Vergabekammer Sachsen-Anhalt, Az.: 3 VK LSA 46/19, Beschluss vom 19.12.2019 – Änderung an den Vergabeunterlagen wegen technischer Abweichung, fehlende Aufklärbarkeit des Angebots in diesen Fällen

Dez 19, 2019 | Rechtsprechung

3. Vergabekammer
des Landes Sachsen-Anhalt

B E S C H L U S S

AZ: 3 VK LSA 46/19 Halle (Saale), den 19.12.2019

§ 16 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1; § 15 Abs. 3 VOB/A

– Änderung an den Vergabeunterlagen wegen technischer Abweichung

– fehlende Aufklärbarkeit des Angebots in diesen Fällen

Ein fairer, transparenter und diskriminierungsfreier Wettbewerb verlangt vergleichbare Angebote, so dass Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig sind.

Bieter müssen grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Leistung so angeboten haben will, wie er sie in den Vergabeunterlagen festgelegt hat.

Dies gilt auch für die Abweichung von einer klar vorgegebenen Reihenfolge technischer Abläufe (hier bei der Abreinigung eines Filterbandes in einer Rechenanlage).

Abweichende Angebote lassen sich weder im Rahmen einer technischen Prüfung noch im Wege einer Aufklärung gemäß § 15 Abs. 3 VOB/A „heilen“; dem stehen das Gleichbehandlungsgebot und das Gebot zur Sicherstellung des Wettbewerbes unter gleichen Bedingungen entgegen.

 

In dem Nachprüfungsverfahren der
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– Antragstellerin –
Verfahrensbevollmächtigte
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gegen die
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– Antragsgegnerin –
Verfahrensbevollmächtigte
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wegen

der Beanstandung der Nichteinhaltung der Vergabevorschriften in der Öffentlichen Ausschreibung der XXX zum Bauvorhaben Rechenanlage KA Nord in XXX hat die 3. Vergabekammer unter Mitwirkung des Vorsitzenden Herrn XXX, der hauptamtlichen Beisitzerin Frau XXX und des ehrenamtlichen Beisitzers Herrn beschlossen:

1. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, erneut in die Angebotswertung einzutreten
und diese unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu
durchzuführen.

2. Kosten werden nicht erhoben.

3. Die Anträge der Antragstellerin und der Antragsgegnerin, die Hinzuziehung eines
Rechtsbeistandes im vorliegenden Verfahren für erforderlich zu erklären, werden
abgelehnt.

 

Gründe

I.
Mit Auftragsbekanntmachung vom XXX u. a. auf der Plattform evergabe.sachsen-anhalt.de schrieb die Antragsgegnerin im Wege der Öffentlichen Ausschreibung auf der Grundlage der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A 2019) das Bauvorhaben Rechenanlage KA Nord in XXX; Vergabenummer: XXX aus.

Die Art der Leistung war gemäß Buchstabe f) der Auftragsbekanntmachung als „Umbau der Rechenanlage, Erneuerung der Rechen, Waschpressen und Transportsysteme bis zum Rechengutabwurf Containerhalle“ ausgeschrieben.

Im Leistungsverzeichnis (LV) führt die Antragsgegnerin unter Pos. 3. Maschinentechnik aus, dass die Rechenanlage für einen schwankenden Brauchwasserdruck zwischen 4 und 6 bar geeignet sein muss.

In Position 3.1.10. des LV Gelochter Filterrechen stellte die Antragsgegnerin u. a. folgende Anforderungen:

„Die Form der Siebelemente ist so auszubilden, dass eine optimale Reinigung durch eine rotierende Bürste erzielt wird. Die Reinigungsleistung der Bürste wird durch eine Düsen-spritzleiste unterstützt. … Die Abreinigung des Filterbandes ist so auszuführen, dass erst abgebürstet und anschließend abgedüst wird, andere Reihenfolgen sind nicht zulässig.“

Des Weiteren enthielt Pos. 3.1.10. Gelochter Filterrechen Folgendes:

„Dem Angebot ist eine ausführliche Beschreibung der Maschine beizulegen, sowie Referenzen über mindestens 20 Anlagen, die in den letzten 5 Jahren ausgeführt worden sind, sowie über mindestens 3 Jahre Betriebserfahrung verfügen, mit Angabe der Ansprechpartner und Telefonnummer.“

Gemäß Buchstabe u) der Auftragsbekanntmachung hatten die Nachweise zur Eignung den Leistungsmerkmalen und den technischen Anforderungen zu entsprechen.

Die Bieter hatten mit Angebotsabgabe u. a. Angaben zum Wasserdruck für das angebotene Fabrikat im LV zu machen.

Nebenangebote hatte die Antragsgegnerin gemäß Buchstabe j) der Auftragsbekanntmachung und Nr. 5 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots – VHB Formblatt 211 – nicht zugelassen.

Alleiniges Wertungskriterium war der Preis.

Zum Eröffnungstermin lagen drei Angebote vor. Das Angebot der Antragstellerin befand sich nach rechnerischer Prüfung an zweiter Stelle. An erster Stelle befand sich das Angebot des Bieters B3.

Dieser hatte seinem Angebot eine Produktbeschreibung (Prospekt) des in Pos. 3.1.10 angebotenen Rechentyps beigefügt. Bestandteil dieser Beschreibung ist eine Skizze zur Darstellung der funktionalen Details des Rechens. Laut dieser Beschreibung lägen die Vorteile der Verfahrensweise des angebotenen Rechens darin, dass bereits beim ersten Reinigungsschritt durch die Spritzdüsenleiste ein Großteil des Rechengutes schonend von den Siebelementen gelöst werde. Auch ist dieser Beschreibung zu entnehmen, dass die Siebelemente –
sobald sie den oberen Umlenkpunkt überschritten haben – entgegen der Siebrichtung durch eine innenliegende Spritzdüsenleiste gesäubert werden. Zur Unterstützung des Reinigungsprozesses werden sie zudem kontinuierlich von einer separat angetriebenen Bürstenwalze gereinigt.

Im Rahmen der technischen Prüfung stellte das mit der Prüfung und Wertung der Angebote beauftragte Ingenieurbüro hinsichtlich des Angebots des Bieters B3 u. a. fest, dass sich aus der Beschreibung der Rechenanlage ergebe, dass die Vorrichtungen zum Abbürsten und zum Abdüsen konstruktiv sehr eng aneinander positioniert seien. Es lasse sich daher die Vorgabe „erst abbürsten, dann abdüsen“ nicht eindeutig erkennen.

Mit E-Mails vom 07.10.2019 gab der Bieter B3 gegenüber der Antragsgegnerin u. a. an, die Vorgaben des LV´s entsprechend gelesen und beachtet sowie diese in vollem Umfang mit seinem Angebot eingehalten zu haben. Generell sei es so, dass die unterstützende Abreinigung des Rechens (Spritzdüsenleiste) umso besser funktioniere, je höher der Druck an den Spritzdüsen antstehe. Die in seiner Produktbeschreibung dargestellte Variante sei nur eine von mehreren Möglichkeiten und hier nicht „zwingend zutreffend“.

Im Ergebnis der technischen Prüfung wertete das Ingenieurbüro der Antragsgegnerin die Aussagen des Bieters B3 als ausreichend. Der Bieter B3 habe mit seinen Aussagen bestätigt, dass die Vorgaben des LV´s in vollem Umfang eingehalten würden und ein Brauchwasserdruck zwischen 4 und 6 bar ausreichend sei. Gemäß Aufklärung und weiterer Beschreibung des Bieters habe das Abdüsen des Filterbandes eine unterstützende Abreinigung zur Aufgabe.

Die Abreinigung erfolge demnach, wie auch im LV gefordert, im Wesentlichen durch das Abbürsten und zusätzlich unterstützend durch Abdüsen. Aufgrund der Bestätigung und der beschriebenen Funktionalität der Abreinigung könne der angebotene Typ des Bieters B3 auch für diesen Funktionsbereich des Rechens als technisch gleichwertig mit der vorgegebenen Leistungsbeschreibung angesehen werden. Somit sei das Angebot des Bieters B3 das annehmbarste.

Am 23.10.2019 erfolgte mit dem Bieter B3 ein Aufklärungsgespräch. Der Bieter bestätigte hinsichtlich seines in der Pos. 3.1.10 Gelochter Filterrechen angebotenen Typs nochmals ausdrücklich, dass die Reinigung auch bei schwankenden Betriebsdrücken gewährleistet sei und die Vorgaben des LV´s in vollem Umfang eingehalten würden.

Weiterhin wurde bestätigt, dass die Abreinigung des Filterbandes wie in der Leistungsbeschreibung gefordert und beschrieben erfolge (…Die Abreinigung des Filterbandes ist so auszuführen, dass erst abgebürstet und anschließend abgedüst wird …).

Nach all dem kam die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis, auf das Angebot des Bieters B3 den Zuschlag zu erteilen. Insbesondere habe er im Bietergespräch am 23.10.2019 ausdrücklich bestätigt, dass alle Eigenschaftszusicherungen verbindlich und uneingeschränkt nachgewiesen würden.

Mit Schreiben vom 30.10.2019 informierte die Antragsgegnerin auf der Grundlage des § 19 Abs. 1 LVG LSA die Antragstellerin darüber, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werde.

Zur Begründung führte sie aus, das Angebot der Antragstellerin sei nicht das wirtschaftlich günstigste. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot des Bieters B3 zu erteilen.

Daraufhin beanstandete die Antragstellerin mit Schreiben vom 05.11.2019 das Vergabeverfahren. Sie gab an, dass der Bieter B3 aus anderen Verfahren bekannt sei. Die geführten Produkte des Bieters B3 könnten weder die geforderte Abreinigung der gelochten Siebelemente (erst abbürsten, dann abdüsen; andere Reihenfolge unzulässig) erfüllen, noch seien sie für den geschilderten Brauchwasserdruck von 4 bis 6 bar geeignet. Somit könne das Angebot des Bieters B3 die technischen Anforderungen des LV´s nicht erfüllen. Es stelle vielmehr
ein Nebenangebot dar, welche jedoch gemäß Vergabeunterlagen nicht zugelassen seien.

Mit Schreiben vom 06.11.2019 wies die Antragsgegnerin die Beanstandung der Antragstellerin zurück. Bereits im Zuge der Angebotsprüfung seien die von der Antragstellerin aufgestellten Behauptungen unter Zuhilfenahme externer Sachverständiger genau geprüft worden. An der Konformität des Angebots des Bieters B3 mit dem im LV ausgeschriebenen Leistungssoll bestünden keine Zweifel. Das Angebot beinhalte eine Ausführung der Abreinigung in der vorgeschriebenen Reihenfolge. Ebenso sei der vorhandene Brauchwasserdruck von 4 bis 6 bar für
das angebotene Fabrikat des Bieters B3 ausreichend.

Da der Beanstandung nicht abgeholfen wurde, hat die Antragsgegnerin die Vergabeakten am 12.11.2019 der 3. Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt zur Nachprüfung übergeben.

Um ergänzend vortragen zu können, beantragte die Antragstellerin mit E-Mail vom 15.11.2019 bei der Vergabekammer Akteneinsicht.

Mit Beschluss vom 26.11.2019 gewährte die Vergabekammer der Antragstellerin teilweise Einsicht in die Vergabeakte der Antragsgegnerin.

Mit Schreiben vom 26.11.2019 ist die Antragstellerin zum Sachverhalt angehört worden. Insbesondere wies die Vergabekammer die Antragstellerin darauf hin, dass ihr Antrag zwar zulässig, jedoch nach derzeitiger Aktenlage unbegründet sei, da eine Verletzung ihrer Rechte im Sinne von § 19 Abs. 2 Satz 4 LVG LSA nicht festgestellt werden könne. Die vorgenommene Wertung der Antragsgegnerin sei nicht zu beanstanden. Sie habe das Angebot des Bieters B3 hinsichtlich der Erfüllung der in der Leistungsbeschreibung gestellten Anforderungen ordnungsgemäß geprüft. Die Antragstellerin habe nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben.

Mit Schreiben vom 05.12.2019 hielt die Antragstellerin ihren Nachprüfungsantrag aufrecht. Die Antragstellerin trug zur Begründung, über die dazu bereits mitgeteilten Gründe hinaus, weitergehend vor. Bei der technischen Prüfung seien nicht hinreichend die gestellten Anforderungen des LV´s geprüft worden. Der Bieter B3 verfüge lediglich über ein bestimmtes Modell. Der diesbezüglichen Produktbeschreibung sei zu entnehmen, dass die Abreinigung der Siebelemente sich vom Stand der Technik dadurch unterscheide, dass die Reinigungsleistung durch
die Anordnung und die gegenläufige Drehrichtung der Bürstenwalzen entscheidend verbessert werde. Der Schema-Skizze sei zu entnehmen, dass erst abgedüst und dann abgebürstet werde. Es komme hinzu, dass die von Bieter B3 beschriebene Technik nach eigenen Worten „sich vom Stand der Technik unterscheidet“.
Der Bieter B3 biete genau die zur geforderten Leistung entgegengesetzte Arbeitsweise an.

Dies sei nach Angebots-LV aber nicht zulässig.

Des Weiteren sei der Produktbeschreibung zu entnehmen, dass die vom Bieter B3 angebotene Rechenanlage einen Brauchwasserdruck von 6 bis 8 bar benötige. Das Angebot entspreche somit nicht dem LV und sei daher auszuschließen.
Weiterhin sei der Bieter B3 mangels hinreichender Referenzen und damit Fachkunde vom Verfahren auszuschließen. Die gemäß Auftragsbekanntmachung und Vergabeunterlagen geforderten Referenzen könne der Bieter B3 nicht nachweisen.
Das Angebot der Antragstellerin sei das wirtschaftlichste Angebot, so dass diesem der Zuschlag zu erteilen sei.

Die Antragstellerin beantragt,

1. das Vergabeverfahren in das Stadium der Angebotswertung zurückzuversetzen,
den Bieter B3 auszuschließen und der Antragstellerin den Zuschlag zu erteilen,

2. die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes für erforderlich zu erklären,

3. die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen,

2. die Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes auf Seiten der Antragsgegnerin für erforderlich zu erklären,

3. die Kosten des Verfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin bezog gegenüber der Vergabekammer mit Schreiben vom 11.11.2019 umfassend zur Unbegründetheit des Nachprüfungsantrages der Antragstellerin Stellung. Aus Sicht der Antragsgegnerin sei die Prüfung und Wertung der Angebote ordnungsgemäß durchgeführt worden.

Alle von der Antragstellerin beanstandeten Sachverhalte seien im Rahmen der Prüfung und Wertung der Angebote durch ein sachverständiges Ingenieurbüro bearbeitet und geprüft worden.

Bei der im LV vorgegebenen Reihenfolge der Abreinigung des Filterbandes handele es sich nicht etwa um eine starre Vorgabe um der Reihenfolge selbst willen. Der Hintergrund dieser Anforderung sei die Zielstellung gewesen, dass die Abreinigung im Wesentlichen durch das mechanische Abbürsten erfolgen solle. Das Abdüsen solle lediglich eine zusätzliche nachrangige Reinigungsfunktion haben. Der Bieter B3 habe im Rahmen der Aufklärung erklärt, dass das Abdüsen des Filterbandes eine unterstützende Abreinigung zur Aufgabe habe. Die Abreinigung erfolge demnach, wie auch im LV gefordert, im Wesentlichen durch Abbürsten und zusätzlich unterstützend durch Abdüsen. Im Aufklärungsgespräch habe der Bieter B3 ausdrücklich erklärt, die Vorgaben der Leistungsbeschreibung mit seinem angebotenen Fabrikat
einzuhalten; auch sei der vorhandene Brauchwasserdruck von 4 bis 6 bar für eine einwandfreie Abreinigung des Rechens ausreichend.

Diese Erklärungen habe die Antragsgegnerin in der Angebotsauswertung berücksichtigt, mit dem Ergebnis, dass der angebotene Typ des gelochten Filterrechens des Bieters B3 „als technisch der vorgegebenen Leistungsbeschreibung entsprechend angesehen werden kann.“

Die Antragsgegnerin sei nach umfassender Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass das Angebot des Bieters B3 das wirtschaftlichste sei.

Mit Schreiben vom 05.12.2019 wurde die Antragsgegnerin von der Vergabekammer aufgefordert, zu den von der Antragstellerin mit Schreiben vom 05.12.2019 weiter vorgetragenen Beanstandungspunkten fachlich Stellung zu beziehen.
Insbesondere stünden nach dem Verständnis der Vergabekammer die von der Antragsgegnerin mit dem Bieter B3 durchgeführte Aufklärung und deren Ergebnis hinsichtlich der zwingend einzuhaltenden Reihenfolge der Abreinigung des Filterbandes im Widerspruch zu der Schema-Skizze der Produktbeschreibung der von dem Bieter B3 angebotenen Rechenanlage und dem beschriebenen Aufbau und Funktion der Produktbeschreibung: „…Ein weiterer Vorteil dieser Verfahrensweise liegt darin, dass bereits im ersten Reinigungsschritt durch die Spritzdüsen…“.

Mit Schreiben vom 11.12.2019 trug die Antragsgegnerin weitergehend umfassend vor. Bei der Abfassung des LV´s sei es ihr Ziel gewesen, eine weitgehend optimale Abreinigung der Rechen zu erzielen. Daher sei in der Pos. 3.1.10 Gelochter Filterrechen eine Reihenfolge der Abreinigung durch Abbürsten und Abdüsen beschrieben worden. Durch diese Vorgabe sollte aus technischer Sicht der primäre Beitrag der Abreinigung durch Abbürsten und die unterstützende Reinigung das sog. Abdüsen erfolgen. Der Bieter B3 habe ausdrücklich bestätigt, dass mit seinem angebotenen Fabrikat sämtliche Vorgaben des LV´s eingehalten würden.

Zusätzlich habe der Bieter B3 den Hinweis gegeben, dass die in der Produktbeschreibung enthaltene Darstellung des Rechens nur eine Variante von mehreren Möglichkeiten darstelle.

Die Antragstellerin könne nicht aus einem allgemeinen Prospekt schließen, dass die Versicherung des Bieters B3, seine Leistung LV-konform zu erbringen, unzutreffend sei. Ein Prospekt könne schon vom Sinn und Zweck her nicht alle Möglichkeiten der Ausführung einer Maschine darstellen, zumal die technische Anlage des Bieters B3 individuell hergestellt, konfiguriert und installiert werde. Es gebe keine Anhaltspunkte, dass eine LV-konforme Ausführung konstruktiv nicht möglich sein sollte. Es seien erkennbar auch keine anderen Bauteile „im Weg“ oder zwängen zu einer erheblichen konstruktiven Änderung. Auch könne die Antragstellerin keinen belastbaren Anhaltspunkt benennen, warum der Bieter B3 nicht in der Lage sein solle, eine
LV-konforme Ausführung vorzunehmen.

Ebenso habe der Bieter B3 die gemäß Vergabeunterlagen geforderten Referenzen mit seinem Angebot vorgelegt.

II.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.

Gemäß § 19 Abs. 3 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Sachsen-Anhalt (Landesvergabegesetz – LVG LSA) vom 19. November 2012 (GVBl. LSA Nr. 23/2012), zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. Oktober 2015 (GVBl. LSA Nr. 27/2015), ist die 3. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt für die Nachprüfung des vorliegenden Vergabeverfahrens örtlich und sachlich zuständig.

Sinn und Zweck des Landesvergabegesetzes nach § 19 LVG LSA ist es, dass auch im Unterschwellenbereich die Unternehmen entsprechend § 97 Abs. 6 GWB einen Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält.

Die Antragsgegnerin ist öffentlicher Auftraggeber gemäß § 2 Abs. 2 LVG LSA.
Der voraussichtliche Gesamtauftragswert von 150.000 Euro netto bei Bauleistungen gemäß § 19 Abs. 4 LVG LSA ist überschritten.

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt. Sie hat durch die Abgabe eines Angebots ihr Interesse am betreffenden Auftrag hinreichend bekundet.

Die Antragstellerin hat die Nichteinhaltung der Vergabevorschriften im Sinne von
§ 19 Abs. 1 und 2 LVG LSA beanstandet.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist begründet.

Anders als im Anhörungsschreiben vom 26.11.2019 stellt die Vergabekammer nach nochmaliger tiefgehender Prüfung der Sach- und Rechtslage bzw. abschließender Auswertung des Vortrags der Verfahrensbeteiligten nunmehr fest, dass die Antragstellerin in ihren Rechten im Sinne von § 19 Abs. 2 LVG LSA verletzt ist.
Die Beanstandungen hinsichtlich des notwendigen Brauchwasserdrucks der in Rede stehenden Anlage wie auch der vorzulegenden Referenzen des Bieters B3 können in diesem Zusammenhang dahinstehen.

Denn das streitbefangene Vergabeverfahren ist rechtswidrig, weil es Verstöße gegen
§ 16 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 VOB/A aufweist.

Danach hätte die Antragsgegnerin das Angebot des Bieters B3 ausschließen müssen, weil er damit unzulässigerweise Änderungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen hatte.

Ein fairer, transparenter und diskriminierungsfreier Wettbewerb verlangt vergleichbare Angebote, so dass Änderungen an den Vergabeunterlagen unzulässig sind (VK Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 09.05.2017 – 1 VK LSA 02/17).

Nach ständiger Rechtsprechung liegt eine unzulässige Änderung an den Vergabeunterlagen vor, wenn der Bieter nicht das anbietet, was der öffentliche Auftraggeber nachgefragt hat, sondern mit dem Angebot von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht (siehe nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.03.2017 – Verg 54/16).

Im vorliegenden Fall weicht das Angebot des Bieters B3 von den Vergabeunterlagen ab.

Denn es entspricht nicht der folgenden klaren Vorgabe der Antragsgegnerin im LV (Pos. 3.1.10, Gelochter Filterrechen):

„Die Reinigungsleistung der Bürste wird durch eine Düsenspritzleiste unterstützt. … Die Abreinigung des Filterbandes ist so auszuführen, dass erst abgebürstet und anschließend abgedüst wird, andere Reihenfolgen sind nicht zulässig.“
Danach musste das Angebot gewährleisten, dass die Reinigung des Filterbandes der einzusetzenden Rechenanlage zunächst durch Abbürsten und dann durch Abdüsen erfolgt.

Dies ergibt sich unmissverständlich aus der Formulierung „erst abgebürstet …“ und noch zusätzlich aus der klaren Vorgabe, dass „andere Reihenfolgen … nicht zulässig“ seien.

Dahingehende Relativierungen, wie sie die Antragsgegnerin in ihren Schreiben vom
11.11.2019 und vom 11.12.2019 vorgenommen hat, sind somit unbeachtlich.
Hätte die Antragsgegnerin für die Reinigung des Filterbandes lediglich ein „Abbürsten und Abdüsen“ ohne zwingende Reihenfolge gefordert, könnte die Vergabekammer (insoweit) keinen Widerspruch zwischen den Vergabeunterlagen und dem Angebot des Bieters B3 feststellen.

Hier war die Reihenfolge („erst abbürsten, dann abdüsen“) allerdings klar vorgegeben.

Bieter müssen grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Leistung auch so angeboten haben will, wie er sie in den Vergabeunterlagen festgelegt hat (VK Sachsen-Anhalt a. a. O.).

Außerdem erfordern die Grundsätze von Transparenz und Gleichbehandlung etwa gemäß § 2 Abs. 1 und 2 VOB/A Angebote, die in jeder Hinsicht vergleichbar sind.
Das Angebot des Bieters B3 sieht Abweichungen von der durch die Antragsgegnerin verbindlich vorgegebenen Reihenfolge der Abreinigung des Filterbandes vor.
Fragen der Auslegung der Vergabeunterlagen sowie des betreffenden Angebots, um eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen feststellen zu können (etwa VK Bund, Beschluss vom 27.09.2019 – VK 2-70/19), stellen sich hier nicht.
Denn im vorliegenden Fall sind die Leistungsbeschreibung bzw. das LV unmissverständlich, und das Angebot des Bieters B3 kann aus den genannten Gründen nicht dahingehend ausgelegt werden, dass es dem LV entspricht. Es weicht von den Vorgaben der Vergabeunterlagen ab.

Mit der vorgelegten Produktbeschreibung (Prospekt) zum Angebot hat der Bieter B3 eindeutige Aussagen hinsichtlich der Reihenfolge der Abreinigung des Filterbandes getroffen, nämlich, dass es im ersten Reinigungsschritt abgedüst und zudem („zur Unterstützung des Reinigungsprozesses … kontinuierlich“) von einer Bürstenwalze gereinigt wird.

Die Angebotsauslegung der Antragsgegnerin, dass aus der Beschreibung des Bieters B3 aufgrund der sehr eng aneinander positionierten Vorrichtungen zum Abbürsten und Abdüsen nicht eindeutig erkennbar sei, ob die diesbezüglichen Vorgaben des LV´s erfüllt sind, ist nicht überzeugend bzw. aus den vorgenannten Gründen auch unerheblich.

Gleiches gilt für den Hinweis des Bieters B3, die in seiner Produktbeschreibung (Prospekt) dargestellte Variante sei nur eine von mehreren Möglichkeiten und hier „nicht zutreffend“; denn diese Produktbeschreibung war dem in Rede stehenden Angebot beigefügt und bezog sich explizit auf den angebotenen Rechentyp.

Die zugunsten des Bieters B3 ausgefallene technische Prüfung seines Angebots sowie das mit ihm durchgeführte Aufklärungsgespräch ändern nichts an dem Abweichen des Angebots vom LV.

Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin hinsichtlich der Vorgabe im LV – erst abbürsten, dann abdüsen – im Ergebnis eine technisch nur gleichwertige oder entsprechende Lösung festgestellt und akzeptiert hat, lag und liegt weiterhin ein von den Vergabeunterlagen abweichendes Angebot vor, was auch nicht im Wege eines Aufklärungsgesprächs geheilt werden konnte.

Gemäß § 15 Abs. 3 VOB/A sind Verhandlungen „besonders über Änderung der Angebote oder Preise“ unstatthaft, also unzulässig. Dieses Verbot soll das Gleichbehandlungsgebot sicherstellen und den Wettbewerb unter gleichen Bedingungen für alle Bieter aufrechterhalten (etwa VK Nordbayern, Beschluss v. 27.01.2011, Az.: 21.VK – 3194 – 46/10).

Die in § 15 Abs. 3 VOB/A genannten möglichen Ausnahmen (bei Nebenangeboten oder Angeboten aufgrund eines Leistungsprogramms) liegen hier nicht vor.
Nach all dem hätte die Antragsgegnerin das Angebot des Bieters B3 aus den genannten Gründen ausschließen müssen.

Zur Herstellung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens im Sinne des
§ 19 Abs. 2 Satz 4 LVG LSA wird der Antragsgegnerin aufgegeben, erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu durchzuführen.

 

III.

Kosten

Die Kostenentscheidung beruht auf § 19 Abs. 5 Satz 4 LVG LSA.

Ergibt die Nachprüfung, dass ein Bieter zu Recht das Vergabeverfahren beanstandet hat, sind keine Kosten zu seinen Lasten zu erheben.

Der Antrag der Antragstellerin, festzustellen, dass die Hinzuziehung anwaltlicher Bevollmächtigter im vorliegenden Verfahren notwendig ist, wird abgelehnt.

Die Frage der Kostenübernahme für Verfahrensbevollmächtigte ist im § 19 Abs. 5 LVG LSA nicht geregelt. Damit beinhaltet § 19 Abs. 5 LVG LSA keine vergleichbare Kostenregelung wie § 182 Abs. 1 – 4 GWB, der die Kosten des Verfahrens vor den Vergabekammern oberhalb des Schwellenwertes regelt.

§ 182 Abs. 4 S. 4 GWB erklärt u. a. § 80 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für entsprechend anwendbar, wonach Gebühren und Auslagen eines  Rechtsanwaltes oder eines sonstigen Bevollmächtigten (dort: im Vorverfahren) erstattungsfähig sind, wenn dessen Zuziehung notwendig war. Eine solche Regelung fehlt in § 19 Abs. 5 LVG LSA.

Es ist davon auszugehen, dass dem Gesetzgeber die Regelungen des § 182 Abs. 1 – 4 GWB bekannt waren und er diese Regelungsinhalte bewusst und gewollt nicht mit in das LVG LSA aufgenommen hat.

Aus den vorgenannten Gründen wird der o. g. Feststellungsantrag abgelehnt; mangels Rechtsgrundlage im LVG LSA kommt es auf die Notwendigkeit der Zuziehung mithin nicht an.

Der gleichlautende Antrag der Antragsgegnerin wird ebenfalls und bereits aus den genannten Gründen abgelehnt.

IV.

Der ehrenamtliche Beisitzer, Herr XXX, hat den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin der Vergabekammer ermächtigt, den Beschluss allein zu unterzeichnen. Ihm lag dieser Beschluss hierzu vor.

XXX XXX