Oberlandesgericht Düsseldorf, 21 U 71/22
1.
Nur wenn sich der Veräußerer einer Immobilie zu Bauleistungen verpflichtet, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung Neubauarbeiten vergleichbar sind, haftet er nicht nur für die ausgeführten Umbauarbeiten, sondern auch für die in diesem Bereich vorhandene Altbausubstanz nach den Gewährleistungsregeln des Werkvertragsrechts (Anschluss an BGH BeckRS 2007, 10153; OLG München IBRRS 2022, 1969);
2.
Bei einer Renovierungsverpflichtung oder bei einer sonstigen Umbauverpflichtung, die nicht den Umfang eines Bauvertrages erfüllt, ist § 650u BGB demzufolge nicht anwendbar; auf derartige Verträge ist vielmehr neben dem Kaufrecht das Werkvertragsrecht anzuwenden: Das gilt etwa, wenn sich die baulichen Verpflichtungen nach Art und Umfang in Maßnahmen erschöpfen, die einer (aufwändigen) Renovierung – im Gegensatz zu einer „Kernsanierung“ – entsprechen.
3.
Die Regelung zum Ausschluss des Rücktritts gem. § 323 Abs. 6 BGB wird nicht durch § 645 BGB verdrängt.
4.
Eine Rücktrittserklärung iSv § 349 BGB kann zwar auch konkludent, z.B. im Wege einer auf Rückzahlung einer vertraglich geschuldeten Leistung gerichteten Klageerhebung erfolgen; jedoch reicht dafür nicht schon die bloße Bezugnahme auf einen vorgerichtlichen Schriftsatz, in dem ein früherer, nicht wirksamer Rücktritt erklärt worden ist (Anschluss an OLG München BeckRS 2016, 10096).
Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.04.2022 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vorläufig vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
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I.
3
Die Klägerin, die ein Unternehmen für Abbruch- und Sanierungsleistungen betreibt, verlangt von der beklagten Stadt A. Mehrkosten im Zusammenhang mit Sanierungsarbeiten an einer Schule.
4
Im Zuge öffentlicher Ausschreibung der Beklagten nahm die Klägerin am 30.07.2019 an einer Ortsbegehung teil und gab am 14.08.2019 ein Angebot über die Schadstoffsanierung und die Entkernung des Altbaus „Gymnasium B.-Straße“ in A. über einen Betrag von 752.087,24 € ab. Die Arbeiten umfassten u.a. die Entsorgung von Asbest.
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Für Arbeiten mit Asbest sind erhöhte Sicherheitsvorkehrungen einzuhalten. Die betroffenen Bereiche müssen vor Aufnahme der Arbeiten durch die Einrichtung eines sog. Schwarzbereiches „verschlossen“ werden. An den Zugangspunkten zum Schwarzbereich sind spezielle Kammerschleusen zu erstellen. Das kontaminierte Material wird im Schwarzbereich in Säcke verpackt, dort gereinigt und dann ausgeschleust in den sog. Weißbereich. Von dort aus erfolgen die weiteren Arbeiten bis zur Entsorgung des Materials.
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In den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis der Beklagten wird darauf hingewiesen, dass die Sanierung vom unteren Geschoss zum obersten Geschoss ohne Unterbrechung in bis zu 20 Schwarzbereichen erfolgen sollte. Die Schadstoffdemontage sollte den Ausbau von asbesthaltigen Wand- sowie Deckenbelägen, Entfernen von KMF-haltigen Deckenbelägen, Rohrisolierungen und Dämmungen sowie PAK-haltigem Gussasphaltestrich umfassen. In den Fluren sollten die asbesthaltigen Putzflächen durch Trockenbauelemente abgekapselt werden. Im linken Gebäudeteil (Bereich Treppenhaus 3 ) sollte in einigen Etagen des Flurbereichs zusätzlich asbesthaltiger Buntsteinputz abgetragen werden. Des Weiteren wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, dass noch asbesthaltige Flanschdichtungen oder asbesthaltige Rippenheizkörper im Gebäude enthalten sein könnten.
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Das vorgegebene Leistungsverzeichnis enthält u.a. folgende Regelungen:
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10 Sanierungsarbeiten ( Schadstoffe )
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….
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10.10 Asbesthaltiger Putz, Spachtel bzw. USt ( %) Menge Einheit Einzelpreis
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Wandfarben von Wandoberflächen
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inklusive Beton entfernen 19 % 9.000,00 m² —————–
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pro 1,00 m²
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asbesthaltiger Putz ( Feinputz) inkl.
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Wandfarben / Tapeten / Spachtelmasse von Wandflächen
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inklusive Beton entfernen.
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Untergrund muss nach der Bearbeitung frei von
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Putzresten sein.
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Die Auswahl des Arbeitsverfahrens obliegt dem AN und
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Ist bei Angebotsabgabe anzugeben
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Ausgewähltes Arbeitsverfahren:
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Wenn Strahlverfahren gewählt werden, ist die Entsorgung
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des Strahlmittes in den Einheitspreis mit
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einzukalkulieren.
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Die Gerätschaften, die Vorhaltung und das
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Verbrauchsmaterial sind in diese Position einzurechnen.
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Abgerechnet wird nach m²
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10.20 Trockenbauwände inklusive USt ( %) Menge Einheit Einzelpreis
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asbesthaltige Spachtelmasse
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entfernen 19 % 100,00 m² ————— pro 1,00 m²
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Trockenbauwände inklusive asbesthaltige Spachtelmasse
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Doppelt beplankt inklusive Unterkonstruktion entfernen
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11 Entsorgung
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Hinweis
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Demontierte Materialien sind umgehend aus den Räumen zu
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entfernen und in die Abfallcontainer zu verbringen.
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Diese Arbeiten, wie auch die fachgerechte Verpackung
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und Kennzeichnung von Gefahrstoffen, werden nicht
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separat vergütet und sind in die Preise
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einzukalkulieren. Die Entsorgung sämtlicher Materialen
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wird gesondert vergütet.
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…..
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11.40 Entsorgung Bauschutt USt ( %) Menge Einheit Einzelpreis
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19 % 1.200,00 t
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In diese Position sind die in den Kalkulationshinweisen ________
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beschriebenen Leistungen zu kalkulieren. pro 1,00 t
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Die Abrechnung erfolgt je Tonne.
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11.90 Entsorgung asbesthaltige Abfälle USt ( %) Menge Einheit Einzelpreis
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19 % 120,00 t
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Entsorgung von asbesthaltigen Abfällen ( besonders
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überwachungsbedürftige Abfälle ) einschließlich der —————–
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Gestellung der erforderlichen Abfallbehälter, ein pro 1,00 t
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Entsorgungsnachweis ist erforderlich. Abrechnung
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erfolgt nach Wiegebescheinigung
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EAK-Nr. 170605*
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Die Abrechnung erfolgt je Tonne
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Die Beklagte beauftragte die Klägerin am 24.09.2019 mit den ausgeschriebenen Arbeiten, die diese in der Zeit von November 2019 bis Ende September 2020 ausführte.
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Mit Schreiben vom 20.01.2020 zeigte die Klägerin gegenüber der Beklagten Mehrkosten gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B aufgrund Mehrmengen im Rahmen der Putzsanierung u.a. für dickere Putzstärken an. Unter Berücksichtigung der Position 11.90 sei von weniger als 1 cm Putzstärke auszugehen gewesen. Am 21.02.2020 übersandte die Klägerin der Beklagten das Nachtragsangebot Nr. 5, in dem sie unter Position N5.049 Mehrmassen für die Entsorgung asbesthaltiger Abfälle wie Position 11.90 anbot.
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Die Arbeiten wurden am 29.09.2020 abgenommen.
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Die Klägerin übermittelte der Beklagten ihre Schlussrechnung vom 15.10.2020 (Nr. 2020-200545 ) über die von ihr erbrachten Leistungen samt Nachträgen über insgesamt 1.481.126,06 €. In der Position 10.10 rechnete sie 11.206,580 m² zu einem Einheitspreis von 9,48 € ab. Unter dem Nachtrag N5.049 berechnete sie 443,56 t Mehrmassen für die Entsorgung asbesthaltiger Abfälle wie Position 11.90 von insgesamt 114.624,78 €.
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Die Schlussrechnung wurde von der Beklagten bzw. von der C. mbH (nachfolgend C. genannt) am 24.11.2020 geprüft. Hinsichtlich der Position 10.10 kürzte sie nur den Einheitspreis um einen Cent auf 9,47 €. Für das Berufungsverfahren noch relevant kürzte die Beklagte die Nachträge N5.018b „Zulage Putzstärke asbesthaltiger Wandputz zu Position 10.10 (auf SR-Massen Entsorgung=563,56 to)“ über 294.396,86 € und 13 Z.4.001 „Verbringung der asbesthaltigen Baustoffe (LV 10.10, 10.20. und 10.30) in Container“ über 330.612,47 € auf jeweils „0“. Den Nachtrag N5.049 beanstandete sich nicht. Die Klägerin meldete gegen die Schlusszahlung einen Vorbehalt an, den sie begründete.
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Die Klägerin hat vorgetragen, mit dem Nachtrag N5.018 b würden Mehrkosten im Zusammenhang mit der Asbestsanierung geltend gemacht. Die Position stelle eine Zulage zur Position 10.10 dar und berücksichtige entstandenen Mehraufwand bei der Entfernung asbesthaltigen Putzes. Sie habe entsprechend dem Leistungstext von Position 10.10 die Arbeiten im Schwarzbereich eingepreist und das Abstemmen des Putzes, Verpacken in Säcke, Verbringen innerhalb des Schwarzbereiches zur Schleuse und das Reinigen der Säcke sowie das Ausschleusen kalkuliert.
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Mit fortschreitender Bauausführung habe sich gezeigt, dass die im Leistungsverzeichnis unter Position 11.90 angesetzten Massen von 120 t, die Grundlage ihrer Kalkulation der Position 10.10 gewesen seien, unzutreffend seien. Unstreitig seien 563,56 t asbesthaltiges Material angefallen. Diese erheblichen Mehrmengen hätten Einfluss auf die dazugehörige Position 10.10 gehabt, da Mehrmengen an Material auch den dort kalkulierten Arbeitsaufwand deutlich erhöht hätten. Es habe mehr Material abgestemmt, in Säcke verpackt und deutlich mehr Säcke hätten innerhalb des Schwarzbereiches transportiert, gereinigt und ausgeschleust werden müssen. Die Leistung sei nachtragsfähig, da das Leistungsverzeichnis diesen Mehraufwand kostenmäßig nicht erfasst und berücksichtigt habe. Dieser Umstand sei ihr bei Erstellung des Angebotes nicht aufgefallen. Der Umstand, dass die Mehrkosten im Leistungsverzeichnis nicht kalkulierbar gewesen seien, beruhe auf der Art der Ausschreibung. Die Position 10.10 hätte wie die Position 11.90 richtigerweise nach Tonnen abgerechnet werden müssen. Durch die Vermischung von Tonnage und m² enthalte die Ausschreibung nicht kalkulierbare Preise bei einem Mehranfall von Material. Aufgrund der Berechnung nach m² in der Position 10.10 werde ihr faktisch die Abrechnung von Mehrkosten, die durch die Mehrmengen an Material entstünden, abgeschnitten.
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Da die Position 11.90 das Putzmaterial beschrieben habe, habe sie diese Mengenangaben heranziehen können. Mit diesen Angaben seien die aufwandsabhängigen Arbeiten in Position 10.10 zu kalkulieren gewesen. Dies sei die einzige sinnvolle Möglichkeit gewesen, die Preise zu kalkulieren. Sie habe weder eine Putzstärke ermittelt, noch eine nicht selbst ermittelte Putzstärke als Kalkulationsgrundlage genommen, sondern die Mengen aus 11.90 zugrunde gelegt.
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Auf ein Alternativverfahren habe sie nicht zurückgreifen können, da das Verfahren BT 43 zum Zeitpunkt der Ausschreibung und Beauftragung im August / September 2019 noch keine Zulassung gehabt habe. Die Wahlmöglichkeit in der Ausschreibung habe nur theoretisch bestanden.
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Zu berücksichtigen sei, dass nach dem Bausoll der Position 10.10 der Untergrund frei von Putzresten habe sein sollen. Geschuldet sei von ihr das vollständige Entfernen des Putzes gewesen. Dabei sei ihr bekannt, dass es in der Position 10.10 um das vollständige Entfernen von asbesthaltigem Putz gegangen sei. Die Problematik habe jedoch darin gelegen, dass niemand, auch nicht die Beklagte, gewusst habe, in welcher Lage des Putzes sich der Asbest befunden habe. Die Beklagte habe vor der Ausschreibung eine Mischprobe genommen. Bei dieser Probe sei nicht erkennbar gewesen, in welcher Schicht sich der Asbest befunden habe. Wenn sie die Position 10.10 dann aber so ausschreibe, dass der Untergrund frei von Putzresten sein müsse, habe sie selbst dokumentiert, dass der gesamte Putz habe entfernt werden sollen. Deshalb hätte die Ausschreibung nicht nach m², sondern nach der Menge des zu entfernenden Putzes erfolgen müssen. Ein reines selektives Entfernen von asbesthaltigem Putz sei unabhängig von der Art der gewählten Methode nicht möglich gewesen.
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Mit dem Nachtrag N 13 habe sie Mehrkosten als Zulage zu den Positionen 10.10. und 10.20 für das Verbringen von asbesthaltigen Materialien von dem Schleusenbereich aus dem Gebäude heraus in die Container berechnet. Diese Leistungen seien im Leistungsverzeichnis nicht beschrieben und deshalb von ihr auch nicht kalkuliert und angeboten worden. Sie habe diese Leistungen unstreitig ausgeführt. Dass die Leistungen in 10.10 und 10.20 nicht umfassend beschrieben worden seien, sei ihr bei der Angebotskalkulation noch nicht aufgefallen. Dies sei ihr erst aufgefallen, nachdem die Maßnahmen vollständig abgeschlossen gewesen seien.
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Der Eingangstext zu den Positionen 11 ff. beziehe sich nur auf den Titel Entsorgung und könne schon deshalb nicht für den Titel 10 herangezogen werden. Entscheidend sei, dass die Positionen 10.10 und 10.20 gerade nicht – anders als die übrige Positionen dieses Titels – die Beschreibung „Verbringung in Container“ enthielten. Die Beklagte hätte an dieser Stelle klarer differenzieren müssen.
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Die Beklagte hat vorgetragen, im Leistungsverzeichnis sei die Methode, die der Auftragnehmer zur Entfernung des Putzes anwenden würde, nicht vorgegeben gewesen. Neben dem Abstemmen des Putzes hätte auch ein sog. abgesaugtes Fräsverfahren oder Strahlverfahren angewendet werden können. Hierbei wäre die asbesthaltige Oberschicht des Putzes von dem asbestfreien Unterputz trennbar gewesen und weniger asbesthaltiger Abfall angefallen als bei der von der Klägerin gewählten Methode des Abstemmens. Der von der Klägerin vorgenommene Quervergleich mit den in Position 11.90 angegebenen asbesthaltigen Abfallmengen sei nicht zulässig. Denn auch wenn in dieser Ziffer eine Abfallmenge genannt worden sei, könne damit kein Rückschluss gezogen werden, wieviel asbesthaltiger Putz zu entfernen gewesen sei. Die Klägerin habe aufgrund der von ihr gewählten Methode des Abstemmens in großen Mengen nicht asbesthaltigen Putz mit abgeschlagen und entfernt. Dadurch hätten sich asbesthaltiger und nicht asbesthaltiger Putz vermischt, so dass die gesamte dadurch entstandene Menge als asbesthaltiger Abfall anzusehen gewesen sei. Ausgeschrieben und damit Bestandteil der vertraglichen Leistung sei, wie sich aus Position 10.10 ergebe, ausschließlich das Entfernen des asbesthaltigen Feinputzes, also des Oberputzes und nicht das Entfernen des gesamten Putzes. Die Formulierung, der Untergrund müsse frei von Putzresten sein, beziehe sich ausschließlich auf den zuvor ausschließlich genannten asbesthaltigen Feinputz ( Oberputz ). Das sei der Klägerin auch bewusst gewesen, denn nach Fertigstellung der Arbeiten seien an zahlreichen Stellen Putzreste unbeanstandet an den Wänden verblieben. Dabei habe es sich nicht um den zu entfernenden Feinputz, sondern um den nicht erfassten Unterputz gehandelt.
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Außerdem sei die in der Position 10.10 anfallende Menge asbesthaltigen Putzes nicht die einzige Abfallmenge, deren Entsorgung über die Position 11.90 zur Abrechnung komme. Auch asbesthaltige Materialien aus den Positionen 10.20 und 10.30 seien über die Position 11.90 zu entsorgen. Schon deshalb habe die Klägerin aus der in Position 11.90 angegebenen Abfallmenge von 120 Tonnen keine Herleitung der Putzdicken vornehmen können. Sollte die Klägerin dies dennoch getan haben und von einer Putzstärke von 1 cm ausgegangen sein, stelle dies einen von ihr selbst zu vertretenen Kalkulationsirrtum dar. Hinzukomme, dass es sich um einen Altbau gehandelt habe, bei dem von einer Putzstärke von 3 bis 5 cm auszugehen sei. Der Klägerin als erfahrenem Sanierungsunternehmen hätte dies auch bekannt sein müssen. Ihre Kalkulation zu dieser Position sei nicht plausibel. Die Klägerin habe bei der Begehung die Möglichkeit gehabt, Einsicht in die punktuell durchgeführten Bohröffnungen zu nehmen und die Putzdicken zu kontrollieren. Hiervon habe sie aber keinen Gebrauch gemacht. Ob in der Position 10.10 Mehrmengen angefallen seien, entscheide sich allein über die ausgeschriebene Fläche und nicht nach der vorgefundenen Putzdicke. Die Putzdicke sei nicht ausgeschrieben worden und habe auch nicht ausgeschrieben werden müssen. Sie, die Beklagte, habe zu asbesthaltigem Oberputz und zum asbestfreien Unterputz auch keine Angaben machen müssen. Sie habe zwar bei der über die Position 11.90 abzurechnende Abfallentsorgung angefallene Mehrmengen im Vergleich zu den dort angegebenen 120 t anerkannt, nicht jedoch einen Mehraufwand im Bereich der zu Position 10.10 anfallenden Arbeiten. Dass sie der Klägerin in der Position 11.90 bei den anzurechnenden Entsorgungskosten entgegengekommen sei, könne nicht zu ihrem Nachteil gereichen.
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Der Klägerin stehe auch kein Anspruch auf zusätzliche Vergütung für das Verbringen der asbesthaltigen Abfälle vom Ausgang des Schwarzbereiches durch den Weißbereich bis zu den Containern zu. Der Eingangstext zu Position 11 ff. enthalte hierzu die Regelung, dass der Transport im Weißbereich bis zu den Containern in den Einheitspreisen mit einzukalkulieren und nicht gesondert abrechnungsfähig sei. Auch wenn dies in anderen Positionen anders geregelt sei, könne die Klägerin sich wegen des Einführungstextes nicht auf die Formulierung in anderen Positionen beziehen. Im Einführungstext zu Position 10 sei der Transport durch den Weißbereich thematisiert worden. Aus der von der Klägerin zum Nachtrag 5 vorgelegten Urkalkulation gehe hervor, dass sie die Einzelleistung „Verpacken / Transport“ in die Position bzw. den Einheitspreis einkalkuliert habe. Das sei nur so zu verstehen, dass mit dem „Transport“ auch die weiteren Transportkosten nach dem Ausschleusen erfasst sein sollten.
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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 7.596,80 € nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin stünde eine zusätzliche Vergütung für das Vorhalten der Baustelleneinrichtung in Höhe von 7.596,80 € nebst Zinsen gemäß Pos. 1.20 des Leistungsverzeichnisses zu.
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Eine zusätzliche Vergütung im Hinblick auf die angefallenen Mehrmengen des zu entsorgenden abgeschlagenen Putzes könne die Klägerin hingegen nicht verlangen. Eine solche ergebe sich nicht aus § 2 Abs. 5 VOB/B. Es fehle an einer Änderung des Leistungssolls. Es können nicht festgestellt werden, dass die Parteien sich darüber geeinigt hätten, dass der zu entfernende Putz eine bestimmte Dicke habe. Vielmehr sei es den Parteien darum gegangen, den vorhandenen Putz – unabhängig von einer bestimmten Putzdicke – zu entfernen. Auszugehen sei von dem Wortlaut der Position 10.10. Danach habe der gesamte Putz entfernt werden müssen, nicht nur eine etwaige asbesthaltige oberste Putzschicht. Zwar sei in der Position zunächst die Rede von der Entfernung von asbesthaltigem Putz bzw. im Klammersatz von Feinputz. Im Folgesatz werde jedoch aufgeführt: „Untergrund muss nach der Bearbeitung frei von Putzresten sein“. Eine Einschränkung, dass nur asbesthaltiger Putz habe umfasst sein sollen, enthalte dieser Passus gerade nicht. Wenn tatsächlich nur die oberste Putzschicht habe entfernt werden sollen, wäre zu erwarten gewesen, dass dies auch ausdrücklich im Leistungsverzeichnis aufgenommen worden wäre. Allein daraus, dass dem Auftragnehmer die Wahl der Ausführung überlassen werde, könne dies nicht geschlossen werden. Zudem finde sich in den allgemeinen Informationen zum Projekt, dass es sich um eine Schadstoffsanierung und Entkernung handele. Bei dem Begriff der Entkernung sei ohne weitere Klarstellung nicht damit zu rechnen, dass nur eine obere Putzschicht entfernt werden solle. Somit sei die Entfernung des gesamten Putzes zur Erbringung der klägerischen Leistung erforderlich gewesen, so dass für die Anwendung des § 2 Abs. 5 VOB/B kein Raum sei. Weder fände sich im Leistungsverzeichnis oder den übrigen Ausschreibungsunterlagen ein Hinweis auf die Putzdicke, noch folge aus der Mengenangabe zu Position 11.90 betreffend die Entsorgung asbesthaltigen Abfalls von 120 t eine entsprechende Vereinbarung der Putzdicke. Nach dem Vortrag der Klägerin sei auch nicht nach einer allgemeinen Erfahrung von einer bestimmten Putzdicke auszugehen. Schließlich folge auch nicht aus der Möglichkeit, die Immobilie vorab in Augenschein nehmen zu können, die Vereinbarung einer bestimmten Putzdicke.
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Ein Vergütungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 2 Abs. 3 VOB/B. Die Regelung sei nicht einschlägig, da es nicht um Mehrmengen gehe. Vereinbart worden sei ein Einheitspreis pro Quadratmeter. Die Dicke des Putzes habe auf die anzurechnenden Quadratmeter keinen Einfluss.
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Auch aus § 2 Abs. 8 VOB/B könne die Klägerin einen Anspruch nicht herleiten. Diese Vorschrift setze voraus, dass seitens der Klägerin Arbeiten ohne Auftrag oder unter eigenmächtiger Abweichung vom Auftrag durchgeführt worden seien. Dies sei vorliegend gerade nicht der Fall, da die Entfernung des gesamten Putzes – unabhängig von dessen Dicke – von der Klägerin geschuldet gewesen sei.
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Die Klägerin könne eine weitere Vergütung auch nicht aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage und einer daraus resultierenden Anpassung der Vergütung nach § 313 BGB verlangen. Es liege ein das alleinige Risiko der Klägerin betreffender Kalkulationsirrtum vor. Die Klägerin habe ausweislich ihres eigenen Vortrages bzw. ihrer eigenen Urkalkulation im Rahmen der Position 10.10 das Abstemmen des Putzes, Verpacken in Säcke, Verbringen innerhalb des Schwarzbereiches zur Schleuse und das Reinigen der Säcke und Ausschleusen kalkuliert. Sie habe in erheblichem Maße solche Kosten einkalkuliert, die mit dem Transport des anfallenden Schutts in Verbindung stünden, nämlich den Transport des Schutts innerhalb des Schwarzbereiches. Aus dieser Art der Kalkulation ergebe sich, dass die Erhöhung des angefallenen asbesthaltigen Bauschutts nicht zu einer Erhöhung der klägerischen Vergütung geführt habe. Denn aufgrund der in Position 10.10. vorgesehenen Abrechnung nach Quadratmetern führe eine höhere Menge asphalthaltigen Schutts pro Quadratmeter nicht zu einer Erhöhung der Vergütung. Eine Berücksichtigung der mit dem Transport des angefallenen asbesthaltigen Bauschutts in Verbindung stehenden Arbeiten innerhalb der Position 10.10 sei bei genauer Betrachtung des Leistungsverzeichnisses nicht anzunehmen. Die Position 10.10 des Leistungsverzeichnisses sehe im Gegensatz zu weiteren Positionen des Titels 10 gerade keinen Transport des anfallenden Bauschutts vor. Die Entsorgung der asbesthaltigen Abfälle sehe vielmehr Position 11.90 des Leistungsverzeichnisses vor, welche nach anfallenden Tonnen habe abgerechnet werden sollen. Unter den Hinweisen zum Titel 11 finde sich dann die Angabe: „Demontierte Materialien sind umgehend aus den Räumen zu entfernen und in die Abfallcontainer zu verbringen. Diese Arbeiten, wie auch die fachgerechte Verpackung und Kennzeichnung von Gefahrstoffen, werden nicht separat vergütet und sind in die Preise einzukalkulieren. Die Entsorgung sämtlicher Materialien wird gesondert vergütet.“ Das Leistungsverzeichnis habe also die Möglichkeit geboten, die Verpackung des asbesthaltigen Bauschutts in Säcke und den Transport im Schwarzbereich unter die jeweilige Entsorgungsposition zu fassen und dort zu kalkulieren. Dies zeige sich schon daran, dass in dem zitierten Hinweis ausdrücklich die Rede von einer fachgerechten Verpackung sei, was im Hinblick auf die bei asbesthaltigem Bauschutt einschlägigen besonderen Vorschriften zur Verpackung Sinn ergebe. Bei der Kalkulation der Transportkosten innerhalb des Schwarzbereiches im Rahmen der Position 10.90 hätten die anfallenden Mehrmengen von asbesthaltigem Bauschutt durch die Klägerin abgerechnet werden können, da sich die anfallende Menge und damit das für die Abrechnung maßgebliche Gewicht der Abfälle erhöht hätte. Angesichts der klaren Vorgaben hinsichtlich der Berücksichtigung von Kosten von Verpackung und Transport im Rahmen der Positionen des Titels 11 habe die Klägerin auch unter Berücksichtigung der Hinweise zu Titel 10 betreffend die Notwendigkeit der Entfernung demontierter Materialien aus den Räumen und die Vermeidung von Schadstoffverunreinigungen im Gebäude nicht davon ausgehen können, dass die Verpackungs- und Transportkosten in Titel 10 zu kalkulieren gewesen seien, soweit dies nicht explizit in der konkreten Position ausgeschrieben worden sei.
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Dieses Verständnis des Leistungsverzeichnisses sei für beide Parteien naheliegend und entspreche den Ausschreibungsgrundsätzen gemäß § 7 Abs. 1 VOB/A. Die Leistung sei eindeutig und erschöpfend beschrieben, so dass alle Unternehmen die Beschreibung im gleichen Sinn hätten verstehen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten hätten berechnen können. Wenn in Titel 11 ausdrücklich ausgeführt sei, dass Transportkosten für anfallende Abfälle in den Preisen einzukalkulieren seien, spreche dies eindeutig dafür, dass die entsprechenden Transport- / Verpackungskosten bei der entsprechenden Entsorgungsposition zu kalkulieren seien. Dem Auftragnehmer werde dadurch auch kein ungewöhnliches Wagnis auferlegt. Denn eine Erhöhung der anfallenden Abfallmengen hätte dann eine entsprechende Erhöhung der Vergütung nach sich gezogen.
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Aus der TRGS 519 folge nicht, dass die Kosten im Rahmen dieser Position zu kalkulieren seien. Die TRGS 519 mache Vorgaben zur Arbeitssicherheit beim Umgang mit asbesthaltigen Stoffen, gebe aber nicht vor, wie diese kalkulatorisch zu erfassen seien.
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Die Angabe von 120 t zu entsorgender asbesthaltiger Abfälle durch die Beklagte im Rahmen von Position 11.90 des Leistungsverzeichnisses stelle schließlich keine Geschäftsgrundlage für die Position 10.10 dar, da diese Mengenangaben keine gemeinsame Vorstellung der Parteien im Hinblick auf die Position 10.10 widerspiegele. Aus Sicht der Beklagten sei nicht anzunehmen, dass die Klägerin die entsprechenden Mengenangaben als Grundlage für eine Kalkulation der Position 10.10 verwendet habe. Nach dem Leistungsverzeichnis habe aus Sicht der Beklagten nicht nahegelegen, dass die Klägerin im Rahmen des Kalkulation der Pos. 10.10 auf Mengenangaben der Position 11.90 zurückgegriffen habe, zumal auch bei anderen Positionen asbesthaltiger Abfall angefallen sei.
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Der Klägerin stehe schließlich kein Anspruch auf eine weitere Vergütung für den Transport der asbesthaltigen Abfälle außerhalb des Schwarzbereiches zu. Ein Anspruch aus § 2 Abs. 5 bzw. 6 VOB/B scheitere daran, dass ein Transport des angefallenen asbesthaltigen Abfalls im Weißbereich durch das Gebäude bis zu den Containern von der Klägerin auf Grundlage der vertraglichen Regelungen geschuldet gewesen sei. Dieser sei von Position 11.90 umfasst gewesen. Das ergebe sich aus den Hinweisen zum Titel 11. Auf § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B könne die Klägerin den Anspruch ebenfalls nicht stützen. Denn der Transport sei von ihr geschuldet gewesen. Ein Vergütungsanspruch ergebe sich auch nicht aus § 313 BGB. Der Transport sei gerade Inhalt des Vertrages gewesen.
82
Soweit die Klage abgewiesen worden ist, richtet sich hiergegen die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.
83
Die Klägerin trägt vor, das Landgericht habe den zwischen den Parteien zugrundeliegenden Vertrag und das daraus resultierende Bausoll aufgrund einer fehlerhaften Vertragsauslegung unzutreffend beurteilt. Sie könne im Hinblick auf die angefallenen Mehrmengen des zu entsorgenden abgeschlagenen Putzes eine zusätzliche Vergütung in Höhe von 294.396,86 € ( netto ) aus dem gestellten Nachtrag zu Position 10.10 geltend machen. Das Landgericht habe verkannt, dass ihr mit dem streitgegenständlichen Leistungsverzeichnis eine irreführende, nicht mit Ausschreibungsgrundsätzen in Einklang zu bringende Kalkulationsgrundlage überreicht worden sei. Insbesondere bei dieser Position sei die zu leistende Einheit derart unzutreffend beschrieben, dass die Beklagte ( richtig: die Klägerin ) die tatsächlich vorgefundene und zu erbringende Leistung nicht ordnungsgemäß habe kalkulieren können. Weder aus der Position 10.10 noch aus dem Zusammenspiel mit sonstigen Positionen gehe hervor, dass eine Asbestsanierung im Umfang von letztlich 563,56 t erforderlich sein würde. Dies sei anhand der von der Beklagten erstellten und den Bietern zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht ersichtlich und damit nicht kalkulierbar gewesen. Die Leistungsbeschreibung bürde ihr, der Klägerin, in zweierlei Hinsicht ein untragbares Risiko auf: Zum einen habe die Beklagte sich dazu ausgeschwiegen, welche Stärke der Putz auf einer Gesamtfläche von über 9.000 m² aufweise. Zum anderen habe sie sich in Bezug auf den Aufbau der verschiedenen Putzschichten sowie den erwartbaren Grad der Kontaminierung bedeckt gehalten. Eine den unstreitig angefallenen Mehrmengen an asbesthaltigem Putz entsprechende Kalkulation und Bepreisung sei ihr damit verwehrt gewesen. Das dies – wie das Landgericht meine – zu ihren Lasten gehen solle, mute nicht nur ungewöhnlich an, sondern sei materiellrechtlich rechtsfehlerhaft. Die im Leistungsverzeichnis unter Ziffer 10.10 für die Kalkulation des Einheitspreises betreffend die Entfernung von asbesthaltigem Putz gemachte Mengenangabe von 9.000 m² werde dem strengen Maßstab von § 7 VOB/A nicht gerecht.
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Ihr, der Klägerin, sei bewusst gewesen, dass der gesamte Putz und nicht nur die im Klammerzusatz genannte Feinputzschicht habe entfernt werden müssen. Sie habe aber durchgehend moniert, dass für sie nicht erkennbar gewesen sei, welche Menge an Putz – sei es asbestbelasteter Feinputz oder darunter liegender ebenfalls belasteter Putz – habe entfernt werden müssen. Dieses Ausschreibungsdefizit habe erhebliche Auswirkungen auf die Kalkulation und Bepreisung gehabt. In Streit stehe, inwieweit die Beklagte ihrer Pflicht zur anlassbezogenen Kontaminationsermittlung nachgekommen und inwieweit der von der Beklagten unternommene Versuch, ihr das Kostenrisiko einer Asbestsanierung auf einer Fläche von über 9.000 m² ohne jedwede Angabe hinsichtlich der zu erwartenden Putzdicke bzw. einer darin befindlichen Asbestkontaminierung aufzubürden, mit redlichen Ausschreibungsgrundsätzen nicht in Einklang zu bringen sei.
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Die Beklagte habe ihre Pflicht zur anlassbezogenen Kontaminierungsermittlung nicht erfüllt, als sie unter Verweis auf eine Mischprobe ohne Angabe einer konkreten Putzdicke auf einer Fläche von beinahe einem Hektar das Entfernen von asbestbelastetem Putz ausgeschrieben habe. Sie habe keine Ermittlungen angestellt, wie dick der zu entfernende Putz gewesen sei und auf welcher Ebene sich die Kontamination vollzogen habe. Der Mischprobe sei nicht zu entnehmen gewesen, in welcher Lage des Putzes sich Asbest befunden habe. Die Differenzierung nach asbestbelasteter oder nicht kontaminierter Putzschicht sei ihr weder im Vorfeld noch im Nachgang möglich gewesen.
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Die Argumentation des Landgerichts, dass auch bei Position 11.90 keine Vereinbarung zur Putzdicke erfolgt sei, sei verkürzt. Gerade weil auch bei anderen Positionen asbesthaltiges Material angefallen sei, sei die Benennung von 120 t irreführend und führe dazu, dass ihr der Vergütungsanspruch zustehe. Die bei Altbauten übliche zu erwartende Putzdicke passe zu den 120 t, nicht jedoch zu der tatsächlich vorgefundenen Kontaminierung. Wäre ein selektives Entfernen asbestbelasteten Materials möglich gewesen, hätte die Beklagte dies ausschreiben müssen. Der Umstand, dass sie das unterlassen habe, zeige, dass sie die Anforderungen, die die VOB/A an ein Leistungsverzeichnis stelle, nicht ernst genommen habe.
87
Das Landgericht habe zudem die sich aus der einbezogenen VOB/C ergebenen Auslegungsregeln, insbesondere Abschnitt 0.2.3 der ATV DIN 18459, nicht berücksichtigt. Kontamination habe der Auftraggeber im Vorfeld durch ein Schadstoffgutachten festzustellen. Ausreichend sei dabei nicht, sich auf einen pauschalen Verweis einer irgendwie gearteten Kontamination in irgendeiner Putzschicht auf einer Grundfläche von 9.000 m² zurückzuziehen. Vielmehr würden den Auftraggeber besondere Pflichten zur Ermittlung und Beschreibung des Ausmaßes der Kontaminierung treffen. Es sei nicht erklärlich, aus welchem Grund in einem ansonsten differenzierten Leistungsverzeichnis von einer Mengenangabe hinsichtlich des konkret zu erwartenden Anfalls asbesthaltigen Putzes abgesehen worden sei und dies zu ihren Lasten gehen solle. Es wäre leicht gewesen, darzustellen, welche Schicht mit Asbest in welchem Umfang belastet gewesen sei. Offensichtlich sei der Beklagten selbst nicht bewusst gewesen, wie sich die Kontamination durch die Putzschichten gezogen habe.
88
Die Abrechnungsgröße „9000 m²“ sei als Kalkulationsgrundlage für die Position 10.10 ungeeignet gewesen. Da der asbesthaltige Putz als „Stoff“ im Sinne der VOB/C, Ziffer 3.3.5 DIN 18459 zu qualifizieren sei, sei gemäß Ziffer 0.5.6 als Abrechnungseinheit für solche Stoffe eine Abrechnung nach Mengen und nicht nach m² vorgesehen. Folglich liege ein Fehler in den Ausschreibungsunterlagen der Beklagten vor.
89
Es sei nicht ihre Aufgabe gewesen, sich von der Dicke des Putzes und seiner Kontaminierung auf einer Gesamtfläche von über 9.000 m² ein Bild zu verschaffen. Die Ausschreibung dürfe dem Bieter nicht umfangreiche Vorarbeiten abverlangen, sondern müsse alle Informationen enthalten, die für dessen Kalkulation benötigt würden.
90
Da die Positionen 10.10 ( Entfernung ) und 11.90 ( Entsorgung ) miteinander korrespondieren würden, habe sie 11.90 als Kalkulationsgrundlage heranziehen dürfen. Die Abrechnung der Entsorgung der asbesthaltigen Abfälle ( Position 11.90 ) habe nach dem Leistungsverzeichnis nach Tonnage erfolgen sollen. Die zunächst unerkannt gebliebenen und unstreitig angefallenen Mehrmengen betreffend die Position 11.90 hätten in der Schlussrechnung angepasst werden können. Eine Anpassung an die durch die erheblichen Mehrmengen gleichzeitig entstehenden Mehrkosten durch die Entfernung des asbesthaltigen Putzes ( Position 10.10 ) sei ihr aber wegen der gewählten Abrechnungsgröße nach m² nicht möglich gewesen.
91
Es habe sich nicht das Risiko einer fehlerhaften Kalkulation verwirklicht; es liege auch kein Kalkulationsirrtum vor. Sie habe sich weder verrechnet, vermessen noch verschätzt, sie habe vielmehr aufgrund der mangelhaften und unzureichenden Ausschreibung die Risiken nicht zutreffend berechnet. Durch eine von der Beklagten vorgegebenen Mengenangabe im Hinblick auf den Schadstoff sei sie in die Irre geleitet worden.
92
Fehlerhaft habe das Landgericht ausgeführt, dass ihr deshalb keine zusätzliche Vergütung zustünde, weil sie Posten einkalkuliert habe, die mit dem Transport des anfallenden Schutts in Verbindung stünden. Laut Ausschreibungstext beziehe sich der Transport ausschließlich auf den Schwarzbereich. Bei allen anderen Ausbaupositionen sei explizit auf den Transport zu den Containern hingewiesen worden. Sie habe dies nicht kalkulieren dürfen.
93
Das Leistungsverzeichnis habe zwar die Möglichkeit geboten, die Verpackung des asbesthaltigen Bauschutts in Säcke und den Transport im Schwarzbereich unter die jeweiligen Entsorgungsposition zu fassen und zu kalkulieren, dies gelte aber nicht für den Weißbereich, weil insoweit eine Vorgabe im Leistungsverzeichnis fehle. Der Hinweis zum Titel 11, dass demontierte Materialien umgehend aus den Räumen zu entfernen und in die Abfallcontainer zu verbringen seien, sei für den Rechtsstreit irrelevant. Auch der Folgesatz, dass die Arbeiten nicht separat vergütet würden, sei nicht geeignet, ihren Vergütungsanspruch zu Fall zu bringen.
94
Ihr stehe auch ein Vergütungsanspruch aus § 2 Abs. 5, 6 VOB/B für den Transport der asbesthaltigen Abfälle außerhalb des Schwarzbereichs zu. Die tatsächlich von ihr erbrachte Leistung sei nach den vertraglichen Vorgaben nicht geschuldet gewesen, da sie nicht zum vertraglichen Bausoll geworden sei. Die Arbeiten seien auch nicht von 11.90 umfasst. Schon die dort angegebene Mengenangabe führe dazu, dass eine darüber hinaus gehende Leistung in jedem Fall zu vergüten sei. Daran ändere auch der Hinweis zum Titel 11 nichts. Der Transport innerhalb des Weißbereichs bis nach draußen stelle einen weiteren Arbeitsschritt dar. Dieser sei nicht kalkuliert worden, was aufgrund der Leistungsbeschreibung nicht möglich gewesen sei. Es handele sich bei dem Transport durch den Weißbereich um eine gänzlich neue, andere Leistung, die zahlreiche neue Schutzmaßnahmen bedinge, die ein üblicher Transport nicht mit sich bringe.
95
Die Klägerin beantragt,
96
das am 14.04.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Wuppertal, 7 O 101/21 abzuändern und die Beklagte gemäß den erstinstanzlich gestellten und im Tatbestand des Urteils ausgewiesenen Klageanträgen zu verurteilen, abzüglich des von dem Landgericht Wuppertal bereits zuerkannten Betrages.
97
Die Beklagte beantragt,
98
die Berufung zurückzuweisen.
99
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts und wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die von der Klägerin mit der Position N5.018 b der Schlussrechnung geltend gemachte Mehrvergütung beziehe sich ausschließlich auf eine vermeintlich dickere Putzstärke, als sie von der Klägerin geschätzt worden sei, nicht auf eine Flächenabweichung. Eine Vereinbarung über eine bestimmte Putzfläche habe es aber gerade nicht gegeben.
100
Der Transport des Abfalls durch den Weißbereich von der Schleuse bis zu den Containern sei eine vertraglich vereinbarte und von der Klägerin geschuldete Leistung gewesen.
101
II.
102
Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
103
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind nur die Nachträge N5.018 b und 13 Z.4.001. Die Beklagte hat gegen die vom Landgericht zuerkannte zusätzliche Vergütung für das Vorhalten der Baustelleneinrichtung keine Berufung oder Anschlussberufung eingelegt.
104
Die Klägerin kann die mit den Nachträgen geforderte Mehrvergütung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt von der Beklagten verlangen, denn diese Leistungen gehören zum Leistungssoll des Bauvertrages.
105
1.
106
Nachtrag N5.018 b
107
a)
108
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Mehrvergütung aus einem zwischen den Parteien im Februar 2020 geschlossenen Nachtrag 5 zu. Denn die Parteien haben über die Position N.5018 keine Einigung erzielt.
109
Mit Schreiben vom 20.01.2020 hat die Klägerin der Beklagten gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B Mehrmengen im Rahmen der beauftragten Putzsanierung angezeigt. Dies hat sie wie folgt begründet: Unter Berücksichtigung der Position 11.90 ( Entsorgung von 120 Tonnen ) des Leistungsverzeichnisses habe eine Putzstärke von weniger als 1 Zentimeter angenommen werden müssen. Die ausgeschriebenen Mengen der Putzsanierung würden aber erheblich vom angesetzten und beauftragten Leistungsumfang abweichen. Die Leistungsposition für „Putz abstemmen“ würde sich daher von 9.000 m² auf rund 11.000 m² erhöhen.
110
Die Beklagte hat mit E-Mail vom 30.01.2020 hierauf nur geantwortet, dass alles über den extern beauftragten Sachverständigen C. eingereicht werden solle. Die Klägerin hat der Beklagten sodann mit Schreiben vom 21.02.2020 ein Nachtragsangebot übersandt, das unter der Ordnungszahl N.5018 die Position
111
„Zulage Putzstärke asbesthaltiger Wandputz 2,5 cm
112
zu Position 10.10
113
gemäß beigefügter Urkalkulation auf Basis 120to
114
asbesthaltiger Abfall
115
11.500 m² 20,49 235.635,00“
116
enthielt. Am 08.05.2020 fand zwecks Abstimmung der Nachtragsposition „Putze aus Nachtrag 5“ eine Telefonkonferenz mit Teilnehmern der C. und der Klägerin statt. Dem Besprechungsprotokoll kann entnommen werden, dass keine Einigung darüber erzielt werden konnte, ob die Zulage asbesthaltiger Wandputz 2,5 cm zu Position 10.10 dem Grunde nach gerechtfertigt sei. Die gegenseitigen Argumente sind schriftlich festgehalten. Eine Einigung konnte indes nicht getroffen werden.
117
Die Beklagte hat in der Schlussrechnung mehrere Positionen aus dem Nachtrag 5 akzeptiert, die streitgegenständliche Position N.5018 b aber gestrichen. Im Ergebnis hat die Beklagte zu dieser Position das Angebot der Klägerin vom 21.02.2020 nicht angenommen. Hierauf hat sie zutreffend in ihrem Schriftsatz vom 30.06.2021 hingewiesen.
118
b)
119
Der geltend gemachte Anspruch besteht auch im Übrigen bereits dem Grunde nach nicht, ohne dass es auf Fragen zur Höhe ankäme. Die Auslegung des Leistungsverzeichnisses ergibt, dass die Klägerin die Menge des Putzes nicht unter Berücksichtigung von Position 11.90 ermitteln und einpreisen durfte.
120
Welche Leistungen von der Vergütungsabrede in einem Bauvertrag erfasst sind, ist durch Auslegung des Vertrages nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
121
aa)
122
Dabei ist das gesamte Vertragswerk zugrunde zu legen, wozu bei öffentlicher Ausschreibung auch die VOB/B gehört. Danach werden durch die vereinbarten Preise Leistungen abgegolten, die nach der Leistungsbeschreibung, den verschiedenen Vertragsbedingungen und der gewerblichen Verkehrssitte zu den vertraglichen Leistungen gehören, § 2 Abs.1 VOB/B. Bei einer öffentlichen Ausschreibung kommt dem Wortlaut der Leistungsbeschreibung vergleichsweise große Bedeutung zu. Wie diese zu verstehen ist, hängt vom Empfängerhorizont ab. Maßgeblich ist insoweit bei der Ausschreibung nach VOB/A der objektive Empfängerhorizont der potentiellen Bieter ( BGH, Urteil vom 22.12.2011, VII ZR 67/11, BauR 2012, 490 ).
123
Die Auslegung hat zu berücksichtigen, dass der Bieter grundsätzlich eine mit den Ausschreibungsgrundsätzen der öffentlichen Hand konforme Ausschreibung erwarten darf. Deshalb darf der Bieter die Leistungsbeschreibung einer öffentlichen Ausschreibung nach VOB/A im Zweifelsfall so verstehen, dass der Auftragsgeber den Anforderungen der VOB/A an die Ausschreibung entsprechen will ( BGH, s.o. ). Nach diesen Anforderungen ( § 7 Abs. 1, 3, 6, 7 VOB/A ) ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Unternehmer die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Dem Auftraggeber darf kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden, für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, z.B. Boden- und Wasserverhältnisse, sind so zu beschreiben, dass das Unternehmen ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen kann. Die „Hinweise für das Aufstellen der Leistungsbeschreibung“ in Abschnitt 0 der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen, DIN 18299 ff., sind zu beachten.
124
Missachtet der öffentliche Auftraggeber die Anforderungen an die Aufstellung der Leistungsbeschreibung nach § 7 VOB/A, sind dennoch die Erschwernisse von dem Vertrag erfasst, mit denen nach dem objektiven Empfängerhorizont eines potentiellen Bieters gerechnet werden musste. Kann der Auftragnehmer die Unvollständigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Leistungsbeschreibung bzw. des Leistungsverzeichnisses erkennen, so kann er diesbezüglich später keine veränderte Vergütung verlangen. Ein Auslegungsvertrauen auf Einhaltung der VOB/A scheidet aus, wenn ein Vergabeverstoß für den Bieter erkennbar ist oder wenn er auch ohne Angaben in der Ausschreibung eine ausreichende Kalkulationsgrundlage hat ( OLG Braunschweig, Urteil vom 26.06.2014, 8 U 11/13, BauR 2017, 111 ).
125
bb)
126
Unter Beachtung dieser Auslegungsgrundsätze hat das Landgericht zutreffend festgestellt, dass die von der Klägerin geforderte Mehrvergütung schon von dem bestehenden vertraglichen Leistungsumfang erfasst ist und Mehrvergütungsansprüche aus § 2 Abs. 5 VOB/B, § 2 Abs. 3 VOB/B, § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B oder nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommen.
127
aaa)
128
Zunächst ist unstreitig, dass die Entfernung und die Entsorgung kontaminierten, da asbesthaltigen Materials, Gegenstand des Bauvertrages waren. In den Allgemeinen Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis wird beschrieben, dass es sich bei dem Schulgebäude um einen Altbau handelt, der zu verschiedenen Zeiten errichtet worden ist. Nur im Kellerbereich seien keine asbesthaltigen Putze festgestellt worden. Die Sanierung sollte vom unteren Geschoss zum obersten Geschoss ohne Unterbrechungen in bis zu 20 Schwarzbereichen erfolgen. Darüber hinaus wird die gesamte Schadstoffmontage beschrieben. In den Fluren seien die asbesthaltigen Putzflächen durch Trockenbauelemente abgekastet, außerdem sei in einigen Etagen des Flurbereiches zusätzlich asbesthaltiger Buntsteinputz aufgetragen worden. Der Klägerin war schon aufgrund dieser Vorbemerkung bekannt, dass eine großflächige Asbest-Kontaminierung vorlag. Sie musste bis zu 20 Schwarzbereiche einrichten. In ihrer Eigenschaft als Spezialunternehmen musste sie wissen, dass die Feststellung der konkreten Lage und Tiefe dieser Kontaminierung erst im Zuge der Arbeiten feststellbar sein würde und bei Erstellung des Leistungsverzeichnisses gerade nicht feststand. Darüber hinaus musste ihr bei der von ihr gewählten Arbeitsmethode des Abstemmens bekannt sein, dass auch, wenn die abgestemmten Putzstücke möglicherweise nur an deren Oberfläche einen Asbestauftrag enthalten würden, sie vollständig entsorgt werden müssen, da eine Trennung von asbesthaltigen und asbestfreien Material nicht möglich sein würde. Entsprechend enthielt Position 10.10 zu den Sanierungsarbeiten auch keinerlei Angaben zu der Dicke des mit Asbest betroffenen Putzes oder der konkreten Lage der betroffenen Bereiche.
129
Den durchzuführenden Asbestarbeiten war somit immanent, dass keine der Parteien genau wusste, wo sich die Kontaminierung konkret befand. Zudem handelte es sich um einen Altbau, der zu verschiedenen Zeiten errichtet und ergänzt worden war und nicht um ein Gebäude „aus einer Hand“ mit eindeutigen Bauunterlagen. Schon aufgrund der Beschreibung in der Vorbemerkung zum Leistungsverzeichnis musste der Klägerin als Spezialunternehmen klar sein, dass die konkrete Lage des Asbests und dessen anfallende Menge unbekannt waren. Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, die Beklagte habe vor der Ausschreibung eine Mischprobe genommen. Anhand dieser Probe sei nicht erkennbar gewesen, in welcher Schicht sich der Asbest befunden habe. Der Klägerin war die Problematik somit bekannt. Diese – von niemanden zu vertretene – Ungewissheit hätte sie insbesondere als Spezialunternehmen bei ihrer Kalkulation berücksichtigen müssen.
130
bbb)
131
Die Klägerin kann der Beklagten auch nicht mit Erfolg vorwerfen, sie habe die Abrechnungseinheit in Position 10.10 falsch gewählt. Diese Position enthält die Beschreibung, welche Flächen und welche Schichten in / auf diesen Flächen zu entfernen waren. Als Maßeinheit hat die Klägerin m² und eine Menge von 9.000 angegeben. Der Einheitspreis war von dem jeweiligen Bieter einzusetzen.
132
In der DIN 18459 Abbruch- und Rückbauarbeiten ( siehe VOB/C, Hartl/Haidacher, Beck’scher VOB- und Vergaberechtskommentar VOB Teil C, 4. Auflage 2021 in beckonline ) sind in 0.5 die Abrechnungseinheiten und im Abschnitt 5 die Abrechnung geregelt. Da die Abrechnung nach unterschiedlichen Maßeinheiten stattfindet, wird dem Auftraggeber in Abschnitt 0.5 die Pflicht auferlegt, jeweils im Leistungsverzeichnis anzugeben, welche Abrechnungseinheit für die jeweils beschriebene Position zu verwenden ist. Dabei erfolgt die Abrechnung differenziert je nach Bauteil in Raummaßen, Flächenmaßen in m² und Flächenmaßen in m³, Längenmaßen und Stückzahl, wobei hier jeweils nach Bauart und Maßen getrennt wird, oder alternativ nach Massen ( kg, t ), wobei in letzterem Fall nach Baustoffen getrennt wird ( Hartl/Haidacher, Beck’scher VOB- und Vergaberechtskommentar VOB Teil C, 4. Auflage 2021, Rd. 36 ).
133
Das Flächenmaß ( m² ) ist gemäß 0.5.2 DIN 18459 im Leistungsverzeichnis u.a. für Wände, Decken, Bodenplatten, Boden-, Wand- und Deckenbeläge und Putz vorgesehen. Masse ( kg, t ) ist als Abrechnungseinheit gemäß 0.5.6 getrennt nach Baustoffen vorgesehen.
134
Im Bereich Abbruch und Rückbau ist in der Praxis, zumindest wenn es um den kompletten Abbruch bzw. Rückbau von Bauwerken oder Anlagen geht, die Vereinbarung einer Abrechnung nach dem Brutto-Rauminhalt ( BRI ), wie er in der DIN 277 ( Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau ) niedergelegt ist, vorherrschend. Für diesen Abrechnungsmodus allerdings enthält die ATV DIN 18459 keine Regelung. Maßgebend ist in diesen Fällen allein die DIN 277. Von der Abrechnung nach dem BRI wird aber vielfach dann abgesehen ( und somit der Weg zu einer Anwendung der ATV DIN 18459 gebahnt ), wenn – wie hier – die Abbruch- und Rückbauarbeiten im Zuge einer Entkernung erfolgen (Hartl/Haidacher, Beck’scher VOB- und Vergaberechtskommentar VOB Teil C, 4. Auflage 2021, Rd. 105 ). Sind keine vorrangigen vertraglichen Abreden hinsichtlich der Abrechnungsweise getroffen worden, verweist ATV DIN 18459 zunächst auf den Abschnitt 5 der ATV DIN 18299. Danach ist die erbrachte Leistung in erster Linie aus Zeichnungen, und soweit dies nicht möglich ist, aus dem Aufmaß zu ermitteln.
135
Da es sich vorliegend nicht um den kompletten Abbruch des Gymnasiums gehandelt hat, musste die Abrechnung nicht nach Brutto-Rauminhalt erfolgen, sondern die Beklagte konnte im Leistungsverzeichnis die Entfernung im Zuge der Entkernung zutreffend nach dem Flächenmaß m² angegeben. Wenn aber diese Berechnungseinheit DIN-konform ist, musste die Klägerin jedenfalls bei ihrer Kalkulation der Position 10.10 die möglicherweise in die Tiefe der Wand oder Decke gehenden Kontaminierung mit Asbest einkalkulieren. Denn bei der Abrechnung nach m² kommt es nicht drauf an, wieviel Material tatsächlich anfällt. Das beim Abstemmen anfallende Material hat bei der Pos. 10.10 nach m² gerade keinen Einfluss auf die Abrechnung nach Einheitspreisen. Die Entsorgung hat die Beklagte ebenfalls zutreffend mit der Abrechnungseinheit t im Leistungsverzeichnis angegeben.
136
Ein Verstoß gegen die vergaberechtliche Vorschrift des § 7 VOB/A, der unter Umständen einen Anspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B begründen könnten, kann bei der von der Beklagten verwendeten Abrechnungseinheit m² in der Position 10.10 jedenfalls nicht festgestellt werden.
137
Die Klägerin hat – ihrer eigenen Argumentation gerade nicht folgend – diese Position auch in der Schlussrechnung nicht in t abgerechnet. Sie hat vielmehr, von der Beklagten nicht beanstandet, das Flächenmaß m² auf die Menge 11.206,580 m² erhöht.
138
ccc)
139
Weiterhin zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass der von der Klägerin vorgenommene Querverweis von Position 10.10 auf Position 11.90 nicht zulässig ist. Ziffer 10 betrifft allein die Sanierungsarbeiten, die nach dem Flächenmaß m² abgerechnet werden sollten. Weder die Putzdicke, noch die zu erwartende Menge an asbesthaltigem Material wird in dieser Position genannt. Zudem übersieht die Klägerin, dass in Position 11.40 die Entsorgung des Bauschutts mit 1.200 t und in 11.90 die Entsorgung der asbesthaltigen Abfälle mit 120 t angegeben ist. Der in Position 11.90 genannte Abfallschlüssel 170605* betrifft asbesthaltige Baustoffe ( wie z.B. Asbestzementplatten, Asbestschindel, Asbestrohre oä ). Vorliegend bestand aber – wie oben schon ausgeführt – die Besonderheit, dass beim Abstemmen nicht nur reines asbesthaltiges Material angefallen ist, sondern eben auch große Mauer- und Putzstücke. Die Stein und Putzstücke mussten aber, sobald nur zu einem geringen Teil Asbest vorhanden sein sollte, nach den Vorschriften über die Asbestentsorgung entsorgt werden. Die Klägerin musste erkennen, dass mit der Position 11.90 nur vollständig kontaminiertes Material gemeint gewesen ist, so dass die Menge von 120 t für die Abstemmarbeiten nicht maßgebend sein konnte. Durch die grobe Form des Abstemmens musste sie damit rechnen, dass auch normaler Bauschutt, der mit 1.200 t in 11.40 im Leistungsverzeichnis angegeben worden war, zu asbesthaltigem Abfall werden konnte. Da es sich bei der Klägerin um ein Spezialunternehmen auf dem Gebiet des Abbruchs und der Sanierung handelt, musste sie diese Problematik erkennen und kann sich nicht mit Erfolg auf die Aufbürdung eines unverhältnismäßigen Wagnisses berufen.
140
ddd)
141
Die in der Kalkulation von der Klägerin vorgenommene Berechnung des Verbrauchsmaterials bei der Annahme 120 t / 9.000 m² bei einer Schichtdicke von einem cm beruht auf einer falschen Verknüpfung der beiden Positionen 10.10 und 11.90. Vor dem Abstemmen war gerade nicht zu ermitteln, wieviel asbestbelasteter Bauschutt anfallen würde.
142
Im Ergebnis hat die Beklagte nicht gegen Ausschreibungsgrundsätze verstoßen, sondern die Klägerin hat eine falsche Kalkulationsgrundlage verwendet. Das Bausoll war durch das Leistungsverzeichnis widerspruchsfrei vorgegeben. Allen Beteiligten war bekannt, dass die konkrete Lage und Ausbreitung des Asbests vor der Entfernung des Putzes nicht festgelegt werden konnte. Außerdem musste die Klägerin wissen, dass durch die gewählte Ausführungsart gerade keine fein-saubere Trennung von asbesthaltigem und nicht asbesthaltigem Material möglich war.
143
2.
144
Nachtrag 13 Z.4.001
145
a)
146
Mit dieser Position in der Schlussrechnung berechnet die Klägerin die Verbringung der asbesthaltigen Baustoffe ( LV Pos. 10.10, 10.20 und 10.30 ) in Container mit 330.612,47 €. Anders als zum Nachtrag 5 hat die Klägerin den Nachtrag 13 Z 4.001 im Laufe der Arbeiten nicht angeboten, sondern diese Arbeiten erstmals in der Schlussrechnung geltend gemacht. Eine Einigung der Parteien über diesen Nachtrag liegt somit nicht vor.
147
b)
148
Der Transport vom Weißbereich in die Container ist vom Leistungssoll des Leistungsverzeichnisses umfasst. Die genannten Positionen 10.10 und 10.20 betreffen nur das Entfernen und nicht das Entsorgen. Nur bei einem gewählten Strahlverfahren wäre die Entsorgung des Strahlmittels in den Einheitspreis einzukalkulieren gewesen. Position 10.30 enthält hingegen nicht nur das Entfernen, sondern auch das Entsorgen des asbesthaltigen Buntsteinputzwandbelags. Die Entsorgung des Materials aus den beiden ersten Positionen hatte sich somit nach der Ordnungszahl 11 „Entsorgung“ zu richten. Dieser Ordnungszahl ist ein Hinweis vorangestellt, dass demontierte Materialien umgehend aus den Räumen zu entfernen und in Abfallcontainer zu verbringen sind. Diese Arbeiten, wie auch die fachgerechte Verpackung und Kennzeichnung von Gefahrenstoffen werden nicht separat vergütet und sind in die Preise einzukalkulieren. Die Entsorgung sämtlicher Materialien wird gesondert vergütet. Somit ist der Transport durch den Weißbereich und die Verbringung in den Container im Leistungsverzeichnis eindeutig geregelt. Dass die Klägerin diesen Hinweis gelesen hat, zeigt sich darin, dass sie die fachgerechte Verpackung gerade in ihre Kalkulation der Position 10.10 aufgenommen hat, obwohl die Positionen 10.10 und 10.20 nur das Entfernen vorgesehen haben. Somit hätte sie aufgrund dieses Hinweises auch die Verbringung in die Abfallcontainer mit in ihre Einheitspreise einkalkulieren müssen.
149
Der Umstand, dass in den Positionen 10.40 bis 10.60 das Verbringen in die Container ausdrücklich genannt wird, führt zu keiner anderen Beurteilung. In den zuletzt genannten Positionen geht es um die zerstörungsfreie Demontage, Verpackung und die Verbringung zu Container von Mineralfaserdeckenplatten. Schon anhand deren Größe unterscheidet sich der Transport zu den Containern von dem von Bauschutt.
150
Im Ergebnis kann die Klägerin auch den Nachtrag 13 nicht von der Beklagten ersetzt verlangen, da diese Leistung ebenfalls zum Leistungssoll des Bauvertrages gehörte.
151
III.
152
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision ist nicht geboten, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Zulassung der Revision weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO. Es handelt sich um eine Auslegungsfrage und damit eine Einzelfallentscheidung.
153
Wert des Berufungsverfahrens: 625.009,33 €