Vergabekammer Südbayern, Az.: 3194.Z3 – 3 _ 01 – 22 – 57, Beschluss vom 28.04.2023 – Preis als einziges Zuschlagskriterium, wenn nach dem Gegenstand des Auftrags und der Gesamtheit der Vergabeunterlagen erreicht werden kann, dass der Zuschlag auf das Angebot nach dem besten Preis-Leistung-Verhältnis erteilt wird, Vergabeverfahren mit funktionalen Elementen,

Apr 28, 2023 | Rechtsprechung

Vergabekammer Südbayern

Aktenzeichen: 3194.Z3 – 3 _ 01 – 22 – 57

Beschluss vom 28.04.2023

 

Normen: § 127 Abs. 1

Leitsatz (amtlich):

1. Der Preis darf dann einziges Zuschlagskriterium sein, wenn nach dem Gegenstand des Auftrags und der Gesamtheit der Vergabeunterlagen erreicht werden kann, dass der Zuschlag auf das Angebot nach dem besten Preis-Leistung-Verhältnis erteilt wird (BGH, Beschluss vom 10.05.2016 – X ZR 66/15).

2. Ist dies sichergestellt, kann zumindest im Anwendungsbereich der VgV auch bei einem Vergabeverfahren mit funktionalen Elementen der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium zulässig sein.

3. Notwendigkeit zur Festlegung nichtpreislicher Zuschlagskriterien kann sich dann ergeben, wenn sich den Vergabeunterlagen ein bestimmtes vom Auftraggeber bevorzugtes Qualitätsniveau entnehmen lässt, aber hiervon qualitativ abweichende Lösungen beispielsweise in Form von funktionalen Elementen oder Nebenangeboten zugelassen sind.

 

Entscheidungstext:

In dem Nachprüfungsverfahren

pp.

wegen der Vergabe „Streamingdienste mit Informationen in Gebärdensprache und Live-Untertitelung; Auftragsnummer: …“ erlässt die Regierung von Oberbayern – Vergabekammer Südbayern auf die mündliche Verhandlung vom 14.03.2023 durch den Vorsitzenden Steck, den hauptamtlichen Beisitzer Dr. Völtz und den ehrenamtlichen Beisitzer Klingshirn folgenden

Beschluss:

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners und der Beigeladenen.

3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von …,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.

4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladenen war jeweils notwendig.

Gründe:

I.

Mit Auftragsbekanntmachung vom 26.08.2022, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 31.08.2022 unter Nr. 2022/… schrieb der Antragsgegner einen Dienstleistungsauftrag über Streamingdienste mit Informationen in Gebärdensprache und Live-Untertitelung im Wege eines offenen Verfahrens aufgeteilt in zwei Lose aus. Los-Nr. 1 beinhaltete insbesondere die Erneuerung und den Betrieb der Plattform für Live-Übertragungen aus dem Bayerischen Landtag sowie die dauerhafte Speicherung für den nachträglichen Abruf der Aufnahmen. Gegenstand von Los-Nr. 2 war die Verdolmetschung der Übertragung in Gebärdensprache. Hinsichtlich der Zuschlagskriterien wurde in Abschnitt II.2.5) der Bekanntmachung jeweils auf die Beschaffungsunterlagen verwiesen.

Ausweislich der Angabe in Abschnitt I.3) der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei unter der dort genannten Internetadresse zur Verfügung. Bestandteil der Vergabeunterlagen waren unter anderem sog. „Ergänzende Bewerbungsbedingungen“. Unter Ziffer 5 dieser Bewerbungsbedingungen war festgelegt, dass „das wirtschaftlichste Angebot bei dieser Ausschreibung zu 100% anhand der Angebotssumme inklusive Umsatzsteuer (Produkte/Leistungen) pro Los ermittelt“ wird. Darüber hinaus enthielten die ergänzenden Bewerbungsbedingungen zu Los 1 folgende Vorgaben:

„3.2. Maßnahmen zur Ausfallsicherheit

Im Angebot muss dargestellt werden, welche Maßnahmen der Auftragnehmer für die Gewährleistung der Ausfallsicherheit vorgesehen hat.

Dabei ist neben der reinen Ausfallsicherheit der Hardware vor allem auf den redundanten Ausbau der gesamten Streaming-Plattform einzugehen.

Im Angebot ist außerdem darzustellen, welche Maßnahmen für die Überwachung der eingesetzten Hardware sowie der Funktionsfähigkeit der gesamten Streaming-Plattform (d.h. Funktionsfähigkeit der unterschiedlichen Komponenten: Produktion des Live-Streams, Speicherung der Video-Daten, Planungstool, Webservices bzw. Dienste für Kommunikation mit Anwendungslandschaft des Landtags) vorgesehen sind.

3.3. Technische Umsetzung

Im Angebot muss dargestellt werden, wie die technische Umsetzung der Streaming-Plattform geplant ist. Dabei ist insbesondere auf die eingesetzte Software für die Produktion der Streaming-Daten einzugehen und die Anbindung an die vorhandenen Systeme des Landtags.

Außerdem ist darzustellen, über welche Netzwerk-Provider die Live-Übertragungen im Internet verteilt werden sollen und welche Übertragungskapazitäten für den Landtag zur Verfügung stehen. Sofern die eingesetzten Webservices bzw. Dienste für die Einbindung in die Anwendungslandschaft eine Anpassung der landtagseigenen Systeme erfordern, ist darzustellen welche Anpassungen hier notwendig sind. Die Kosten für diese Anpassungen werden bei der Bewertung der Angebote entsprechend berücksichtigt.

3.4. Unterstützte Plattformen für den Player

Im Angebot muss dargestellt werden, welche Plattformen die für die Darstellung der Live-Übertragung und der gespeicherten Aufnahmen notwendige Software unterstützt.

Sofern unterschiedliche Software für die einzelnen Plattformen notwendig ist, so ist dies gesondert darzustellen.

Im Angebot muss dargestellt werden, inwieweit der Auftragnehmer für die Aktualisierung dieser Software verantwortlich ist und wie sicherheitsrelevante Aktualisierungen der Software unverzüglich den Nutzern der Streaming-Plattform zur Verfügung gestellt werden können.“

Weiterer Bestandteil der Vergabeunterlagen waren Leistungsbeschreibungen zu den jeweiligen Losen. Hierin waren die Leistungen großteils über Zielvorgaben des Auftraggebers festgelegt. Daneben enthielten die Leistungsbeschreibungen jeweils ein Schaubild über die geplante Ziel-Architektur. Im Hinblick auf die Auslieferung der Live-Streams beinhaltete die Leistungsbeschreibung zu Los 1 unter anderem folgende Vorgaben:

„Die Bildqualität und Bildgröße der Live-Streams müssen sich dabei dynamisch an die jeweils am Client vorhandene Internet-Bandbreite anpassen. Die minimale Bandbreite des Stream muss dabei mindestens 250 kbps betragen, die maximale Bandbreite mindestens 2500 kbps bei einer gleichzeitigen Anzahl von mindestens 5000 Nutzern.

Die Auslieferung der Live-Streams muss für alle – während der Vertragslaufzeit – gängigen Betriebssystemplattformen, insbesondere auch für mobile Endgeräte erfolgen.

Die aktuellen Versionen aller gängigen Betriebssysteme (Windows, Mac OS X, iOS und Android) sowie die aktuellsten Versionen der gängigen Browser (Google Chrome, Mozilla Firefox, Microsoft Edge und Apple Safari) müssen unterstützt werden.

Der Auftragnehmer stellt die entsprechende Software (inkl. Updates) für die Darstellung der Live-Streams auf den Endgeräten zur Verfügung.

Unabhängig von der jeweiligen Bildschirmgröße muss der Service auf allen Endgeräten (PC, Tablet Computer, Smartphone etc.) und optimiert sowohl über die Betriebssysteme Android als auch iOS genutzt werden können (Responsive Darstellung im Player). Der Service soll auf Basis von HTML5 laufen, darstellbar ohne zusätzliche Plugins oder Erweiterungen auf allen aktuellen PC- und mobilen Plattformen.

Die Videostreams aus dem Bayerischen Landtag, die Darstellung der Inhalte über ein Live-Video durch Gebärdendolmetscher und die Live-Untertitel müssen synchron dargestellt werden.“

Zudem war in Los-Nr. 1 vorgesehen, dass die Daten zu den Live-Übertragungen für einen späteren Abruf gespeichert werden müssen. Hinsichtlich der dauerhaften Bereitstellung der Aufnahmen beinhaltete die Leistungsbeschreibung zu Los-Nr. 1 unter anderem folgende Vorgaben:

„Die Bildqualität und Bildgröße der gespeicherten Aufnahmen soll sich beim nachträglichen Abruf ebenfalls dynamisch an die jeweils am Client vorhandene Internet-Bandbreite anpassen. Die minimale Bandbreite des Streams muss dabei mindestens 250 kbps betragen, die maximale Bandbreite mindestens 2500 kbps bei einer gleichzeitigen Anzahl von mindestens 5000 Nutzern.“

Bestandteil der Vergabeunterlagen zu Los-Nr. 1 war darüber hinaus der Entwurf eines EVB-IT Systemvertrags, in welchem die EVB-IT System-AGB sowie die VOL/B in der bei Versand der Vergabeunterlagen geltenden Fassung für anwendbar erklärt wurden.

Das ebenfalls den Vergabeunterlagen beigefügte Leistungsverzeichnis listete die zu bepreisenden Positionen des gegenständlichen Auftrags auf. Hierin wurden unter anderem die Preise pro GB für Live-Übertragungen und On-Demand-Übertragungen abgefragt auf Basis eines Datenvolumens von 340.000 bzw. 142.000 GB. Zum angegebenen Datenvolumen fand sich folgender Hinweis:

„Datenvolumen 2021 gesamt: 118.081 GB

Das angenommene Datenvolumen (Grundlage: Zahlen aus 2021, pauschal aufgeteilt in 70% für Live-Stream und 30% für OnDemand und der hieraus ermittelte Angebotspreis sind fiktiv und dienen allein der Vergleichbarkeit der Angebote im vorliegenden Vergabeverfahren; sie begründen insbesondere keine Abnahmeverpflichtung des Auftraggebers in dieser Höhe.“

Während der Angebotsfrist veröffentlichte der Antragsgegner Antworten auf eingegangene Bieterfragen. Hierin lautete es auszugsweise wie folgt:

„[…]

#3: Vergabeunterlagen.pdf / Abschnitt: Ergänzende Bewerbungsbedingungen Los 1

Im Dokument Vergabeunterlagen.pdf unter „Ergänzende Bewerbungsbedingungen“ fordern Sie unter Punkt 3 „Inhalt des Angebots zu Los 1“ eine Darstellung des Angebots hinsichtlich Ausfallsicherheit, technischer Umsetzung und Unterstützung von Plattformen für den Player. Gleichzeitig geben Sie in Absatz 5, sowie in Dokument Leistungsverzeichnis.pdf an, dass das einzige Zuschlagskriterium der Preis ist. Eine Bewertungsmatrix liegt uns nicht vor. Verstehen wir es also richtig, dass der Erfüllungsgrad in der Darstellung des Angebots nicht bewertet wird? Falls nicht, wie erfolgt eine Bewertung des Erfüllungsgrades?

[…]

#3: Ja

[…]

2.3.1 Ausfallsichere Infrastruktur

a. Ist davon auszugehen, dass die Streaming-Plattform in einer Cloud Lösung angeboten werden kann?

b. Ist davon auszugehen, dass nur die Encoder (2.1.1 „Produktion“ der Live-Streams) redundant als Hardware angeboten werden sollen?

c. Ist davon auszugehen, dass die Speicherung der Aufnahmen in einer Cloud Lösung angeboten werden kann?“

[…]

Frage zu 2.3.1 a) Ja.

Frage zu 2.3.1 b) Ja, nur die Encoder müssen redundant beim Auftraggeber installiert werden.

Frage zu 2.3.1 c) Ja.

[…]

Die Veröffentlichung einer der Bieterfragen nebst Antwort wies zudem den Namen des Geschäftsführers der Beigeladenen zu 2) aus.

Mit Schreiben vom 29.09.2022 rügte die Antragstellerin die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens als vergaberechtswidrig. Das isolierte Abstellen auf den Preis bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Der dem Auftraggeber zustehende Gestaltungsspielraum bei der Wahl der Zuschlagskriterien sei von den Nachprüfungsinstanzen auf Ermessensfehler hin überprüfbar. Der Antragsgegner habe die Gründe, die ihn veranlasst haben, von einem Qualitätswettbewerb abzusehen, nachvollziehbar zu dokumentieren. Der Antragsgegner habe vorliegend den ihm zustehenden Gestaltungsspielraum überschritten. Die Zuschlagskriterien müssten die Möglichkeit eines wirksamen Wettbewerbs gewährleisten, was bei vergleichbaren Angeboten anhand des eingereichten Preises oder bei funktionaler Beschreibung der Leistung durch die Einwertung qualitativer Anforderungen geschehe. Ein objektiver Vergleich des relativen Werts der Angebote sei vorliegend nicht möglich, da es sich nicht um standardisierte oder homogene Leistungen handle. Auch seien die qualitativen Leistungsanforderungen nicht detailgenau, erschöpfend und lückenlos festgelegt worden, sondern jeweils funktional unter Bezugnahme auf das zu erreichende Ziel beschrieben worden. In Los 2 fehle es in Gänze an konkreten Leistungsanforderungen. Vergleichbare Angebote seien daher für beide Lose nicht zu erwarten. In der vorangegangenen Ausschreibung aus dem Jahr 2021 seien umfassende qualitative Anforderungen formuliert gewesen mit einer Gewichtung von 50 % bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots.

Mit Schreiben vom 06.10.2022 antwortete der Antragsgegner der Antragstellerin, dass ihre Rüge als unbegründet zurückgewiesen werde. Ein Auftraggeber sei in der Wahl der Form der Leistungsbeschreibung frei. Nach § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VgV könne ein Auftraggeber die Merkmale des Auftragsgegenstands in Form einer Beschreibung der zu lösenden Aufgabe formulieren. Er habe lediglich darauf zu achten, im Rahmen der Vorgabe der zu erreichenden Ziele qualitative Mindestkriterien vorzugeben. Dies sei vorliegend beachtet worden, beispielsweise in der Vorgabe von Mindestanforderungen zum Dateiformat und einer Qualitätsstufe. Streaming-Dienste seien spätestens seit der Corona-Pandemie marktüblich geworden und würden von vielen Unternehmen, Behörden und sonstigen Organisationen genutzt, um Veranstaltungen online oder in hybrider Form durchzuführen. Aus Sicht des Antragsgegners sei es nicht zielführend, über bestimmte Mindestanforderungen hinaus verschiedene technische Lösungen hinsichtlich deren Qualität zu bewerten. Vielmehr habe sich herausgestellt, dass es auf die Erfüllung der definierten Mindestanforderungen ankomme. Dem sparsamen Umgang mit den in herausfordernden Zeiten zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln sei im vorliegenden Fall der Vorzug gegeben worden gegenüber einer qualitativ besonders hochwertigen Ausführung.

Noch innerhalb der mit Änderungsbekanntmachung Nr. 2022/S … auf den 10.10.2022, 11:00 Uhr, festgesetzten Angebotsfrist reichte die Antragstellerin ein Angebot auf beide Lose ein. Die Beigeladene zu 2) beteiligte sich mit einem Angebot auf Los-Nr. 1, die Beigeladene zu 1) bot auf Los-Nr. 2.

Mit Schreiben vom 20.10.2022 stellte die Antragstellerin sowohl per Fax als auch über das besondere elektronische Anwaltspostfach einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.

Die Antragstellerin führt aus, dass die Vergabeunterlagen des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens eine Grobdarstellung des Beschaffungsgegenstands für beide Lose beinhalteten. Eine Leistungsübersicht für Los 1 ergebe sich zudem aus Nummer 2.1 EVB-IT Systemvertrag. Konkrete Angaben zur Beschaffenheit der Software und/oder zur Erforderlichkeit oder zum Turnus für das Aufspielen von Updates seien nicht definiert. Die Leistungsbeschreibung enthalte auch keine Angaben zu den Content Delivery Networks (CDN), die ihrerseits hohe qualitative Unterschiede und technische Beschaffenheiten aufweisen könnten. Für die Planung der Live-Streams werde ein kalenderbasiertes Tool benötigt, dessen konkrete Ausgestaltung dem Bieterkreis obliege. Der Auftragnehmer soll ferner eine synchrone Live-Untertitelung in deutscher Sprache zur Verfügung stellen, wobei detaillierte, erschöpfende Vorgaben an die konkrete Umsetzung fehlten. Auch hinsichtlich der vom Auftragnehmer zur Verfügung zu stellenden Software für die Darstellung der archivierten Aufnahmen auf den Endgeräten obliege das Design dem Bieterkreis. Gefordert sei des Weiteren ein webbasiertes, integrierbares Online-Videoschnitt-Tool mit Voransicht, wobei auch insoweit konkrete und erschöpfende Anforderungen nicht definiert seien. Gegenstand des Auftrags sei ferner die Übernahme von Altdaten und anderen Migrationsleistungen, deren Umsetzung wiederum dem Bieterkreis überlassen sei.

Der EVB-IT Systemvertrag zur Los 1 verweise mit Blick auf den Leistungsumfang vielfach auf die Leistungsbeschreibung, ohne dass die Leistungsbeschreibung ihrerseits detaillierte Vorgaben treffe. Der Auftraggeber fordere in dem Vergabeverfahren zugleich von den Bietern eine umfassende Darstellung von Maßnahmen zur Ausfallssicherheit, sowie Angaben zur technischen Umsetzung der Streaming-Plattform und zur Kompatibilität mit der für die Darstellung der Live-Übertragung und der gespeicherten Aufnahmen notwendigen Software. Weiterhin verlange er Klarstellung, ob und inwieweit der Auftragnehmer für die Aktualisierung dieser Software verantwortlich sein wird und auf welche Weise sicherheitsrelevante Aktualisierungen der Software unverzüglich den Nutzern der Streaming-Plattform zur Verfügung gestellt werden können. In der Leistungsbeschreibung für Los 2 werde definiert, dass es unter Umständen notwendig werden kann, eine Übertragung in Gebärdensprache zu verdolmetschen. Konkrete Vorgaben, wie die Kommunikation zwischen Gebärde und Stream erfolgen soll, bestünden nicht. Auch würden keine detaillierten, konkreten Leistungsanforderungen an die Einbindung der Live-Untertitelung definiert.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Insbesondere sei die Antragstellerin antragsbefugt gemäß § 160 Abs. 2 GWB. Sie habe ihr Interesse am Auftrag sowohl durch die Einreichung eines Angebots als auch durch die vorprozessuale Rüge und die Einreichung des Nachprüfungsantrags hinreichend dokumentiert. Die Antragstellerin mache die Verletzung subjektiver Rechte gemäß § 97 Abs. 6 GWB geltend. Das isolierte Abstellen auf den Angebotspreis bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots bei zugleich funktionaler Beschreibung der Leistung ohne Vorgabe detaillierter, erschöpfender Leistungsanforderungen sowie die Preisgabe der Bieteridentität verstoße gegen geltendes Vergaberecht. Der Antragstellerin drohe durch Nichtbeachtung geltenden Vergaberechts ein Schaden zu entstehen, da die Erfolgsaussichten der Antragstellerin auf die Erteilung des Zuschlags durch die gerügten Verstöße negativ beeinträchtigt seien. Insbesondere sei nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin aufgrund des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses das wirtschaftlichste Angebot legt, der Zuschlag entgegen § 127 Abs. 1 GWB aber auf das Angebot mit dem günstigsten Preis erteilt wird. Die dargestellten Rechtsverstöße seien nicht präkludiert, da die Antragstellerin ihren Rügeobliegenheiten nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen sei. Die Antragsfrist aus § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB sei eingehalten.

Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Die Antragstellerin werde durch das isolierte Abstellen auf den Angebotspreis bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots bei funktionaler Beschreibung der Leistung ohne Vorgabe detaillierter, erschöpfender Leistungsanforderungen und durch die Preisgabe der Bieteridentitäten im Vergabeverfahren in ihren Rechten verletzt.

Nach den § 127 Abs. 1 S. 1 GWB, § 58 VgV sei der Zuschlag zwingend auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, d. h. das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Das preislich niedrigste Angebot stelle nur in Ausnahmefällen das wirtschaftlichste Angebot dar. Beim Preiswettbewerb werde allein das zu entrichtende Entgelt, nicht jedoch der gleichfalls relevante Gegenwert betrachtet. Ein reiner Preiswettbewerb könne insbesondere dann zulässig sein, wenn die zu beschaffende Leistung streng reguliert ist, sich die relevanten qualitativen Merkmale und Funktionalitäten also bereits aus den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen ergeben. Ein reiner Preiswettbewerb könne grundsätzlich auch dann zulässig sein, wenn ein öffentlicher Auftraggeber marktgängige Standardleistungen beschafft, für die sich ein allgemeiner Markt gebildet hat und sich die relevanten qualitativen Merkmale und Funktionalitäten aus dem allgemeinen Marktverhalten der Konsumenten ableiten lassen. Sofern sich solche Rahmenbedingungen nicht bereits objektiv aus gesetzlichen Regelungen oder sonstigen Regulierungen oder dem Nachfrageverhalten der Allgemeinheit ergeben, seien öffentliche Auftraggeber, die eine Leistung im Wege eines reinen Preiswettbewerbs beschaffen wollen, gehalten, die qualitativen Merkmale und Funktionalitäten detailgenau, erschöpfend und lückenlos festzulegen. Die Festlegung des Preises als einziges Zuschlagskriterium sei ermessensfehlerhaft, wenn auf qualitativer Wertungsebene Gestaltungsspielräume verbleiben, ohne dass die daraus resultierenden Unterschiede berücksichtigt werden. Dieses Grundverständnis werde auch durch einen Vergleich mit einem reinen Qualitätswettbewerb deutlich. Hierbei sei es erforderlich, dass ein Festpreis bestimmt werde, da andernfalls qualitativen Unterschieden der eingereichten Angebote keinerlei Aussagekraft zukäme.

In dem gegenständlichen Vergabeverfahren bestünden derartige Gestaltungsspielräume. Die Bieter seien dazu aufgerufen, Angaben zu antragsgegnerseitig nicht definierten Leistungsmerkmalen zu machen und ihre dahingehenden Lösungsansätze zu beschreiben. Der Antragsgegner habe darüber hinaus davon abgesehen, Qualitätsanforderungen an die Leistung detailgenau, erschöpfend und lückenlos festzulegen. Es bestünden auch keine gesetzlichen oder regulativen Vorgaben in Bezug auf die hier zu beschaffende Leistung von Online-Streamingdiensten. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners handle es sich auch nicht um marktgängige Standardleistungen. Standardleistungen bezögen sich ausschließlich auf „gebrauchsfertige“ Leistungen, die keiner konzeptionellen oder planerischen Vorarbeit bedürfen. Als Orientierung könne § 120 Abs. 1 GWB herangezogen werden, der marktübliche Leistungen als Leistungen beschreibe, bei denen die allgemein auf dem Markt verfügbaren Merkmale den Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers genügen. In diesem Fall würde eine replizierende Darstellung in der Leistungsbeschreibung eine bloße Förmelei bedeuten, so dass es dieser nicht bedürfe. Maßgeblich für die Klassifizierung als Standardleistung sei, dass die relevanten qualitativen Merkmale und Funktionalitäten marktseitig (abschließend) bestimmt werden. Dies treffe auf Streamingdienste nicht zu. Der Markt habe mit Blick auf die zu erbringende Leistung keine eigenen Standards entwickelt, so dass ein einheitliches Verständnis der anzubietenden Leistungsanforderungen am Markt nicht vorliege. Darüber hinaus sei vorliegend eine Individualsoftware geschuldet, also eine gemäß den Anforderungen des Antragsgegners zu erstellende Lösung, die in Abgrenzung zur Standardsoftware gerade nicht vorab für einen erweiterten Anwenderkreis entwickelt worden sei. Dasselbe gelte in Bezug auf die abgefragten Hardware-Komponenten. Da die Umsetzung und das zugrundeliegende Qualitätsniveau vorliegend nahezu vollständig dem Bieterkreis überlassen seien, hätten die bestehenden Gestaltungsspielräume einer Wertung zugeführt werden müssen. Ohne Einwertung der bestehenden Differenzierungsmöglichkeiten seien die Angebote nicht miteinander vergleichbar. Allein die hier dem Bieterkreis überlassene Entscheidung, eine On?Premises?Lösung oder eine Cloud?Lösung anzubieten, führe zu einer mangelnden Vergleichbarkeit der Angebote.

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners entsprächen die definierten Mindestanforderungen nicht den qualitätsbildenden Faktoren, die für einen Streaming-Dienst ausschlaggebend seien. Der Antragsgegner könne sich auch nicht darauf berufen, dass über die Mindestanforderungen hinausreichende Qualitätsmerkmale für ihn nicht relevant seien, da er diesen Aspekt bei Verwendung der ihm zufließenden öffentlichen Mitteln in gebotenem Umfang zu berücksichtigen habe. Die einem öffentlichen Auftraggeber zustehende Beschaffungsautonomie entbinde ihn nicht von der Pflicht, die angebotenen Lösungen einer Wirtschaftlichkeitsbewertung zuzuführen und den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.

Im Rahmen des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens seien Bieterfragen und -antworten den jeweils anderen Bietern zur Verfügung gestellt worden. Dabei sei die Identität eines Bieters offenbart worden, was einen Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerb begründe. Beim Geheimhaltungsgrundsatz handle es sich um ein objektives und indisponibles Verfahrensprinzip zum Schutz eines unbelasteten Wettbewerbs. Eine Wettbewerbsverzerrung resultiere bereits daraus, dass den übrigen Wettbewerbern die Möglichkeit eröffnet wurde, auf das in der Folge bekannte Bieterfeld bspw. durch Nachbesserung des eigenen Angebots zu reagieren. Die Verletzung der Geheimhaltungspflicht begründe einen schweren Vergabeverstoß, der es erforderlich mache, das Vergabeverfahren in den Stand vor Veröffentlichung zurückzuversetzen. Eine Rüge des durch die irreversible Offenlegung der Bieteridentität begründeten Vergabeverstoßes sei entbehrlich gewesen.

Die Antragstellerin beantragt

1. gegen den Antragsgegner ein Nachprüfungsverfahren gemäß § 160 Abs. 1 GWB einzuleiten,

2. dem Antragsgegner den Nachprüfungsantrag unverzüglich zuzustellen,

3. der Antragstellerin gemäß § 165 Abs. 1 GWB die Einsichtnahme in die Vergabeakten zu gestatten,

4. dem Antragsgegner aufzugeben, das Vergabeverfahren aufzuheben und bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Berücksichtigung der durch die Vergabekammer getroffenen Maßgaben erneut in vergaberechtskonformer Weise auszuschreiben,

5. die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären, sowie

6. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen.

Der Antragsgegner beantragt

1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2. Der Antragstellerin werden die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Antragsgegners auferlegt.

3. Antrag, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot bei beiden Losen erteilen zu dürfen, zumindest bei Los 2 das Vergabeverfahren zur Zuschlagserteilung zu führen.

Der Antragsgegner führt aus, dass der Bayerische Landtag seit 2013 einen Livestream mit Gebärde- und Schriftverdolmetschung aus dem Plenarsaal anbiete. Die Antragstellerin sei bisherige Dienstleisterin. In den Leistungsbeschreibungen zu beiden Losen seien Mindestanforderungen definiert worden, bspw. ein redundanter Ausbau der gesamten Streaming-Plattform, unterstützte Betriebssysteme und Webbrowser sowie Mindestbandbreiten. Ansonsten seien die Funktionen beschrieben worden, die von den Bietern angeboten werden müssen. Die Leistungsbeschreibung in Los 1 sei technisch geöffnet worden, um auch Angebote zuzulassen, bei denen Teile der Streaming-Infrastruktur in der Cloud betrieben werden und auch die dauerhafte Speicherung der Videodateien für den OnDemand-Abruf in der Cloud erfolgt.

Der Umfang an beantworteten Bieterfragen sowie die Anzahl der eingereichten Angebote lasse den Schluss zu, dass die Vergabeunterlagen zusammen mit den Antworten auf die Bieterfragen ausreichend gewesen seien, den geforderten Funktionsumfang abzubilden und damit vergleichbare Angebote zu erhalten. Der Vorwurf, der Antragsgegner habe in der Leistungsbeschreibung keinerlei bzw. zu unkonkrete Vorgaben zur Leistungserbringung gemacht, sei unzutreffend. Bei der Software für die Darstellung des Livestreams handle es sich um einen sog. Player zur Wiedergabe des Livestreams, der auf der Webseite des Landtags eingebettet sei und den Stream auf den Endgeräten der Nutzer abspiele. Als Anforderungen für diesen Player sei definiert worden, welche Betriebssysteme der Player unterstützen muss, dass dieser vom Layout an die Webseite des Landtags angepasst sein muss und dass die Anzeige von Livestream, Gebärdenstream und Untertitelung im Player vom Nutzer ausgewählt werden kann. Zur Auslieferung des Streams über das Content Delivery Network werde in der Leistungsbeschreibung festgelegt, dass dieses leistungsfähig genug sein muss, um 5000 gleichzeitige Nutzer bei einer Bandbreite von 2500 kbps pro Stream bedienen zu können. Die Leistungsbeschreibung enthalte außerdem eine bebilderte Beschreibung der aktuellen Integration der Streaming-Lösung in das Webangebot des Landtags sowie eine Übersicht, die die geplante Ziel-Architektur veranschauliche. Wie bei umfangreichen, komplexen IT-Projekten üblich, sei auf eine funktionale Leistungsbeschreibung zurückgegriffen worden.

Die Festlegung des Preises als einziges Zuschlagskriterium sei sowohl nach Art. 67 Abs. 2 der Richtlinie 2024/24/EU als auch nach § 127 Abs. 1 GWB vorgesehen. Die Kriterien, anhand derer die Angebote bewertet werden, unterfielen dem Bestimmungsrecht des Auftraggebers. Hierbei stehe dem Auftraggeber ein Ermessensspielraum zu, der nur dahingehend überprüft werden könne, ob die Vergabestelle von einem zutreffenden oder hinreichend ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet hat und sich nicht von sachwidrigen Erwägungen hat leiten lassen. Da ”Streaming“ bei öffentlichen Sitzungen von den deutschen Landesparlamenten, dem Bundestag und auch Stadtratssitzungen ein Standardangebot sei, liege es für den Antragsgegner nahe, die Leistung so zu beschreiben, dass der Auftraggeber seine Mindestanforderungen definiert und die weitere Umsetzung den Fachfirmen überlässt, ohne darin Qualitätsunterschiede auszumachen. Eventuelle Qualitätsunterschiede seien für den Antragsgegner nicht relevant, sobald alle Mindestanforderungen erfüllt und die geforderten Funktionalitäten angeboten werden. Angebote, die der Zielerfüllung genügten, seien auch bei zu erwartenden technischen Unterschieden miteinander vergleichbar.

Die nach den Vergabeunterlagen geforderten Darstellungen bestimmter Anforderungen dienten zum einen der Überprüfung, ob die geforderten Mindestanforderungen bei der konstruktiven Lösung erfüllt werden. Zum anderen erfüllten sie den Zweck, die Fähigkeit zur Erfüllung des Leistungsversprechens nachzuvollziehen. Wenn sich ein öffentlicher Auftraggeber hinsichtlich des Leistungsversprechens darstellen lasse, auf welche Weise der jeweilige Bieter gedenkt, dieses zu erfüllen, könne ihm dies aber nicht zum Nachteil gereichen.

In Bezug auf den gerügten Verstoß gegen die Geheimhaltung sei nicht ersichtlich, wie die Antragstellerin durch die mögliche Offenbarung eines anderen Bieters in ihren Rechten verletzt sein könnte oder der Antragstellerin hierdurch ein Schaden drohe.

Mit Beschlüssen vom 16.11.2022 sowie 17.01.2023 wurden die in den Losen 1 und 2 zum Zuschlag vorgesehenen Bieterinnen zum Verfahren beigeladen.

Die Beigeladenen beantragen jeweils

1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;

2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen aufzugeben

3. auszusprechen, dass die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch die Beigeladene erforderlich war.

Die Beigeladene zu 1) führt aus, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig sei. Ausweislich der Angaben im Nachprüfungsantrag der Antragstellerin, sei dieser über das besondere elektronische Anwaltspostfach eingereicht worden. Es erscheine zweifelhaft, ob damit das Schriftformerfordernis gemäß § 161 GWB gewahrt sei. Eine Vorschrift, nach der schriftlich einzureichende Anträge als elektronisches Dokument bei der Vergabekammer eingereicht werden können, existiere für das Nachprüfungsverfahren nicht. Insbesondere sei § 130a ZPO auf das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer mangels Bestehens einer planwidrigen Regelungslücke nicht anwendbar. Die Antragstellerin sei auch nicht antragsbefugt im Sinne von § 160 Abs. 2 Satz 2 GWB. Sie habe nicht dargelegt, nicht in der Lage gewesen zu sein, ein an dem Zuschlagskriterium des Preises ausgerichtetes Angebot abzugeben. Darüber hinaus habe die Antragstellerin auch hinsichtlich des von ihr beanstandeten Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb nicht dargelegt, dass ihr einen Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Ferner sei die Antragstellerin ihrer Rügeobliegenheit gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB nicht fristgerecht nachgekommen. Die von der Antragstellerin am 14.09.2022 gestellte Bieterfrage zum Zuschlagskriterium des Preises zeige, dass sich die Antragstellerin eingehend mit den Festlegungen zu den Zuschlagskriterien auseinandergesetzt habe. Daher habe sich ihr bereits zu diesem Zeitpunkt der Schluss aufdrängen müssen, dass hierin ein Problem liegen könnte. Eine dahingehende Rüge habe sie jedoch erst am 29.09.2022 angebracht. Ungeachtet dessen habe die Antragstellerin den Vergaberechtsverstoß auch nicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB innerhalb der ursprünglichen Angebotsfrist gerügt, die bereits am 26.09.2022 um 11:00 Uhr geendet habe. Zudem habe die Antragstellerin den Verstoß gegen den Geheimwettbewerb nicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB gerügt.

Der Nachprüfungsantrag sei auch unbegründet. Ein Verstoß gegen § 127 Abs. 1 Satz 1 GWB, § 58 VgV liege nicht vor. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bedürfe ein reiner Preiswettbewerb nicht besonderer Zulässigkeitsvoraussetzungen. Ein Ausnahmefall, in dem ein reiner Preiswettbewerb nicht zulässig ist, sei hier nicht gegeben. Es läge schon keine funktionale Ausschreibung vor, da der Antragsgegner von den Bietern keinerlei konzeptionelle oder Planungsleistungen verlange. Der Antragsgegner habe vielmehr Anforderungen an die nachgefragten Leistungen definiert, für die er in der Leistungsbeschreibung zahlreiche technische Eigenschaften aufgezählt habe. Dass diese Anforderungen beispielsweise in Abhängigkeit von der eingesetzten Software in unterschiedlicher Weise erfüllt werden können, führe nicht dazu, das von den Bietern planerische Leistungen abverlangt würden, deren Qualität der Auftraggeber bewerten müsste. Derartige Unterschiede, die vor allem produktbezogen seien, kämen bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen regelmäßig vor. Insoweit obliege es dem Auftraggeber zu definieren, ob er diesen Unterschieden Relevanz für die Wirtschaftlichkeit der Angebote zumisst oder nicht. Die von den Bietern abverlangte Darstellung der angebotenen Lösung diene allein der näheren Beschreibung des Angebotsinhalts.

Der Antragsgegner habe auch den Grundsatz des Geheimwettbewerbs nicht verletzt. Allein aus der Kenntnis des Namens eines Fragestellers lasse sich noch kein Schluss auf die Identität potentieller Konkurrenten und erst recht nicht auf deren Angebotsinhalt ziehen.

Am 14.03.2023 fand in den Räumen der Regierung von Oberbayern die mündliche Verhandlung statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag. Auf den Hinweis der Vergabekammer, dass der Antrag auf Zuschlagsgestattung keine Erfolgsaussichten habe, nahm der Antragsgegner den Antrag unter Ziffer 3 der Antragserwiderung zurück. Die Beigeladenen stellten klar, dass sich ihre Anträge jeweils auf das sie betreffende Los beziehen.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer, die Niederschrift der mündlichen Verhandlung sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.

Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.

Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.

Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerin hat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere dadurch geltend gemacht, dass das alleinige Zuschlagskriterium des Preises zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nicht tauglich sei und die namentliche Offenlegung eines Fragestellers im Rahmen der Beantwortung der Bieterfragen eine Wettbewerbsverzerrung bewirkt habe. Die Antragstellerin macht insoweit auch geltend, dass ihr ein Schaden zu entstehen droht. Sie befürchtet einerseits, dass sie den Zuschlag nicht erhält, obwohl sie das wirtschaftlichste Angebot gelegt hat. Zum anderen sieht sie ihre Zuschlagschancen dadurch beeinträchtigt, dass Bieter in Kenntnis der Person eines Wettbewerbers schärfer kalkulieren.

Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und 3 GWB entgegen. Die seitens der Antragstellerin gestellte Bieterfrage belegt, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht in vollständiger Kenntnis der tatsächlichen Umstände sah. Es kann einem Bieter nicht zum Nachteil gereichen, wenn er sich vor Aussprache einer Rüge Gewissheit darüber verschaffen will, dass er die Bedingungen des Vergabeverfahrens korrekt und vollständig erfasst hat. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist die Rüge auch nicht deswegen verfristet, weil sie nach Ablauf der ursprünglich festgesetzten Angebotsfrist erhoben wurde. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB stellt nach seinem Wortlaut auf den Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe ab. Wird der Zeitpunkt des Fristablaufs zur Angebotsabgabe nach hinten verschoben, verlängert sich damit konsequenterweise auch die Rügefrist. Ob dies im Falle des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB, der nach seinem Wortlaut auf den Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe abstellt, anders zu beurteilen wäre, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Da sich die Zuschlagskriterien nicht aus der Bekanntmachung ergaben, ist § 160 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GWB vorliegend nicht einschlägig.

Eine Präklusion des Verstoßes gegen den Geheimwettbewerb gem. § 160 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GWB scheidet nach Ansicht der Vergabekammer bereits mangels Erkennbarkeit des Verstoßes aus. Geltung und Umfang des Grundsatzes des Geheimwettbewerbs als Ausprägung des in § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB verankerten Wettbewerbsgrundsatzes (vgl. OLG München, Beschluss vom 14.03.2013 – Verg 32/12) gehören nicht zum Kenntnisstand dessen, was von einem durchschnittlich fachkundigen Bieter erwartet werden kann.

2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.

Die Durchführung eines reinen Preiswettbewerbs begegnet vorliegend keinen durchgreifenden vergaberechtlichen Bedenken und durch einen etwaigen Verstoß gegen den Grundsatz des Geheimwettbewerbs wird die Antragstellerin jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt.

2.1. Die Festlegung des Preises als alleiniges Kriterium zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots ist vorliegend zulässig.

2.1.1. Gemäß § 127 Abs. 1 Satz 4 GWB, § 58 Abs. 2 VgV können zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots i.S.v. § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden. Der Preis oder die Kosten dürfen aber auch das alleinige Zuschlagskriterium sein (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.07.2018 – Verg 23/18). Gem. § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB, § 58 Abs. 2 Satz 1 VgV bestimmt sich das wirtschaftlichste Angebot nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis. Ausweislich der unionsrechtlichen Vorgabe in Art. 67 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2014/24/EU ist hierbei die Sicht des öffentlichen Auftraggebers maßgeblich. Entscheidend ist somit, was der einzelne öffentliche Auftraggeber für die wirtschaftlich beste Lösung unter den Angeboten hält (vgl. Erwägungsgrund Nr. 89 der Richtlinie 2014/24/EU). Dies korreliert mit dem Leistungsbestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers (vgl. Ziekow/Völlink/Ziekow, 4. Aufl. 2020, GWB § 127 Rn. 12). Indem die Auswahl der Kriterien, auf die der öffentliche Auftraggeber für die Erteilung des Zuschlags abzustellen beabsichtigt, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben seinem freiem Ermessen überlassen bleibt (vgl. BT-Drs. 18/6281, S. 112), ist eine diesbezügliche Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt möglich (vgl. Beck VergabeR/Opitz, 4. Aufl. 2022, GWB § 127 Rn. 33). Die einem öffentlichen Auftraggeber zustehenden Ermessens- und Beurteilungsspielräume können regelmäßig nur dahingehend überprüft werden, dass der Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt wurde, dass Verfahrensgrundsätze eingehalten wurden, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind, die zu berücksichtigenden Gesichtspunkte angemessen und vertretbar gewichtet wurden und der gesetzliche bzw. ein selbst von der Vergabestelle vorgegebener Rahmen bzw. Maßstab beachtet wurde (vgl. OLG München, Beschluss vom 09.03.2018 – Verg 10/17).

2.1.2. Vorliegend hat der Antragsgegner unter Ziffer 5 der Bewerbungsbedingungen festgelegt, dass das wirtschaftlichste Angebot ausschließlich anhand der Angebotssumme inklusive Umsatzsteuer pro Los ermittelt wird. Da die Festlegung des Preises als alleiniges Zuschlagskriterium grundsätzlich zulässig ist, stellt sich lediglich die Frage, ob der Antragsgegner das ihm zustehende Ermessen in der Wahl des Zuschlagskriteriums fehlerhaft ausgeübt hat.

Der Antragsgegner hat seine Entscheidung für die Durchführung eines reinen Preiswettbewerbs maßgeblich damit begründet, dass es aus seiner Sicht nicht zielführend sei, über bestimmte Mindestanforderungen hinaus verschiedene technische Lösungen hinsichtlich deren Qualität zu bewerten. Vielmehr habe sich herausgestellt, dass es auf die Erfüllung der definierten Mindestanforderungen ankomme. Dem sparsamen Umgang mit den in herausfordernden Zeiten zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln sei im vorliegenden Fall der Vorzug gegeben worden gegenüber einer qualitativ besonders hochwertigen Ausführung. Die Erwägungen des Antragsgegners lassen erkennen, dass er sich des Umstands bewusst war, dass bei einem reinen Preiswettbewerb qualitative Unterschiede in den angebotenen Ausführungen bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots außer Betracht bleiben würden. Er hat sich gleichwohl zugunsten einer sparsamen Haushaltsführung für diesen Weg entschieden und damit möglicherweise mittelbar einen Qualitätswettbewerb nach unten eröffnet, der seine Grenze letztlich nur in der Sachmängelhaftung nach § 633 Abs. 2 BGB findet. Der Antragsgegner beabsichtigt mit anderen Worten, das preisgünstigste System zu erwerben, mit dem sich Live-Übertragungen aus dem Bayerischen Landtag über das Internet realisieren erlassen. Teil der von den Bietern zu lösenden Aufgabe ist es also gerade, ein funktionierendes Gesamt-System anzubieten, mit dem sich die in der Leistungsbeschreibung enthaltene Ziel-Architektur verwirklichen lässt und das die in der Leistungsbeschreibung vorgegebenen Funktionalitäten bietet. Würde man vom Antragsgegner verlangen, eine konkret umzusetzende Ausführungsvariante vorzugeben oder durch die Festlegung nichtpreislicher Zuschlagskriterien qualitativ höherwertige Ausführungsvarianten im Wettbewerb zu begünstigen, würde man dem Auftraggeber die Durchführung eines partiell anderen Vergabeverfahrens auferlegen und damit mittelbar auf das ihm zustehende Leistungsbestimmungsrecht einwirken. Vor diesem Hintergrund erachtet die Vergabekammer die Erwägungen des Auftraggebers, die ihn dazu veranlassten, in streitgegenständlichem Vergabeverfahren einen reinen Preiswettbewerb durchzuführen, grundsätzlich als sachgerecht und vertretbar gewichtet.

2.1.3. Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners ist darüber hinaus auch gemessen an den gesetzlichen Vorgaben und den einschlägigen Verfahrensgrundsätzen nicht zu beanstanden.

Nach der Rechtsprechung des BGH darf der Preis einziges Zuschlagskriterium sein, wenn nach dem Gegenstand des Auftrags und der Gesamtheit der Vergabeunterlagen erreicht werden kann, dass der Zuschlag auf das Angebot nach dem besten Preis-Leistung-Verhältnis erteilt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 10.05.2016 – X ZR 66/15). Die Antragstellerin wendet insoweit ein, dass der Preis zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots vorliegend ungeeignet sei, da die überwiegend funktional gehaltene Leistungsbeschreibung den Bietern große Spielräume in der Ausgestaltung der Leistung gestatte. Ohne Berücksichtigung qualitativer Aspekte der angebotenen Leistung sei eine Ermittlung des Angebots mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis daher nicht möglich.

Zutreffend ist, dass die Rechtsprechung insbesondere im Anwendungsbereich der VOB/A dazu tendiert, bei Ausschreibungen mit einer (teilweise) funktional gehaltenen Leistungsbeschreibung qualitative Zuschlagskriterien zu fordern (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.06.2017 – Verg 2/17). Dies ist im Wesentlichen dem Umstand geschuldet, dass § 7b EU VOB/A die Erstellung einer konstruktiven Leistungsbeschreibung im Baubereich als Regel vorgibt und eine funktionale Leistungsbeschreibung gem. § 7c EU Abs. 1 VOB/A nur zulässig ist, wenn es nach Abwägen aller Umstände zweckmäßig ist, zusammen mit der Bauausführung auch den Entwurf für die Leistung dem Wettbewerb zu unterstellen, um die technisch, wirtschaftlich und gestalterisch beste sowie funktionsgerechteste Lösung der Bauaufgabe zu ermitteln. Die Vorschrift setzt also gleichsam voraus, dass eine funktionale Ausschreibung mit der Festlegung nichtpreislicher Zuschlagskriterien einhergeht.

Das den Besonderheiten des Baubereichs geschuldete Regel-Ausnahme-Verhältnis für konstruktive und funktionale Leistungsbeschreibungen lässt sich auf den Bereich der Liefer- und Dienstleistungen nicht ohne Weiteres übertragen. § 31 VgV Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VgV begreift ausweislich seines Wortlauts die Abfassung der Leistungsbeschreibung über Leistungs- oder Funktionsanforderungen oder eine Beschreibung der zu lösenden Aufgabe als gleichwertige Alternativen (so auch EuGH, Urteil vom 25.10.2018 – Rs. C-413/17). Auch findet sich hier nicht die Voraussetzung, dass funktionale Ausschreibungen der Ermittlung der besten von den Bietern auszuarbeitenden Lösung zu dienen bestimmt sind. Insoweit verbleibt es im Anwendungsbereich der VgV auch im Falle einer funktionalen Ausschreibung bei dem Grundsatz, dass der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium zulässig sein kann.

Ausweislich der Erläuterungen in Erwägungsgrund Nr. 89 der Richtlinie 2014/94/EU sollten alle Angebote, die den Zuschlag erhalten, letztlich danach ausgewählt werden, was der einzelne öffentliche Auftraggeber für die wirtschaftlich beste Lösung unter den Angeboten hält. Es obliegt demnach der Einschätzung des Auftraggebers, welchen (wirtschaftlichen) Wert er qualitativen Unterschieden beimisst. Der bloße Verweis auf bestehende Gestaltungsspielräume der Leistung ist daher nicht geeignet, die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung des Auftraggebers infrage zu stellen, soweit der Auftraggeber die im Rahmen der Gestaltungsspielräume möglichen Angebotsvarianten als (wirtschaftlich) gleichwertig erachtet. Insoweit verhält es sich bei Ausschreibungen mit funktionaler Leistungsbeschreibung nicht wesentlich anders als bei Ausschreibungen mit konstruktiver Leistungsbeschreibung, in denen die anzubietenden Leistungen hersteller- und produktneutral beschrieben und infolgedessen lediglich Leistungen mittlerer Art und Güte anzubieten sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.04.2012 – Verg 61/11). Nutzt der Bieter den ihm hierdurch eingeräumten Gestaltungsspielraum dahingehend aus, dass er dem Auftraggeber eine in qualitativer Hinsicht besonders hochwertige Leistung anbietet, kann er sich nicht unter Verweis auf das Wirtschaftlichkeitspostulat darauf berufen, dass seinem Angebot objektiv betrachtet das beste Preis-Leistungs-Verhältnis innewohnt, wenn das „Mehr“ an Leistung für den Auftraggeber keine (wirtschaftliche) Bedeutung hat.

Gleichwohl kann sich eine Notwendigkeit zur Festlegung nichtpreislicher Zuschlagskriterien dann ergeben, wenn sich den Vergabeunterlagen ein bestimmtes vom Auftraggeber bevorzugtes Qualitätsniveau entnehmen lässt, aber abweichende Lösungen beispielsweise in Form von Nebenangeboten zugelassen sind. Soweit hier nicht durch Mindestanforderungen gewährleistet wird, dass die anzubietenden Nebenangebote (qualitativ) mit dem „Amtsvorschlag“ gleichwertig sind, erfordert es der vergaberechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, dass über die Festlegung nichtpreislicher Zuschlagskriterien die Qualitätsunterschiede von Haupt- und Nebenangeboten bei der Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses hinreichend abgebildet werden (vgl. VK Südbayern, Beschluss vom 27.04.2017 – Z3-3-3194-1-12-03/17). Diese Erwägungen lassen sich auf Gestaltungsspielräume, die sich den Bietern aus einer funktionalen Leistungsbeschreibung eröffnen und zu qualitativ unterschiedlichen Angeboten führen können, prinzipiell übertragen. Aus Gründen der Gleichbehandlung der Bieter wird man daher die Festlegung nichtpreislicher Zuschlagskriterien im Rahmen einer funktionalen Ausschreibung dann fordern müssen, wenn und soweit die hierbei bestehenden Gestaltungsspielräume die Ausarbeitung qualitativ unterschiedlicher Lösungen gestatten und qualitativ höherwertige Leistungen für den Auftraggeber objektiv auf Basis der in den Vergabeunterlagen festgelegten Zielvorgaben betrachtet von Mehrwert sind. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn der Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung Ideallösungen und Wunschvorstellungen skizziert hat, die vergleichbar wie der „Amtsvorschlag“ bei Nebenangeboten auf das von ihm favorisierte Qualitätsniveau schließen lassen.

Gemessen an diesen Erwägungen hält die Ermessensentscheidung des Antragsgegners zur Durchführung eines reinen Preiswettbewerbs der vergaberechtlichen Nachprüfung stand. Die vom Auftraggeber erwartete Leistung definiert sich im Wesentlichen über den Werkerfolg, also darüber, dass die vom Bieter und späteren Auftragnehmer zu erstellende Software und das von ihm zu konzipierende Gesamtsystem die vom Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung vorgegebenen Funktionalitäten und aufgestellten Mindestanforderungen erfüllt. Im Übrigen hat der Auftragnehmer die Leistung gem. § 4 Nr. 1 Abs. 1 VOL/B unter eigener Verantwortung auszuführen und hierbei die Handelsbräuche, die anerkannten Regeln der Technik sowie die gesetzlichen Vorschriften und behördlichen Bestimmungen zu beachten. Konkret für die Ausgestaltung von Internetdiensten bestehen zudem zahlreiche Internetstandards und Best-Practices, die oftmals in sogenannten „Requests for Comments“ (RFC) niedergelegt sind. Auch existiert eine Fülle von Open-Source-Softwarekomponenten, die sich zur Verwirklichung diverser Internetdienste, auch und gerade für das Video-Streaming, nutzbar machen lassen. Vor diesem Hintergrund teilt die Vergabekammer Südbayern die Einschätzung des Antragsgegners, dass (barrierefreie) Livestreams von Plenarsitzungen über das Internet einschließlich Live-Untertitelung heutzutage gängige, marktübliche Dienstleistungen darstellen und in Ermangelung konkreter Vorgaben in der Leistungsbeschreibung die auf dem Markt gängigen und verfügbaren Merkmale die Anforderungen an die Leistung im Sinne der erwarteten Beschaffenheit prägen. Es ist in der vergaberechtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass der Preis jedenfalls dann als alleiniges Zuschlagskriterium zulässig ist, wenn es sich um standardisierte oder homogene Lieferungen oder Leistungen handelt (vgl. VK Lüneburg, Beschluss vom 27.04.2020 – VgK-04/2020; VK Thüringen, Beschluss vom 31.01.2020 – 250-4003-15476/2019-E-010-EA). Denn in diesen Fällen sind ohne weiteres zu vergleichende Angebote der Bieter zu erwarten und ein fairer Wettbewerb und eine Gleichbehandlung der Bieter grundsätzlich gewährleistet (VK Lüneburg, aaO; VK Thüringen, aaO).

Soweit die Antragstellerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung betonte, dass insbesondere die fehlende qualitative Vorgabe zu den einzusetzenden Video-Codecs dazu führen könnte, dass der Antragsgegner im Ergebnis für eine qualitativ schlechtere Leistung mehr bezahlen müsse als für eine qualitativ bessere, verfängt auch dieser Einwand nach Ansicht der Vergabekammer nicht. Konkret machte die Antragstellerin geltend, dass ein moderner Video-Codec wie H.265 aufgrund des besseren Komprimierungsverfahrens eine geringere Bitrate bei gleicher Videoqualität erziele als beispielsweise der Vorgängerstandard H.264. Da die Vergabeunterlagen für das übertragene Datenvolumen eine gesonderte Vergütung vorsähen, würde der Einsatz eines schlechteren Video-Codecs zu mehr Datenvolumen und damit einer höheren Vergütung führen. Die Antragstellerin lässt bei ihrer Betrachtung jedoch außen vor, dass ausweislich der Leistungsbeschreibung keine konkrete Videoqualität geschuldet ist. Vielmehr wurde vorgegeben, dass sich der Stream sowie die gespeicherten Aufnahmen beim nachträglichen Abruf in einer Bandbreite von mindestens 250 kbps bis mindestens 2500 kbps bewegen sollen. Damit hängt aber auch das übertragene Datenvolumen nicht von dem jeweils eingesetzten Video-Codec ab; vielmehr wirkt sich dieser lediglich auf die unter der jeweiligen Bitrate zu erzielende Videoqualität aus. Da die Leistungsbeschreibung auch nicht vorsieht, dass die Nutzer die Bitrate manuell steuern können, sondern sich diese dynamisch an die am Client vorhandene Internet-Bandbreite anpassen soll, führt der Einsatz eines schlechteren Video-Codecs auch nicht mittelbar zu einem höheren Datenvolumen, was der Fall wäre, wenn Nutzer manuell auf eine höhere Bitrate wechseln könnten, wenn sie mit der unter einer bestimmten Bitrate erzielten Videoqualität unzufrieden wären. Soweit die Antragstellerin darauf abstellt, dass ein besserer Video-Codec mehr Rechenleistung und damit mehr Strom benötige, weist die Vergabekammer darauf hin, dass die für den Betrieb der Encoder-Hardware notwendige Stromversorgung und Klimatisierung vom Antragsgegner bereitgestellt wird und entsprechende Kosten somit beim Antragsgegner anfallen. Geringere Betriebskosten durch den Einsatz besserer Encoder-Hardware mit geringerem Stromverbrauch werden demgegenüber regelmäßig mit höheren monatlichen Kosten für die Vermietung der Hardware (Position 1.2.3 des Preisblatts) verbunden sein.

2.2. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin begründet die Preisgabe der Identität des Geschäftsführers der Beigeladenen im Rahmen der Beantwortung einer Bieterfrage keinen schweren Vergabeverstoß, der es erforderlich macht, das Vergabeverfahren in den Stand vor Veröffentlichung zurückzuversetzen.

Zwar kommt nach der Rechtsprechung des EuGH der Gewährleistung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und des daraus implizit folgenden Grundsatzes der Transparenz insofern eigenständige Bedeutung zu, als diese von den Vergabestellen bei jedem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags zu beachten sind und die Grundlage der Unionsrichtlinien über die Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge bilden (EuGH, Urteil vom 15.09.2022 – C?416/21). Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (EuGH, aaO).

Vorliegend ist schon fraglich, inwieweit sich die Preisgabe der Identität des Geschäftsführers der Beigeladenen zu 2) im Rahmen der Beantwortung einer Bieterfrage überhaupt auf die Wettbewerbsposition der Antragstellerin hat auswirken können. Allenfalls könnte es sich um eine abstrakte Beeinträchtigung des Wettbewerbs handeln, als Unternehmen in Kenntnis des mutmaßlichen Interesses der Beigeladenen an dem Auftrag besonders scharf kalkulierten. Dies ist jedoch durch nichts belegt und eine etwaige Beeinträchtigung der Zuschlagschancen der Antragstellerin nicht ersichtlich.

3. Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Antragstellerin.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens.

Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft verrechnet.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen einer Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Vor diesem Hintergrund hat die bisherige Rechtsprechung der Vergabesenate die Beigeladene kostenrechtlich nur dann wie einen Antragsteller oder einen Antragsgegner behandelt, wenn sie die durch die Beiladung begründete Stellung im Verfahren auch nutzt, indem sie sich an dem Verfahren beteiligt (BGH, Beschl. v. 26.09.2006, Az.: X ZB 14/06). Dafür muss eine den Beitritt eines Streithelfers vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-)Ziel eine Beigeladene in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschl. v. 27.08.2008, Az.: 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen der Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (VK Baden-Württemberg, Beschl. v. 11.02.2010, Az.: 1 VK 76/10).

Die Beigeladene hat sich durch schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag und die Stellung von Anträgen aktiv am Verfahren beteiligt. Hierdurch hat sie das gegenständliche Verfahren wesentlich gefördert und ein Kostenrisiko auf sich genommen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2014, VII-Verg 12/03).

Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters durch die Beigeladene wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S. 1, S. 2 und 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Denn von einem mittelständischen Unternehmen kann eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverteidigung im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden. Daneben war die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters seitens der Beigeladenen notwendig, um die erforderliche „Waffengleichheit“ gegenüber der anwaltlich vertretenen Antragstellerin herzustellen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer kann binnen einer Notfrist von zwei Wochen (§ 172 GWB), die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, die sofortige Beschwerde (§ 171 GWB) schriftlich beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingelegt werden. Die Briefanschrift lautet:

Bayerisches Oberstes Landesgericht

Schleißheimer Str. 141

80797 München

Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss enthalten:

1. Die Erklärung, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und

2. die Angabe der Tatsachen und Beweismittel, auf die sich die Beschwerde stützt.

Die Beschwerdeschrift muss durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.

Mit der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten.

Hinweis

Der Auftraggeber darf vor Ablauf der Beschwerdefrist den Zuschlag nicht erteilen. Die Beschwerdefrist erstreckt sich über einen Zeitraum von zwei Wochen. Sie beginnt mit Zustellung des Beschlusses der Vergabekammer (vgl. § 169 Abs. 1 i. V. m. § 172 Abs. 1 GWB).

München, 28.04.2023