Vergabekammer Südbayern, Az.: 3194.Z 3-3_01-22-49, Beschluss vom 30.03.2023 – Aspekte der Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, Bewertungsmethode, Wertungskriterium, Wertungsmatrix

Mrz 30, 2023 | Rechtsprechung

Vergabekammer Südbayern

Aktenzeichen: 3194 . Z 3 – 3 _ 01 – 22 – 49

Entscheidungsdatum: 30.03.2023

 

Leitsatz (amtlich):

1. Möchte der öffentliche Auftraggeber Aspekte der Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals gem. § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VgV als Zuschlagskriterium verwenden, so muss er mittels geeigneter vertraglicher Mittel sicherstellen, dass die bewerteten Mitarbeiter auch bei der Auftragsausführung eingesetzt werden und dass diese Mitarbeiter nur mit Zustimmung des öffentlichen Auftraggebers ersetzt werden können, wenn dieser sich davon überzeugt hat, dass das Ersatzpersonal ein gleichwertiges Qualitätsniveau hat.

2. Unterlässt der öffentliche Auftraggeber diese vertragliche Absicherung, fehlt es dem entsprechenden Zuschlagskriterium am notwendigen Auftragsbezug gem. § 127 Abs. 3 GWB.

3. Gibt der öffentliche Auftraggeber die Bewertungsmethode, nach der er bestimmte Wertungskriterien bewerten will, nicht in den Vergabeunterlagen bekannt, muss aus der Vergabedokumentation zweifelsfrei hervorgehen, dass er die Bewertungsmethode bereits vor Öffnung der Angebote festgelegt hat.

4. Nicht in den Vergabeunterlagen bekanntgemachte Bewertungsmethoden, die im Widerspruch zu den Angaben in den Vergabeunterlagen stehen, dürfen bei der Bewertung der Angebote nicht zum Einsatz kommen.

5. Ein öffentlicher Auftraggeber darf eine konkrete Bieterfrage nach der für ein bestimmtes Wertungskriterium vorgesehenen Wertungsmatrix nicht mit „die Bewertung erfolgt in Relation zu den anderen Bietern“ beantworten, wenn er tatsächlich eine ausgearbeitete, nicht bekanntgemachte Wertungsmatrix zum Einsatz bringen will.

 

Entscheidungstext:

In dem Nachprüfungsverfahren

pp.

wegen der Vergabe „Gebäudereinigungen in den Liegenschaften des Landkreises K…“ erlässt die Regierung von Oberbayern – Vergabekammer Südbayern auf die mündliche Verhandlung vom 16.02.2023 durch den Vorsitzenden Steck, den hauptamtlichen Beisitzer Dr. Völtz und den ehrenamtlichen Beisitzer Schneider folgenden

Beschluss:

1. Dem Antragsgegner wird untersagt, in streitgegenständlichem Vergabeverfahren in den Losen 1 und 2 den Zuschlag zu erteilen. Der Antragsgegner wird bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht verpflichtet, das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsaufforderung zurückzuversetzen und die Vergabeunterlagen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu überarbeiten.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.

3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von …,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühr befreit.

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.

Gründe:

I.

Mit Auftragsbekanntmachung vom 05.04.2022, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 08.04.2023 unter Nr. 2022/S …, schrieb der Antragsgegner einen Dienstleistungsauftrag über Gebäudereinigungen in den Liegenschaften des Landkreises K… im Wege eines offenen Verfahrens aufgeteilt in zwei Lose aus. Los-Nr. 1 beinhaltete die Unterhaltsreinigung auf einer Gesamtfläche von ca. 60.300,00 m², Los-Nr. 2 die Glas-Rahmenreinigung auf einer Gesamtfläche ca. 20.000,00 m². Hinsichtlich der Zuschlagskriterien wurde in Abschnitt II.2.5) der Bekanntmachung jeweils auf die Vergabeunterlagen verwiesen.

Ausweislich der Angabe in Abschnitt I.3) der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei unter der dort genannten Internetadresse zur Verfügung. Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem ein Dokument mit dem Titel „II. Bewerbungsbedingungen“. Dies enthielt in Abschnitt “6. Prüfung und Wertung der Angebote“ unter anderem folgende Vorgabe:

„3. Wertungsschritt:

Überprüfung der inhaltlichen Angemessenheit, Kontrolle der Zuschlagssätze in der Gemeinkostentabelle in Bezug auf die Einhaltung der tariflichen (allgemeinverbindlicher Mindestlohntarifvertrag, allgemeinverbindlicher Lohntarif und Rahmentarifvertrag für das Gebäudereiniger-Handwerk (Stand 01.01.2022) und den gesetzlichen Vorgaben und Nachvollziehbarkeit der übrigen Zuschlagssätze auf Grund der gestellten Anforderungen.

4. Wertungsschritt:

Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes nach „UfAB III“.

[…]

Die Bewertung der einzelnen Angebote sowie die Ermittlung der Leistungspunkte ergeben sich aus nachfolgend abgebildeter Bewertungsmatrix.

Die Wertung erfolgt auf einer Skala von 0 – 3.

0 Das Angebot des Bieters weist erhebliche Mängel auf und ist ungenügend.

1 Das Angebot des Bieters entspricht mit Einschränkungen noch den Anforderungen.

2 Das Angebot des Bieters entspricht den Anforderungen.

3 das Angebot des Bieters übertrifft die Anforderungen.

Die einzelnen Wertungsbereiche sind mit Relevanzfaktoren versehen. Diese sind der Bewertungsmatrix zu entnehmen. Die Gewichtung spiegelt die jeweilige Bedeutung der Wertungsbereiche untereinander wieder. Die Leistungspunkte der einzelnen Wertungsbereiche ergeben sich aus der Multiplikation des jeweiligen Relevanzfaktors mit dem jeweiligen Wert bzw. Mittelwert des Wertungsbereiches.

Die Summe der Leistungspunkte der Maßnahme ergibt sich aus der Addition der Leistungspunkte aller Wertungsbereiche.

Eine Bewertung mit „Null“ bei einem der Wertungskriterien der vier Wertungsbereiche „Vorgabe Kontrollzeiten“, „Qualifikation“, „Qualitätssicherung“ und „Umsetzung“ führt zum Ausschluss des Angebotes.

Angebote, bei denen die Summe der Leistungspunkte der Maßnahme nicht mindestens 50 Prozent der maximal möglichen Leistungspunkte erreicht, erfüllen nicht die qualitativen Mindestanforderungen und müssen vom weiteren Verfahren ausgeschlossen werden.

Die Summe der Leistungspunkte der Angebote ergibt sich aus der Addition der Leistungspunkte aller Maßnahmen innerhalb des Angebotes.

Die Bewertung erfolgt anhand der Formel „UfAB III“ in der erweiterten Richtwertmethode.

Im Schritt 1 wird die Kennzahl für das Leistungs-Preis-Verhältnis ermittelt.

Z=L/P

Z = Kennzahl für Leistungs-Preis-Verhältnis

L = Gesamtsumme der Leistungspunkte (Bewertungspunkte x Gewichtungspunkte)

Multipliziert mit 1000

P = Preis (Euro), Monatskostenansatz netto der Rechnung

Es erfolgt eine kaufmännische Rundung auf drei Dezimalstellen.

Im Schritt 2 wird ein Wert als Korridor aus der Kennzahl des führenden Angebotes und einer weiteren Kennzahl, die sich aus der Kennzahl des führenden Angebotes minus 5% bildet, ermittelt.

Im Schritt 3 werden alle Angebote ermittelt, die innerhalb des Kennzahlkorridors liegen (inklusive der Randwerte). Diese Angebote werden zunächst als gleichwertig betrachtet.

Entscheidungskriterium innerhalb dieser Gruppe ist die höchste Leistungspunktzahl, die in der Summe bei den Wertungsbereichen „Qualitätssicherung“ und „Umsetzung“ erzielt werden. Bei identischen Leistungspunktzahlen greift das wirtschaftlichste Angebot. Der nach dieser Vorgehensweise wirtschaftlichste Anbieter erhält den Zuschlag.“

Die einzelnen Wertungsbereiche und Wertungskriterien sowie deren jeweilige Gewichtung war in nachfolgender Tabelle aufgeführt:

Bestandteil der Vergabeunterlagen waren ferner sogenannte „Kalkulationsunterlagen“ zu den Losen 1 und 2. In den Kalkulationsunterlagen wurden unter anderem Name und Qualifikation für den für das ausgeschriebene Objekt zuständigen technischen Betriebsleiter, Objektleiter und Vorarbeiter abgefragt. Beim Objektleiter und beim Vorarbeiter fand sich zudem die Vorgabe, dass die genannte Qualifikation bei einem Personalwechsel ebenfalls vorhanden sein und nachgewiesen werden muss. Zudem bestand hier die Möglichkeit, mittels ankreuzen zu erklären, dass die „aufgeführte Person und die genannte Qualifikation“ dauerhaft für das ausgeschriebene Objekt tätig ist. Für Objektleiter und Vorarbeiter sahen die Kalkulationsunterlagen zudem vor, dass für den Fall, dass die Person noch nicht feststeht, die Mindestqualifikation anzugeben ist, welche die neueinzustellende für das Objekt zuständige Person haben wird. Darauf folgte der Hinweis, dass die genannte Qualifikation über die gesamte Vertragslaufzeit garantiert werden müsse und Vertragsbestandteil werde.

Innerhalb der auf den 09.05.2022, 12:30 Uhr, festgesetzten Angebotsfrist veröffentlichte der Antragsgegner zudem Antworten auf Bieterfragen. Hierin hieß es auszugsweise wie folgt:

„Nr. 2

Gibt es eine Wertungsmatrix darüber, welche Qualifikation je Position welche Punktzahl erhält?

Zu Nr. 2

Die Bewertung der Qualifikationen für Techn. Betriebsleiter, Objektleiter und Vorarbeiter erfolgt in Relation zu den anderen Bietern, nach Güte der nachgewiesenen Qualifikationen.“

Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladenen reichten ein Angebot ein.

Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 11.07.2022 setzte der Antragsgegner die Antragstellerin davon in Kenntnis, dass auf ihr Angebot zu Los 1 und Los 2 nicht der Zuschlag erteilt werden könne, weil es nicht das wirtschaftlichste sei. Die Punktzahl des Angebots der Antragstellerin liege in beiden Losen jeweils unter der Punktzahl des führenden Bieters. Zudem teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag frühestens am 22.07.2022 in Los 1 auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) und in Los 2 auf das Angebot der Beigeladenen zu 2) zu erteilen.

Mit Schreiben vom 15.07.2022 und 19.07.2022 beanstandete die Antragstellerin die Vergabeentscheidung des Antragsgegners als vergaberechtswidrig. Sie begründete dies insbesondere damit, dass die angewandte Bewertungsmethode unklar sei, da die mitgeteilten Punktzahlen nach dem in den Bewerbungsbedingungen beschriebenen Wertungsverfahren rechnerisch nicht erreicht werden könnten. Zudem seien die Angaben zur Bewertung der Angebote in den Vergabeunterlagen widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. Die Anforderungen an die persönlichen Qualifikationen seien auch unter Berücksichtigung der Antwort auf Bieterfrage Nr. 2 unklar und nicht hinreichend bestimmt. Die Antragstellerin habe in Los 1 zur Vorgabe der Kontrollzeiten mehr Objektleiter- und Vorarbeiterstunden angeboten als gefordert und daher mehr als die erzielten Punkte erhalten müssen. Auch entspreche das Angebot der Antragstellerin den Anforderungen an die Qualifikation und hätte demnach zu allen Wertungskriterien im Wertungsbereich Qualifikation besser bewertet werden müssen. Die Konzeptbewertungen seien sowohl rechnerisch als auch inhaltlich nicht nachvollziehbar, da die Antragstellerin alle gestellten Anforderungen einschränkungslos erfülle. Zudem seien nach dem Inhalt des Absageschreibens des Antragsgegners die Schritte 2 und 3 der Bewertung offensichtlich nicht erfolgt.

Mit Schreiben vom 19.07.2022 antwortete der Antragsgegner der Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Die Darstellungen der Antragstellerin zu den Wertungsbereichen „Vorgabe Kontrollzeiten“ und „Qualifikation“ sowie zu den Konzepten verfingen nicht. Die Annahmen der Antragstellerin seien inhaltlich nicht stimmig und im Widerspruch zu den weiteren Angaben in ihrem Angebot. Die Qualifikation sei auftragsbezogen und nicht isoliert zu werten. Die Gedankenfolge zur Wertung der Konzepte und die Aussagen zur Bewertung seien für den Antragsgegner nicht transparent. Die Schritte 2 und 3 der Bewertung seien korrekt erfolgt und ohne Relevanz auf das konkrete Wertungsergebnis.

Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte diese mit Schreiben vom 21.07.2022 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB, welcher bei der Vergabekammer unter dem Geschäftszeichen 3194-Z3-3_01-22-38 geführt wurde. In diesem Verfahren erklärte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 10.08.2022, dass das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotswertung zurückversetzt und ab diesem Stand wiederholt werde. Damit habe sich der Nachprüfungsantrag erledigt. Mit Beschluss vom 16.08.2022 stellte die Vergabekammer das Nachprüfungsverfahren ein.

Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 25.08.2022 setzte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut davon in Kenntnis, dass auf ihr Angebot zu Los 1 und Los 2 nicht der Zuschlag erteilt werden könne, weil es nicht das wirtschaftlichste sei. Das Angebot der Antragstellerin befinde sich mit den in den jeweiligen Losen erzielten Wertungskennzahlen unter Berücksichtigung der angebotenen Preise nicht in dem Korridor „führendes Angebot minus 5%“. Zudem teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag frühestens am 05.09.2022 in Los 1 auf das Angebot der Beigeladenen zu 1) und in Los 2 auf das Angebot der Beigeladenen zu 2) zu erteilen.

Mit Schreiben vom 30.08.2022 beanstandete die Antragstellerin abermals die Vergabeentscheidung des Antragsgegners als vergaberechtswidrig. Das Bewertungsverfahren sei nach wie vor intransparent. Insbesondere sei die Differenzierung zwischen Wertungskriterien und Wertungsbereichen und die Berechnung der Wertungspunktzahlen unter Berücksichtigung der (unterschiedlich) angegebenen Gewichtungen weiterhin unklar. Auch sei völlig offen, nach welchen Kriterien die vorgelegten Qualifikationen bewertet werden sollen. Objektive Kriterien für die Bemessung der Güte einer Qualifikation würden nicht genannt. Die vom Antragsgegner für die Wertung herangezogene Tabelle unterscheide sich von der in den Bewerbungsbedingungen angegebenen Tabelle. Anders als in den Bewerbungsbedingungen angegeben, seien bei der Bewertung auch keine Mittelwerte gebildet worden. Die Bewertung der Wertungskriterien entspreche ebenfalls nicht den Vorgaben der Vergabeunterlagen. Bei dem Kriterium „Vorgabe Kontrollzeiten“ in Los 1 habe die Antragstellerin mehr Objektleiter- und Vorarbeiterstunden angeboten als gefordert; daher hätte sie hier mehr als die erhaltene Punktzahl erhalten müssen. Hinsichtlich der Qualifikation sei das Angebot der Antragstellerin im Vergleich zur ursprünglichen Wertung abgewertet worden, was nicht nachvollziehbar sei. Insbesondere sei unklar, warum die angebotenen Qualifikationen für den gegenständlichen Auftrag ungenügend bzw. nur eingeschränkt geeignet sein sollen. Die Ausschreibungsunterlagen beinhalteten keine konkreten Anforderungen an die Qualifikation des eingesetzten Personals. Das Angebot der Antragstellerin enthalte sowohl Angaben zur konkreten vertraglich zugesicherten Qualifikation als auch entsprechende Nachweise. Es erfülle damit die Anforderungen und hätte demnach zu allen Wertungskriterien im Wertungsbereich Qualifikation mindestens zwei Punkte erhalten müssen. Letztlich seien auch die für die Konzepte vergebenen Punktzahlen inhaltlich nicht nachvollziehbar, da die Antragstellerin alle gestellten Anforderungen einschränkungslos erfülle.

Mit Schreiben vom 01.09.2022 antwortete der Antragsgegner der Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Die Vorwürfe der Antragstellerin hinsichtlich der geltend gemachten Intransparenz im Hinblick auf die in den Bewerbungsbedingungen abgebildete Tabelle seien gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Unabhängig davon entspreche die Auswertung exakt der Wertungstabelle, wie sie in den Bewerbungsbedingungen dargestellt sei. Rechnerisch sei es unerheblich, ob die erzielten Punkte der Kriterien jeweils einzeln mit der Gewichtung multipliziert und dann addiert werden oder zunächst addiert und dann multipliziert werden. Die Rüge der Antragstellerin in Bezug auf die Intransparenz der Kriterien zur Bewertung der Qualifikation des Betriebsleiters, Objektleiters und des Vorarbeiters sei ebenfalls verspätet gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 GWB. Ungeachtet dessen seien nach der Rechtsprechung des BGH keine konkretisierenden Angaben dazu notwendig, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl abhängen soll. Eine nachträgliche Abweichung von den Angaben in den Vergabeunterlagen bestehe nicht. Die Wertungstabelle sehe keine Mittelwertbildung vor. Auch sei nicht ersichtlich, welche Rechtsverletzung sich hieraus für die Antragstellerin ergeben solle. Eine Mittelwertbildung lasse die Wertungsreihenfolge unverändert und führe allenfalls zu schlechteren Ergebnissen für die Antragstellerin. Im Wertungsbereich „Vorgabe Kontrollzeiten“ sei der Kostenansatz der vorgegebenen Anwesenheitszeiten maßgeblich für die Bewertung gewesen. Das Angebot der Antragstellerin entspreche hier den Vorgaben, übertreffe sie aber nicht. Würde die Forderung der Antragstellerin nach einer höheren Bewertung umgesetzt, hätte dies aus Gründen der Gleichbehandlung der anderen Bieter keinerlei Auswirkung auf die Wertung. Die Qualifikationen seien zutreffend bewertet worden. Nach der Schulnotenrechtsprechung habe keine Musterlösung im Vorfeld präsentiert werden müssen. Bei der Gebäudereinigung handle es sich um ein Ausbildungshandwerk, welches nach der Ausbildungsordnung drei Jahre Ausbildungszeit bis zur Gesellenprüfung umfasste und in dem es auch möglich sei, eine Meisterprüfung abzulegen. Die von der Antragstellerin angebotene Qualifikation der Objektleiterin sei unter Berücksichtigung des Kostenansatzes nicht nachvollziehbar. Die Bewertung der Konzepte sei ebenfalls entsprechend den Vorgaben erfolgt und rechtfertige keine höhere Bepunktung. Der Antragsgegner weise vorsorglich darauf hin, dass die Antragstellerin nach der Wertung lediglich auf dem dritten Platz liege.

Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte diese mit Schreiben vom 02.09.2022 abermals einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.

Die Antragstellerin führt aus, dass der Nachprüfungsantrag zulässig sei. Die Antragstellerin sei gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Sie habe ein erhebliches Interesse an der Auftragserteilung und mache eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend. Durch die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf die Angebote der Beigeladenen drohe der Antragstellerin ein Schaden. Bei der von der Antragstellerin beantragten Aufhebung des Vergabeverfahrens und einer darauf folgenden neuen Ausschreibung bestehe zumindest die Chance eines Zuschlags auf die Angebote der Antragstellerin.

Die Antragstellerin habe die Nichtberücksichtigung ihrer Angebote gemäß § 160 Abs. 3 GWB gerügt und das Verfahren fristgerecht nach § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB eingeleitet. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei die Antragstellerin nicht mit ihrem Vorbringen im Hinblick auf die Widersprüchlichkeit und Intransparenz des Bewertungsverfahrens präkludiert. Eine Rügepräklusion komme nur bei ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht. Für die Antragstellerin sei jedoch erst aus der Mitteilung der Angebotsauswertung ersichtlich geworden, dass sich der in den Bewerbungsbedingungen textlich beschriebene Bewertungsvorgang nicht mit der Wertungstabelle übereinbringen lasse. Die Antragstellerin sei auch nicht mit ihrem Vorbringen in Bezug auf die Bewertung des Wertungsbereichs „Qualifikation“ präkludiert. Unabhängig davon, dass sich aus der Beantwortung der Bieterfrage vom 12.04.2022 gerade nicht ergeben habe, dass die in den Bewerbungsbedingungen bekannt gegebenen Bewertungsstufen damit nicht mehr gelten sollen, habe der Antragstellerin die mit der Antwort verbundene Vergaberechtswidrigkeit auch nicht bekannt sein müssen.

Der Umstand, dass das Vergabeverfahren zurückversetzt wurde, führe zu keiner anderen Beurteilung. Der Antragsgegner habe zwar im Rahmen des ersten Nachprüfungsverfahrens angekündigt, er wolle den Rügen abhelfen. Dies habe er jedoch nur insoweit getan, als er das Verfahren zurückversetzt hat, ohne jedoch die übrigen Beanstandungen der Antragstellerin zu berücksichtigen. Die Antragstellerin habe insbesondere die Intransparenz des Bewertungsverfahrens auch nach der Zurückversetzung ausdrücklich zum Gegenstand der mit Schreiben vom 30.08.2022 vorgebrachten Rügen gemacht. Eine Präklusion hinsichtlich des Vorbringens zur Bewertung der Qualifikation des technischen Betriebsleiters, des Objektleiters sowie des Vorarbeiters scheide aus, da sich der vom Antragsgegner bei der erneuten Wertungsentscheidung angelegte Beurteilungsmaßstab erst im Rahmen der Akteneinsicht gezeigt habe.

In Bezug auf die Begründetheit des Nachprüfungsantrags wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihre gegenüber dem Antragsgegner vorgebrachten Rügen. Ergänzend führt sie aus, dass sich die Angaben aus den Bewerbungsunterlagen in den vom Antragsgegner vorgelegten Wertungstabellen zu den Angeboten nicht eins zu eins widerspiegelten. Dies betreffe zum einen die Gewichtung der Wertungskriterien im Wertungsbereich „Vorgabe Kontrollzeiten“, zum anderen die Gewichtung der Wertungsbereiche in Bezug auf die Gewichtung des Personalkonzepts. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners könne es durchaus einen Unterschied machen, ob die Gewichtung getrennt oder für mehrere Wertungskriterien gemeinsam angegeben wird. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass in den Bewerbungsbedingungen unter anderem auf die Bildung eines Mittelwerts für die Wertungsbereiche hingewiesen werde. Gerade unter Berücksichtigung der textlichen Erläuterungen könne die Tabelle in den Bewerbungsbedingungen auch so verstanden werden, dass im Falle einer einheitlichen Gewichtung nur der jeweilige Mittelwert gewichtet wird. Soweit der Antragsgegner einwende, dass aus der unterlassenen Bildung eines Mittelwerts jedenfalls keine Rechtsverletzung der Antragstellerin resultiere, könne dem nicht gefolgt werden, da bereits die Punkteermittlung im Übrigen fehlerhaft sei.

Soweit der Antragsgegner in seiner Rügezurückweisung darauf verweise, dass für die Bewertung des Kriteriums „Vorgabe Kontrollzeiten“ maßgeblich sei, dass der Kostenansatz den vorgegebenen Anwesenheitszeiten des Objektleiters bzw. Vorarbeiters entsprechen müsse, sei dies nicht nachvollziehbar. Zum Kostenansatz seien in den Vergabeunterlagen keine konkreten Anforderungen definiert. Die Anforderungen könnten sich daher nur auf die Anwesenheitszeiten beziehen und diesen müsse der Kostenansatz entsprechen. Dass die angegebene Qualifikation für die Objektleitung in Los 1 und Los 2 sowie für den Betriebsleiter in Los 2 für den gegenständlichen Auftrag ungenügend sein soll, sei nicht nachvollziehbar. Ebenso, warum die benannte Vorarbeiterin in Los 1 und Los 2 unterschiedlich bewertet worden sei, obwohl die Antragstellerin in beiden Losen dieselbe Person mit entsprechend identischen Angaben zur Qualifikation benannt habe. Anders als der Antragsgegner meine, spiele der Kostenansatz für die Bewertung der Qualifikation überhaupt keine Rolle. Hierzu sei auch keine Aufklärung erfolgt. Entgegen dem erstmals in der Rügeantwort vorgebrachten Vortrag des Antragsgegners könne die Bewertung auch nicht mit etwaigen Ausbildungsmöglichkeiten in der Gebäudereinigung gerechtfertigt werden, da entsprechende Anforderungen gerade nicht in den Vergabeunterlagen gestellt worden seien. Auch gehe aus der Rügeantwort nicht hervor, dass andere Bieter eine solche Qualifikation nachgewiesen hätten. Wie sich im Rahmen der Akteneinsicht ergeben habe, habe der Antragsgegner ganze konkrete Vorstellungen von der Bewertung der Qualifikation gehabt, welche er den Bietern ohne Weiteres hätte mitteilen können. Der Verweis des Antragsgegners auf Rechtsprechung, nach der keine Verpflichtung zur Bekanntgabe konkretisierender Angaben zum Bewertungsmaßstab konzeptioneller Lösungen bestehe, sei daher im vorliegenden Fall verfehlt.

Der Antragsgegner sei in seiner Rügeantwort erstmals auch auf die Bewertung der Konzepte eingegangen und stütze seine Begründung in erster Linie auf vermeintlich fehlende Aspekte. Für detaillierte Ausführungen seien die vorgegebenen Zeichen allerdings nicht ansatzweise ausreichend gewesen. Es werde daher bezweifelt, dass bei der Bewertung der übrigen Angebote der gleiche Bewertungsmaßstab angesetzt wurde. Auch die in der freigegebenen Vergabedokumentation enthaltene Wertung der Konzepte lasse nicht erkennen, dass der Antragsgegner – wie bei der Bewertung von Konzepten erforderlich – eine vergleichende Bewertung vorgenommen hat. Darüber hinaus habe der Antragsgegner in seiner Bewertung aber ganz offensichtlich auch Aspekte überlesen oder sie zumindest nicht in die Wertung einfließen lassen. Soweit der Antragsgegner eine objektbezogene oder detailliertere Beschreibung erwartet habe, sei der vom Antragsgegner angesetzte Maßstab nicht mit der vorgegebenen Zeichenbegrenzung in Einklang zu bringen.

Im Rahmen der Akteneinsicht habe sich bestätigt, dass der Antragsgegner nachträglich von seinen eigenen Festlegungen in den Vergabeunterlagen abgewichen sei. In den Bewerbungsbedingungen sei ein anderes Bewertungsverfahren beschrieben als das, was der Antragsgegner tatsächlich angewendet habe. Im Wertungsbereich „Vorgabe Kontrollzeiten“ in Los 1 sei die Punktevergabe anhand der prozentualen Abweichungen vollkommen neu. Anders als in den Bewerbungsbedingungen beschrieben, gebe es hier die Höchstpunktzahl nicht, wenn die Anforderungen übertroffen werden, sondern wenn die Vorgabe eingehalten wird „bis + 10 %“. Die im Wertungsbereich „Qualifikation“ angewendeten Kriterien seien nicht in den Ausschreibungsunterlagen genannt gewesen und auch auf die eingegangene Bieterfrage hin nicht mitgeteilt worden. Der Antragsgegner habe Punkte für die Erfahrung der Mitarbeiter vorgesehen, obwohl diese in den Ausschreibungsunterlagen gar nicht abgefragt worden sei. Zudem entspreche das verwendete Punkteschema nicht der in den Ausschreibungsunterlagen abgebildeten Punkteskala. Soweit der Antragsgegner seine Bewertung mit einem zu niedrigen Kostenansatz begründe, lege er seiner Wertung die ungeprüfte und nicht belegte Annahme zugrunde, dass zu dem kalkulierten Stundenlohn kein qualifiziertes Personal eingesetzt werden könne. Er bewerte damit nicht die angebotene Qualifikation der Mitarbeiter, sondern den kalkulierten Stundenlohn.

Die Antragstellerin beantragt

1. dem Antragsgegner zu untersagen, in den Losen 1 und 2 eine Zuschlagserteilung vorzunehmen,

2. dem Antragsgegner aufzugeben, das Vergabeverfahren in Los 1 und Los 2 aufzuheben, hilfsweise in den Stand vor Angebotsauswertung zurückzuversetzen;

3. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen;

4. festzustellen, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin notwendig war;

5. der Antragstellerin Akteneinsicht in die Vergabeakten des Antragsgegners zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt

1. den Vergabenachprüfungsantrag zurückzuweisen,

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen,

3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin für erforderlich zu erklären,

4. der Antragstellerin keine Akteneinsicht über ihre eigene Wertung hinaus zu gewähren.

Der Antragsgegner führt aus, dass mit der seinerzeit aufgrund des Nachprüfungsantrags veranlassten Rückversetzung des Vergabeverfahrens in das Stadium vor Angebotswertung vergaberechtlich eine Zäsur gegeben sei, die früheren Rügen und Vorbringen die Grundlage entziehe. Die Antragstellerin sei mit ihrer Rüge der Intransparenz des Wertungsverfahrens präkludiert, da sie dies weder vor Angebotsabgabe noch – anwaltlich beraten – nach der vergaberechtlichen Zäsur vor der Wiederholungswertung gerügt habe. Da die Antragstellerin beanstande, dass die Vergabeunterlagen nicht ordnungsgemäß seien und insofern eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Auftragsbekanntmachung erfolgen müsse, könne sie sich nicht darauf berufen, dass ihr erst nach der Wiederholungswertung aufgefallen sei, dass die Wertung intransparent erfolge. Die Antragstellerin hätte die Fortführung des Vergabeverfahrens mit Wiederholung der Wertung rügen müssen, da der Antragsgegner insoweit hinter dem Antrag der Antragstellerin zurückgeblieben sei. Zudem beinhalte die der Antragstellerin kundgetane Entscheidung des Auftraggebers, die Angebotswertung zu wiederholen, zugleich eine Nichtabhilfeentscheidung hinsichtlich des weitergehenden Begehrens der Antragstellerin, das Verfahren in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen. Damit sei die Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB ausgelöst worden.

Auch mit der Beanstandung hinsichtlich der abgefragten Qualifikation des technischen Betriebsleiters, des Objektleiters sowie des Vorarbeiters und deren Bewertung sei die Antragstellerin präkludiert, da sie den behaupteten Verstoß nach Erhalt der Mitteilung, es werde eine Angebotswiederholung erfolgen, nicht gerügt habe. Der Antragsgegner habe das Verfahren nicht in den Stand vor Angebotsabgabe zurückversetzt, sondern lediglich in das Stadium der Angebotswertung, wo sich an den von den Bietern eingereichten Unterlagen nichts mehr ändern könne. Der Vorwurf der Antragstellerin verfange aber auch inhaltlich nicht, da es nach der Rechtsprechung des BGH nicht erforderlich sei, im Vorfeld eine Musterlösung für die beste Bewertung zu nennen. Ungeachtet dessen verstehe es sich von selbst, dass auch im Gebäudereinigerhandwerk die Qualifikation von Personal objektiv unterschiedlich sei und von der ungelernten Kraft ohne Berufserfahrung bis hin zum Meister oder gar Studienabschluss reiche. Vor diesem Hintergrund sei offensichtlich, dass die Bewertung beim Kriterium Qualität danach erfolge, je höher die Ausbildung, desto mehr Punkte.

Eine nachträgliche Abweichung von den Angaben den Vergabeunterlagen sei nicht erfolgt. Wie bereits im Rahmen der Rügeantwort dargestellt wurde, sei die Bildung eines Mittelwerts in der Wertungstabelle nicht vorgesehen gewesen. Darüber hinaus würde sich eine Mittelwertbildung im Los 1 für die Antragstellerin nachteilig auswirken und im Los 2 neutral bleiben, sodass kein sich zulasten der Antragstellerin auswirkender Vergabefehler erkennbar sei.

Beim Wertungsbereich „Vorgabe Kontrollzeiten“ habe der Antragsgegner die von ihm (intern) festgelegte Bewertungsmethode angewandt und entsprechend der Schulnotenrechtsprechung lediglich im Vorfeld nicht die Musterlösung bekannt gegeben. Konkret habe er anhand des Kostenansatzes aus den Angeboten und den Angaben zum Aufsichtslohn in den Gemeinkostentabellen den finanziellen Anteil in absoluten Zahlen ermittelt, dann durch die Stundenverrechnungssätze dividiert, um die Stundenzahlen zu ermitteln und diese mit den Sollstunden verglichen. Eine Überschreitung der Sollstunden um bis maximal 10 % sei aus Sicht des Antragsgegners und seiner Expertise die ideale Besetzung und daher mit drei Punkten zu bewerten. Darüberhinausgehender Stundenaufwand sei regelmäßig Zeichen einer unproduktiven Tätigkeit bzw. eines überschießenden Verwaltungsaufwands und aus Sicht des Antragsgegners nicht so positiv, genüge aber regelmäßig den Anforderungen, was eine Bewertung mit zwei Punkten bedeute. Vor diesem Hintergrund seien die Angaben der Antragstellerin zutreffend bewertet worden.

Bei der Qualifikation des eingesetzten Führungspersonals habe der Antragsgegner die durch Eigenerklärungen und Nachweise dargelegte Ausbildung des Personals bewertet und dabei auch die von den Bietern angegebenen Verrechnungssätze als Kontrollpunkt berücksichtigt. Maßgeblich für die Beurteilung sei gewesen, dass ein Mitarbeiter mit einer höheren beruflichen Qualifikation mehr Punkte erhält. Ausschlaggebend für die Bewertung der Qualifikation des Objektleiters im Angebot der Antragstellerin sei das Fehlen entsprechender Nachweise gewesen. Die Feststellung einer unzureichenden Entlohnung habe die Beurteilung des Antragsgegners bestätigt, dass der angegebene Objektleiter nicht ausreichend qualifiziert sei. Gleiches gelte für den Vorarbeiter. Die rückgerechneten Stundenlöhne lägen sogar unterhalb der tariflichen Entlohnung. Soweit die Antragstellerin beanstande, dass sie bei der Bewertung des Vorarbeiters in Los 1 und Los 2 unterschiedliche Punkte erhalten habe, wirke sich dies nicht zu ihren Lasten aus. Generell würde sich die Bieterreihenfolge nicht ändern, wenn keinem der Bieter für die Angabe der Berufserfahrung ein Punkt gegeben würde.

Die an die Konzepte bzw. deren Inhalt gestellten Anforderungen seien von der Antragstellerin nicht einschränkungslos erfüllt worden. Die Bewertung sei entsprechend den Vorgaben erfolgt und rechtfertige keine höhere Bepunktung. Die Beschränkung der Angaben auf eine bestimmte Zeichenanzahl sei von der Antragstellerin vor Angebotsabgabe nicht gerügt worden. Im Übrigen zeichne sich ein gutes Konzept und ein gutes Angebot dadurch aus, dass die relevanten Informationen in dem zur Verfügung stehenden Platz vermerkt werden. Die Länge eines Konzeptes sei kein Qualitätsmerkmal.

Mit Beschluss vom 15.12.2022 wurde die in den Losen 1 und 2 jeweils für den Zuschlag vorgesehenen Bieter zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge und äußern sich auch nicht zur Sache.

Am 16.02.2023 fand in den Räumen der Regierung von Oberbayern die mündliche Verhandlung statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Die Vergabekammer wies darauf hin, dass möglicherweise entscheidungserheblich sei, ob die den Bietern nicht bekanntgemachten Wertungsmatrizen für die Wertungsbereiche „Vorgabe Kontrollzeiten“ und „Qualifikation“ bereits vor Angebotsöffnung bestanden haben. Der Antragsgegner gab an, dass es sich hierbei um stehende Unterlagen handle, die bereits bei früheren Vergabeverfahren benutzt worden seien. Dem Antragsgegner wurde die Möglichkeit eingeräumt, als Beleg hierfür entsprechende Unterlagen aus früheren Vergabeverfahren vorzulegen.

Mit Schriftsatz vom 23.02.2023 reichte der Antragsgegner Vergabeunterlagen aus früheren Vergabeverfahren nach. Er führte aus, dass die Wertungsmatrizen „Vorgabe Kontrollzeiten“ und „Qualifikation“ mit geringfügigen Abweichungen in verschiedentlichen Vergabeverfahren genutzt würden. Hinsichtlich der Wertung der Kontrollzeiten sei im Jahr 2018 ein dem hier gegenständlichen Verfahren vergleichbarer Korridor gebildet worden, 2020 dagegen nicht mit der Folge, dass alle Bieter drei Punkte erhalten hätten. In streitgegenständlichem Vergabeverfahren seien die Vergabeunterlagen einschließlich der Wertungsmatrizen am 02.04.2022, mithin vor der Veröffentlichung, fertig gestellt worden. Da nach den Feststellungen des Antragsgegners die von der Antragstellerin für Objektleitung und Vorarbeiter angegebenen, rückgerechneten Stundenlöhne unterhalb der tariflichen Entlohnung lägen, habe der Antragsgegner die Antragstellerin aufgefordert, ihre Preise und die sich daraus ergebenden Stundenlöhne für den Objektleiter und den Vorarbeiter aufzuklären.

Mit Schriftsatz vom 27.02.2023 teilte der Antragsgegner mit, dass sich nach der erfolgten Aufklärung ergeben habe, dass das Angebot der Antragstellerin gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 bzw. Satz 2 VgV aus der Wertung auszuschließen sei.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer, die Niederschrift der mündlichen Verhandlung sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.

Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 1, 4 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.

Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.

1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig.

Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.

Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere aufgrund von intransparenten Vergabeunterlagen und eine von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweichende Wertung ihres Angebots geltend gemacht.

Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch überwiegend keine Rügepräklusion entgegen. Die Antragstellerin macht geltend, dass sich das konkrete Vorgehen zur Bewertung der Angebote weder aus den textlichen Erläuterungen der Bewerbungsbedingungen, noch aus der Auswertungstabelle erschließe. Welches Verfahren der Antragsgegner seiner Wertung zugrunde legen würde, konnte die Antragstellerin vor Ende der Angebotsfrist nicht wissen; insbesondere nicht, dass der Antragsgegner bei der Wertung eine andere als die in den Bewerbungsbedingungen aufgeführte Wertungstabelle verwenden oder von einer Mittelwertbildung absehen würde. Die Antragstellerin hat das im Informationsschreiben des Antragsgegners vom 26.08.2022 mitgeteilte Wertungsergebnis bereits mit Schreiben vom 30.08.2022 und damit innerhalb der 10-Tage-Frist des § 160 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GWB als vergaberechtswidrig beanstandet. Die konkreten Maßstäbe, an denen der Antragsgegner die nichtpreislichen Kriterien beurteilte, wurden der Antragstellerin erst im Rahmen der Akteneinsicht offenbar.

Soweit die Antragstellerin jedoch beanstandet, allein die Verwendung widersprüchlicher Formulierungen in den Vergabeunterlagen würde bereits einen Vergabeverstoß begründen, der die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens notwendig mache, ist von einer Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB auszugehen. Dies gilt namentlich für die inkonsistente Verwendung der Begriffe Wertungskriterien und Wertungsbereiche in den Bewerbungsbedingungen, da dies augenfällig war und sich die Pflicht zur Ausgestaltung transparenter Vergabeunterlagen unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

Der Nachprüfungsantrag ist auch rechtzeitig innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB eingereicht worden. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist seiner vormaligen Erklärung, dass das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotswertung zurückversetzt und ab diesem Stand wiederholt wird, nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit zugleich eine Nichtabhilfemitteilung in Bezug auf die von der Antragstellerin begehrte Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in einen früheren Stand zu entnehmen. Insoweit ist zu beachten, dass der Antragsgegner und nicht die Antragstellerin das vorangegangene Nachprüfungsverfahren mit dem Geschäftszeichen 3194.Z3-3_01-32-38 für erledigt erklärte. Die Antragstellerin konnte damit davon ausgehen, dass der Antragsgegner die von ihr zu diesem Zeitpunkt bereits vorgebrachten Beanstandungen im Hinblick auf die Transparenz der Vergabeunterlagen im Rahmen seiner Angebotswertung beachten und eine weitergehende Rückversetzung bzw. Aufhebung des Vergabeverfahrens in Betracht ziehen werde, falls sich eine vergaberechtskonforme Wertung auf Basis der bestehenden Vergabeunterlagen als nicht durchführbar herausstellen würde.

2. Der Nachprüfungsantrag ist in seinem zulässigen Umfang auch begründet. Das vom Antragsgegner aufgestellte Zuschlagskriterium „Qualifikation“ lässt den nötigen Auftragsbezug vermissen und die hierbei sowie beim Kriterium „Vorgabe Kontrollzeiten“ konkret angewendeten Bewertungsmethoden begegnen erheblichen vergaberechtlichen Bedenken.

2.1. Das Zuschlagskriterium „Qualifikation“ lässt in der gegebenen Ausgestaltung der Vergabeunterlagen den nötigen Auftragsbezug vermissen und ist insoweit unzulässig.

2.1.1. Gem. § 127 Abs. 3 GWB müssen die Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, wobei diese Verbindung auch dann anzunehmen ist, wenn sich ein Zuschlagskriterium auf Prozesse im Zusammenhang mit der Herstellung, Bereitstellung oder Entsorgung der Leistung, auf den Handel mit der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus der Leistung bezieht (OLG München, Beschluss vom 24.03.2021 – Verg 12/20). Nach Art. 67 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU stehen Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand des öffentlichen Auftrags in Verbindung, wenn sie sich in irgendeiner Hinsicht und in irgendeinem Lebenszyklus-Stadium auf die gemäß dem Auftrag zu erbringenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen beziehen. Maßgebend für die Beurteilung des Auftragsbezugs ist der Inhalt des Angebotes bzw. der Auftragsgegenstand, d.h. die Leistung, zu der sich der Bieter verpflichtet (vgl. OLG München, aaO).

Für Zuschlagskriterien i.S.v. § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VgV ist der grundsätzlich nötige Auftragsbezug enger gefasst (vgl. VK Südbayern, Beschluss vom 28.10.2021 – 3194.Z3-3_01-21-27). Nach dieser Vorschrift können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, insbesondere die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann. In Erwägungsgrund Nr. 94 der Richtlinie 2014/24/EU wird hierzu ausgeführt, dass dies beispielsweise bei Aufträgen für geistig-schöpferische Dienstleistungen, wie Beratungstätigkeiten oder Architektenleistungen, der Fall sein könne. Öffentliche Auftraggeber, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, sollten mit Hilfe geeigneter vertraglicher Mittel sicherstellen, dass die zur Auftragsausführung eingesetzten Mitarbeiter die angegebenen Qualitätsnormen effektiv erfüllen und dass diese Mitarbeiter nur mit Zustimmung des öffentlichen Auftraggebers ersetzt werden können, wenn dieser sich davon überzeugt hat, dass das Ersatzpersonal ein gleichwertiges Qualitätsniveau hat.

2.1.2. Vorliegend hat der Antragsgegner über entsprechende Vorgaben in den Kalkulationsunterlagen zwar sowohl für den anzugebenden Objektleiter als auch für den Vorarbeiter Sorge dafür getragen, dass die angebotene Qualifikation bei einem Personalwechsel erhalten bleibt. Beim Betriebsleiter fehlt es jedoch an einer entsprechenden Vorgabe. Ziffer 4.8 der Vertragsbedingungen bestimmt, dass ein Anspruch des Auftraggebers auf Verrichtung durch bestimmte Mitarbeiter in der Regel nicht besteht. Der Auftragnehmer hat nach dieser Regelung zwar sicherzustellen, dass bei Ausscheiden geeignete Vertretungskräfte oder Nachfolge eingesetzt werden. Dass diese über ein gleichwertiges Qualitätsniveau verfügen müssen, ist der Regelung zum technischen Betriebsleiter jedoch nicht explizit zu entnehmen. Damit wäre es Bietern prinzipiell möglich, den technischen Betriebsleiter, dessen Qualität im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der Angebote bewertet wurde, nachträglich durch eine weniger qualifizierte Person zu ersetzen.

Es ist aber mit dem Ziel der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nicht zu vereinbaren, wenn im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung qualitative Aspekte bewertet werden, die im Rahmen der späteren Auftragsausführung keine Rolle mehr spielen (vgl. BT-Drs. 18/6281, 112). Aus diesem Grund ist vorliegend der gem. § 127 Abs. 3 GWB nötige Auftragsbezug des Kriteriums „Qualifikation“ in Bezug auf die Person des technischen Betriebsleiters zu verneinen.

Hinzu kommt, dass der Antragsgegner ausweislich der für die Beurteilung der Qualifikationen herangezogenen, den Bietern aber nicht bekanntgegebenen Wertungstabelle die Berufserfahrung der angegebenen Personen als Wertungsaspekt vorsah. Die Berufserfahrung der angegebenen Personen wurde jedoch in den Kalkulationsunterlagen nicht explizit abgefragt und es fanden sich in den Vergabeunterlagen auch diesbezüglich keine vertraglichen Regelungen, die sicherstellen, dass etwaiges Ersatzpersonal über eine gleichwertige Berufserfahrung verfügt. Auch insoweit mangelt es somit dem Kriterium „Qualifikation“ am nötigen Auftragsbezug.

2.1.3. Durch den mangelnden Auftragsbezug des Kriteriums „Qualifikation“ hinsichtlich des technischen Betriebsleiters ist die Antragstellerin auch in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt, da den Anforderungen an die Bestimmung der Zuschlagskriterien bieterschützender Charakter zukommt (vgl. OLG München, Beschluss vom 24.03.2021 – Verg 12/20). Hält der Antragsgegner an seiner Beschaffungsabsicht fest, muss er den Fehler durch geeignete Maßnahmen beheben (OLG München, aaO). Dies macht eine Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Angebotsaufforderung erforderlich, um die Vergabeunterlagen entsprechend ändern zu können. Der Antragstellerin eröffnet sich insoweit eine zweite Chance auf Abgabe eines Angebots, so dass ein ihr drohender Schaden in Form einer beeinträchtigten Zuschlagschance auch nach dem durch den Antragsgegner erklärten Ausschluss ihres Angebots gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 und 2 VgV nicht in Zweifel steht (vgl. BGH, Beschluss vom 26.9.2006 – X ZB 14/06).

2.2. Ohne dass es entscheidungserheblich hierauf noch ankommt, weist die Vergabekammer darauf hin, dass auch die konkret vom Antragsgegner angewendeten Bewertungsmethoden in Bezug auf die Kriterien „Vorgabe Kontrollzeiten“ und „Qualität“ vergaberechtlichen Bedenken begegnen.

2.2.1. Im vorliegenden Vergabeverfahren hat der Antragsgegner für die Bewertung der nichtpreislichen Kriterien ein verhältnismäßig offenes Bewertungssystem bekannt gemacht, indem er zur Differenzierung lediglich auf Punkte einer Skala von 0 bis 3 bzw. unbestimmte Formulierungen wie beispielsweise „erhebliche Mängel“, „mit Einschränkungen“ „entspricht den Anforderungen“ oder „übertrifft die Anforderungen“ abstellte. Ein solches Vorgehen ist nach der Rechtsprechung des BGH im Ansatz zulässig, wenn sich die Anforderungen des Antragsgegners an die Angebote sonst hinreichend deutlich aus den Vergabeunterlagen ergeben (BGH, Beschluss vom 04.04.2017 – X ZB 3/17). Aus der Rechtsprechung des EuGH, auf die der BGH in vorgenannten Beschluss verweist, ergibt sich zudem, dass die Bewertungsmethode, anhand deren der öffentliche Auftraggeber die Angebote konkret bewertet und einstuft, grundsätzlich nicht nach der Öffnung der Angebote durch den öffentlichen Auftraggeber festgelegt werden darf (EuGH, Urteil vom 14.07.2016 – C?6/15).

2.2.2. Die Vergabekammer kann schon nicht beurteilen, ob die vom Antragsgegner angewendeten Bewertungsmethoden vor Öffnung der Angebote festgelegt wurden. Der Antragsgegner hat zwar mit nachgelassenem Schriftsatz vom 23.02.2023 darauf verwiesen, dass es sich bei den Wertungsmatrizen „Vorgabe Kontrollzeiten“ und „Qualifikation“ um stehende Unterlagen handle, die in verschiedenen Vergabeverfahren genutzt würden. Aus den übermittelten Unterlagen ergibt sich jedoch, dass die Wertungsmatrizen in früheren Vergabeverfahren durchaus wertungsrelevante Änderungen erfahren haben. Auch konnte die Vergabekammer anhand der vom Antragsgegner vorgelegten E-Mail nicht verifizieren, dass die Wertungsmatrizen zeitgleich mit der Fertigstellung der Vergabeunterlagen festgelegt wurden.

2.2.3. Nach den Bewertungsbedingungen sollte das Kriterium „Vorgabe Kontrollzeiten“ auf der bekanntgemachten Skala von 0 bis 3 danach bewertet werden, ob der Kostenansatz den vorgegebenen Anwesenheitszeiten des Objektleiters bzw. Vorarbeiters entspricht. Tatsächlich angewendet wurde jedoch eine nicht bekanntgemachte, abweichende Matrix, welche die Abweichungen von der vom Antragsgegner aufgestellten Zielvorgabe misst. Danach waren 2 Punkte vorgesehen, wenn die Vorgabe mehr als 10 % übertroffen wird und 3 Punkte, wenn die Vorgabe bis maximal 10 % übertroffen wird. Indem die angewendete Bewertungsmethode bei größerem Übertreffen der Zielmarke des Antragsgegners nicht 3, sondern 2 Punkte vorsieht, widerspricht sie dem bekanntgemachten Vorgehen. Der Antragsgegner kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Stundenaufwand bei Überschreiten des Schwellenwerts von 10 % Zeichen einer unproduktiven Tätigkeit bzw. eines überschießenden Verwaltungsaufwands sei und das angewendete Bewertungsschema insoweit mit den Vorgaben der Vergabeunterlagen in Einklang stehe. Denn hiermit formuliert der Antragsgegner gerade eine Anforderung an die Leistung, die transparent in den Vergabeunterlagen hätte ausgewiesen werden müssen.

2.2.4. Ähnlich verhält es sich mit dem Verfahren zur Bewertung des Kriteriums „Qualifikation“. Hier hat der Antragsgegner in der Antwort auf die Bieterfrage 2 mitgeteilt, es fände eine Wertung „in Relation zu den anderen Bietern, nach Güte der nachgewiesenen Qualifikationen“ statt. Tatsächlich legte der Antragsgegner seiner Bewertung jedoch eine ausgearbeitete, den Bietern aber nicht bekanntgemachte Tabelle zugrunde, in der die zu bewertenden Qualifikationen und die zu erzielenden Punkte vorgegeben waren. Anders als vorab bekannt gemacht hat der Antragsgegner damit keine rein vergleichende Wertung der Bieterangaben vorgenommen, sondern seiner Bewertung einen absoluten Maßstab zugrunde gelegt.

Ungeachtet dessen, dass der Antragsgegner damit von der bekannt gemachten Bewertungsmethode abwich, ist es höchst zweifelhaft, ob der Antragsgegner unter Verweis auf die Schulnoten-Rechtsprechung des BGH überhaupt davon absehen durfte, die Kriterien, anhand dessen er die Qualifikation bewerte, vorab bekannt zu machen. Der BGH stützte seine Argumentation seinerzeit unter anderem darauf, dass ein Wettbewerb, bei dem die Zielerreichungsgrade für die Bewertung nichtpreislicher Zuschlagskriterien nicht in den Vergabeunterlagen ausgewiesen werden, partiell das Gepräge eines Vergabeverfahrens mit funktionaler Leistungsbeschreibung habe. Die Forderung nach konkretisierenden Informationen zu den mit der Erfüllung der Unterkriterien verbundenen Erwartungen laufe darauf hinaus, dem Auftraggeber die Durchführung eines partiell anderen Vergabeverfahrens aufzuerlegen. Der Auftraggeber würde mit der Vorgabe von Lösungskomponenten Aufgaben übernehmen, deren Lösung er im Rahmen der funktionalen Ausschreibung in vergaberechtlich unbedenklicher Weise auf die Bieter delegieren wollte. Wie aus der Vergabedokumentation und den Stellungnahmen des Antragsgegners deutlich wurde, war es vorliegend jedoch nicht die Absicht des Antragsgegners, den Bietern funktionalen Spielraum bei den anzubietenden Qualifikationen einzuräumen. Er hatte vielmehr sehr konkrete Vorstellungen davon, welche Qualifikationen er mit wie vielen Punkten versehen werde. Dann aber erscheint aus Gründen der Transparenz auch geboten, dass er den insoweit feststehenden Beurteilungsmaßstab den Bietern vorab in transparenter Weise bekannt macht. Andernfalls geben die Vergabeunterlagen auch insoweit Anforderungen des Antragsgegners an die zu erbringende Leistung nicht hinreichend deutlich wieder.

2.2.5. Soweit der Antragsgegner die Angaben der Antragstellerin zur Qualifikation der von ihr angebotenen Personen aufgrund einer festgestellten unzureichenden Entlohnung in Zweifel zog, weist die Vergabekammer darauf hin, dass ein öffentlicher Auftraggeber grundsätzlich gehalten ist, widersprüchliche oder nicht zweifelsfreie Angebote aufzuklären.

2.3. Die Vergabekammer weist abschließend darauf hin, dass es dem Antragsgegner unbenommen bleibt, im Zuge der Überarbeitung der Vergabeunterlagen strittige Vorgaben abzuschwächen, abzuändern oder klarer zu fassen. Soweit über Rechtsfragen nicht abschließend entschieden wurde, sind sie in einem weiteren Nachprüfungsverfahren auch nicht präjudiziert (vgl. BayObLG, Beschluss vom 29.07.2022 – Verg 16/21).

3. Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend der Antragsgegner.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens.

Der Antragsgegner ist als Landkreis von der Zahlung der Gebühr nach § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG (Bund) vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung befreit.

Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da die zweckentsprechende Führung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens die rechtlichen Kenntnisse eines durchschnittlichen mittelständischen Unternehmens weit überschreitet. Für Bieter ist im Vergabenachprüfungsverfahren die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters regelmäßig erforderlich. Daneben war die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters seitens der Antragstellerin notwendig, um die erforderliche „Waffengleichheit“ gegenüber dem anwaltlich vertretenen Antragsgegner zu erhalten.

Auch wenn die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben, muss die Vergabekammer von Amts wegen über ihre Aufwendungen entscheiden. Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen einer Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09).

Die Beigeladenen haben sich nicht aktiv am Verfahren beteiligt und keine Anträge gestellt; sie tragen ihre Aufwendungen selbst.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer kann binnen einer Notfrist von zwei Wochen (§ 172 GWB), die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, die sofortige Beschwerde (§ 171 GWB) schriftlich beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt werden. Die Briefanschrift lautet:

Bayerisches Oberstes Landesgericht

Schleißheimer Str. 141

80797 München

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss enthalten:

1. Die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und

2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten.

München, 30.03.2023

Steck

Dr. Völtz

Vorsitzender

Hauptamtlicher Beisitzer

zugleich für den wegen Krankheit

an der Unterschriftsleistung verhinderten Vorsitzenden Steck