sich Aufdrängen fällt auch ein bewusstes Sich-der-Erkenntnis-Verschließen. Ein Unternehmer verschließt sich der Erkenntnis eines Vergaberechtsverstoßes, wenn er als Teilnehmer eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb einen Vergaberechtsverstoß erst nach Abgabe des finalen Angebots rügt, obwohl er sich mit den Vergabeunterlagen bereits zur Erstellung eines ersten indikativen Angebots intensiv auseinandersetzen musste und die streitigen Ausschreibungsunterlagen nicht nur gelesen, sondern auch angewendet hat.

2. Ein Zuschlags(unter)kriterium soll dem Auftraggeber eine weitergehende Differenzierung zwischen den Angeboten ermöglichen, um auf dieser Grundlage eine nachvollziehbare Auswahlentscheidung treffen zu können. Es zeichnet sich dadurch aus, dass es im Rahmen der Bewertung einen Punktwert erhält und sich dieser in der Gesamtwertung wiederfindet. In Abgrenzung hierzu sind mit Blick auf den einem öffentlichen Auftraggeber bei der Wertung zukommenden Beurteilungsspielraum nicht sämtliche Überlegungen, die er im Rahmen der Wertung anstellt, gleich Zuschlagskriterien. Ein öffentlicher Auftraggeber muss sich mit den Angebotsinhalten auseinandersetzen und diese unter die Zuschlagskriterien subsumieren können.

3. Im Rahmen einer funktionalen Ausschreibung überlässt der Auftraggeber dem Wettbewerb Rahmenbedingungen zur Lösung einer Aufgabe. Er ist zur Vorgabe von Lösungsvorschlägen nicht verpflichtet. Das gilt nicht nur bei standardisierten Leistungen, sondern auch bei einem komplexen Auftragsgegenstand. Diesbezüglich ist allerdings zu berücksichtigen, dass mit steigender Komplexität wechselwirkend die Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit der vorgegebenen Rahmenbedingungen steigen. Die Offenheit des Verhandlungsverfahrens darf nicht dazu führen, dass Bieter nicht mehr miteinander vergleichbare Angebote abgeben bzw. nicht mehr erkennen können, was von ihnen verlangt ist.

 

Entscheidungstext:

In dem Nachprüfungsverfahren wegen der Planung und Neuerrichtung eines Polizeipräsidiums zur anschließenden Anmietung

pp.

hat die Vergabekammer Westfalen durch den Vorsitzenden Stodollick, die hauptamtliche stellvertretende Beisitzerin Diemon-Wies und den/die ehrenamtliche/n Beisitzer/in ….. auf die mündliche Verhandlung vom 3. Februar 2023 am 17. Februar 2023 beschlossen:

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden auf ….. € festgesetzt.

3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt.

4. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und die Aufwendungen der Antragsgegnerin für deren zweckentsprechende Rechtsverteidigung.

Gründe

I.

Mit Bekanntmachung vom 19. Juni 2020 (Referenznummer der Bekanntmachung: …..) schrieb die Antragsgegnerin im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft die Planung und Errichtung eines Polizeipräsidiums durch einen Objektplaner im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zur anschließenden langfristigen Anmietung sowie die damit einhergehenden vermietertypischen Leistungen des Gebäudebetriebs aus. Neben bestimmten polizeispezifischen, technischen und sonstigen Anforderungen sollte der/die Baukörper nach seiner/ihrer Fläche effizient und funktional sein. Die Mietdauer sollte 20 Jahre betragen, wobei die Option bestand, diese einmalig um fünf Jahre zu verlängern. Der geschätzte Auftragswert überstieg den EU-Schwellenwert. Im Übrigen sah die Bekanntmachung vor, dass der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium war und „alle Kriterien […] nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt [sind].“ Außerdem wies die Antragsgegnerin in der Bekanntmachung auf ihre Absicht hin, die Anzahl der Bewerber im Teilnahmewettbewerb auf fünf bis maximal sieben zu beschränken und nur diese Anzahl an Teilnehmern im Verhandlungsverfahren zur Abgabe eines ersten indikativen Angebots aufzufordern. Im weiteren Verfahren hatte die Antragsgegnerin die Absicht, die Zahl der zu erörternden Lösungen bzw. zu verhandelnden Angebote schrittweise weiter zu reduzieren.

Mit den „Teilnahmebedingungen“ beschrieb die Antragsgegnerin den Auftragsgegenstand näher: Es ging ihr darum, mit Unterstützung der Bieter das „modernste, funktional beste und architektonisch anspruchsvollste Polizeipräsidium Deutschlands zu entwickeln“. Die Entwicklung der neuen Immobilie musste dem Raum- und Flächenbedarf sowie den funktionalen, qualitativen und wirtschaftlichen Anforderungen genügen. In einer Übersicht zu Beginn des Dokuments „Teilnahmebedingungen“ fasste die Antragsgegnerin die nach ihrer Auffassung wesentlichen Informationen zusammen. Sie wies unter anderem auf die Verfahrensart, die Nutzfläche, die Bruttogrundfläche aber auch die Anzahl der benötigten Stellplätze (Garagen: 139 (88 davon Großraumgaragen); Carports: 57; Stellplätze: 822 (inkl. Behindertenstellplätze)) hin. Eine abschließende Beschreibung des Leistungsgegenstands erfolgte nicht. Weiterhin legte die Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt für das Verhandlungsverfahren fest, dass sie im Anschluss an den Teilnahmewettbewerb mit maximal vier Teilnehmern Verhandlungen führen werde; die übrigen Bieter sollten zunächst zurückgestellt werden. Unter einem Zurückstellen verstand die Antragsgegnerin, dass sie Verhandlungen mit einem oder mehreren der nachplatzierten Bieter aufnehmen konnte, sofern die Verhandlungen mit einem oder mehreren der ausgewählten Bieter scheitern sollten.

Ausweislich der „Teilnahmebedingungen“ stellte die Antragsgegnerin über den Vergabemarktplatz näher bezeichnete Unterlagen zur Durchführung des Teilnahmewettbewerbs und Abschichtung des Bewerberkreises zur Verfügung. Unterlagen, die erst für die Angebotserstellung erforderlich waren, stellte die Antragsgegnerin nur vereinzelt zur Information der Teilnehmer zur Verfügung. Hierzu zählte neben den „Vergabeunterlagen Allgemeiner Teil (Entwurf)“ und dem (im Verlauf des Vergabeverfahrens noch geringfügig abgeänderten) „Preisblatts – „Kaltmiete und Stellplätze““ insbesondere die über das gesamte Vergabeverfahren unveränderte gebliebene „Anlage 7 Bewertungsmatrix“, sämtliche Anlagen mit Stand vom 19. Juni 2020.

Diese Bewertungsmatrix gliederte sich in die vier Zuschlagskriterium

> „1. Preis“ mit einer Gewichtung von 45 %,

> „2. Qualität / Effizienz“ mit einer Gewichtung von 20 %,

> „3. Funktionalität“ mit einer Gewichtung von 25 % und

> „4. Lage“ mit einer Gewichtung von 10 %.

Insgesamt waren 500 gewichtete Wertungspunkte zu erreichen, die sich anteilig auf die Wertungskriterien und die zu den Kriterien 2 und 3 genannten Unterkriterien verteilten.

Zu den einzelnen Zuschlagskriterien führte die Antragsgegnerin u.a. wörtlich aus: Zum Zuschlagskriterium 1:

1. Summe aus Kalt- und Stellplatzmiete gemäß Preisblatt.

Zum Zuschlagskriterium 2:

2. a) Bewertung hinsichtlich der angebotenen Qualitäten (Produkte und Hersteller)

[…]

2. b) Bewertung hinsichtlich der vorgegebenen Programmflächen der Raumliste (Abweichungen, Flächenüberschreitungen, Flächeneffizienz, Verhältniswerte)

[…]

2. b) I Bewertung der Erfüllung der Programmflächen gemäß Raumliste Die beste Erfüllung der Programmfläche gemäß Raumliste.

Wie genau entspricht die geplante Programmfläche der geplanten Räume den Anforderungen gemäß Raumliste im Verhältnis zu den im Verfahren konkurrierenden Angeboten? Die Angebotsplanung des Bieters, bei dem die Programmflächen gemäß Raumliste die geringsten Abweichungen bzgl. der Quadratmeter von der Raumliste aufweisen (Zeile Q552 der Raumliste), erhält 5 Punkte. […]

2. c) Maßnahmen zur Energieeffizient/Gebäudequalität hinsichtlich zu erwartender Energiekennwerte […] erreichbare gewichtete Punkte: 35,00.

2. c) I Bewertung der zusätzlichen Maßnahmen zur Energieeinsparung, die über die verpflichtenden Anforderungen gemäß GEG [Gebäudeenergiegesetz] hinausgehen und zu einer Unterschreitung des Primärenergiebedarfs im Vergleich zum Referenzgebäude gem. GEG-Nachweis führen. Die Maßnahmen sind zu erläutern.

[…]

2. c) II Bewertung der Energieeffizienz der Kubatur, Verhältnis von Fläche zu beheiztem Volumen (A/V, günstig = geringer Wert).

A/V-Verhältnis: Das A/V-Verhältnis beschreibt die Oberfläche der thermischen Gebäudehülle dividiert durch sein beheiztes Volumen. Je kleiner dieses Verhältnis ist, desto energiesparender ist das Gebäude.

5 Punkte: Das Gebäude weist das günstigste A/V-Verhältnis auf.

3 Punkte: Das Gebäude weist das zweitgünstigste A/V-Verhältnis auf. 1 Punkt: Das Gebäude weist das drittgünstigste A/V-Verhältnis auf.

0 Punkte: Das Gebäude weist ein ungünstigeres als das drittgünstigste A/VVerhältnis aus.

Zum Zuschlagskriterium 3:

3. a) IV: Funktionalität der Außenanlagen und Fahrzeugabstellanlagen […]

3. b) Funktionalität der inneren Erschließung: Aufteilung der Räume und funktionale / kommunikative Zusammenhänge, Flexibilität (z.B. Umbaubarkeit der Umkleideräume/Sanitär) […] erreichbare gewichtete Punkte: 60,00.

3. b) I. Funktionalität der Raumaufteilung – Schaffung der gewünschten funktionalen Zusammenhänge

[…]

3. b) II: Erfüllung der polizeilichen Konzepte (u.a. Konzept ABK) und Raumanforderungen.

Im Teilnahmewettbewerb wies die Antragsgegnerin mit ihrer Antwort auf Bieterfrage Nr. 36 darauf hin, dass

Die Zuschlagskriterien […] mit Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung unveränderbar fest[stehen].

Nach Auswertung der eingereichten Teilnahmeanträge teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin, der Beigeladenen und drei weiteren Bietern mit, dass sie diese für das Verhandlungsverfahren ausgewählt habe. Anders als bisher beabsichtigt, führte die Antragsgegnerin aufgrund der Corona-Lage kein frühes erstes Bietergespräch durch. Vielmehr forderte sie die Bieter mit Schreiben vom 4. März 2021 unter Hinweis auf die Unterlagen im Projektraum zum Verhandlungsverfahren auf, unmittelbar ein erstes indikatives Angebot bis zum 16. August 2021, 12 Uhr als Grundlage für ein Verhandlungsgespräch zu erarbeiten. Vor Abgabe der Erstangebote befanden sich im vorgenannten Projektraum neben den im weiteren Verfahren noch überarbeiteten Vergabeunterlagen, wie der funktionalen Leistungsbeschreibung, einer Raumliste sowie der Anlagen „29 – Parkraumkonzept PP Münster“ und „28 – KFZ-Parkplatzliste“, insbesondere 53 mit „funktionale Gebäudeanforderungen“ überschriebene Informationen, die die

Angaben in der Raumliste zur möglichen Lagebestimmung von Dienststellen und Funktionsflächen

beschrieben. Außerdem sollten

die ergänzenden Raum- und Funktionsskizzen […] lediglich unverbindliche Lösungsansätze als Musterinformation ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder architektonische sowie wirtschaftlich angemessene Umsetzbarkeit dar[stellen].

Sämtliche „funktionalen Gebäudeanforderungen“ waren gleich aufgebaut: Zunächst benannte die Antragsgegnerin die jeweilige Direktion/das jeweilige Dezernat und beschrieb im Anschluss jeweils die Aufgabe, die funktionalen Beziehungen bzw. Abhängigkeiten in der eigenen und mit anderen Dienststellen, den voraussichtlichen Publikumsverkehr, die gewünschte Lage in der Dienststelle bzw. ob Funktionsräume oder –flächen erforderlich sind, den Sicherheits- und Ausstattungsbedarf und Sonstiges. Darüber hinaus gab sie jeweils an, mit welcher Priorität die Anforderung erfüllt werden sollte: „Prio. 1 = Soll / Prio. 2 = Wünschenswert“. Allerdings enthielten diese 53 funktionalen Anforderungen keine weiteren Wertungspunkte.

Für die Direktion „Gleichstellung“ sah die „funktionale Gebäudeanforderung“ beispielsweise vor:

1. Aufgaben / Tätigkeiten

Beratende und unterstützende Funktion für die Behördenleitung und die Behörde in Themen der Gleichstellung.

Mitwirkung bei allen personellen, organisatorischen, sozialen Maßnahmen. Einzelberatung von Kollegen*innen der Behörde.

2. Funktionale Beziehungen / Abhängigkeiten in der eigenen Dienststelle

Büroraum – normal in Anbindung an Leitungsstab (Prio 1)

3. Funktionale Beziehungen / Abhängigkeiten mit anderen Dienststellen

Arbeitstägliche Kommunikation zur Behördenleitung (Prio 2)

Regelmäßige Kommunikation zum Leitungsstab (Prio 2)

Regelmäßige Kommunikation zu ZA 2.1 (Prio 2)

4. Publikumsverkehr

Kein regelmäßiger Publikumsverkehr

5. Lage Dienststelle / Funktionsräume / Funktionsflächen

Obergeschoss (Prio 1)

6. Sicherheitsbedarf

7. Ausstattungsbedarf

8. Sonstiges

Die Vergabeunterlagen zur Erstellung der indikativen Erstangebote enthielten schließlich ein Parkraumkonzept, welches unter Verweis auf eine KFZ-Stellplatzliste konkrete Vorgaben hinsichtlich der Anzahl und Größe der Stellplätze machte. Hiernach gab es fünf Stellplatzkategorien für unterschiedlich große Fahrzeuge. Die Bieter mussten außerdem nachvollziehbar darlegen, wie sich Konflikte bei der Verkehrsführung im Rahmen des Parkraumkonzepts vermeiden ließen. Etwa ging es darum, Schleppkurven die beim Abschleppen eines Fahrzeugs bzw. Rangieren entstehen können, zu vermeiden. Im Übrigen beschrieb die Antragsgegnerin, dass bestimmte Bereiche, wie der Bereich der Einsatzfahrzeuge der Spezialeinsatzkräfte, bei den übrigen Parkflächen getrennt ausgewiesen sein musste. Die KFZ-Stellplatzliste legte dar, welcher Funktionsbereich wie viele Stellplätze benötigte und welche Anforderungen die Stellplätze insbesondere mit Blick auf Größe und Art erfüllen mussten.

Mit dem Ziel, „eine transparente Wertung der Erstangebote sicherzustellen“, gab die Antragsgegnerin mit von ihr als „Verfahrensbrief“ bezeichnetem Schreiben am 25. Juni 2021 Hinweise zur Wertung der Angebote. Eingangs wies sie erneut auf die

Maßgeblichkeit der veröffentlichten Zuschlagskriterien hin: Die Wertung der Angebote erfolgt nach der Bewertungsmatrix (Anlage 7), die den Vergabeunterlagen beiliegt. Das wirtschaftlichste Angebot hat derjenige Bieter, der die höchste gewichtete Punktzahl erreicht.

Im Übrigen erläuterte sie zu einigen Zuschlagskriterien die Umsetzung der Wertungsmatrix. Hinsichtlich der Zuschlagskriterien 1., 2. b) I und 2. b) II legte sie für jedes der vorgenannten Zuschlagskriterien offen, wie sie ausgehend vom Angebot des jeweiligen Bestbieters interpoliert. Hinsichtlich der Zuschlagskriterien 2. c) I und 2.c) II wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass sie die durch die Bieter ermittelten Kennwerte für das A/V-Verhältnis fachlich nachvollziehen, jedoch nicht noch einmal nachrechnen werde.

Neben drei weiteren Bietern gaben Antragstellerin und Beigeladene ein indikatives Erstangebot ab.

Mit Vermerk vom 22. September 2021 entschied die Antragsgegnerin, mit fünf Bietern Verhandlungen zu führen. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, dass sich aus den Vergabeunterlagen kein Anspruch der übrigen Bieter dahingehend ergebe, nur mit drei weiteren Mitbewerbern im Wettbewerb zu stehen. Diese hätten nur einen Anspruch darauf, dass sie nur mit wertungsfähigen Angeboten geeigneter Bieter konkurrierten. Die Vergabeunterlagen seien entsprechend offen ausgestaltet, sodass die Antragsgegnerin aus Zweckmäßigkeitserwägungen auf eine Verhandlung mit fünf Bietern zurückgreifen dürfe.

Mit Schreiben vom 8. Oktober 2021 lud die Antragsgegnerin die vorgenannten fünf Bieter zu Verhandlungsgesprächen ein und führte Verhandlungsgespräche mit diesen durch. Diese sollten – nach den Einladungsschreiben der Antragsgegnerin – zur Optimierung der Angebote und abschließenden Überarbeitung der Vergabeunterlagen dienen. Im Nachgang an die Verhandlungsgespräche stellte die Antragsgegnerin den Bietern „Hinweislisten“ zur Verfügung. Nach den Protokollen zu den Verhandlungsgesprächen sollten die Hinweislisten

entwurfsindividuell aufzeigen, an welchen Stellen die Bieter ihre Angebotsplanung ggf. noch einmal überprüfen könnten, um ihren Entwurf mit dem Zweitangebot noch näher an die Anforderungen der Vergabestelle im Sinne der Vergabeunterlagen heranzuführen. Nicht bezweckt wird mit der Übermittlung der Hinweisliste eine Aufforderung zur Neu- bzw. Umplanung entwurflicher Details. Das gilt auch für solche Punkte, zu denen die Vergabestelle konkrete Hinweise auf mögliche Konflikte der planerischen Lösung mit anderen Anforderungen der Vergabeunterlagen gibt […]. Die von den Bietern im Zuge ihrer Entwurfsplanung getroffenen Priorisierungsentscheidungen spiegeln […] das von den Bietern ausgeübte Ermessen über die Optimierung ihrer Wertungs- und Zuschlagschancen im Sinne der Zuschlagskriterien wider. Dieses Ermessen sollen und können die Hinweise nicht beeinflussen. In diesem Zusammenhang weist die Vergabestelle darauf hin, dass aus dem Vorhandensein von Hinweisen zu einem bestimmten Angebotsdetail nicht darauf geschlossen werden kann, dass das betreffende Erstangebot in dem betreffenden Punkt schlecht bewertet worden ist. […] Hinsichtlich des Angebots der Antragstellerin wies die Hinweisliste unter dem „Thema“ „Abweichung vom Soll“ etwa darauf hin, dass das Angebot der Antragstellerin zu wenig offene Stellplätze enthielt.

In der Hinweisliste glich die Antragsgegnerin die angebotene mit der ausgeschriebenen Leistung objektiv ab. Im Rahmen der Stellplätze vermerkte sie etwa „Differenz von + […] Stellplätzen“, sofern ein Bieter mehr Stellplätze angeboten hatte bzw. „Differenz von […] Stellplätzen“, sofern ein Bieter weniger Stellplätze angeboten hatte. Unter der Überschrift „8 Funktionalität der Raumaufteilung“ glich die Antragsgegnerin auch die 53 „funktionalen Gebäudeanforderungen“ mit den Soll-Vorgaben ab. Unter anderem merkte die Antragsgegnerin an, dass sich bestimmte Bereiche in Abweichung zur funktionalen Leistungsbeschreibung nicht in unmittelbarer Nähe eines anderen Bereichs befanden. Dass die „funktionalen Gebäudeanforderungen“ für die Wertung relevant waren, ergab sich aus der Hinweisliste nicht.

Mit Aufforderung vom 15. Dezember 2021 forderte die Antragsgegnerin fünf Bieter zur Abgabe eines zuschlagsfähigen Angebots auf.

In der den Bietern zur Verfügung gestellten und überarbeiteten funktionalen Leistungsbeschreibung (Stand vom 28. Februar 2022) erklärte die Antragsgegnerin die „funktionalen Gebäudeanforderungen“ weiter.

Der Ausschreibung liegen textliche Beschreibungen des Mieters als Anlage bei, die seine „Funktionalen Gebäudeanforderungen“ beschreiben.

Hierbei wurde nach den jeweiligen Direktionen, Dezernaten/Inspektionen und Dienststellen des Mieters unterschieden. Die hier definierten Gebäudeanforderungen dienen als Leitlinie für die Gebäudeplanung des Vermieters.

Aus der Leistungsbeschreibung ergab sich nicht, dass die Antragsgegnerin beabsichtigt, die „funktionalen Gebäudeanforderungen“ zu bewerten.

Weiterhin enthielten die Vergabeunterlagen zur Erstellung des finalen Angebots das nachfolgende überarbeitete Preisblatt:

Einheit Einzelpreis in Euro Anzahl Betrag in Euro (C*D)

Kaltmiete m² MF-G je Monat

Garagen-Stellplätze Stück je Monat

Carport-Stellplätze Stück je Monat

offene Stellplätze Stück je Monat

Gesamtsumme:

(E1+E2+E3+E4)

Antragstellerin und Beigeladene gaben neben drei weiteren Bietern fristgerecht ein finales Angebot ab. Vor Wertung der Angebote schloss die Antragsgegnerin am 18. Mai 2022 einen Bieter nach § 16 EU Nr. 2 in Verbindung mit § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 VOB/A vom weiteren Vergabeverfahren aus, da dieser nach ihrer Auffassung die Vergabeunterlagen dadurch abgeänderte hatte, dass er mit Blick auf mögliche Preissteigerungen sein Angebot nur unter Vorbehalt abgegeben habe.

Im Folgenden werteten das von der Antragsgegnerin beauftragte Architekturbüro die Konzepte in Bezug auf die Zuschlagskriterien 1, 2 und 4 und die Antragsgegnerin in Bezug auf das Zuschlagskriterium 3 aus. Im Anschluss fasste die Antragsgegnerin die Ergebnisse unter ihrem Briefkopf in einer ersten „Ergebnisdarstellung der durchgeführten Wertung“ vom 22. Juni 2022 zusammen. Zum Zuschlagskriterium 3 übertrug die Antragsgegnerin die Ergebnisse ihrer textlichen Ausführungen in die Wertungsübersicht. Im Zusammenhang mit der Bewertung des Zuschlagskriteriums 3. a) IV wies die Antragsgegnerin den Konzepten in Bezug auf bestimmte funktionale Anforderungen aus der Leistungsbeschreibung (wie etwa Schleppkurven) unter der Überschrift „Bewertung“ ein „++“ für eine sehr gute Leistung, ein „+“ für eine gute Leistung, ein „o“ für eine durchschnittliche Leistung, ein „-“ für eine unterdurchschnittliche Leistung und ein „–“ für eine den Anforderungen nicht mehr entsprechenden Leistung zu. Beim Zuschlagskriterium 3. b) I führte sie neben weiteren Aspekten die 53 „funktionalen Gebäudeanforderungen“ untereinander auf, nummerierte diese und „bewertete“ sie entsprechend.

Da die Beigeladene insgesamt die meisten gewichteten Wertungspunkte erhielt, informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bieterinformationsschreiben vom 28. Juli 2022 über ihre Absicht, auf das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Auf die Rüge der Antragstellerin vom 3. August 2022 fand am 15. August 2022 ein Gespräch zwischen Antragstellerin und Antragsgegnerin statt, bei dem die Antragstellerin ihren Rügevortrag wiederholte und ihre wesentlichen Bedenken in Bezug auf das Vergabeverfahren äußerte. Unter anderem mutmaßte sie, dass die Antragsgegnerin bei der Wertung des Zuschlagskriteriums 2 nicht bekannt gemachte Unterkriterien angewendet habe. Außerdem trug sie vor, dass die Proportionalität der Gewichtung der Zuschlagskriterien nicht stimmen könne.

Auf dieser Grundlage wertete die Antragsgegnerin mit Unterstützung des sie beratenden Architekturbüros die vier im Wettbewerb verbliebenen finalen Angebote erneut. In der zweiten „Ergebnisdarstellung der durchgeführten Neuwertung“ vom 8. November 2022 ordnete die Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Auswertung des Zuschlagskriteriums 3 den einzelnen Überschriften nunmehr Zahlen/Punkte von 1 bis 5 zu, wobei sie diese außerdem wie folgt farblich markierte: 5 = dunkelgrün, 4 = grün, 3 = orange/gelb, 2 = rot, 1 = dunkelrot.

Im Zuschlagskriterium 3. a) IV zitierte die Antragsgegnerin beispielsweise unter der Überschrift „Aspekte“ 22 Passagen der funktionalen Leistungsbeschreibung, etwa

Zwingeranlagen, S. 396

Für die Unterbringung der Polizei- Diensthunde sind Zwingeranlagen vorzusehen. (auch 386)

Freifläche 15 m² je Zwinger

Zwingeranlagen abseits von stark frequentierten Bereichen und Büroräumen und vor Störungen und Übergriffen von Außen schützen (auch 386)

In den Garagen muss genügend Platz zum Öffnen des Kofferraums und Bewegungsradius des Hundes und seinem Hundeführer vorhanden sein.

Die Höhe muss das Einfahren eines Polizei-Transporters (mindestens 2,40 inkl. Aufbauten) ermöglichen.

Bodenfläche Zwinger mind. 10 m²

Außerdem listete die Antragsgegnerin im Zuschlagskriterium 3. b) I neben weiteren „funktionalen Anforderungen“ die 53 „funktionalen Gebäudeanforderungen“ auf. Anders als in der ersten „Ergebnisdarstellung der durchgeführten Wertung“ vom 22. Juni 2022 gab sie die „funktionalen Gebäudeanforderungen“ nunmehr auch textlich in Stichpunkten wieder und stellte diese insgesamt im „Berechnungsblatt Nr. 3b I“ zusammen.

Unter der Überschrift „Bewertung“ vergab die Antragsgegnerin insbesondere für die 22 „Aspekte“ und die 53 „funktionalen Gebäudeanforderungen“ jeweils Punkte. Allerdings wurden diese jeweils pro Gebäudeanforderung vergebenen Punkte nicht addiert, sondern es gab nur – wie vorgegeben – bis zu 5 Punkten. Die Gesamtpunktzahl für einen einzelnen Aspekt bzw. eine einzelne funktionale Gebäudeanforderung entsprach dabei auch nicht immer dem Mittelwert der Bepunktung der einzelnen Stichpunkte. Bei der Bewertung des Angebots der Antragstellerin im „Aspekt – Zwingeranlagen“ erhielt diese aufgrund eines schlecht gewählten Standorts beispielsweise insgesamt eine schlechtere Gesamtpunktzahl, obwohl sie mit einer Ausnahme in den Stichpunkten eine gute Bewertung erhalten hatte. Gleichzeitig erhielt ein anderer Bieter mit einem (nach Auffassung der Antragsgegnerin) sehr gut gewählten Standort der Zwingeranlagen insgesamt keine sehr gute Bewertung, obwohl die Bewertung im Übrigen weitgehend derjenigen der Antragstellerin entsprach.

Die Wertungsreihenfolge änderte sich in Folge der Neubewertung nicht. Mit Bieterinformationsschreiben vom 11. November 2022 teilte die Antragsgegnerin unter anderem der Antragstellerin ihre Absicht mit, auf das Angebot der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Sie vertrat die Ansicht, der Rüge der Antragstellerin vom 3. August 2022 mit der Neuwertung vollständig abgeholfen zu haben und legte der Antragstellerin die Dokumentation der fachlichen Bewertung ihres Angebots offen. Auf die erfolglose Rüge der Antragstellerin vom 17. November 2022 erhob diese am 21. November 2022 einen Nachprüfungsantrag, in dem sie ihr Rügevorbringen weiterverfolgt.

Die Antragstellerin hält ihren Nachprüfungsantrag für erfolgreich.

Dieser sei zulässig.

Sie sei antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB. Ihr Interesse am Auftrag habe sie mit ihrer regen Beteiligung in Form von Bieterfragen, jedenfalls aber durch Einreichung ihrer Angebote dokumentiert. Die fehlerhafte Wertung der Angebote und die damit verbundene drohende Zuschlagserteilung an die Beigeladene verletze ihre subjektiven Bieterrechte in Bezug auf Wettbewerbs-, Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz.

Schließlich sei der Nachprüfungsantrag nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB unzulässig.

Ihre Rügen vom 3. August und 17. November 2022 seien nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert, weil die beanstandeten Vergaberechtsverstöße nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen seien. Erkennbar sei nur derjenige Rechtsverstoß, der einem Bieter „ins Auge“ falle. Ein durchschnittlicher Bieter sei juristischer Laie und könne die rechtlich umstrittene Frage der Zulässigkeit disproportionaler Wertungsmethoden nicht durchdringen. Im Gegenteil könne und müsse ein Bieter zunächst darauf vertrauen, dass sowohl die Leistungsbeschreibung als auch die Zuschlagskriterien dahingehend ausgestaltet seien, durch den Wettbewerb das objektiv beste Preis-Leistungsverhältnis zu erzielen. Der Bieter dürfe deshalb zunächst unterstellen, dass der Auftraggeber die Ausgestaltung der Vergabeunterlagen nicht von der Realität entkoppele und ein zusammenhangloses Wertungskonstrukt aufbaue. In der mündlichen Verhandlung erklärt die Antragstellerin, dass erst die Offenlegung der Auswertung der Funktionalität mit Bieterinformationsschreiben nach § 134 GWB vom 11. November 2022 eine solche Schieflage im Rahmen der Wertung hinreichend konkret angedeutet habe. Gleichermaßen sei für einen Bieter nicht erkennbar, wenn ein Auftraggeber beabsichtige, sich durch einen Verfahrenshinweis von seinen ihm obliegenden Pflichten zu entbinden. Schließlich könne man eine rechtswidrige Bewertung erst erkennen, wenn nicht nur der Wertungsgrundlage, sondern auch das Wertungsverhaltens des öffentlichen Auftraggebers bei der Anwendung der Wertungskriterien bekannt seien.

Eine Präklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB scheide aus. Hinsichtlich der Rüge vom 3. August 2022 habe die Antragsgegnerin ihre Rügezurückweisung vom 10. August 2022 im Gespräch vom 15. August 2022 und durch den anschließenden Wiedereinstieg in die Wertung aufgehoben. Hinsichtlich des Informationsschreibens vom 1. November 2022 habe die Frist nicht zu laufen begonnen, da die Antragsgegnerin selbst davon ausgehe, der Rüge abgeholfen zu haben. Insoweit wäre die Frist im Übrigen allerdings auch gewahrt.

Dass die Antragsgegnerin sich auf die Rügepräklusion berufe, sei jedenfalls unbeachtlich. Die Antragsgegnerin habe die Rügen zunächst zugelassen und sich im Rahmen der wiederholenden Wertung des finalen Angebots mit diesen auseinandergesetzt. Es wirke gekünstelt, sich nunmehr, also nachdem die Antragsgegnerin sich inhaltlich mit den Rügen beschäftigt habe, diese aus formellen Gründen ausschließen zu wollen.

Die Antragstellerin hält ihren Nachprüfungsantrag für begründet. Sie trägt vor, dass weder die Wertungsgrundlage noch die konkrete Bewertung mit dem Vergaberecht vereinbar gewesen sei.

Die Wertungsgrundlage sei in sich widersprüchlich und nicht transparent gewesen und begünstige mitunter eine willkürliche Auswahlentscheidung. Zunächst diskriminiere die Wertungsgrundlage diejenigen Bieter, die eine höhere Qualität bzw. nach Art und Umfang der Leistung ein „Mehr“ angeboten hätten. Indem der Vergleich sich rein formal nur auf die Summen aus Kalt- und Stellplatzmiete beziehe, fehle es an einer hinreichenden Vergleichbarkeit der Angebote. Eine diskriminierungsfreie Wertung hätte vorausgesetzt, dass die Antragsgegnerin die Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Konzepte und Angebote durch Mindestanforderungen oder andere konkrete Leistungsanforderungen hätte sicherstellen müssen. Zumindest hätte sie diese Anforderungen funktional miteinander vergleichbar machen müssen. Dies gelte insbesondere in Bezug auf die kostenintensiven Leistungsbestandteile, wie etwa die Stellplätze. Alternativ hätte die Antragsgegnerin zur Wahrung der Transparenz auf die untergeordnete Rolle der Stellplätze hinweisen können, da ein objektiver Bieter den Vergabeunterlagen eine besondere Bedeutung der Stellplätze entnehmen musste, zumal diese bei Projekten vergleichbarer Größe (auch der Antragsgegnerin) branchenüblich seien. Im Ergebnis entkoppele die Antragsgegnerin die zu erbringende Leistung von der geschuldeten Gegenleistung, indem sie mit den Stellplätzen einen wesentlichen Teil herausnehme.

Die Wertungsvorgaben zur Preis und Qualitätswertung der Stellplätze seien widersprüchlich. Sofern die Bieter diese im Vorfeld gekannt hätten, hätte dies Abweichungen von der Leistungsbeschreibung begünstigt. Ein Bieter hätte bewusst weniger kostenintensive Stellplätze und damit verbunden einen wesentlich geringeren Gesamtmietpreis anbieten können und insgesamt dennoch eine höhere Wertungspunktzahl erhalten, da die Abwertung bei der Qualitätswertung verhältnismäßig zu gering sei. Dies führe zu einem Wertungsnachteil eines gewissenhaften Bieters, der von einer besonderen Bedeutung der Stellplätze ausgehen musste und die hohen Herstellungskosten nicht im Rahmen der Qualitätswertung hätte ausgleichen können.

Die Antragstellerin weist zudem darauf hin, dass die Antragsgegnerin nicht die Rahmenbedingungen geschaffen habe, damit die Bieter ihre Angebote hätten optimieren können. Die Hinweisliste sei insoweit nicht hilfreich gewesen, da diese nicht verdeutlicht habe, welche Anforderungen der Antragsgegnerin wichtig waren.

Die Wertungsgrundlage sei weiterhin in Bezug auf das Zuschlagskriterium „Erfüllung der Programmflächen gemäß Raumliste“ (Ziffer 2. b. I) intransparent, da bereits die schlichte Abweichung von den Flächenvorgaben zu einer Abwertung führe. Dies gelte unabhängig davon, ob ein Bieter ein „Mehr“ oder „Weniger“ an Fläche angeboten habe. Dabei könne ein „Mehr“ an Fläche die Funktionsanforderungen besser umsetzen. Die Abwertung führe weiterhin in Bezug auf Preiswertung und Flächeneffizienz zu einem Wertungswiderspruch: Ein Überangebot sei benachteiligt, da eine große Fläche teurer sei, was sich in der Qualitätswertung aber nicht auswirke. Weiterhin sei nicht erkennbar, ab welcher Nachkommastelle die Antragsgegnerin im Bereich der Bewertung von Aspekten runden wolle. Dies und die konkreten Punktwerte, ab wann ein höheres Kriterium erreicht sei, hätten im Vorfeld bekannt sein müssen. Die Antragstellerin regt an, die angebotenen Raumflächen aller Wettbewerbsteilnehmer und insbesondere der Beigeladenen miteinander zu vergleichen. Der Referenzwert der Programmflächen-Abweichung sei ungewöhnlich niedrig, was im Angebot der Beigeladenen auf funktionale Nachteile an anderer Stelle, wie z.B. verspringende Flure, hindeute. Dann müsse eine Abwertung bei der Qualität erfolgt sein. Soweit sich die Antragsgegnerin darauf berufe, dass es sich bei der Erfüllung der Programmflächen um ein Effizienzkriterium handele, sei zu berücksichtigen, dass eine schlechte Bewertung vergaberechtswidrig sei, wenn sich die Angebote nicht signifikant unterschieden.

Außerdem sei das Zuschlagskriterium „Bewertung der Energieeffizienz der Kubatur, Verhältnis von Fläche zu beheiztem Volumen“ (2. c) II) ungeeignet, ein für alle Bieter geltenden, nachvollziehbaren Bewertungsmaßstab vorzugeben. Dem Verhältnis von Fläche zu beheizbarem Volumen (sog. A/V Verhältnis) fehle ein hinreichender Bezug zum Auftragsgegenstand, da ein geringes Verhältnis von Fläche zu beheiztem Volumen keine Aussage darüber treffe, ob das Gebäude energiesparend sei oder nicht. Das hänge nicht unbedingt von der Bauform ab, sondern von anderen Faktoren, wie beispielsweise einer guten Dämmung. Das Zuschlagskriterium bewerte somit nur die Form des Gebäudes. Deshalb hätte es der konkreten Angabe von Unterkriterien bedurft, um den Erfüllungsgrund jedes Angebots miteinander vergleichen zu können.

Weiterhin verstoße das Zuschlagskriterium gegen § 127 Abs. 4 GWB, da es zu unbestimmt sei, um einen wirksamen Wettbewerb und eine wirksame Überprüfung zu ermöglichen. Eine Schlüssigkeitsprüfung der Bieterangaben genüge nicht, um eine hinreichende Vergleichbarkeit herzustellen.

Selbst wenn man dies außer Acht ließe, führten die Wertungsvorgaben zu einem Widerspruch innerhalb der Zuschlagskriterien, sodass dies eine intransparente Wertung begünstige. Dass die Antragsgegnerin neben dem GEG-Nachweis (Kriterium 2. c) I) zusätzlich noch das A/V-Verhältnis (2. c) II) bewerte, sei nicht nachvollziehbar. Das letztgenannte Kriterium sei ungeeignet. Zum einen sei die Inbezugnahme des A/VVerhältnisses veraltet und nicht mehr gängige Praxis, da das beheizbare Volumen anders als der Verbrauch nichts über die Energieeffizienz eines Gebäudes aussage. Die Antragsgegnerin habe zum anderen nicht vorgegeben, wie das A/V-Verhältnis zu ermitteln sei. Da es unterschiedliche Rechenwege gebe, sei unwahrscheinlich, dass die Angebote miteinander vergleichbar sein könnten. Dass die Angebote nicht miteinander vergleichbar seien, bestätige sich dadurch, dass die von der Antragsgegnerin ermittelten Kontrollwerte nicht mit den Angebotswerten identisch seien. Außerdem habe die Antragsgegnerin nicht offengelegt, ob Bieter mit Brutto oder Nettovolumen rechnen mussten. Zur Überprüfung sei deshalb über eine reine Plausibilitätsprüfung eine Vollprüfung der Bieterangaben erforderlich.

Weiterhin sei nicht nachvollziehbar, dass die Wertung im Rahmen der Zuschlagskriterien 2. c) I und II keine Interpolation vorsehe und der Viertplatzierte keine Punkte erhalte. Diese Alles-oder-Nichts-Wertungsmethode sei nach Auffassung des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Januar 2014, Verg 26/13 auch bei mehr als zwei Wettbewerbern ungeeignet, eine Zuschlagsentscheidung zu begründen. Wenn die Angebote derart dicht beieinander lägen, würde eine Bewertung mit „0“ Punkten die Qualität des Angebots nicht wiederspiegeln. Vielmehr hänge diese nur mit der bloßen Anzahl der Wettbewerber zusammen, woraus sich eine Verzerrung des Wettbewerbs ergäbe.

Im Übrigen trägt die Antragstellerin vor, dass der Bewertungsvorgang an sich fehlerhaft sei, weil es an einem Quervergleich zwischen den Angeboten fehle. Nur durch einen relativen Vergleich könne ein einheitlicher Maßstab hergestellt werden. Es bedürfe eines Querbezugs und nicht bloß einer absoluten Auswertung. Nach Offenlegung des Wertungsvermerks sei dies nicht geschehen, jedenfalls nicht hinreichend dokumentiert.

Die Wertung sei weiterhin fehlerhaft, da die Antragsgegnerin diese nicht selbst, sondern nur durch ein beauftragtes Architekturbüro vorgenommen habe. Eine eigene, fachlich inhaltliche Entscheidung der Antragsgegnerin fehle, obwohl der öffentliche Auftraggeber diese treffen müsse.

Weiterhin trägt die Antragstellerin vor, dass die Wertung fehlerhaft sei, da die Antragsgegnerin zum einen nicht bekannt gemachte Unterkriterien in die Bewertung mit einbezogen habe und zum anderen die bekannt gemachten Unterkriterien in der Wertung nicht angewendet habe.

Mit der Offenlegung des Wertungsergebnisses des eigenen Angebotes mit Bieterinformationsschreiben nach § 134 GWB am 8. November 2022 habe die Antragstellerin bemerkt, dass die Antragsgegnerin beim Zuschlagskriterium 3. b) I die vorgegebenen 53 „funktionalen Gebäudeanforderungen“ und 22 „Aspekte“ mit Unterpunkten bewertet habe. Hierbei handele es sich deshalb um vorher nicht bekannt gemachte Unterkriterien, da die Antragsgegnerin diese mit Punkten gewichte und bewerte. Bei der „Wertungstabelle … der durchgeführten Neubewertung“ vom 8. November 2022 handele sich entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin bereits nach dem Wortlaut des Dokuments nicht bloß um eine Arbeitshilfe. Vielmehr habe die Antragsgegnerin an dieser Stelle neue Wertungskriterien in das Verfahren eingeführt. Dass die vorgenannten Anforderungen in der Wertung relevant seien, habe die Antragsgegnerin den Bietern zuvor nicht bekannt gegeben und ergäbe sich auch nicht aus den Vergabeunterlagen. In der mündlichen Verhandlung verwies die Antragstellerin darauf, dass beispielsweise die funktionalen Anforderungen für die Zwingeranlagen ausweislich der Wertungsmatrix nachträglich bepunktet wurden, das rechnerische Gesamtergebnis der Punkte in Bezug auf ihr Angebot aber nicht der Gesamtpunktzahl für dieses Kriterium entspreche. Gerade deshalb wäre es für die Bieter wichtig gewesen, diese Punkte jeweils für die „funktionalen Gebäudeanforderungen“ und die 22 „Aspekte“ bereits bei Angebotserstellung zu kennen, um konkret darauf abgestellt, ein Angebot zu fertigen. Aus diesem Grund müsse das Vergabeverfahren in den Stand vor Abgabe der Angebote zurückversetzt werden. Nur auf diese Weise könnten die Bieter ihre Angebote auf Grundlage der Bewertungsmaßstäbe der Antragsgegnerin erstellen.

Auch setze die Antragsgegnerin etwa die in der Leistungsbeschreibung vorgesehene Priorisierung „Prio 1“ bzw. „Prio 2“ hinsichtlich bestimmter Anforderungen nicht durch. Ein objektiver Bieter habe bei einer Priorisierung davon ausgehen müssen, dass diese vergleichsweise zu einer besseren Bewertung führe. Dass es – wie im Wertungsvermerk vom 4. November 2022 erkennbar – auf die Priorisierung nicht ankam, wussten die Bieter nicht.

Die Wertung sei intransparent, da die Anwendung von insgesamt 53 Unterkriterien die Bedeutung des jeweiligen Zuschlagskriteriums im Ergebnis nivelliere. Insbesondere planerisch besonders arbeitsaufwendige Lösungen bekämen auf diese Weise nur eine sehr untergeordnete Rolle im Rahmen der Wertung. Die Einführung einer Vielzahl an Unterkriterien führe dazu, dass die Angebote im Bereich der aspektbezogenen Wertung sehr dicht beieinanderlägen. Durch die Gleichrangigkeit der Unterkriterien sei es Bietern unmöglich, Schwerpunkte zu setzen und sich von anderen Bietern abzusetzen. Dass die Antragsgegnerin nachträglich eine neue Wertungskategorie eingeführt habe, ergebe sich schließlich aus ihrem schriftsätzlichen Vortrag, in dem sie auf die „Vorbildlichkeit“ eines Lösungsvorschlags abstelle. Diese Wertungskategorie war den Vergabeunterlagen indes nicht zu entnehmen.

Weiterhin trägt die Antragstellerin vor, dass eine Abwertung in Bezug auf nicht nutzbare Motorradstellplätze nicht nachvollziehbar sei. In Bezug auf Motorradstellplätze gebe es in den gültigen Richtlinien keine Schleppkurven. Die Parkplätze seien ohne Weiteres nutzbar, sofern man die Motorräder neben und nicht hintereinander parke.

Indem die Antragsgegnerin mit fünf Bietern verhandelt habe, obwohl sie die Teilnehmerzahl der Verhandlungen nach den Vergabeunterlagen auf vier begrenzt habe, setze die Antragstellerin einem höheren Wettbewerbsdruck als ursprünglich erkennbar aus. Dass die entsprechende Passage in den Vergabeunterlagen zum finalen Angebot gestrichen wurde, stehe dem nicht entgegen. Es sei nicht ersichtlich gewesen, dass überhaupt mehr als vier Bieter am Verfahren teilgenommen haben.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten auf Seiten der Antragsgegnerin sei nicht erforderlich. Insofern gelte ein strengerer Maßstab als auf Seiten der Bieter. Ein öffentlicher Auftraggeber, der im Vergaberecht erfahrene Juristen beschäftige, müsse erklären, warum er besonderen Rechtsrats bedürfe. Die Ausführungen der Antragsgegnerin seien insoweit floskelhaft und nicht ausreichend.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Zeitpunkt vor Aufforderung zur Abgabe finaler Angebote zurückzuversetzen, die Vergabeunterlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu überarbeiten und die finale Angebotsphase einschließlich Angebotswertung bei fortbestehender Beschaffungsabsicht umgehend zu wiederholen,

2. hilfsweise zu 1.: die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren in den Stand vor Veröffentlichung der Auftragsbekanntmachung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zurückzuversetzen,

3. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen,

4. auszusprechen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin in dem Nachprüfungsverfahren notwendig gewesen ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners aufzuerlegen,

3. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin notwendig war.

Der Nachprüfungsantrag sei erfolglos.

Dieser sei unzulässig. Denn die Rügen seien nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 2 und 3 GWB präkludiert.

Maßstab für eine Rügepräklusion sei die Erkennbarkeit etwaiger Vergabeverstöße in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen, wobei darauf abzustellen sei, ob ein durchschnittlicher, fachkundiger und die übliche Sorgfalt anwendender Bieter bei Durchsicht und Bearbeitung der Vergabeunterlagen diese hätte erkennen können.

Da die Rügen – anders als die Antragstellerin meint – sich überwiegend nicht auf die Bewertung, sondern auf die Bewertungsgrundlage und die angeblich verzerrende Wirkung einzelner Bewertungsmethoden bezögen, sei ein Großteil der Rügen ausgeschlossen. Schließlich hätte die Bewertungsmatrix (Anlage 7 der Vergabeunterlagen) samt Zuschlagskriterien bereits im Teilnahmewettbewerb vorgelegen und sich seitdem nicht verändert. Die Bewertungsmatrix habe detaillierte Vorgaben zur Bewertung enthalten. Namentlich ergebe sich aus ihr die Bezeichnung bzw. kurze Umschreibung der Zuschlagsober- und -unterkriterien und deren Gewichtung sowie Angaben zum Vorgehen der Punktezuteilung.

Die Antragsgegnerin weist in diesem Zusammenhang weiterhin auf den Verfahrensbrief vom 25. Juni 2021 hin, in dem sie den Bietern konkretisierende Hinweise zur Bewertungsmethodik hinsichtlich einzelner Bewertungskriterien (1., 2. a), 2. b) I und II, 2. c) I und 2. zukommen ließ. Sie habe insbesondere darauf hingewiesen, dass beim Kriterium 2. c) II nur eine Schlüssigkeitsprüfung erfolge. Auch wisse die Antragstellerin spätestens seitdem mit ihr am 26.Oktober 2021 geführten Verhandlungsgespräch, dass die Stellplatzvorgaben nicht verbindlich bzw. nicht als Mindestanforderung ausgestaltet waren. Dies ergebe sich außerdem aus Ziffer 2.3 der Vergabeunterlagen – Allgemeiner Teil. Im Übrigen wiesen die Vergabeunterlagen keine komplexen mathematischen Strukturen auf, die erst nach Offenlegung der Wertung erkennbar waren. Es ginge nur um eine gewöhnliche Interpolation.

Rein vorsorglich weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass auch keine Überprüfung dieser Rügen von Amts wegen in Betracht komme, weil kein schwerwiegender und offenkundiger Vergaberechtsverstoß, vergleichbar mit dem Fehler nicht bekanntgemachter Eignungskriterien, vorliege. Zudem stehe der Präklusion nicht entgegen, dass die Wertung erneut erfolgte. Denn es sei ihr um eine kritische Selbstkontrolle und nicht um eine Anerkennung sämtlicher von der Antragstellerin vorgetragenen Beanstandungen gegangen. Das habe sie der Antragstellerin mitgeteilt.

Selbst wenn die Rügen nicht präkludiert sein sollten, weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass der Nachprüfungsantrag jedenfalls keinen Erfolg haben könne. Es lägen keine Vergaberechtsverstöße vor, sodass der Nachprüfungsantrag auch unbegründet wäre.

Die Zuschlagskriterien seien transparent und bestimmt genug gewesen und führten nicht zu einer verzerrenden Wirkung einzelner Bewertungsmethoden (1). Zudem lägen die von der Antragstellerin geltend gemachten angeblichen Fehler im Bewertungsvorgang nicht vor (2).

Zu Ziffer 1 trägt die Antragsgegnerin vor, dass entgegen der Auffassung der Antragstellerin die Vorgaben im Preisblatt („Summe aus Kalt- und Stellplatzmiete“) durchaus ausreichen würden, um vergleichbare Angebote zu erzielen. Es sei nicht erforderlich, so die Antragsgegnerin, noch weitere Korrekturfaktoren, wie beispielsweise die Anzahl der Stellplätze, konkret mitzuteilen. Eine isolierte Wertung von Einzelansätzen sei im „ÖPP-Mietmodell“ weder marktüblich noch rechtlich geboten. Denn es gehe nicht darum, die wahre wirtschaftliche Relation der Angebote zu ermitteln. Vielmehr wolle der öffentliche Auftraggeber sich im Falle einer funktionalen Ausschreibung mit Leistungsprogramm über die Einbindung der Bieter, die entsprechende Lösungsansätze zu liefern hätten, eine optimale Lösung für die Deckung seines Beschaffungsbedarfs entwickeln lassen. Es bestehe nicht die Gefahr, dass die unterschiedlichen Lösungsansätze der Bieter nivelliert würden, wenn der öffentliche Auftraggeber keine detaillierten Einzelansätze vorgebe. Entscheidend sei vielmehr, dass der öffentliche Auftraggeber seine Vorstellungen und die zu lösende Aufgabe hinreichend genau formuliere, was geschehen sei.

Dies gelte insbesondere für die Anforderungen an die Stellplätze bei der Angebotswertung. Aus den Vergabeunterlagen sei nicht zu entnehmen, dass die Stellplatzvorgaben im Vergleich zu anderen funktionalen Anforderungen an das zu realisierende Projekt von besonderem Gewicht gewesen seien. Man habe klargestellt, dass die diesbezüglichen Anforderungen nicht als Mindestanforderungen zu verstehen waren. Vielmehr seien die Angaben der Bieter bezüglich der Vorgaben von Stellplätzen durchaus wertend, aber nicht mathematisch berechenbar in die Wertung eingeflossen. Letztlich wäre es auch Aufgabe des Bieters, sein Angebot im Lichte der Zuschlagskriterien gut zu platzieren. Die Antragsgegnerin verweist darauf, dass sie den Bietern das u.a. dadurch verdeutlicht habe, dass sie ihnen jeweils eine Hinweisliste zur Verfügung gestellt habe.

Die Antragsgegnerin ist weiterhin der Auffassung, dass auch das Zuschlagskriterium „Erfüllung der Programmflächen gemäß Raumliste“ (Ziffer 2. b) I) ein sachgerechtes Zuschlagskriterium war. Denn vor dem Hintergrund des Mietzwecks ist weder ein zu viel noch ein zu wenig an m² gewollt gewesen, sondern es musste ein angemessenes Verhältnis hergestellt werden. Dass dann ein „Überangebot“ negativ bewertet werden muss, sei eine Frage der Effizienz und nicht eine Frage der Qualität. Mehr Flächenangebot könne nicht nur positiv bewertet werden, sondern unter dem Gesichtspunkt der Effizienz durchaus negativ sein. Bereits die Herstellungskosten lägen höher und die Unterbringung von Mitarbeitern*innen in größeren Büros wäre auch nicht nur vorteilhaft. Vielmehr habe die Antragsgegnerin die ideale Raumfläche vorgegeben und die Auswirkungen einer Abweichung mit einer Formel transparent gemacht. Insofern sei zu berücksichtigen, dass ein Mehrangebot sich ungünstig auswirken könne, insbesondere sei mit einem Mehr an Fläche nicht immer ein Qualitätszuwachs verbunden, was die Antragsgegnerin auf eine Bieterfrage hin nochmals klargestellt habe.

Man habe im Übrigen auch die Planungsdaten der Bieter im Formblatt überprüft, aber keine Auffälligkeiten gefunden. Die Vermutung der Antragstellerin, dass die Beigeladene den hohen Erfüllungsgrad der Programmfläche mit planerischen Kompromissen erkauft habe (wie verspringende Flure, sonstige Nichteinhaltung geforderter Funktionen) sei unzutreffend.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin seien auch die Vorgaben zum A/V-Verhältnis (Verhältnis von Fläche zu beheiztem Volumen eines Gebäudes) transparent und methodisch nicht zu beanstanden gewesen. Die Antragsgegnerin trägt vor, dass sie mehrfach darauf hingewiesen habe, dass es nur darum gehe, die Angaben der Bieter auf Schlüssigkeit und Plausibilität zu prüfen. Die Bieter hatten nachvollziehbar zu erläutern, mit welchen anlagentechnischen Maßnahmen sie die Mindestanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG; Nachweis über energetische Anforderungen beheizter und klimatisierten Gebäude) erreichen wollten, wobei dem GEGNachweis die Herleitung des geplanten A/V-Verhältnisses zu entnehmen sein müsse. Nicht nachvollziehbare Angaben führten zu null Wertungspunkten. Ein über die nachvollziehbare Herleitung hinausgehender rechnerischer Nachweis hätte erfordert, dass Bieter weitere Angaben, wie etwa die Einreichung von Volumenmodellen und entwurfsäquivalenten Bauteil- und Gebäudeschnitten machten. Eine solche Planungstiefe sei im Rahmen des Zweitangebots, also einem sehr frühen Planungsstadium, noch nicht zu erwarten gewesen, so dass zulässigerweise die Angebotsprüfung auf Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit fachlich geboten gewesen sei. Im Übrigen habe man aber dennoch anhand der von den Bietern vorgelegten Planungen eine rechnerische Überprüfung durchgeführt, die zu dem Ergebnis geführt habe, dass bei den eingereichten Angeboten identische bzw. vergleichbare A/V Verhältnisse festgestellt wurden.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stehe das A/V-Verhältnis in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand. Spätestens bei der Vertragsabwicklung seien Gebäudekennziffern wie das A/V-Verhältnis relevant. Schließlich werde das Angebot wesentlicher Vertragsbestandteil und Abweichungen hiervon könnten einen Mangel im Sinne des § 536 a BGB darstellen.

Der Wertungsvorgabe liege keine Alles-oder-Nichts-Wertung zu Grunde. Die in Bezug genommene Rechtsprechung passe nicht. Bei der Entscheidung des BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17 gehe es um eine Preisumrechnungsmethode, nicht um die Qualitätswertung. Im Verfahren der VK Südbayern, Beschluss vom 18. Februar 2020, Z3-3-3194-1-42-10/19 sehe die Wertungsmatrix eine Differenzierung zwischen zehn und null Punkten vor. In diesem Vergabeverfahren läge die zu erreichenden Punkte näher beieinander. Außerdem seien – anders als im vorgenannten Nachprüfungsverfahren der Vergabekammer nicht nur zwei Angebote eingegangen.

Zu Ziffer 2 (angebliche Fehler im Bewertungsvorgang) trägt die Antragsgegnerin vor: Es bedurfte keiner weitergehenden Dokumentation dahingehend, dass ein Quervergleich stattgefunden hat. Die Antragsgegnerin musste keine Details herausstellen, aus denen die Bieter im Vergleich mit den Angeboten ihrer Mitbewerber Rückschlüsse auf deren positive/negative Umsetzung erkennen konnten. Zum einen lasse die Wertungsmatrix einen Quervergleich zu. Zum anderen müsse eine Vergabestelle ihre Wertungsmatrix nicht derart transparent machen, dass ein Bieter nachvollziehen könne, für welche Angaben er welche Punktzahl erhalte. Ungeachtet dessen könnten Bieter aber aufgrund der Angaben in der Funktionalen Leistungsbeschreibung und in den Mieterkonzepten erkennen, welche Angaben sich positiv bzw. negativ auf die Wertung auswirkten. Dass die Bewertung transparent war, zeige sich daran, dass dasselbe Wertungsteam in gleicher Besetzung sämtliche Angebote bewertet und die Wertungsergebnisse in Wertungsvermerken und einer Wertungsübersicht festgehalten habe. Insbesondere sei aus diesen erkennbar, dass das Konzept als solches überzeugen müsse und es insofern nicht darauf ankommen könne, dass ein anderes Konzept eine bestimmte Anforderung besser/schlechter gelöst habe. Der Vortrag der Antragstellerin sei in Bezug auf den vermeintlich fehlenden Quervergleich schließlich zu unbestimmt, da sich diesem nicht entnehmen ließe, auf welches Zuschlagskriterium sich der Vorwurf beziehe. In Bezug auf die Zuschlagskriterien 2. b) I und 2. c) II passe der Vorwurf nicht, da ein Vergleich der von den Bietern angebotenen Gebäudekennzahlen erfolge. In Bezug auf die Zuschlagskriterien 3. a) und 3. b) passe der Vorwurf ebenfalls nicht. Eine herausragende Leistung zeige sich unter anderem dadurch, dass ein Bieter ein Problem aus polizeifachlicher Sicht besser gelöst habe.

Zudem sei die Wertung in Bezug auf das A/V-Verhältnis nachvollziehbar. Die Antragsgegnerin habe mit Unterstützung des Fachberaters geprüft, bei welchen Gebäudeformen ein günstiges A/V-Verhältnis zu erwarten sei. Auf Grundlage von Schnitten, Grundrissen und Ansichten habe die Antragsgegnerin die Bieterangaben nachvollzogen. Im Ergebnis habe sie – von geringen Abweichungen abgesehen – die Angebotswerte bestätigt. Die vorhandenen Unschärfen wirkten sich nicht auf die Platzierungsreihenfolge aus, selbst wenn man nur die Angebotswerte miteinander vergleiche.

Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass sie keine zuvor nicht bekannt gemachten Unterkriterien bei der Wertung berücksichtigt habe. Damit zusammenhängend konnte sie deren Gewichtung nicht ändern. Sie habe lediglich bei der Anwendung der qualitativen Wertungskriterien auf die Angebote die sich aus den Vergabeunterlagen ergebenden technischen und funktionalen Anforderungen als Maßstab Wertungsaspekte zugrunde gelegt. Beispielsweise habe man bei der Wertung des Kriteriums 3. b) I (Funktionalität der Raumaufteilung – Schaffung der gewünschten funktionalen Zusammenhänge) insgesamt 53 Aspekte bewertet, die den polizeilichen Arbeitsalltag abbildeten. Diese Aspekte beschrieben den Leistungsgegenstand funktional, stellten mit anderen Worten Rahmenbedingungen dar, die den Bietern verdeutlichen sollten, welche funktionalen Zusammenhänge man sich wünsche. Die Antragsgegnerin weist darauf hin, dass sie die Bedeutung dieser „Funktionalen Gebäudeanforderungen“ ausweislich der Leistungsbeschreibung (FLB Seite 33 von 529 Version:2.0) als Leitlinie für die Gebäudeplanung verstanden haben wollte. Der sachliche Zusammenhang mit dem Kriterium „Funktionalität der Raumaufteilung“ erschließe sich ohne Weiteres und sei deshalb für die Bieter transparent gewesen. Insofern sei es auch nicht von ungefähr, dass kein Bieter Anlass gesehen hätte, eine Bieterfrage dazu zu stellen.

Bei Unklarheiten hätten die Bieter Bieterfragen stellen können, zumal die Aspekte bereits seit der Wertung des indikativen Erstangebots keine Unterkriterien waren. Eine Nivellierung der als Wertungsaspekt zu berücksichtigenden Prioritätsangaben sei nicht erfolgt. Dies ergebe sich aus der finalen Wertungstabelle, Zuschlagskriterium 3. b) I, in dem die Antragsgegnerin zunächst geprüft habe, ob die Angebote den funktionalen Anforderungen entsprechen und die Prio 1 oder 2 umsetzten. Nicht priorisierte Bereiche habe die Antragsgegnerin im Rahmen der Wertung nicht besonders berücksichtigt. Mit anderen Worten sei nur das in die Wertung mit aufgenommen worden, was in den Vergabeunterlagen als wertungsrelevant herausgestellt worden sei.

Auf Nachfrage der Kammer in der mündlichen Verhandlung, warum die „funktionalen Gebäudeanforderungen“ in der finalen Wertungsübersicht vom 8. November 2022 unter Ziffer 3. b) I nummeriert und eine Zahl von 1 bis 5 zugeordnet bekommen hätten, erklärte die Antragsgegnerin sinngemäß, dass der finale Wertungsvermerk nur ein Arbeitstool gewesen sei. Es sei darum gegangen, sich einen Überblick über die sehr umfangreichen Angebote zu verschaffen, um nach Einschätzung zu den einzelnen Anforderungen überhaupt einen Gesamtüberblick erhalten zu können. Anders hätte die Antragsgegnerin zwischen den Angeboten nicht nachvollziehbar differenzieren können. Auch müsse eine Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen möglich sein. Für diese Auslegung spreche, dass die Antragsgegnerin bei der Zuordnung eines Zahlenwerts keinen Mittelwert gebildet habe. Vielmehr sei es immer um den Gesamteindruck gegangen. Es sei darum gegangen, Ausreißer festzustellen. Ob man einen guten Eindruck nunmehr mit einem + / oder konkreten Zahlen benenne, sei im Ergebnis nur eine Darstellungsfrage. Um das zu verdeutlichen, hätte sie auch die Bereiche mit Farben markiert, so dass man auf einen Blick hätte erkennen können, ob und wie gut die funktionalen Anforderungen im jeweiligen Angebot erfüllt worden seien.

Die Antragsgegnerin habe das Angebot der Antragstellerin in Bezug auf die funktionelle Nutzbarkeit der Stellplätze mit nachvollziehbarer Begründung mit weniger Punkten bewertet. Insbesondere enthalte das Konzept weniger Motorradstellplätze als erforderlich. Die Dienstmotorräder der Polizei hätten größere Maße als ein Standardmotorrad, was der Antragstellerin bekannt gewesen sein dürfte.

Im Übrigen seien für die Wertung im Zusammenhang mit den Stellplätzen die Motorradstellplätze nur ein Grund gewesen, warum die Antragstellerin nicht die volle Punktzahl erhalten habe. Selbst eine Aufwertung in Bezug auf die Motorradstellplätze führe insgesamt zu keiner besseren Bewertung.

Im Übrigen trägt die Antragsgegnerin vor, dass sie sich selbst mit der Wertung auseinandergesetzt und eine eigene Wertungsentscheidung getroffen habe. Das Projektteam der Vergabestelle habe die Angebotsprüfung und -wertung der Fachberatung durchgehend begleitet und inhaltlich erörtert. Die Fachberatung habe die Angebotswertung betreut und die Wertungsergebnisse auf ihrem Briefbogen dokumentiert. Die abschließende Entscheidung hinsichtlich Prüfung und Wertung der Angebote erfolgte stets durch den Auftraggeber mit Unterstützung der fachlichen Beratung. Dies ließe sich daran erkennen, dass die Wertungsergebnisse des Fachberaters im Bieterinformationsschreiben der Antragsgegnerin an die Antragstellerin vom 11. November 2022 enthalten waren und die Antragsgegnerin diese sogar noch ergänzt habe.

Da die Antragsgegnerin sich nicht auf die Wertung von nur vier Angeboten festgelegt habe, stelle die Verhandlung mit fünf Bietern keinen Vertragsverstoß dar. Bei der in den Vergabeunterlagen enthaltenen Begrenzung auf vier Bieter handele es sich nur um eine Soll-Vorgabe. Nach Ziffer 2.3 der Vergabeunterlagen Allgemeiner Teil behalte sich die Antragsgegnerin vor, den Ablauf des Vergabeverfahrens aus Zweckmäßigkeitsgründen zu ändern. Zweckmäßig sei zum einen die Steigerung des Wettbewerbs, wobei kein Bieter einen Anspruch dahingehend habe, mit nur drei weiteren Bieter im Wettbewerb zu stehen. Weiterhin ergäbe sich die Zweckmäßigkeit aus dem Verlauf des Vergabeverfahrens. Es seien wesentlich weniger Angebote als angenommen eingegangen. Die Antragsgegnerin hätte nunmehr zunächst Bieter zurückstellen und erforderlichenfalls aufwändig durch teilweise Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in die Wertung zurückholen können. Zweckmäßiger, weil weniger aufwändig, sei es insoweit gewesen, ein zusätzliches Verhandlungsgespräch zu führen.

Die Antragsgegnerin hält die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig. Beim Vergaberecht handele es sich um eine überdurchschnittlich komplexe Rechtsmaterie, die von EU-rechtlichen Fragestellungen überlagert sei. Außerdem seien in einem Nachprüfungsverfahren als kontradiktorischem Verfahren sehr kurze Stellungnahmefristen zu beachten. Jedenfalls in diesem Verfahren sei die Unterstützung durch einen Verfahrensbevollmächtigten erforderlich gewesen, da das Verfahren besonders umfangreich gewesen sei. Schließlich setzte sich die Vergabestelle aus Polizeibeamten zusammen, von denen nur einer ein mit dem Vergaberecht nicht betrauter Volljurist sei. Es gehe im Übrigen nicht um die einer Vergabestelle zukommende originäre Aufgabe der Angebotserstellung, sondern um detailreiche und schwierig gelagerte Wertungsfragen.

Die Beigeladene erhielt Gelegenheit zum Vortrag. Sie hat sich aber nicht durch die Vorlage von Schriftsätzen am Nachprüfungsverfahren beteiligt und keinen Antrag gestellt.

Der Vorsitzende hat die Frist für die Entscheidung der Vergabekammer gemäß § 167 Abs. 1 GWB bis Ablauf des 30. April 2023 verlängert. Am 3. Februar 2023 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Vergabeunterlagen und die Niederschrift aus der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

II.

Die Zuständigkeit der Vergabekammer Westfalen ergibt sich aus § 156 GWB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 VK ZuStVO NRW, weil die Antragsgegnerin ihren Sitz im Zuständigkeitsbereich der Vergabekammer Westfalen hat und der Auftragswert oberhalb des für Bauleistungen erforderlichen Schwellenwertes liegt, §§ 106 Abs. 2 Nr. 1, 1. Hs. GWB, Art. 4 a) der Richtlinie 2014/24/EU in Verbindung mit Art. 1 Nr. 1 a) der delegierten Verordnung 2021/1952/EU.

Der Nachprüfungsantrag ist erfolglos, da er nur teilweise zulässig und im Übrigen unbegründet ist.

1. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise unzulässig.

1.1. Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ergibt sich weit überwiegend aus § 160 Abs. 2 GWB. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe ihres indikativen Erstangebots und finalen Angebots dokumentiert (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. August 2021, Verg 52/20). Auf Grundlage ihres Vortrags erscheint es möglich, dass sowohl die Wertungsgrundlage als auch die konkrete Bewertung fehlerhaft sind und sie hierdurch insbesondere in ihrem Anspruch auf ein transparentes Vergabeverfahren aus §§ 97 Abs. 6, 1 Satz 1 GWB verletzt ist.

Ein Schaden der Antragstellerin nach § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB scheidet allerdings aus, soweit die Antragsgegnerin unmittelbar Verhandlungen mit allen fünf, also auch dem nachplatzierten Bieter, aufgenommen hat.

Die Kammer brauchte nicht darüber zu entscheiden, ob die Antragsgegnerin entgegen der Bekanntmachung überhaupt mit fünf Bietern Verhandlungen aufnehmen durfte. Ein Vergabeverstoß könnte sich daraus ergeben, dass die Antragsgegnerin entgegen der eigenen Vorgaben ein Scheitern mit den ausgewählten Bietern nicht abgewartet und die Erwartungen der bereits ausgewählten Bieter an ein transparent geführtes Vergabeverfahren enttäuscht hat (vgl. insoweit Vergabekammer Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 22. Juni 2012, VK 1-15/12).

Durch die Verhandlung mit fünf Bietern haben sich die Zuschlagschancen der Antragstellerin jedenfalls nicht verringert. Indem die Antragsgegnerin das Angebot eines Bieters vor Wertung ausgeschlossen hat, haben insgesamt nur vier Angebote um den Zuschlag konkurriert.

1.2. Die Rügen der Antragstellerin sind teilweise präkludiert.

Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1, Nr. 3 GWB sind Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar sind spätestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist gegenüber dem Auftraggeber zu rügen.

a) Die Erkennbarkeit eines Verstoßes gegen Vergabevorschriften nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist objektiv zu bestimmen: Entscheidend ist die Sicht eines durchschnittlichen, fachkundigen und die übliche Sorgfalt anwendenden Bieters mit üblichen Kenntnissen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2020, Verg 20/19; Beschluss vom 3. April 2019, Verg 49/18; OLG Schleswig, Beschluss vom 22. Januar 2019, 54 Verg 3/18). Diesem müssen bei Durchsicht und Bearbeitung der Vergabeunterlagen sowohl die den Vergaberechtsverstoß begründenden tatsächlichen Umstände als auch dessen Vergaberechtswidrigkeit auffallen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Mai 2019, Verg 47/18). Für die Erkennbarkeit der Vergaberechtswidrigkeit genügt die laienhaft rechtliche Bewertung, dass etwas nicht stimmt, wobei keine übersteigerten Erwartungen an den Bieter zu stellen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. April 2019, Verg 49/18). Die Geltendmachung eines Vergaberechtsverstoßes im Nachprüfungsverfahren ist mit Blick auf den durch die Rechtsmittelrichtlinie der Union garantierten Primärrechtsschutz erst präkludiert, wenn der vorgenannte Bieter bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt den Vergaberechtsverstoß erkennen musste (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018, Verg 24/18). Dies kommt jedenfalls bei offensichtlichen, ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht, die einem Bieter bei der bloßen Durchsicht der Vergabeunterlagen auffallen bzw. sich ihm aufdrängen müssen (OLG Düsseldorf, 13. Mai 2019, Verg 47/18). Gleiches gilt, wenn der Bieter in tatsächlicher oder rechtlicher Unkenntnis in einer Weise verharrt, die hinsichtlich eines möglichen Vergaberechtsverstoßes als ein mutwilliges Sich-der-Erkenntnis-Verschließen zu bewerten ist (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juni 2019, VII-Verg 54/18). Ein Unternehmer, der an einem EU-weiten Vergabeverfahren teilnimmt, muss zumindest den Text der einschlägigen Verfahrensordnungen zur Kenntnis nehmen; Ungereimtheiten oder Widersprüchlichkeiten der Vergabeunterlagen muss er nachgehen, auch wenn er die genaue Rechtslage nicht kennt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. September 2022, 15 Verg 8/22). Dies gilt erst Recht, wenn der Unternehmer Teilnehmer eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb ist und sich mit den Vergabeunterlagen bereits vor Abgabe seines finalen Angebots auseinandersetzen muss, um ein erstes indikatives Angebot überhaupt erstellen zu können.

b) Ein durchschnittlicher und fachkundiger Bieter hätte bei Anwendung der üblichen Sorgfalt bereits auf Grundlage der Bewertungsvorgabe – und nicht erst bei Mitteilung des Wertungsergebnisses – erkennen können, dass es der Antragsgegnerin bei der Preiswertung allein auf einen Vergleich der angebotenen Gesamtmietpreise ankommt. Erkennbar nicht mit aufgenommen sind Art und Umfang des Mietobjekts bzw. weitere Kriterien, die den Preis ins Verhältnis zur angebotenen Leistung setzen. Insbesondere ergibt sich aus den Vergabeunterlagen keine besondere Bedeutung der Stellplätze.

Nach der zu Grunde liegenden und bereits im Teilnahmewettbewerb veröffentlichten und seitdem unverändert bestehenden Bewertungsmatrix ist für die Wertung der Vergleich der „Summe[n] aus Kalt- und Stellplatzmieten gemäß Preisblatt“ entscheidend, wobei das Preisblatt nur die Gesamtsumme aus Kaltmiete, Garagen-Stellplätze, Carport-Stellplätze und offene Stellplätze abfragt. Mit dieser Anforderung mussten sich die Bieter im Zusammenhang mit der Abgabe des Erstangebots auseinandersetzen, sodass ein etwaig fehlender „Korrekturfaktor“ bereits zu diesem Zeitpunkt hätte auffallen müssen. Immerhin mussten die Bieter schon für das Erstangebot ein hinreichend konkretes Konzept einreichen, welches unter anderem Angaben zur Größe des zu errichtenden Gebäudes und zur Anzahl der Stellplätze enthalten musste. Hinsichtlich der Stellplätze ergaben sich die Vorgaben der Antragsgegnerin aus der Parkplatzliste, wobei zusätzlich eine Erläuterung im Parkraumkonzept zu finden war. Dass die Anzahl der Stellplätze Auswirkungen auf den Gesamtpreis haben musste, war allen Bietern aufgrund des Preisblattes bewusst. Die Antragsgegnerin hat im Verfahren schließlich auf ihren Flächenbedarf hingewiesen und dargelegt, welche funktionalen, qualitativen und wirtschaftlichen Anforderungen das Mietobjekt erfüllen muss. Wie die Bieter diese Anforderungen realisieren, war Gegenstand der ausgeschriebenen Planungsaufgabe.

Der öffentliche Auftraggeber ist im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens nicht verpflichtet, seine Vorgaben – beispielsweise zu den Stellplätzen – näher zu konkretisieren. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin muss der öffentliche Auftraggeber seine Vorstellungen in einem Verhandlungsverfahren nicht durch „Mindestanforderungen“ deutlich machen, die eine funktionale und damit unmittelbare Vergleichbarkeit der Konzepte bewirken. Dann läge die Ausschreibung im Bereich eines offenen Verfahrens, in dem die Leistungsbeschreibung genau vorgibt, welche Inhalte die Angebote haben müssen. Das gilt auch für kostenintensive Leistungsbestandteile wie die Anzahl der Stellplätze. Demzufolge waren die Vorgaben der Antragsgegnerin, deren Auswirkungen auf die Konzepte und Preise der Bieter ohne Weiteres aus den Vergabeunterlagen erkennbar. Der Maßstab war deutlich – alles Weitere blieb den Bietern überlassen. Insofern hätte die Antragstellerin – falls sie das nunmehr anders sieht – früher rügen müssen.

Gleiches gilt für die Hinweisliste: Die Antragsgegnerin hat für die Bieter erkennbar gemacht, welche Bedeutung sie der Hinweisliste beimaß. Diese war lediglich Maßstab, keineswegs aber eine konkrete Vorgabe oder sogar eine Mindestanforderung in der Leistungsbeschreibung eines offenen Verfahrens. Dass die Hinweisliste den Bietern nach Auffassung der Antragstellerin nicht weiterhalf, hätte sie unmittelbar nach Zugang mit einer Rüge deutlich machen müssen.

Ungeachtet der Frage, ob ein präkludierter Vergabeverstoß überhaupt noch Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens sein kann (vgl. bejahend: OLG Schleswig, Beschluss vom 15. April 2011, 1 Verg 10/10; verneinend wohl: BayObLG, Beschluss vom 17. Juni 2021, Verg 6/21; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. September 2019, Verg 10/19), bestand aufgrund der erkennbaren funktionalen Vorgaben kein Anlass, das Vergabeverfahren von Amts wegen aufzugreifen.

c) Für einen objektiven Bieter war ebenfalls erkennbar, dass ein Überangebot an Fläche zu einer Abwertung im Zuschlagskriterium 2. b) I „Bewertung der Erfüllung der Programmflächen gemäß Raumliste“ führt. Die Bekanntmachung weist auf das Ziel hin, den Baukörper mit Blick auf seine Fläche effizient zu errichten. Dieses Ziel findet sich in der Gliederung der Wertungsmatrix wieder. Die Wertungsmatrix überschreibt das Zuschlagskriterium 2 mit „Qualität / Effizienz“. Die Gliederungsziffer a) betrifft nunmehr die „Bewertung hinsichtlich der angebotenen Qualitäten“, die Gliederungsziffern b) und c) betreffen ausweislich ihrer Überschriften zum einen die Flächen- und zum anderen die Energieeffizienz. Diese Unterscheidung zeigt, dass es nicht um ein „Mehr“ an Fläche und eine größere Funktionsbreite geht. Im Gegenteil zeigt das streitige Zuschlagskriterium 2. b) I., dass die Bestwertung dasjenige Angebot erhält, welches die „geringsten Abweichungen bzgl. der Quadratmeter“ aufweist. Eine Abweichung kann sprachlich sowohl in einem Unter als auch in einem Überangebot liegen. Entsprechende Formulierungen finden sich weiterhin im Verfahrensbrief vom 25. Juni 2021, mit dem die Antragsgegnerin die Wertungsformel offengelegt hat. Erkennbar spricht sie insoweit nur von Abweichung, nicht aber von Unterschreitung.

Der von der Antragstellerin herausgearbeitete, vermeintliche Widerspruch in der Wertung, dass ein Mehrangebot an Fläche sich sowohl im Preis als auch bei der Bewertung der Qualität im Zuschlagskriterium 2. b) I auswirkt, war erkennbar. Denn ein Mehrangebot an Fläche führt zwingend zu steigenden Herstellungskosten.

d) Der Vortrag der Antragstellerin ist weiterhin präkludiert, soweit sie sich gegen die Ausgestaltung der Zuschlagskriterien 2. c) II wendet. Auf Grundlage der Zuschlagsmatrix konnte ein objektiver Empfänger erkennen, dass die Antragsgegnerin das A/VVerhältnis in die Bewertung mit einbezieht und wie sie dieses ermittelt, nämlich Oberfläche der thermischen Gebäudehülle in m² geteilt durch beheiztes Volumen in m³. Dass die Antragsgegnerin die Bieterangaben nur auf Plausibilität prüft, ergibt sich spätestens aus dem Verfahrensbrief vom 25. Juni 2021. Mit Blick auf den Sinn und Zweck der Präklusionsvorschriften, einem öffentlichen Auftraggeber die Gelegenheit zur Überarbeitung der Vergabeunterlagen zu geben, um ein unnötiges Vergabeverfahren zu vermeiden (vgl. Nowak, in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Auflage 2019, GWB, § 160, Rn. 52), hätte ein objektiver Bieter bereits vor Abgabe des Erstangebots seine Bedenken zum nicht hinreichenden Auftragsbezug, zur fehlenden Bestimmtheit und zur Ungeeignetheit zur Ermittlung des Maßes an Energieeinsparung vortragen können und bis zur Abgabe des finalen Angebots auch müssen. Dasselbe gilt zur beabsichtigten Prüfung der von den Bietern ermittelten A/V-Werte nur auf Plausibilität.

Dass die Antragstellerin erst am 15. August 2022, also nach Kenntnis der Bewertung des finalen Angebots ihre Bedenken mitteilt, genügt nicht.

e) Dass die Antragsgegnerin aufgrund der Rügen erneut in die Wertung eingestiegen ist, steht der Präklusion nicht entgegen. § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB begründet für die Bieter eine Obliegenheit, rechtzeitig zu rügen oder mit der Geltendmachung eines Vergabeverstoßes im Vergabenachprüfungsverfahren ausgeschlossen zu sein (OLG Dresden, Beschluss vom 7. Mai 2010, WVerg 6/10). Rechtzeitigkeit im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB erfordert eine Rüge bis Angebotsabgabe. Selbst wenn es der Antragsgegnerin nicht bloß um eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Wertung gegangen wäre, sondern sie das Vergabeverfahren in einen Zustand vor Wertung zurückversetzt hätte, ändert dies nichts daran, dass der für die Präklusion maßgebliche Zeitpunkt bereits verstrichen war. Die Antragsgegnerin kann sich mit anderen Worten auf die Präklusion berufen.

f) Für einen durchschnittlichen und fachkundigen Bieter war nicht erkennbar, ob die Antragsgegnerin die konkrete Bewertung transparent und ohne Diskriminierung durchgeführt hat oder sich in der Bewertung eine in der Wertungsgrundlage angelegte disproportionale Wertungsmethode realisiert hat.

Dies betrifft zum einen die Frage, in welchem Umfang sich eine Abweichung von den Stellplatzvorgaben auf die Qualitätswertung auswirkt. In der Wertungsmatrix hat die Antragsgegnerin im Zuschlagskriterium 3. a) IV, „Funktionalität der Außenanlagen und Fahrzeugabstellanlagen“ nur den Bewertungsmaßstab beschrieben. In den Vergabeunterlagen ist ebenfalls kein Hinweis enthalten. Die Stellplatzanzahl benennt die Antragsgegnerin in der Parkplatzliste und erläutert im Parkraumkonzept, dass es sich insoweit um „eine Mindestart an Unterbringung“ handelt.

Weiterhin konnte ein durchschnittlicher und fachkundiger Bieter nicht erkennen, dass die vermeintliche „Alles-oder-Nichts“-Wertungsmethode im Rahmen der Zuschlagskriterien 2. c) I und 2. c) II den Viertplatzierten möglicherweise benachteiligt. Die Rechtsregeln, denen die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Angebote unterliegen, sind vielschichtig, komplex und der dem Bieter nicht zugänglichen Sphäre der Antragsgegnerin zuzuordnen (so auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Januar 2014, Verg 26/13; Beschluss vom 29. April 2015, Verg 35/14).

2. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er unbegründet.

2.1. Indem die Antragsgegnerin den 22 „Aspekten“ und den 53 „funktionalen Gebäudeanforderungen“ in der „Ergebnisdarstellung der durchgeführten Neuwertung“ vom 8. November 2022 eine Zahl von 1 von 5 zugeordnet hat, hat sie nicht gegen § 127 Abs. 5 GWB verstoßen: Sie hat in der Wertung keine nicht bekannt gemachten Unterkriterien berücksichtigt. Vielmehr dokumentiert die Wertungsübersicht nur den Gesamteindruck/den Erfüllungsgrad, den die Antragsgegnerin in Bezug auf die Erfüllung der Unterkriterien 3. a) IV bzw. 3. b) I hat.

Die nachträgliche Einführung von Unterkriterien verstößt gegen den Transparenzgrundsatz, da potentielle Bieter bei der Vorbereitung ihrer Angebote ihre Erfolgschancen kennen müssen (EuGH, Urteil vom 24. Januar 2008, C-532/06). Ein Unterkriterium kennzeichnet sich nicht nur dadurch, dass es ein (Haupt-)Zuschlagskriterium präziser ausgestaltet und dem Bieter ausführlich, konkret und detailgenau eine Richtung vorgibt, in die das Angebot zu erstellen ist (OLG Dresden, Beschluss vom 2. Februar 2017, Verg 7/16; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12. April 2022, 11 Verg 11/21). Es soll dem Auftraggeber auch eine weitergehende Differenzierung zwischen den Angeboten ermöglichen, um auf dieser Grundlage eine nachvollziehbare Auswahlentscheidung treffen zu können. Ein Zuschlagsunterkriterium zeichnet sich mit anderen Worten dadurch aus, dass es im Rahmen der Bewertung einen Punktwert erhält und sich dieser – je nach Wertungsmethode verschiedentlich (vgl. insoweit Opitz, in Beck´scher Vergaberechtskommentar, 4. Auflage 2022, GWB, § 127 Rn. 130 ff.) – in der Gesamtwertung wiederfindet. In Abgrenzung hierzu sind mit Blick auf den einem öffentlichen Auftraggeber bei der Wertung zukommenden Beurteilungsspielraum nicht sämtliche Überlegungen, die er im Rahmen der Wertung anstellt, gleich Zuschlagskriterien (VK Bund, Beschluss vom 21. November 2013, VK 2 102/13). Immerhin muss ein öffentlicher Auftraggeber sich mit den Angebotsinhalten auseinandersetzen und diese unter die Zuschlagskriterien subsumieren können (vgl. wie vor).

Nach der von der Kammer zu treffenden Einzelfallentscheidung dienen die 53 „funktionalen Gebäudeanforderungen“ und die 22 „Aspekte“ dazu, den Bietern die Rahmenbedingungen für das zu errichtende Polizeipräsidium vorzugeben. Es geht darum, den Grad der Übereinstimmung der Angebote in Bezug auf die Funktionalität überprüfen zu können, die Konzepte also unter die vielfältigen funktionalen Anforderungen zu subsumieren. Bei der Wiedergabe weiter Teile der funktionalen Leistungsbeschreibung, der „funktionalen Gebäudeanforderungen“ und der „Aspekte“ handelt es sich mit anderen Worten um eine Arbeitshilfe, die den Gesamteindruck eines Angebots hinsichtlich eines Zuschlagsunterkriteriums zusammenfasst.

Für diese Interpretation spricht insbesondere, dass die Arbeitshilfe keinen Punktwert enthält, der sich bei der Gewichtung der Wertungsmatrix wiederfindet. Die Wertungsmatrix enthält vier Zuschlagskriterien, die sich teilweise in Unterkriterien aufgliedern, wobei die Summe der in den Unterkriterien zu erreichenden Punktzahlen der maximal zu erreichenden Punktzahl entspricht. Die den funktionalen Beschreibungen zugeordneten Zahlen finden sich in dieser Bewertung nicht wieder.

Weiterhin hat die Antragsgegnerin entgegen der Auffassung der Antragstellerin die funktionalen Anforderungen nicht gewichtet. Dies zeigt sich in der „Ergebnisdarstellung der durchgeführten Neuwertung“ vom 8. November 2022 beispielsweise unter Zuschlagskriterium 3. a) IV bei den an die Zwingeranlagen gestellten funktionalen Anforderungen. Hinsichtlich des Standorts der Zwingeranlagen ist die Antragsgegnerin in Bezug auf das Konzept der Antragstellerin von einem nur mittelmäßigen und hinsichtlich des Konzepts eines anderen Bieters von einem sehr guten Erfüllungsgrad ausgegangen. Der Argumentation der Antragstellerin folgend müsste das Konzept des Mitbewerbers mit anderen Worten insgesamt ebenfalls sehr gut abschneiden, was es nicht tut. Es spricht viel dafür, dass das vorgenannte Dokument den Gesamteindruck der Antragsgegnerin wiedergegeben hat und dieser Eindruck wesentlich von einer ungünstig platzierten Zwingeranlage geprägt war.

Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin die einzelnen funktionalen Gebäudeanforderungen in der finalen Wertungsübersicht aufgenommen und ihnen eine Zahl von 1 bis 5 zugeordnet hat. Bei der finalen Wertungsübersicht handelt es sich um ein Arbeitstool, um den Grad der Erfüllung einzelner Unterkriterien in Bezug auf die Vielzahl der unterschiedlichen funktionalen Anforderungen überhaupt überblicken und dokumentieren zu können. Es geht darum, den Gesamteindruck des Angebots abzubilden. Bei einem Konzeptwettbewerb – wie dem vorliegenden – erschöpft sich der Gesamteindruck nicht in der (Nicht-)Erfüllung einer funktionalen Anforderung. Es geht um die sinnvolle Verbindung der sich teilweise widersprechenden funktionalen Anforderungen, um ein in sich stimmiges und nutzbares Gesamtkonzept zu erhalten. Auch wenn die Zuteilung einer Zahl eine Bewertung nahelegt, handelt es sich lediglich um eine unglücklich gewählte Darstellungsmethode.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin konnten Bieter auf Grundlage der Formulierungen „Prio 1“ und „Prio 2“ nicht davon ausgehen, dass die Erfüllung einer funktionellen Anforderung der „Prio 1“ mit einer herausgehoben guten Bewertung einhergeht. Insofern hätte es sich wiederum um eine konkrete Zielvorgabe, also ein Unterkriterium gehandelt, welches die Antragsgegnerin nicht vorgegeben hat.

2.2. Im Übrigen liegt kein Verstoß gegen die von der Antragstellerin nur pauschal in Bezug genommenen Vergaberechtsgrundsätze Transparenz, Gleichbehandlung und Wettbewerb nach § 97 Abs. 1 und 2 GWB vor.

a) Die Wertungsgrundlage ist transparent im Sinne des § 97 Abs. 1 GWB und lässt eine nicht willkürliche Erteilung des Zuschlags nach § 127 Abs. 4 Satz 1 GWB zu. Die Antragsgegnerin hat die Anmietung eines neu zu errichtenden Polizeipräsidiums im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben und musste den Bietern nicht die Methode zur konkreten Bewertung offenlegen, insbesondere nicht, welche konkrete Erwartungshaltung sie etwa hinsichtlich der Stellplatzvorgaben von einer guten Leistungserbringung erwartete.

aa) Zunächst hat die Antragsgegnerin die Anmietung eines neu zu errichtenden Polizeipräsidiums im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb nach § 119 Abs. 5 GWB ausgeschrieben. Dieses „kennzeichnet sich dadurch, dass der öffentliche Auftraggeber in der Ausschreibung keine in allen Einzelheiten festgeschriebene Leistungsbeschreibung vorgibt, sondern lediglich seine Bedürfnisse und Vorstellungen darlegt, damit die Unternehmen mit ihren Ideen und Konzepten die Verwirklichung dieser Vorstellungen innovativ herbeiführen“ (VK Westfalen, Beschluss vom 15. Juni 2022, VK 1 – 10/22).

Diese Offenheit der Verfahrensgestaltung findet sich in der Ausgestaltung der Wertungskriterien wieder. Die Vergabestelle ist nicht verpflichtet, den potentiellen Bietern die Bewertungsmethode, die sie zur konkreten Bewertung und Einstufung der Angebote anwenden wird, zur Kenntnis zu bringen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2016, C6/15). Aus Transparenzgesichtspunkten genügt es, wenn der Auftraggeber die an die Bieter gestellten Anforderungen hinreichend verdeutlicht (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17): Bei einem „Konzeptwettbewerb mit einer Bewertung anhand eines abstrakt formulierten, offenen Bewertungsmaßstab[s] ähnlich Schulnoten ist [erforderlich], dass die Bieter anhand der Vorgaben der Vergabeunterlagen, insbesondere der Leistungsbeschreibung, erkennen können, worauf der jeweilige Auftraggeber Wert legt“ (VK Bund, Beschluss vom 4. April 2022, VK 2 24/22; siehe auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. August 2019, Verg 56/18). Würde man dem Auftraggeber nunmehr aufgeben, seinen bewusst abstrakt und offen ausgestalteten Bewertungsmaßstab dahingehend zu konkretisieren, dass er den Bietern vorgibt, wie sie die vorgegebenen Rahmenbedingungen mit Blick auf eine gute Bewertung umsetzen müssen und wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl für das Konzept abhängen soll, liefe dies auf ein partiell anderes Vergabeverfahren hinaus, als vom Auftraggeber ursprünglich beabsichtigt (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17). Einer funktionalen Ausschreibung ist immanent, dass der Auftraggeber dem Wettbewerb Rahmenbedingungen zur Lösung einer Aufgabe überlässt. Dieser soll selbst Lösungsvorschläge entwickeln, an die ggf. auch der öffentliche Auftraggeber im Vorfeld nicht gedacht hat. Die Konkretisierung des Bewertungsmaßstabs und die Vorgabe von Lösungskomponenten führt nunmehr dazu, dass Bieter die Bewertungsmaßstäbe zwangsläufig aufgreifen würden, um in der Angebotswertung bestehen zu können (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17). Dies gilt nicht nur bei standardisierten Leistungen (was der BGH ausdrücklich offengelassen hat), sondern auch bei einem komplexen Auftragsgegenstand. Diesbezüglich ist allerdings zu berücksichtigen, dass mit steigender Komplexität wechselwirkend die Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit der Rahmenbedingungen steigen. Die Offenheit des Verhandlungsverfahrens darf nicht dazu führen, dass Bieter nicht mehr miteinander vergleichbare Angebote abgeben bzw. nicht mehr erkennen können, was von ihnen verlangt ist.

Ausgehend von den Vergabeunterlagen – Allgemeiner Teil, Stand vom 1. April 2022 konnten potentielle Bieter – auch ohne Auslegung – ihren Planungsauftrag erkennen: Ihre Aufgabe bestand darin, ein Konzept für „das modernste, funktional beste und architektonisch anspruchsvollste Polizeipräsidium Deutschlands“ eigenständig zu entwickeln, wobei eine besondere Herausforderung nach der Bekanntmachung insbesondere auf der effizienten und funktionalen Nutzung der Fläche lag. Diese Aufgabe hat die Antragsgegnerin in der Raumliste allgemein und in über 53 funktionalen Anforderungen konkretisiert. Die Konkretisierungen der einzelnen Anforderungen umfassten jeweils Überlegungen zur „Aufgabe/Tätigkeiten“ des unterzubringenden Bereichs, „Funktionale Beziehungen/Abhängigkeiten in der eigenen Dienststelle“, „Funktionale Beziehungen/Abhängigkeiten mit anderen Dienststellen“, „Publikumsverkehr“, „Lage Dienststelle/Funktionsräume/Funktionsflächen“, „Sicherheitsbedarf“, „Ausstattungsbedarf“ und „Sonstiges“. Die Anforderungen beschreiben etwa, welche funktionalen Beziehungen die Direktion „Gleichstellung“ mit der Behördenleitung haben und an welchem Standort diese angesiedelt sein sollte. Wie die Vorgaben in einem Konzept übereinander zu bringen sind, überlässt die Antragsgegnerin der Kreativität der Bieter. Bei den Funktionsanforderungen handelt es sich nur um unverbindliche Lösungsansätze.

Entsprechendes gilt für die Stellplatzvorgaben. Die Erwartungen der Antraggegnerin in Hinblick auf die Bewertung sind insoweit eindeutig. Es bedurfte weder einer Auslegung der Vergabeunterlagen (etwa orientiert an einer Branchenkenntnis oder vergleichbarer Vergabeverfahren der Antragsgegnerin) noch einer gesonderten Klarstellung, welche Bedeutung die Stellplätze im Rahmen der Wertung haben sollen. Die Bieter konnten auf Grundlage des Parkraumkonzepts und der KFZ-Parkplatzliste (jeweils Teil der „Vergabeunterlagen Zweitangebotsphase“) die Rahmenbedingungen erkennen, die für die Antragsgegnerin im Rahmen der Wertung des anzubietenden Parkraums wesentlich sind. Insbesondere legt das Parkraumkonzept unter Verweis auf die KFZ-Stellplatzliste fest, wie viele Stellplätze ein Bieter mindestens anbieten sollte, zu welcher Kategorie der Stellplatz gehört und wie groß ein Stellplatz demzufolge sein muss. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin enthalten Parkraumkonzept und KFZ-Stellplatzliste keinen Hinweis darauf, dass ein Mehrangebot an Stellplätzen zu einer besseren Bewertung führt. Dies ergibt sich auch nicht aus den Vergabeunterlagen – Allgemeiner Teil, Stand vom 1. April 2022, wonach ein Bieter Parkraum für „mehr als 350 Dienstfahrzeuge sowie rund 700 Stellplätze“ schaffen muss. Diese Circa-Angabe entspricht in etwa den Konkretisierungen der KFZ-Stellplatzliste.

bb) Dass ein Angebot von nur wenigen Stellplätzen sich im Rahmen der Qualitätswertung im Verhältnis zur Preiswertung nur geringfügig auf die Gesamtpunktzahl auswirkt, führt nicht zu einer disproportionalen und widersprüchlichen Wertungsmatrix. Vielmehr ist die Wertungsmatrix in Bezug auf die Zielvorgabe eines in sich abgestimmten Konzeptentwurfs stimmig. Ein öffentlicher Auftraggeber kann über die Bestimmung und Gewichtung von Zuschlagskriterien festlegen, welche Qualität eine Leistung vorzugsweise haben soll; insoweit kommt ihm ein weiter Handlungs- und Beurteilungsspielraum zu, der nur darauf zu kontrollieren ist, ob der öffentliche Auftraggeber Verfahrensvorschriften und Begründungspflichten eingehalten, den Sachverhalt richtig ermittelt hat und kein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliegt (OLG Celle, Beschluss vom 11. September 2018, 13 Verg 4/18). Die Grenze zur Vergaberechtswidrigkeit ist erst überschritten, wenn qualitative Bewertungskriterien einzeln oder in ihrer Gesamtheit ein Gewicht zugemessen wird, das sachlich nicht zu rechtfertigen ist (vgl. aaO).

Die Antragsgegnerin hat ein in sich stimmiges Gesamtkonzept ausgeschrieben und die Zuschlagskriterien Preis, Anforderungen an das Gebäude, die spätere Nutzbarkeit und Lage des Grundstücks in ein sachlich nachvollziehbares Verhältnis gesetzt. Der Wertungsmatrix lässt sich entnehmen, dass mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung Wertungspunkte erzielbar sind. Keinem Wertungskriterium (und auch keinem Unterkriterium) kommt eine mit Blick auf die Gestaltungsfreiheit der Bieter nicht nachvollziehbare, herausgehobene Bedeutung zu. Insbesondere lässt die Wertungsmatrix keine Übervorteilung einer bestimmten Schwerpunktsetzung zu: Vielmehr ist es möglich, eine schlechte Bewertung eines Kriteriums in einem anderen auszugleichen. Insbesondere ist die Gewichtung der funktionalen Anforderungen in Bezug auf die Stellplätze nicht unverhältnismäßig. Zum einen ist die Bewertung der „Außenanlagen einschl. Stellplätze“ nur eine Zielvorgabe, die im Rahmen der „Funktionalität der äußeren Erschließung“ neben den Anforderungen „Anordnung der/des Gebäude(s) auf dem Gelände / Zu& Ausfahrten / Gebäudeerschließung (Hauptund Nebeneingänge)“ Beachtung findet. Zum anderen hat die Antragsgegnerin eine besondere Bedeutung der Stellplätze während des gesamten Vergabeverfahrens nicht geäußert. Dass die Antragsgegnerin die Maße der Stellplätze in einer Antwort auf eine Bieterfrage definiert hat, verdeutlicht nur ihren Bedarf. Der für die Antragstellerin erstellten Hinweisliste sind ebenfalls keine besonderen Vorgaben dahingehend zu entnehmen. Die Antragsgegnerin hat rein objektiv auf ein Abweichen von der Soll-Vorgabe hingewiesen. Aus der Feststellung einer Differenz zwischen Soll und Ist ergibt sich keine herausgehobene Bedeutung.

Bei einem großen Infrastrukturvorhaben, wie der Neuerrichtung eines Polizeipräsidiums, lässt sich nicht auf eine marktüblicherweise große Bedeutung von Stellplätzen schließen. Große Infrastrukturvorhaben kennzeichnen sich dadurch, dass eine Vielzahl von Funktionen gleichzeitig zu verwirklichen sind. Ein neu zu errichtendes Polizeipräsidium stellt etwa andere funktionale Anforderungen als eine neu zu errichtende Hochschule. Auch mehrere Polizeipräsidien müssen mit Blick auf Schwerpunktzuständigkeiten nicht dieselben funktionalen Anforderungen aufweisen. Wann eine Asservatenkammer, Verhörräume oder die Waffenkammer eine gute Bewertung zulassen, bedarf der Vorgabe und Prüfung im Einzelfall durch den öffentlichen Auftraggeber.

Der Vorwurf fehlender Transparenz bestätigt sich im Übrigen nicht, da es zu einer bewussten Ausnutzung von den Leistungsvorgaben durch einen Bieter nur dann hätte kommen können, wenn dieser diese Leistungsvorgaben im Vorfeld gekannt hätte. Das war aber nicht der Fall.

cc) Die Bewertungsmatrix ist in Bezug auf die Zuschlagskriterien 2. c) I und 2. c) II nicht vergaberechtswidrig, da es zu keiner fehlerhaften Unterbewertung des Angebots des viertplatzierten Bieters kommen kann.

Zunächst unterliegt es nur dem auf die Einhaltung der rechtlichen Grenzen überprüfbaren Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers, wie er die Bewertung organisiert und strukturiert (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. März 2021, Verg 34/20). Die Wertungskriterien sind – anders als in dem von der Antragstellerin in Bezug genommenen Beschluss des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Januar 2014, 26/13 – nicht vergaberechtswidrig, da das gesamte Wertungssystem nicht nach einem „Allesoder-Nichts“-Grundsatz ausgestaltet ist.

In der zuletzt genannten Entscheidung behandelte die zu Grunde liegende Wertungsmatrix bei nur zwei Wettbewerbsteilnehmern den zweitplatzierten Bieter ungleich, indem die von ihm angebotene Leistung mit einer 0-Punkte-Bewertung überhaupt keine Berücksichtigung in der Wertung fand. Durch diese Ausgestaltung kam der Leistung kein Gewicht mehr zu, obwohl diese neben dem Preis zu berücksichtigen gewesen wäre.

Im Gegensatz zu der dem OLG Düsseldorf zu entscheidenden Fallkonstellation findet in diesem Vergabeverfahren die Leistung auch des viertplatzierten Bieters Eingang in die Wertung. Auch der viertplatzierte Bieter hat die Möglichkeit, eine schlechte Bewertung in den vorgenannten Unterkriterien durch eine gute Bewertung in anderen Unterkriterien auszugleichen. Denn die Wertungsmatrix sieht eine abgeschichtete Bewertung (5 Punkte, 3 Punkte, 1 Punkt, 0 Punkte) nur im Zuschlagskriterium 2 vor, was mit Blick auf die Gesamtbewertung nur einen geringen Anteil (35/500) ausmacht. Dass eine Bewertung mit „0“ Punkten überhaupt möglich ist, selbst wenn die Angebote nur geringfügig voneinander abweichen, ergibt sich daraus, dass die Bewertung der Abschichtung und letztendlich der Auswahl des Bestbieters dient. Schließlich ist Gegenstand der Bewertung eine feststehende Kennzahl, bei deren Ermittlung der Antragsgegnerin kein Ermessen zukommt.

2.3. Die Antragsgegnerin hat mit der konkreten Bewertung des Angebots der Antragstellerin nicht gegen § 97 Abs. 6 GWB in Verbindung mit § 16 d EU Abs. 2 VOB/A verstoßen. Die Bewertung ist in sich stimmig.

Einem öffentlichen Auftraggeber steht bei der Bewertung und Benotung der Angebote ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der nur begrenzt von den Nachprüfungsinstanzen überprüft werden kann (VK Westfalen, Beschluss vom 15. Juni 2022, VK 1 – 10/22). Es erfolgt keine vollumfängliche Nachprüfung der Wertungsentscheidung durch die Nachprüfungsinstanz (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.07.2009, Verg 10/09), da diese mit anderen Prüfungssituationen vergleichbar ist und die Nachprüfungsinstanzen an der Prüfungssituation nicht teilgenommen haben. Die Nachprüfung ist darauf beschränkt, ob der öffentliche Auftraggeber den Sachverhalt umfassend ermittelt und mit nachvollziehbaren Erwägungen bewertet hat, d.h. keine willkürlichen oder nicht nachvollziehbaren Gesichtspunkte in den Wertungsprozess einbezogen hat. Dabei hat der öffentliche Auftraggeber die vergebenen Punktwerte im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters nachvollziehbar und nicht willkürlich zu vergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17). Sofern die Auswahlentscheidung zur Überprüfung gestellt wird, untersucht die Nachprüfungsinstanz die Benotung des Angebots als solche und in Relation zu den übrigen angeboten (vgl. aaO).

a) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat ein Quervergleich zwischen den Angeboten stattgefunden.

Dies ergibt sich hinsichtlich der Zuschlagskriterien 1, 2 und 4 aus dem Wertungsvermerk des von der Antragsgegnerin beauftragten Architekturbüros vom 4. November 2022, in der diese die jeweiligen Wertungsformeln anwendet, um die relative Wertung der Kennwerte im Verhältnis zum Bestbieter zu ermitteln.

Hinsichtlich des Zuschlagskriteriums 3, „Funktionalität“ bewertet die Antragsgegnerin mit dem Vermerk zur „Ergebnisdarstellung der durchgeführten Neuwertung“ vom 8. November 2022, ob die Konzepte die von der Antragsgegnerin vorgegebenen Zielvorgaben in Bezug auf die einzelnen Unterkriterien umsetzen. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Bieter die funktionalen Vorgaben der Antragsgegnerin unterschiedlich gelöst haben. Eine relative Wertung erfordert insoweit nicht, dass einzelne Lösungsvorschläge, wie eine bestimmte Zufahrt in einer bestimmten Lage zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Vielmehr geht es um eine Bewertung des Gesamtkonzepts in Bezug auf eine bestimmte funktionale Anforderung. Die Antragsgegnerin hat deutlich gemacht, welcher Bieter welche Funktion vorbildlich, den Anforderungen entsprechend, usw. gelöst hat. Es lassen sich im vorgenannten Wertungsvermerk, etwa im Unterkriterium 3. a) IV, „Funktionalität der Außenanlagen und Fahrzeugabstellanlagen“ Unterschiede etwa hinsichtlich der Anforderung der Hauptund Notausfahrt festmachen. Dass die Antragsgegnerin die konzeptionelle Darstellung der Beigeladenen ebenfalls kritisiert und die Darstellung mit anderen Worten in einigen Unterkriterien abwertet, zeigt, dass sie sich kritisch und ergebnisoffen mit allen Konzepten auseinandergesetzt hat.

b) Den ihr zustehenden Bewertungsspielraum hat die Antragsgegnerin auch mit Blick auf das Angebot der Beigeladenen fehlerfrei und nicht willkürlich ausgeübt. Sie hat auf Seite 393 der funktionalen Leistungsbeschreibung mit Stand vom 24. Februar 2022 verdeutlicht, dass Schleppkurven bei der Planung mit zu berücksichtigen sind. Aus der Auswertung des Angebots der Antragstellerin ergibt sich, dass die angebotenen Stellplätze derart angeordnet sind, dass bei Stellplätzen der größten Stellplatzkategorie ein Rangieren bzw. Abschleppen von Fahrzeugen nur mit erheblichem Mehraufwand möglich ist. Ein starkes Lenken und Fahren von Umwegen sind sachlich nachvollziehbare Gründe, die die Funktionalität des Parkraums einschränken. Dasselbe gilt, soweit die Antragsgegnerin festhält, dass einzelne Stellplätze nicht belegbar sind, da diese beim Ausparken überfahren werden müssen

2.4. Die Antragsgegnerin hat die Entscheidung im Vergabeverfahren nicht auf das beratende Architekturbüro delegiert, sondern die Letztentscheidungskompetenz behalten. Mangels eigenen Sachverstands kann sich ein öffentlicher Auftraggeber zur Durchführung eines Vergabeverfahrens der Unterstützung eines besonderen Sachverständigen bedienen; die gutachterlichen Ausführungen darf er sich zu eigenen machen, sofern er sich mit diesen inhaltlich auseinandergesetzt hat (VK Lüneburg, Beschluss vom 31. Mai 2002, 203 VGK – 9/2002). Die Bewertung muss er letztendlich selbst vornehmen; insbesondere ist die Wertungsentscheidung nicht delegierbar, sodass die an ihr beteiligten Personen Vertreter des öffentlichen Auftraggebers sein müssen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2022, Verg 25/21). Dass sich die Antragsgegnerin mit den Auswertungen der Zuschlagskriterien 1, 2, und 4 durch das beratende Architekturbüro inhaltlich auseinandergesetzt hat, ergibt sich aus der Dokumentation. Die Antragsgegnerin hat im Vermerk zur „Ergebnisdarstellung der durchgeführten Neuwertung“ vom 8. November 2022 die Ergebnisse sämtlicher Zuschlagskriterium unter ihrem Briefkopf zusammengetragen und durch ihre Mitarbeiter ausgewertet. Auf dieser Grundlage ist die Wertungsentscheidung ergangen.

2.5. Es ist es weiter nicht zu beanstanden, dass eine zu geringe Anzahl an Besucherstellplätzen sich sowohl im Zuschlagskriterium 3. a) IV als auch im Zuschlagskriterium 3. b) II auswirkt. Es gibt in beiden Fällen um die Umsetzung unterschiedlicher Zuschlagskriterien.

III.

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer betragen ….. €. Kostenpflichtig ist gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB die Antragstellerin als unterlegene Beteiligte. Diese hat auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin zu tragen.

1. Gemäß § 182 Abs. 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammer Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben.

Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I. S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

Die Gebühr beträgt gemäß § 182 Abs. 2 GWB mindestens 2.500 Euro. Die Gebühr soll den Betrag von 50.000 Euro nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, bis zu einem Betrag von 100.000 Euro erhöht werden.

Grundlage für die Kostenermittlung ist die Gebührentabelle des Bundes und der Länder für Nachprüfungsverfahren. Diese endet bei einem Auftragswert von 70.000.000,00 € mit einer Gebühr von 50.000,00 €. Es besteht aber die Möglichkeit, die Gebühr nach der in der Tabelle hinterlegten Formel konkreter zu berechnen und die Gebühr im vorgenannten Rahmen zu erhöhen.

Ausgehend von einem Auftragswert von über ….. € beträgt die Gebühr jedenfalls …..€.

Darüber hinaus war eine Erhöhung um weitere ….. € wegen der großen wirtschaftlichen Bedeutung und des mit dem Nachprüfungsverfahren verbundenen außergewöhnlichen Aufwands erforderlich. Die von den Beteiligten vorgelegten Schriftsätze waren sämtlich sehr umfangreich. Gleiches galt für die Vergabeakte. Außerdem musste die Kammer die Schriftsätze umfangreich schwärzen bzw. die von den Beteiligten vorgeschlagenen Schwärzungen nachvollziehen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens als unterlegene Beteiligte nach § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB.

3. Ferner trägt die Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin, § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.

Die Hinzuziehung von Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung war wegen der Komplexität sowohl des Vergabeverfahrens als auch der vergaberechtlichen Fragestellungen im Rahmen der Wertung notwendig. Das Vergaberecht bzw. die Wertung im Vergabeverfahren ist eine überdurchschnittlich komplexe Materie, die durch komplizierte EU-rechtliche Fragen überlagert ist. Daneben ist das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich konzipiert, so dass auch prozessuale Kenntnisse erforderlich sind, um eigene Rechte wirksam wahren zu können.

4. Die Aufwendungen der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB. Dies entspricht der Billigkeit. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich in der Sache nicht geäußert hat, hat sie sich für den Fall ihres Unterliegens nicht dem Risiko einer Kostentragung ausgesetzt (vgl. Krohn, in: Burgi/Dreher/Opitz, Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, GWB, § 182 Rn. 49).

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen die Entscheidung ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie steht den am Verfahren vor der Vergabekammer Beteiligten zu. Über die Beschwerde entscheidet ausschließlich der Vergabesenat des Oberlandesgerichtes Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf.

Die sofortige Beschwerde ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung dieser Entscheidung beginnt, schriftlich bei dem Beschwerdegericht einzulegen.

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird,

2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten.

Stodollick

Diemon-Wies