Vergabekammer Nordbayern, Az.: RMF-SG 21-3194-7-32, Beschluss vom 30.01.2023 – Angebot mit Abweichungen von den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses

Jan 30, 2023 | Rechtsprechung

Vergabekammer Nordbayern

Regierung von Mittelfranken

Az.  RMF-SG 21-3194-7-32

Beschluss vom 30.01.2023

 

Normen: § 13 EU VOB/A

Leitsatz (amtlich):

Auf ein Angebot, welches den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht in allen Punkten entspricht, darf der Zuschlag nicht erteilt werden, denn es fehlt an den für einen Vertragsschluss erforderlichen sich deckenden und sich entsprechenden Willenserklärungen. Nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A ist das Angebot auf der Grundlage der Vergabeunterlagen zu erstellen. Auch Abweichungen ohne physische Manipulationen sind unzulässig. Sobald sich ggf. auch im Rahmen der Aufklärung und Konkretisierung des Angebotes eines Bieters ergibt, dass Vergabeunterlagen und Angebot nicht deckungsgleich sind, ist das Angebot eines Bieters nach§ 16 EU Nr. 2 VOB/A zwingend auszuschließen. Zur Sicherung eines fairen Wettbewerbes darf der Auftraggeber nur Angebote berücksichtigen, die seinen Vorgaben entsprechen und daher vergleichbar sind.

 

Entscheidungstext:

Die Vergabekammer Nordbayern bei der Regierung von Mittelfranken erlässt auf die mündliche Verhandlung vom 25.01.2023 am 30.01.2023 durch den Vorsitzenden….., den hauptamtlichen Beisitzer ….. und den ehrenamtlichen Beisitzer…..folgenden

Beschluss:

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Vergabestelle.

3. Die Beigeladene trägt ihre Aufwendungen selbst.

4. Die Gebühr für dieses Verfahren beträgt x.xxx,-€.
Auslagen sind nicht angefallen.

Sachverhalt:

1.

Die Vergabestelle hat mit europaweiter Bekanntmachung vom xx.xx.xxxx den Bauauftrag „MSR-Technik…“ im Offenen Verfahren ausgeschrieben.

In der allgemeinen Vorbemerkung des Leistungsverzeichnisses unter Nr.19 „Allgemeine Beschreibung der Anlage“ wurde zum Aufbau der GA-Systemstruktur bei der Automationsebene von der Vergabestelle festgelegt:
„:…… Schnittstellen zu Subsystemen (M-Bus, Modbus, Profibus. KNX)“
(siehe Seite 12 des LV, Hervorhebung durch die Vergabekammer)

Zu Automationsstationen (Ordnungsnummern 1.1.2.10 bis 1.1.2.290 im Leistungsverzeichnis) findet sich u.a. der Hinweis der Vergabestelle:

Kopplung Profi-Bus Datenschnittstelleneinheit Hardware/Grundsoftware Profi-Bus Datenschnittstelleneinheit ( SE) bis 160 Datenpunkte, zum Datenaustausch zwischen Automationseinrichtung und Fremdsystem über Profi-Bus-Protokoll, bestehend aus:

Hardware, Spannungsversorgung, geräte- und mediumspezifischen Anschlüssen und Verbindern, Kommunikations- und Treibersoftware zur Umsetzung der Protokolle und der zu übertragenden Adressen, Daten und Texte einschl. Koordination mit dem DSE-Kommunikationspartner, sowie Erstellung der Dokumentation, einschl. temporärer Speicherung des aktuellen Prozessabbildes der zu übertragenden Datenpunkte, Einbindung in die Automationseinrichtung.

Schnittstelle gemäß Profi-Bus-Protokoll,

Unter den Ordnungsziffern 1.1.3.400 des LV ist die Koordination der Schnittstelle Profi-Bus vorgegeben und unter der Ordnungszahl 1.4.2.430 des LV ist eine Profi-Bus Leitung ausgeschrieben.

 

 
1.000
—————
 
1.1.3. 400
Koordination Profi-Bus
   
 
Koordination Profi-Bus
   
1.4.2.430
2.500,000 m
————–
————–
 
Profi-Bus Leitung
   
 
abgeschirmte Steuerleitung LiCY-CY
   
 
Datenleitungen paarig – EMV-geeignet Cu-geschirmt.
   
 
flexible Schalt- und Steuerleitunq
   
 
farbige Adern nach DIN 47100
 

2.

Die Antragstellerin, die Beigeladene und eine weitere Bieterin haben sich mit einem Angebot am Wettbewerb beteiligt. Das Angebot der Antragstellerin betrug x.xxx.xxx,xx €. Die Beigeladene bot die Leistung für x.xxx.xxx,xx € an. Das Angebot der weiteren Bieterin belief sich auf x.xxx.xxx,xx €.
Auf Anforderung vom 25.08.2022 reichten die Antragstellerin und die Beigeladene u.a. das Formblatt 223, die Fabrikatsliste und das Beiblatt 070-4 fristgerecht ein.

3.

Mit Schriftsatz vom 08.11.2022 stellten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag, der unter dem Az.:RMF-SG21-3194-x-xx geführt wurde, weil das Angebot der Antragstellerin gemäß Bieterinformationsschreiben nicht den Zuschlag erhalten sollte.

Die Vergabestelle widerrief mit Schreiben vom 23.11.2022 die Bieterinformationsschreiben gemäß § 134 GWB und setzte das Vergabeverfahren auf den Zeitpunkt ab Eingang der Angebote zurück. Die Vergabekammer hat aufgrund der Abhilfe der Vergabestelle das Nach­ prüfungsverfahren Az.RMF-SG21-3194-x-xx mit Beschluss vom 21.12.2022 eingestellt.

4.

Mit Schreiben vom 29.11.2022 forderte die Vergabestelle die Antragstellerin unter 1.7 und 1.8 auf, bis zum 06.12.2022 folgende Unterlagen einzureichen:

1.7 [x] Es sind folgende Nachweise nachzureichen: Für Abschnitt 1.3.2 „IT-Sicherheit“ Zertifikat nach DIN EN 1S0/IEC 27001-

1.8 [x] Zusätzlich sind folgende Nachweise nachzureichen:
Zertifikat AICPA SOC2 type II

Ebenfalls bis zum 06.12.2022 forderte die Vergabestelle Eigenerklärungen zur Eignung – FB124 – für die Nachunternehmer.

Zudem forderte die Vergabestelle im Rahmen der Aufklärung des Angebotsinhaltes die Antragstellerin bis zum 06.12.2022 auf:

Aufklärung zum Angebotsinhalt für folgende Positionen:
Positionen 1.1.2.0010 bis 1.1.2.00290 Thema Schnittstellen
•Wir bitten um Bestätigung, dass die geforderten Schnittstellen mit der angebotenen Hardware (laut Beiblatt 070-4} nicht ausgeführt werden kann. Wie wurden die ausgeschriebenen Schnittstellen berücksichtigt?

Position 1.3. .0010 Gewerkeübergreif’8flder 1:1 Test Gebäudeautomation GLT
Wir bitter, um Aufklärung der Preisermittlung bzw. Zusammenstellung und Berechnung des EP.

Position 1.2.2,0010 Schaltschrankplanung
• Wir bitten um detaillierte Aufgliederung der Berechnung und Zusammenstellung des EP.

5.

Mit Rüge vom 05.12.2022 erklärte die Antragstellerin bezüglich des Nachweises eines Zertifikats nach DIN EN ISO/IEC 27001, dass die Vorlage eines solchen Zertifikates in den Vergabeunterlagen nicht verlangt sei. Weder hätte ein solches Zertifikat mit dem Angebot vorgelegt werden müssen noch sei eine Nachforderung vorbehalten gewesen. Das Verlangen eines solchen Zertifikates werde als vergabewidrig gerügt. Auch in Bezug auf den Nachweis eines Zertifikates nach AICPA SOC2 type II betonte die Antragstellerin, dass ein solches Zertifikat gemäß Formblatt 216 nicht vorgelegt werden müsse und rügte das Verlangen ebenfalls als vergaberechtswidrig.

Für einen Nachunternehmer legte die Antragstellerin eine entsprechende Eigenerklärung gemäß Formular 124 vor, bezüglich eines weiteren Nachunternehmers teilte die Antragstellerin mit, dass für diese Position 1.1.1.0800 im Leistungsverzeichnis (Gaswarnanlage) aufgrund der Vorgaben im Leistungsverzeichnis nur ein Produkt der Firma X angeboten werden konnte und dieser Unternehmer sich weigere, eine Eigenerklärung abzugeben.

In Bezug auf die Aufklärung des Angebotsinhaltes für die Positionen 1.1.2.0010 bis 1.1.2.00290 teilte die Antragstellerin mit, dass die Aufschaltung einer Automationsstation auf die vorhandene Leitstation …. des Herstellers … in den Vergabeunterlagen vorgegeben sei. Deshalb sei ein Produkt der … beschrieben und vorgegeben. Die von der Antragstellerin angebotene Hardware sei von der Firma Diese Hardware beinhalte keine Schnittstelle für den „Profi-Bus“. Falls eine solche Schnittstelle „Profi-Bus“ nötig wäre, müsste und könnte problemlos eine zusätzliche Hardware eines anderen Herstellers als ….. hinzugezogen werden. Allerdings sei eine solche Schnittstelle „Profi-Bus“ ersichtlich überhaupt nicht ausgeschrieben. Im Leistungsverzeichnis finde sich auch kein Anwendungsbereich für diese Schnittstelle. Dem­ entsprechend würden auch alle technischen Angaben, die erforderlich wären, um die Ausführung und Anwendung einer solchen Schnittstelle umzusetzen, fehlen. Zudem handle es sich bei einer Schnittstelle „Profi-Bus“ um eine veraltete Schnittstelle.

Für die Aufklärung des Preises zur Position 1.3.1.0010 bestehe keine Berechtigung. Die Aufklärung werde insoweit als vergaberechtswidrig gerügt. Aus welchem Grund für diese Pauschale eine Aufklärung des Preises erforderlich erscheine, sei für die Antragstellerin nicht ersichtlich. Im Übrigen sei die Aufklärung dieses Preises durch die Vorlage des Formblattes 223 erfolgt. Vorsorglich werde mitgeteilt, dass für die nach dieser Position zu erbringende Leistung ein Zeitaufwand xx (Anmerkung der Vergabekammer: die von der Antragstellerin im Schreiben vom 05.12.2022 genannte Stundenzahl bewegte sich im ersten Drittel von 100) kalkuliert worden sei.

6.

Die Vergabestelle wies mit Schreiben vom 12.12.2022 die Rüge zurück.

Die Vergabestelle sei zur Aufklärung für die Positionen 1.1.2.0 010 bis 1.2.2.0 0290 berechtigt. Laut dem Leistungsverzeichnis, den Vorbemerkungen und den LV-Positionen seien folgende Schnittstellen gefordert:
…. Koppelung Profi-Bus bis 160 DP
Den Ausführungen der Antragstellerin könne entnommen werden, dass die geforderten Schnittstellen mit der angebotenen Hardware nicht ausgeführt werden können.

7.

Mit Schriftsatz vom 23.12.2022 stellten die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin einen Antrag auf Nachprüfung und beantragten:

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Zuschlag nur unter Berücksichtigung des Angebots der Antragstellerin zu erteilen.

2. Der Antragstellerin wird Einsicht in die Vergabeakte gewährt.

3. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig erklärt.

4. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin.

Zur Begründung vertiefen die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin ihren bisherigen Vortrag der Rüge, dass der Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin einen eklatanten Verstoß gegen die Vergabevorschriften darstellen würde.
Die Behauptung der Vergabestelle sei falsch, dass das Angebot der Antragstellerin die „Mindestanforderung an die DDC“ nicht erfüllen würde, weil die Ausführung einer Schnittstelle Profi-Bus nicht möglich sei. Die Antragstellerin habe die geforderte Fabrikatsliste gemäß Beiblatt 0 70-4 vorgelegt. Aufgeführt seien in der Fabrikatsliste genau die Hardwareprodukte, die die Vergabestelle in ihrer Ausschreibung selbst vorgegeben habe. Die Ausschreibung sei auf Produkte der Firma ausgerichtet. Diese Hardwareprodukte könnten zwar nicht isoliert eine „Schnittstelle Profi-Bus“ ausführen, falls eine solche Schnittstelle Profi-Bus tatsächlich benötigt würde, könnte die Antragstellerin mit zusätzlicher Hardware die Schnittstelle herstellen. Tatsächlich sei aber im Leistungsverzeichnis die Schnittstelle Profi-Bus nicht ausgeschrieben. Sie sei deshalb nicht Leistungsinhalt. Falls eine solche Schnittstelle tatsächlich verlangt worden wäre, hätten dazu auch Datenpunkte angegeben werden müssen. Das sei aber nicht der Fall. Es sei schlicht und ergreifend so, dass in der Ausschreibung in einer Vorbemerkung eine bestimmte Ausführung beschrieben sei, im konkret ausgeschriebenen Leistungsverzeichnis je­ doch eine solche Ausführung überhaupt nicht verlangt sei. Die Vorbemerkung sei daher obsolet. Im Übrigen sei keine weitere Aufklärung über die bloße Nachforderung der Fabrikationsliste hinaus durch die Vergabestelle erfolgt.

8.

Mit Schreiben vom 17.01.2023 bestreitet die Vergabestelle, dass die Schnittstelle Profi-Bus nicht ausgeschrieben worden sei. In den Positionen 1.1.2.0010 bis 1.1.2.0010 werde auf die Vorgaben zu den Datenschnittstellen gern. Vorbemerkung verwiesen.

9.

Die Beigeladene, die am 10.01.2023 beigeladen wurde, wies in ihren Schreiben vom 17.01.2023 darauf hin, dass in den Vorbemerkungen des LV zu Abschnitt 1.1.2 „Automationsstationen inkl. Handbedienebene“ die Grundmerkmale der ausgeschriebenen Hardware-Produkte vorgegeben worden sei. Hierzu zähle auch die zu realisierenden Datenschnittstellen (KNX, ModBus, MBus und ProfiBus). Zudem würden sich u.a. unter der LV-Position 1.1.3.0400 Hinweise finden, dass die Schnittstelle ProfiBus gefordert sei. Die technische Realisierung sei auch mit …-Hardware möglich. Es stehe der Vergabestelle frei, diese Schnittstelle im Hinblick auf spätere Verwendungen zu fordern.

10.

Mit Schriftsatz vom 19.01.2023 bestritt die Antragstellerin, dass eine Schnittstelle Profi-Bus geschuldet sei. Vielmehr gebe sich aus der Position 1.1.3.0400 dass der Auftragnehmer „Koordination zwischen der Gebäudeautomation und den Gewerken bzw. Lieferanten der Zähler zu erbringen“ habe. Diese Koordination sei im Angebot der Antragstellerin enthalten.
Sollte die Schnittstelle Profi-Bus im Laufe der Ausführung gewünscht sein, sei eine zusätzliche Hardware zur ausgeschriebenen und vorgegebenen Siemens-Hardware nötig. Diese könnte die Antragstellerin, falls tatsächlich gefordert, problemlos liefern.
Unverständlich sei, weshalb das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen werden solle, nicht aber das Angebot der Beigeladenen, obwohl beide Bieter Hardware der Fa. angeboten hätten.

11.

In der mündlichen Verhandlung vom 25.01.2023 hatten die Beteiligten Gelegenheit zur Äußerung. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

12.

Die Fünf-Wochen-Frist des § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB wurde wegen tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten am 25.01.2023 bis einschließlich 17.02.2023 verlängert.

13.

Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachund Streitstandes auf die Verfahrensakte der Vergabekammer und die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, Bezug genommen.

Begründung:

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

a)

Die Vergabekammer Nordbayern ist für das Nachprüfverfahren nach § 1 Abs. 2 und § 2 Abs. 2 Satz 2 BayNpV sachlich und örtlich zuständig.

b)

Die VSt ist öffentlicher Auftraggeber nach § 99 GWB.

c)

Bei dem ausgeschriebenen Bauauftrag handelt es sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne von § 103 GWB.

d)

Bei Addition sämtlicher Bauaufträge für die „Erweiterung…“ wird der maßgebliche Schwellenwert erheblich überschritten.

e)

Die ASt ist antragsbefugt im Sinne des § 160 Abs. 2 GWB, denn sie hat ihr Interesse an dem öffentlichen Auftrag mit der Abgabe eines endgültigen Angebotes nachgewiesen und eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Sie hat zudem dargelegt, dass ihr durch die beabsichtigte Vergabe an die BGI ein Schaden zu entstehen droht. Im Rahmen der Zulässigkeit sind an die Antragsbefugnis keine allzu hohen Anforderungen geknüpft.

f)

Die ASt ist ihrer Rügeobliegenheit rechtzeitig nachgekommen.

g)

Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB.

2.

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.

Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt.

Die Vergabestelle beabsichtigt zu Recht das Angebot der Antragstellerin von der Wertung gern. §16 EU Nr. 2 VOB/A i.V.m. § 13 EU Abs. 1. Nr. 5 VOB/A auszuschließen, weil es nicht den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht. Gemäß dem Leistungsverzeichnis müssen die ausgeschriebenen Automationsstationen (siehe Ordnungsziffern LV 1.1.2.10 bis 1.1.2.290) auch über die Schnittstelle Profi-Bus verfügen. Nach Aufklärung des Angebotes der Antragstellerin gern. Beiblatt 070-4 steht aber fest, dass die Antragstellerin keine entsprechende Hardware angeboten hat, damit Daten über die Schnittstelle Profi-Bus verarbeitet werden können.

Dazu im Einzelnen:

a)

Im Leistungsverzeichnis unter 1.1.2 (auf Seite 89) findet sich der Hinweis, dass eine Datenschnittstelleeinheit Profi-Bus mit bis zu 160 Datenpunkte zum Datenaustausch zwischen Automatisationseinrichtung und Fremdsystem über Profi-Bus-Protokoll bestehend aus Hardware … angeboten werden muss. Aufgrund dieses Hinweises auf Seite 89 im Leistungsverzeichnis als Vorbemerkung zu den Automationsstationen unter 1.1.2 des Leistungsverzeichnisses ergibt sich nach Auffassung der Vergabekammer unzweifelhaft, dass die Vergabestelle im Leistungsverzeichnis für die zu liefernden Automationsstationen festgelegt hat, dass diese auch für die Schnittstelle Profi-Bus gerüstet sein müssen. Auch den Ordnungsziffern 1.1.3.400 und 1.4.2.430 des Leistungsverzeichnisses kann entnommen werden, dass die Schnittstelle Profi-Bus zu koordinieren ist bzw. dass eine abgeschirmte Profi-Bus-Steuerleitung vorhanden sein muss. Somit wurde im Leistungsverzeichnis festgelegt, dass eine Schnittstelle Profi-Bus angeboten werden muss. Maßgeblich ist, dass nach dem objektiven Empfängerhorizont bei Auslegung der Vergabeunterlagen nach §§ 133, 157 BGB diese Datenschnittstelle gefordert wurde. Die Vergabestelle hat insoweit von ihrem Leistungsbestimmungsrecht Gebrauch gemacht. Ob es einen konkreten Anwendungsbereich für die Schnittstelle Profi-Bus gibt, ist unerheblich. Die Vergabestelle kann die Schnittstelle auch vorsorglich für spätere Anwendungen vorsehen. Die Vorgaben im Leistungsverzeichnis sind eindeutig und ein durchschnittlich verständiger Bieter hätte erkennen können, dass mit der im Beiblatt 070-4 angebotenen Hardware eine Datenschnittstelle Profi-Bus anzubieten ist. Die Antragstellerin erachtete diese Schnitt­ stelle nach eigenen Angaben für nicht erforderlich und veraltet. Diese fehlerhafte Interpretation des Leistungsverzeichnisses der Antragstellerin ist aber unerheblich. Im Zweifel hätte die Antragstellerin durch eine Bieterfrage ihre Auslegung des Leistungsverzeichnisses klären lassen müssen.

b)

Auch die fehlerhafte Annahme der Antragstellerin, dass Automationsstationen der Fa vorgegeben seien, die ohne zusätzliche Hardware keine Schnittstelle Profi-Bus besitzen, recht­ fertigt keine andere Sichtweise. Dem von der Beigeladenen ausgefüllten Beiblatt 070-4 kann entnommen werden, dass diese insbesondere ein xxx Profibus Gateway zu den Automationsstationen der Fa angeboten hat. In gleicher Art und Weise hätte auch die Antragstellerin ihr Angebot im Beiblatt 070-4 konkretisieren müssen, damit die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses erfüllt werden.

c)

Die Antragstellerin hat unter Berücksichtigung ihrer Hardware-Aufstellung im Beiblatt 070-4 eben keine Hardware angeboten, damit die geforderte Datenschnittstelle „Profi-Bus“ vorhanden ist. Vielmehr bestätigt die Antragstellerin in ihren Schriftsätzen lediglich, dass sie entsprechende Komponenten liefern könnte. Somit räumt sie damit gleichzeitig ein, dass die notwendige Hardware für die Profi-Bus-Schnittstelle in dem von ihr ausgefüllten Beiblatt 070-4 nicht enthalten ist. Ein entsprechendes Profi-Bus Gateway findet sich nicht im Beiblatt 070-4 der Antragstellerin.

d)

Auf ein Angebot, welches den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht in allen Punkten entspricht, darf der Zuschlag nicht erteilt werden, denn es fehlt an den für einen Vertragsschluss erforderlichen sich deckenden und sich entsprechenden Willenserklärungen. Nach § 13 EU Abs. 1 Nr. 5 VOB/A ist das Angebot auf der Grundlage der Vergabeunterlagen zu erstellen. Auch Abweichungen ohne physische Manipulationen sind unzulässig. Sobald sich ggf. auch im Rahmen der Aufklärung und Konkretisierung des Angebotes (hier gern. dem Beiblatt 070-4) eines Bieters ergibt, dass Vergabeunterlagen und Angebot nicht deckungsgleich sind, ist das Angebot eines Bieters nach § 16 EU Nr. 2 VOB/A zwingend auszuschließen. Zur Sicherung eines fairen Wettbewerbes darf der Auftraggeber nur Angebote berücksichtigen, die seinen Vorgaben entsprechen und daher vergleichbar sind.

e)

Eine weitere Aufklärung bzw. Ergänzung des ausgefüllten Beiblattes 070-4 durch die Vergabestelle wäre nicht zulässig. Die Angaben der Antragstellerin in dem Beiblatt sind eindeutig. Eine Ergänzung würde im Ergebnis eine unzulässige Nachverhandlung darstellen.

f)

Nach alledem ist der beabsichtigte Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin rechtmäßig und sogar zwingend. Auf die weiteren Ausschlussgründe, welche die Vergabestelle in Betracht gezogen hat, kommt es nicht an.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.

a)

Die ASt hat nach § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist.

b)

Die Kostenerstattungspflicht gegenüber der Vergabestelle ergibt sich aus § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.

c)

Die Beigeladene trägt ihre Aufwendungen selbst. Sie hat keine Sachanträge gestellt und damit kein Kostenrisiko auf sich genommen. Eine Kostenerstattung durch andere Beteiligte kommt daher im Umkehrschluss ebenfalls nicht in Betracht.

d)

Die Gebühr war nach § 182 Abs. 2 GWB festzusetzen. Unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer und des Angebotspreises der Antragstellerin errechnet sich unter Berücksichtigung der Tabelle des Bundeskartellamtes eine Gebühr in Höhe von x.xxx,€.
Der geleistete Kostenvorschuss von x.xxx,€ wird mit der Gebühr verrechnet.
Die ASt erhält eine Kostenrechnung über x.xxx,-

R e c h t s m i t t e I b e I e h r u n g: