Vergabekammer Berlin, Az.: VK – B1 – 21 / 22, Beschluss vom 08.02.2023 – Vergabeverfahren „Schulmittagessen – Herstellung – Lieferung und Ausgabe – an 26 Grundschulen und einem Sonderpädagogischen Förderzentrum

Feb 17, 2023 | Rechtsprechung

Vergabekammer Berlin

Aktenzeichen: VK – B1 – 21 / 22

Beschluss vom 08.02.2023

Entscheidungstext:

Beschluss

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

pp.

wegen des Vergabeverfahrens „Schulmittagessen – Herstellung – Lieferung und Ausgabe – an 26 Grundschulen und einem Sonderpädagogischen Förderzentrum des BA TK – 27 Lose“ (Vergabenummer TK 26042022-1000) hat die 1. Beschlussabteilung der Vergabekammer des Landes Berlin durch die Vorsitzende …, den hauptamtlichen Beisitzer … und die ehrenamtliche Beisitzerin … am 08.02.2023 beschlossen:

1. Das Verfahren wird eingestellt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen).

3. Die Verfahrensgebühren werden auf … EUR festgesetzt. Auslagen der Vergabekammer werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist ein gastronomisches Unternehmen mit Sitz in Berlin, welches unter anderem Catering für Schulen anbietet. Der Antragsgegner ist eine Bezirksverwaltung im Land Berlin, welche unter anderem für die Förderung und Betreuung von Schülerinnen und Schülern in öffentlichen Schulen, insbesondere auch für dort bereitzuhaltende Mittagessensangebote im Sinne des Schulgesetzes, zuständig ist. Der Antragsgegner schrieb mittels einer Bekanntmachung März 2022 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union (2022/S 061-161700) einen Dienstleistungsauftrag im Bereich „Verpflegungsdienste für Schulen“ in 27 Losen (Schulstandorte) europaweit im offenen Verfahren aus. Als Leistungszeitraum wurde in allen Losen der Zeitraum vom 01.08.2022 bis 31.07.2026 genannt. Der Antragsgegner forderte alle Interessierten dazu auf, bis zum 29.04.2022, 9 Uhr, ihre Angebote über die Vergabeplattform einzureichen.

Die Antragstellerin reichte unter anderem in den Losen 2, 6, 12, 17, 18, 19 und 23 Angebote ein.

Mit den jeweiligen Vorabinformationsschreiben vom 08.07.2022 in den Losen 2, 6, 12, 17, 18, 19 und 23 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass sie auf ihre fristgemäßen Angebote vom 07.07.2022 keine Zuschläge erhalten werde, da die Zuschlagsbieterin … die höchste Punktzahl an Bewertungspunkten erhalten und diese damit wirtschaftlichere Angebote abgegeben hat. Im Verhältnis zu den Angeboten der Zuschlagsbieterin erhielten die Angebote der Antragstellerin beim Kriterium „Sensorische Qualität“ weniger Bewertungspunkte. Zudem wurde mitgeteilt, dass der Vertrag frühestens am 22.07.2022 abgeschlossen werden sollte. Die Antragstellerin erhielt in den zuvor genannten Losen jeweils den 2. Platz unter allen Bietern.

Mit Schreiben vom 13.07.2022 rügte die Antragstellerin die Vorabinformationsschreiben als unzureichend, da es an der Darstellung der relativen Vor- und Nachteile sowie Merkmale der ausgewählten Angebote zur Zuschlagsbieterin fehlt. Mithin rügte sie die fehlende Transparenz der Testverkostung zur „Sensorischen Qualitätsbewertung“. Daraufhin half der Antragsgegner mit Schreiben vom 14.07.2022 der Rüge ab, in dem er Fotos in Bezug auf die Testverkostungen sowie anonymisierte Tabellen übermittelte, welche die jeweiligen Punktzahlen der Bieter auswiesen.

Mit Schreiben vom 18.07.2022 rügte die Antragstellerin, dass die Zuschlagsbieterin ihre Testgerichte auf schwarzen Tafeln mit weißer Kreide beworben hat und hierdurch der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt worden sei. Zudem bestünde nach Ansicht der Antragstellerin der Verdacht, dass der Antragsgegner sich nicht an das in Ziffer 16.2.1 c) der Anlage 1 zur Angebotsaufforderung genannte Verfahren zur Angebotsauswertung gehalten habe. Diese Rüge vom 18.07.2022 wies der Antragsgegner mit Schreiben vom 20.07.2022 zurück.

Am 21.07.2022 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer des Landes Berlin für die Lose 2, 6, 12, 17, 18, 19 und 23 gestellt, der dem Antragsgegner durch die Kammer am selben Tag für die Lose 2, 12, 17 und 18 übermittelt worden ist. Hierbei hat die Antragstellerin im Wesentlichen das Vorbringen aus ihren Rügen wiederholt und vertieft.

Die Antragstellerin hat beantragt:

1. Ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 160 Abs. 1 GWB wird bezüglich des Vergabeverfahrens über die Beschaffung von Schulmittagessen an 26 Grundschulen und einem Sonderpädagogischen Förderzentrum (Vergabenummer: TK 26042022-1000, offenes Verfahren, EU-Bekanntmachung vom 26.03.2022 – 2022/S 061-161700) eingeleitet.

2. Die Vergabeakte wird beigezogen und der Antragstellerin unverzüglich nach § 165 GWB Akteneinsicht gewährt.

Hierbei hat sich die Antragstellerin vorbehalten zu beantragen:

3. Das Verfahren wird in den Stand vor Versendung der Vorabinformation zurückversetzt. Der Antragsgegner wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsaufassung der Vergabekammer die im Wettbewerb verbliebenen Angebote erneut zu werten;

4. Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin im Vergabeverfahren durch Vergabeverstöße des Antragsgegners in ihren Rechten aus § 97 Abs.6 GWB verletzt ist. Der Antragsgegner wird verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen der Antragstellerin zu verhindern;

5. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigen der Antragstellerin wird für notwendig erklärt;

6. Dem Antragsgegner werden die Kosten des Nachprüfungsverfahrens sowie die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung gemäß § 182 Abs. 4 GWB einschließlich der vorprozessualen Anwaltskosten auferlegt.

Hiergegen hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 28.07.2022 beantragt:

1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,

2. den Antrag auf Akteneinsicht zurückzuweisen,

3. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen.

Der Antragsgegner trägt im Wesentlichen vor, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet sei. Die Antragstellerin gehe fehl mit der Annahme, dass die von der Zuschlagsbieterin verwendeten Aufsteller für die Speisen einen Einfluss auf die sensorische Bewertung der Testverkostung gehabt haben. Hierin sei auch kein Widerspruch zu Vorgaben aus den Vergabeunterlagen zu sehen, mithin läge kein Verstoß gegen das Verbot der nach Ziffer 16.2.1. lit d. der Anlage 1 zur Angebotsaufforderung verbotenen Werbeträger sowie Dekorationen vor.

Die Wertung der Ersatzjury 2 bei der sensorischen Testverkostung sei ordnungsgemäß erfolgt, unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hinsichtlich aller Bieter.

Schließlich bestehe keine fehlerhafte Ausübung eines Beurteilungsspielraums bei der Auswertung der (Test-)Konzepte.

Mit Verfügungen vom 03.08.2022 und 17.08.2022 wurden, mit Einverständnis des Antragsgegners, der Antragstellerin die Anlagen zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 28.07.2022 übermittelt. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 24.08.2022 daraufhin ihren Nachprüfungsantrag vom 21.07.2022 zurückgenommen.

Mit Verfügung vom 25.08.2022 hat der ehemalige Vorsitzende die Entscheidungsfrist bis zum 29.09.2022 verlängert.

Die Vergabeakten des Antragsgegners lagen der Kammer vor und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Verfahrensakte sowie die beigezogenen Vergabeakten verwiesen.

II.

Nachdem die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag mit Schriftsatz vom 24.08.2022 zurückgenommen hat, ist das Verfahren einzustellen und nur noch über die Kosten zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB. Die Antragstellerin hat die Verfahrenskosten im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu tragen. Nach § 182 Abs. 3 S. 4 und S. 5 GWB wird bei einer Rücknahme oder sonstigen Erledigung des Antrags vor einer Entscheidung der Vergabekammer die Kostenentscheidung nach billigem Ermessen getroffen. Billigem Ermessen entspricht es vorliegend, der Antragstellerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens aufzuerlegen, da sie sich durch die Antragsrücknahme freiwillig in die Rolle der Unterlegenen begeben hat (vgl. Begründung zu § 182 GWB, BT-Drs. 18/6281, S. 136; allgemein zu diesem kostenrechtlichen Aspekt vgl. BGH, Beschluss v. 6.7.2005 – IV ZB 6/05, NJW-RR 2005, 1662, 1663; BVerwG, Beschluss v. 26.11.1991 – 7 C 16/89, NVwZ 1992, 787, 788 f.). Anhaltspunkte für eine andere Ausübung des billigen Ermessens bestehen hier nicht.

Die Festsetzung der Verfahrensgebühr beruht schließlich auf § 182 Abs. 1, 2 GWB in Verbindung mit § 182 Abs. 3 S. 4 GWB und entspricht dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer, insbesondere im Hinblick auf die Prüfung des Nachprüfungsantrags. Die Vergabekammer zieht als Ausgangspunkt insofern die auftragswertorientierte Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes (derzeit abrufbar unter http://www.bundeskartellamt.de/DE/Vergaberecht/Materialien/Materialien_node.html) heran. Dabei legt die Kammer in der Regel den Bruttoangebotspreis (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. August 2014 – 11 Verg 3/14, IBRRS 2014, 2521) der Antragstellerin für die gesamte, mögliche Vertragslaufzeit zugrunde, die dem wirtschaftlichen Wert des ausgeschriebenen Vertrags entspricht. Unter Beachtung des personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer für das hiesige Nachprüfungsverfahren ergibt sich zunächst eine Verfahrensgebühr in Höhe von … EUR. Nach § 182 Abs. 3 S. 4 GWB ist infolge der Rücknahme nur die Hälfte dieser Gebühr, mithin … zu entrichten. Eine weitere Reduzierung der Verfahrensgebühren auf … ist geboten, da das Nachprüfungsverfahren für die Kammer in jeder Hinsicht unterdurchschnittlich umfangreich war. Hierbei berücksichtigt die Kammer, dass sich das Nachprüfungsverfahren in einem relativ frühen Verfahrensstadium noch vor der Durchführung der mündlichen Verhandlung erledigt hat. Gebührenreduzierend hat die Kammer des Weiteren berücksichtigt, dass sie sich nicht eingehend mit dem Sach- und Streitstand im Rahmen eines rechtlichen Hinweises befassen musste. Damit entspricht die im Tenor festgesetzte Verfahrensgebühr dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer.

Ein Ausspruch nach § 182 Abs. 4 S. 3 GWB kann vorliegend unterbleiben, da die Antragstellerin ihre Aufwendungen selbst zu tragen hat und der Antragsgegner keine eigenen Aufwendungen geltend gemacht hat.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb einer Frist von zwei Wochen, die mit der Zustellung dieser Entscheidung beginnt, schriftlich beim Kammergericht, Elßholzstraße 30/31, 10781 Berlin, oder in elektronischer Form mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehen (www.berlin.de/erv) einzulegen. Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird. Auch sind die Tatsachen und Beweismittel anzugeben, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Vorsitzende

Hauptamtl. Beisitzer

Ehrenamtl. Beisitzerin