Oberlandesgericht Düsseldorf, Verg 40/21
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1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 15. Juli 2021, VK 1-54/21, wird zurückgewiesen.
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2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen.
- 3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 1.750.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
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I.
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Die Antragsgegnerin ist eine bundesweit tätige gesetzliche Krankenkasse. Mit Bekanntmachung vom … schrieb sie im offenen Verfahren einen Rahmenvertrag über Postdienstleistungen, die die Abholung an ihrem Hauptsitz, die Beförderung und die Zustellung umfassen, mit einer Laufzeit von 48 Monaten EU-weit aus (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnummer …). Der Schlusstermin für den Eingang der Angebote wurde nachträglich vom … mit Bekanntmachung vom … auf den … berichtigt (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnummer …); Interessenten wie die Antragstellerin waren hierüber vorab informiert worden.
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Der Auftrag war in zwei Lose unterteilt. Los 1 umfasste bundesweit zuzustellende Standardbriefe mit maschineller Freimachung mit durchlaufender Nummerierung und einer aufsteigenden Sortierung nach Leitregionen. Los 2 betraf bundesweit zuzustellende Standard-, Kompakt-, Groß- und Maxibriefe mit maschineller Freimachung ohne durchlaufende Nummerierung, die ausschließlich nach Formaten sortiert sind. Die Volumina wurden mit circa 16,9 Millionen in Los 1 und circa 3,9 Millionen Sendungen pro Jahr in Los 2 angegeben. Neben hierauf bezogenen Hauptangeboten (Alternative A) waren in beiden Losen Nebenangebote dahingehend zulässig, dass dem Auftragnehmer Sendungen ohne Freimachung (unfrei/blanko) und Sortierung nach Leitregionen übergeben werden (Alternative B; Ziffer II.2.4 der Bekanntmachung).
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Nach Ziffer III.1.3 der Bekanntmachung, technische und berufliche Leistungsfähigkeit, war die Eignung durch zwei vergleichbare Referenzaufträge mit mindestens zweijähriger Laufzeit und durchschnittlich mindestens 80 Prozent des im jeweiligen Los anfallenden Sendungsvolumens nachzuweisen. Gemäß Ziffer 2.7.2 der Leistungsbeschreibung mussten im Jahresdurchschnitt mindestens 80 Prozent der Sendungen an dem auf die Einlieferung folgenden Werktag und mindestens 95 Prozent bis zum zweiten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag zugestellt sein; die Zustellung aller Sendungen musste spätestens vier Tage nach Einlieferung vollständig erfolgt sein. Dabei gehörte zu den Werktagen, an denen zuzustellen ist, nach Ziffer 7.2.3 auch der Samstag.
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Der Preis war nicht das einzige Zuschlagskriterium (Ziffer II.2.5 der Bekanntmachung). Neben dem mit 50 Prozent gewichteten Preis sollten auch qualitative Aspekte des Konzepts wie Laufzeitquote, Umgang mit Zustellungshemmnissen und Reklamationen mit ebenfalls 50 Prozent in die Bewertung eingehen. So sah die Bewertungsmatrix der Antragsgegnerin hinsichtlich der Laufzeit für die Erfüllung der vorgenannten Mindestanforderungen 25 Punkte und für Zustellquoten am Folgetag von mindestens 85 Prozent 50 Punkte, von mindestens 90 Prozent 75 Punkte und von mindestens 93 Prozent 100 Punkte vor. Eine entsprechende Staffelung bestand mit Werten von 97, 98 und 99 Prozent für die Zustellung am übernächsten Werktag. Die Vergütung war dergestalt geregelt, dass der Auftragnehmer bei Alternative A keine von der Antragsgegnerin, sondern einen Anteil an der Gutschrift der E. erhalten sollte.
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Die Antragstellerin ist ein in B. ansässiger mittelständischer Postdienstleister, der regional tätig ist. Für Zustellungen außerhalb des eigenen Tätigkeitsbereichs kooperiert sie mit Partnerunternehmen im gesamten Bundesgebiet. Mit Schreiben 1. April 2021 rügte die Antragstellerin das Unterlassen einer Losbildung mit Blick auf Zustellregionen und das Unterlassen einer Sortierung nach Leitregionen jeweils bezüglich der Alternative B als vergaberechtswidrig, da hierdurch regionale Postdienstleister wie sie benachteiligt würden. Die Ausschreibung sei auf die E, zugeschnitten. Dies gelte auch für die Bewertung der Zustellzeiten und den Punktabzug für mehrfache Stempellungen. Zudem sei das Zuschlagskriterium der Beschädigungsfreiheit intransparent. Mit Anwaltsschreiben vom 16. April 2021 bekräftigte die Antragstellerin ihre Rügen. Durch die vorgesehene Vorfrankierung der Sendungen mit dem Porto der E. bei Alternative A und die unterbliebene Bildung von Teillosen nach Zustellregionen bei Alternative B werde der Wettbewerb ausgeschlossen. Auch der Infrastrukturrabatt betreffe allein Leistungen dieses marktbeherrschenden Konzerns.
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Die Antragsgegnerin wies diese Rügen mit Schreiben vom 19. April 2021 zurück. Eine Losbildung nach Leitregionen sei nicht üblich. Bei 100 Leitregionen führe sie auch zu einer unwirtschaftlichen Bildung einer Vielzahl von Losen. Ein Zuschnitt von Gebietslosen auf bestimmte Unternehmen könne nicht verlangt werden. Sie sei auch weitgehend frei, welche Qualität der Leistung sie etwa im Hinblick auf Laufzeiten der Sendungen fordere. Die Laufzeit habe auch nicht ein solches Gewicht, dass jedes eine Zustellquote von 85 und mehr nicht erreichendes Angebot chancenlos wäre. Die von ihr insoweit verlangten Laufzeitmessungen in der Vergangenheit dienten der Überprüfung der Bieterangaben. Dies gelte auch für das Kriterium der Beschädigungsfreiheit.
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Nach einer nochmaligen Bekräftigung ihrer Rügen mit Anwaltsschreiben vom 23. und 27. April 2021 reichte die Antragstellerin am 29. April 2021 den vorliegenden Nachprüfungsantrag ein, zu dessen Begründung sie ihre vorgenannten Rügen wiederholte und vertiefte. Die Antragsgegnerin habe das Vergabeverfahren durch den Verzicht auf die Bildung von Teillosen für die einzelnen Postleitregionen und die Forderung von 80 Prozent Zustellungen am Folgetag auf die E. zugeschnitten und hindere so kleinere und mittlere Wettbewerbsunternehmen wie sie an der Angebotsabgabe. Nur die E .könne bundesweit solche Laufzeitquoten zusagen. Dass ihr eine maschinelle Sortierung nach Leitregionen möglich sei, zeige die dies vorsehende Alternative A, wobei die Sortierung auch ohne Vorfrankierung erfolgen könne. Von der Gutschrift bei Vorfrankierung nach Alternative A könnten allein Konsolidierungsunternehmen i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 2 PostG profitieren.
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Die Antragstellerin hat beantragt,
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1. in dem Vergabeverfahren über die Vergabe von „Postdienstleistungen I.“ (… vom …) der Antragsgegnerin aufzugeben, das Vergabeverfahren in den Stand vor Bekanntmachung und Herausgabe der Vergabeunterlagen zurückzuversetzen und das Ausschreibungsverfahren – bei fortbestehender Beschaffungsabsicht – unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der angerufenen Vergabekammer wieder einzuleiten und durchzuführen;
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2. die Kosten (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) des Nachprüfungsverfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen;
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3. die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für das Nachprüfungsverfahren für notwendig zu erklären;
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4. der Antragsgegnerin aufzugeben ihr die im Nachprüfungsverfahren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten;
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5. ihr gemäß § 165 Abs. 1 GWB Akteneinsicht in die Vergabeakten – zunächst nur durch Überlassung einer Fotokopie des Vergabevermerks – zu Händen ihrer Verfahrensbevollmächtigten zu gewähren.
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Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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1. den Nachprüfungsantrag vom 29. April 2021 zurückzuweisen;
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2. die Zuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären;
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3. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen der Vergabekammer) einschließlich ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen aufzuerlegen.
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Sie hat vorgetragen, der Nachprüfungsantrag sei bereits teilweise unzulässig. So fehle es hinsichtlich der Rüge der unterbliebenen Loseinteilung nach Leitregionen an der Antragsbefugnis, weil die Antragstellerin sich sonst auch auf bundesweite Leistungen bewerbe. Die Rügen der Vorfrankierung der Sendungen und der Referenzanforderungen seien präkludiert. Jedenfalls aber seien die Rügen unbegründet. Ein Loszuschnitt nach 100 Leitregionen sei unwirtschaftlich; einen Wunschzuschnitt könne der Bieter nicht verlangen.
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Die Vergabekammer hat der Antragsgegnerin eine Zuschlagserteilung untersagt und ihr bei fortbestehender Beschaffungsabsicht die Wiederholung des Vergabeverfahrens aufgegeben. Die erforderliche Antragsbefugnis sei gegeben, die Rügen seien rechtzeitig vor dem Ablauf der verlängerten Angebotsfrist erhoben. Für eine zuvor gegebene positive Kenntnis von den gerügten Verstößen sei nichts ersichtlich. Hierfür reiche eine dezidierte und vertiefte Befassung mit den Vergabeunterlagen nicht aus. Jedenfalls die Rüge der unterlassenen Gebietslosbildung sei begründet. Hierdurch würden mittelständische Postdienstleister, die keine Konsolidierungsleistungen mit der E. als gesetztem Nachunternehmer anböten, jedenfalls vor dem Hintergrund der Vergabe einer Zustellungsquote von 80 Prozent am Folgetag gehindert, sich innerhalb der Alternative B am Vergabeverfahren zu beteiligen. Von dem der Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen dienenden Losaufteilungsgebot dürfe nur bei überwiegenden wirtschaftlichen oder technischen Gründen abgesehen werden, wobei im Bereich ehemaliger staatlicher Monopolmärkte nochmals erhöhte Anforderungen zu gelten hätten. Gerade weil Alternative A ohnehin nur Konsolidierungsunternehmen offenstehe, die die E. als Nachunternehmer einsetzten, werde so der Bewerberkreis erheblich beschränkt. Der von der Antragsgegnerin demgegenüber angeführte Mehraufwand für die Anpassung der IT-Systeme für eine Vorsortierung nach Leitregionen in Höhe von circa 125.000,00 Euro rechtfertige einen Verzicht auf die Losaufteilung nicht.
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Gegen diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Sie trägt vor, der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sei bereits überwiegend unzulässig. So sei die Rüge der Vorfrankierung in Alternative A erstmals am 16. April 2021 geltend gemacht worden und daher nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Aus der Rüge vom 1. April 2021 gehe die positive Kenntnis von der ihrer Auffassung nach gegebenen Vergaberechtswidrigkeit hervor. Gleiches gelte für die mit Rügeschreiben vom 23. April 2021 erhobene Rüge der Unzulässigkeit der Referenzanforderungen. Soweit die Antragstellerin die unterbliebene Aufteilung in Gebietslose rüge, sei sie nicht antragsbefugt, da sie sehr wohl zur bundesweiten Zustellung in der Lage sei. Die Antragstellerin habe sich in der Vergangenheit an Ausschreibungen für eine bundesweite Zustellung beteiligt und betreffend ihre Niederlassungen in N., J. und B. auch den Zuschlag erhalten. Sie werbe selbst mit einem bundesweiten Zustellnetz mit 120 Partnern und Zustellquoten von 83 Prozent am Folgetag. Zumindest aber sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Ein Verstoß gegen das Losaufteilungsgebot sei nicht gegeben. Der Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe sowie das Bestimmungsrecht des öffentlichen Auftraggebers seien in Einklang zu bringen. Ihr bestehendes IT-System erlaube nur Alternative A. Die Umstellung auf Alternative B koste etwa 15.000,00 Euro, die der Bieter einkalkulieren müsse. Mit der Aufteilung in zwei Lose und der Zulassung von Alternative B habe sie das ihr mögliche für einen offenen Wettbewerb getan. Eine darüberhinausgehende Umstellung dahingehend, dass auch in Alternative B nach Leitregionen vorsortiert werde, sei weder wirtschaftlich noch zeitlich umsetzbar, da mit der Abschaltung der Frankierung auch die maschinelle Sortierung entfalle. Allein für deren erforderlichen Ausbau aus der Stapellogik der Software beim IT-Dienstleister fielen geschätzt 75 Arbeitstage und Kosten von 94.000,00 Euro an. Zudem habe eine kleinteiligere Aufteilung in der Regel höhere Preise zur Folge, in Alternative A erreichten Konsolidierer die für die jeweiligen Rabattstufen erforderlichen Mengen dann nicht. Das Gebot der Mittelstandsförderung könne keinen Vorrang vor dem Gebot sparsamer und wirtschaftlicher Beschaffung beanspruchen. Die zeitnahe Zustellung und das äußere Erscheinungsbild der Sendungen sei für ihren eigenen Marktauftritt im Wettbewerb mit anderen gesetzlichen Krankenkassen bedeutsam.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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1. den Beschluss der 1. Vergabekammer des Bundes vom 15. Juli 2021 – VK 1-54/21 – aufzuheben;
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2. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen;
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3. die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich ihrer zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen sowie die Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragstellerin aufzuerlegen;
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4. die Hinzuziehung ihres Verfahrensbevollmächtigten vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären.
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Die Antragstellerin beantragt,
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die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
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Die Antragstellerin verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer. Bereits in ihrem ersten Rügeschreiben vom 1. April 2021 habe sie den Zuschnitt auf Konsolidierungsunternehmen beziehungsweise die E., die Bewertung der Zustellzeiten und Referenzanforderungen sowie die Unterlassung der Aufteilung in Gebietslose gerügt. Ihre nachfolgenden Schreiben hätten ihre Rügen nur wiederholt und vertieft. Sie sei auch antragsbefugt, da ihr die Übernahme der unaufgeteilten Gesamtaufträge Los 1 oder Los 2 nicht möglich sei. Soweit sie sich in der Vergangenheit an Ausschreibungen der Antragsgegnerin beteiligt habe, seien diese in 27 Regionallose aufgeteilt und eine Zustellung erst am übernächsten Tag gefordert gewesen. Eine bundesweite Zustellung am Folgetag könne ein regionaler Postdienstleister nicht leisten. Dies sei nur dem ehemaligen Monopolisten E. möglich, weshalb die Aufteilung in Regionallose umso wichtiger sei. Die von der Antragsgegnerin für die Aufteilung bei Alternative B angeführten Kosten führten nicht zu einer unverhältnismäßigen Verteuerung der Gesamtleistung, zumal die Implementierungskosten den Wettbewerb für wirtschaftlichere Angebote öffnen.
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Der Senat hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert. Die Antragstellerin hat klargestellt, dass sie eine Unterteilung in Regionallose und eine diesbezügliche Vorsortierung nach Leitregionen in Bezug auf die Alternative B erstrebt. Die Antragsgegnerin hat erklärt, dass es sich bei den in der Vergabeakte dokumentierten Begründungen ihrer Ausschreibungsentscheidung vom 11. und 17. März sowie vom 30. April 2021 um Teile eines einheitlichen, insgesamt geltenden Vergabevermerks handele; dieser sei lediglich parallel zur Ausschreibung fortgeschrieben worden.
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II.
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Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
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1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht. Die erforderliche Beschwer der Antragsgegnerin ist nach § 171 Abs. 1 Satz 2 GWB gegeben, weil sie am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt war und die Vergabekammer zu ihrem Nachteil entschieden hat.
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2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Die Vergabekammer hat der Antragsgegnerin zu Recht die Erteilung des Zuschlags untersagt und sie – bei fortbestehender Beschaffungsabsicht – zur Wiederholung der Ausschreibung verpflichtet. Die unterbliebene Bildung von Teillosen in der Form von Gebietslosen bei Alternative B verstößt gegen das Gebot der Berücksichtigung mittelständischer Interessen gemäß § 97 Abs. 4 GWB und verletzt die Antragsgegnerin daher in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB.
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a) Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig. Die Antragstellerin ist antragsbefugt und mit ihrer von der Vergabekammer beschiedenen Rüge auch nicht präkludiert.
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aa) Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, sofern ihm durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
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(1) Ein Schaden droht, wenn der Antragsteller im Fall eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens bessere Chancen auf den Zuschlag haben könnte (BGH, Beschluss vom 10. November 2009, X ZB 8/09, NZBau 2010, 124 Rn. 32), wenn also die Aussichten dieses Bieters auf die Erteilung des Auftrags zumindest verschlechtert worden sein können (BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2004, 2 BvR 2248/03, NZBau 2004, 564, 565; Senatsbeschluss vom 10. Februar 2021, Verg 23/20, BeckRS 2021, 21311 Rn. 26). Das ist regelmäßig der Fall, wenn das eingeleitete Vergabeverfahren nicht ohne Weiteres durch Zuschlag beendet werden darf, und zur Bedarfsdeckung eine Neuausschreibung in Betracht kommt (BGH a. a. O.). An die Darlegung des entstandenen oder drohenden Schadens sind deshalb keine sehr hohen Anforderungen zu stellen (Senatsbeschlüsse vom 10. Februar 2021, Verg 23/20, BeckRS 2021, 21311 Rn. 26, und vom 30. September 2020, VII-Verg 15/20). Erst wenn eine Verschlechterung der Zuschlagschancen durch den geltend gemachten Vergaberechtsverstoß offensichtlich ausgeschlossen ist, ist der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis unzulässig (Senatsbeschlüsse vom 10. Februar 2021, Verg 23/20, BeckRS 2021, 21311 Rn. 26, und vom 30. September 2020, VII-Verg 15/20).
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Die Einreichung eines Angebots ist für das vom Gesetz geforderte Interesse keine Voraussetzung. Ein Unternehmen, das deshalb kein Angebot gelegt hat, weil es sich durch – nach seinem Vortrag – diskriminierende Spezifikationen in den Ausschreibungsunterlagen gerade daran gehindert gesehen hat, die ausgeschriebene Gesamtleistung zu erbringen, ist es berechtigt, ein Nachprüfungsverfahren unmittelbar gegen diese Spezifikationen einzuleiten (EuGH, Urteil vom 12. Februar 2004, C-230/02, NZBau 2004, 221 Rn. 28 – Grossmann Air Service). Es genügt dann eine Interessenbekundung und die substanziierte Darlegung, an der Angebotseinreichung gerade durch ein vergaberechtswidriges Verhalten des Antragsgegners gehindert worden zu sein (Senatsbeschluss vom 14. Januar 2009, VII-Verg 59/08, NZBau 2009, 398; Dicks in Ziewkow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 160 Rn. 12).
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(2) Dies ist vorliegend geschehen. Die in B. ansässige Antragstellerin hat in ihrem Rügeschreiben vom 1. April 2021 unter Ziffer 2. ihr Interesse an der Übernahme der Postzustellung im süddeutschen Raum bekundet, was ihr jedoch im Hinblick auf die unterbliebene Bildung von Teillosen mit Blick auf die Zustellgebiete verwehrt sei. Dies zumal noch eine schnelle Zustellung gefordert sei, die ihr nur im süddeutschen Raum möglich sei. Dieses Vorbringen ist plausibel. Ein regional tätiger Postdienstleister kann selbst naturgemäß nur in seiner Region Postzustellungen erbringen und wird daher durch eine nicht in Gebietslose unterteilte Ausschreibung für bundesweit zu erbringende Postdienstleistungen an der Abgabe eines Angebots gehindert.
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Soweit die Antragsgegnerin demgegenüber auf die Werbung der Antragstellerin mit einem bundesweiten Zustellnetz verweist, beruht dieses auf der Kooperation mit 120 Partnern. Auf eine solche Möglichkeit einer Abwicklung überwiegender Teile des Auftrags über „Nachunternehmer“ und Teilleistungs- oder Konsolidierungsaufträge kann ein interessiertes Unternehmen aber nicht verwiesen werden, weil ihm dann kaum noch ein praktisch wirksamer wettbewerblicher Spielraum bleibt (OLG Schleswig, Beschlüsse vom 25. Januar 2013, 1 Verg 6/12, NZBau 2013, 395, 398, und vom selben Tage, 1 Verg 8/12, ZfBR 2013, 294, 295). Unmittelbar beeinflussen kann die Antragstellerin nur die von ihr selbst in Süddeutschland zu erbringenden Zustellleistungen, deren Anteil bei einer anzunehmend gleichmäßigen Verteilung des Sendungsvolumens über das Bundesgebiet hinter dem über ihre Kooperationspartner zu erbringenden zurücktritt, weshalb ihr Vorbringen, durch die unterbliebene Gebietslosaufteilung an einem Angebot gehindert zu sein, auch insoweit plausibel bleibt.
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Zudem führt die Notwendigkeit einer Weitergabe von Sendungen an Kooperationspartner zwangsläufig zu Verzögerungen, die vorliegend die Bewertung der Qualität negativ beeinflussen; so wirbt die Antragstellerin für ihre bundesweites Zustellnetz mittels ihrer Partner nur mit einer Zustellquote von 83 Prozent am Folgetag, womit sie lediglich die Mindestbedingungen erfüllen und die für Zustellquoten von 85, 90 und 93 Prozent ausgelobten zusätzlichen Punkte nicht erhalten würde. Es ist aber allein Sache des interessierten Unternehmens, ob es trotz der mit einer von ihm für vergaberechtswidrig erachten Gestaltung verbundenen Nachteile ein Angebot einreicht oder hiervon absieht, weil es lediglich ein Angebot auf der Grundlage einer vergaberechtskonformen Gestaltung für sinnvoll erachtet.
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bb) Die Antragstellerin ist mit ihrer Rüge der unterbliebenen Aufteilung des Auftrags in Gebietslose auch nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 3 GWB präkludiert. Die Antragstellerin hat die unterbliebene Aufteilung schon mit Schreiben vom 1. April 2021 und damit weit vor Ablauf der Angebotsfrist gerügt. Bereits mit diesem Schreiben rügte die Antragstellerin das Unterlassen einer Losbildung mit Blick auf Zustellregionen und das Unterlassen einer Sortierung nach Leitregionen bezüglich der Alternative B als vergaberechtswidrig, hierdurch würden regionale Postdienstleister wie sie benachteiligt; dies gelte auch für die Bewertung der Zustellzeiten und den Punktabzug für mehrfache Stempellungen. Auf ihre Ausführungen in den ergänzenden Schreiben vom 16., 23. und 27. April 2021 kommt es folglich für den von der Vergabekammer bejahten Vergaberechtsverstoß unterbliebener Gebietslosbildung überhaupt nicht an. Dass die Antragstellerin bereits vor dem 1. April 2021 Kenntnis von diesem Verstoß gegen Vergabevorschriften hatte, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Antragsgegnerin nicht behauptet.
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b) Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Antragsgegnerin hat gegen das Gebot der Berücksichtigung mittelständischer Interessen durch Aufteilung der Menge in Teillose gemäß § 97 Abs. 4 GWB verstoßen, indem sie es unterlassenen hat, bei Alternative B auf Zustellgebiete bezogene Gebietslose zu bilden.
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aa) Zwar steht es der Vergabestelle im Ansatz frei, die auszuschreibende Leistung nach ihren individuellen Vorstellungen zu bestimmen und nur in dieser – den autonom bestimmten Zwecken entsprechenden – Gestalt dem Wettbewerb zu öffnen. Sie befindet deshalb grundsätzlich allein darüber, welchen Umfang die zu vergebende Leistung im Einzelnen haben soll und ob gebenenfalls mehrere Leistungsuntereinheiten gebildet werden, die gesondert zu vergeben und vertraglich abzuwickeln sind (Senatsbeschluss vom 1. Juni 2016, VII-Verg 6/16, BeckRS 2016, 13257 Rn. 34). Im Interesse einer Öffnung des Beschaffungsmarkts der öffentlichen Hand für den Wettbewerb unterliegt die Bestimmungsfreiheit jedoch vergaberechtlichen Grenzen (Senatsbeschluss vom 13. April 2016, VII-Verg 47/15, NZBau 2016, 656 Rnrn. 18, 19 – VoIP-Telefone).
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So bestimmt § 97 Abs. 4 Satz 1 und 2 GWB ausdrücklich, dass bei der Vergabe mittelständische Interessen vornehmlich durch Teilung der Aufträge in Fach- und Teillose angemessen zu berücksichtigen sind. Die Bestimmung schreibt dem öffentlichen Auftraggeber im Sinn eines justitiablen Regelfalls vor, dass Aufträge in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben sind, um – im Interesse des Mittelstandsschutzes – möglichst zahlreichen Unternehmen eine Teilnahme am Vergabeverfahren zu erlauben (Senatsbeschluss vom 25. Juni 2014, Verg 38/13, BeckRS 2014, 15908 Rn. 41). Die Nachteile der mittelständischen Wirtschaft gerade bei der Vergabe großer Aufträge mit einem Volumen, das die Kapazitäten mittelständischer Unternehmen überfordern könnte, sind durch die Losbildung auszugleichen (BT-Drs. 16/10117 Seite 15).
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Durch die Teillosbildung muss folglich mittelständischen Unternehmen die Möglichkeit eröffnet werden, sich mit Aussicht auf Erfolg an einem Vergabeverfahren beteiligen zu können (Senatsbeschluss vom 21. März 2012, VII-Verg 52/11, ZfBR 2012, 703, 704). Dies bedeutet zwar nicht, dass jedem am Markt befindlichen Unternehmen eine Beteiligung möglich sein muss, auch muss eine Ausschreibung nicht auf bestimmte Unternehmen zugeschnitten werden. Andererseits sind die konkreten Marktverhältnisse zu berücksichtigen. Eine Vergabe nach § 97 Abs. 1 GWB hat im Wettbewerb zu erfolgen; aus diesem Grunde ist auch zu berücksichtigen, ob der Loszuschnitt angesichts der konkreten Marktverhältnisse dazu führt, dass nur wenige oder gar nur ein Bieter Angebote einreichen (Senatsbeschluss vom 21. März 2012, VII-Verg 52/11, ZfBR 2012, 703, 704/5).
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Kann die benötigte Leistung auch in Form einer Losvergabe erbracht werden, hat die Teil- und/oder Fachlosvergabe im Sinne eines an den öffentlichen Auftraggeber gerichteten bieterschützenden und justiziablen vergaberechtlichen Gebots die Regel zu sein (Senatsbeschluss vom 25. Juni 2014, VII-Verg 38/13, BeckRS 2014, 15908 Rn. 41), während eine Gesamt- oder zusammenfassende Vergabe nach dem Willen des Gesetzgebers nur in Ausnahmefällen stattfinden darf,weil wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern (OLG Brandenburg, Beschluss vom 27. November 2008, Verg W 15/08, NZBau 2009, 337, 340; Thüringer OLG, Beschluss vom 6. Juni 2007, 9 Verg 3/07NZBau 2007, 730, 731; Senatsbeschluss vom 1. Juni 2016, VII-Verg 6/16, BeckRS 2016, 13257 Rn. 34; BT-Drs. 16/10117 Seite 15).
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So kann beispielsweise ein Absehen von hinsichtlich der Beschaffenheit der Fertigspritze differenzierenden Fachlosen bei der Ausschreibung einer Rabattvereinbarung über die Lieferung von Anti-Grippe-Impfstoffen dann gerechtfertigt sein, wenn dies dazu führen könnte, dass gegebenenfalls unterschiedliche Grippeschutzmittel von den Ärzten hätten eingesetzt werden müssten (Senatsbeschluss vom 27. Juni 2012, VII-Verg 7/12, BeckRS 2012, 15939 – Fertigspritzen). Ebenso kann bei IT-Lösungen eine „Ein-Hersteller-Strategie“ gerechtfertigt sein, wenn nur so eine einheitliche technische IT-Umgebung geschaffen werden kann, die ein Höchstmaß an Kompatibilität der einzusetzenden Kommunikationskomponenten im Interesse einer erleichterten Fehleranalyse und -behebung gewährleistet (Senatsbeschluss vom 13. April 2016, VII-Verg 47/15, NZBau 2016, 656 Rn. 30 – VoIP-Telefone)
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Kommt eine solche Ausnahme aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen in Betracht, hat sich der Auftraggeber allerdings in besonderer Weise mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und dagegensprechenden Gründen auseinanderzusetzen (Senatsbeschluss vom 1. Juni 2016, VII-Verg 6/16, BeckRS 2016, 13257 Rn. 34). Bei der Abwägung der für und gegen eine Losvergabe sprechenden Gesichtspunkte darf sich der Auftraggeber für eine Gesamtvergabe entscheiden, wenn dafür anerkennenswerte wirtschaftliche oder technische Gründe bestehen. Sie rechtfertigen eine Gesamtvergabe, wenn die damit für den Auftraggeber verbundenen Vorteile bei vertretbarer prognostischer und auf den Vertragszeitraum bezogener Sicht und Abwägung der beteiligten Belange überwiegen (Senatsbeschluss vom 25. Juni 2014, Verg 38/13, BeckRS 2014, 15908 Rn. 41). Im Rahmen der dem Auftraggeber obliegenden Entscheidung bedarf es folglich einer umfassenden Abwägung der widerstreitenden Belange, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründe nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen (Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 2016, VII-Verg 6/16, BeckRS 2016, 13257 Rn. 34 und vom 23. März 2011, VII-Verg 63/10, NZBau 2011, 369).
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Handelt es sich zudem um ein immer noch von früheren Monopolstrukturen geprägtes Marktsegment, ist bei der Abwägung auch zu berücksichtigen, dass Wettbewerb in diesen Bereichen im Zweifel nur im Wege der Bildung von Losen gefördert werden kann (BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011, X ZB 4/10, NZBau 2011, 175 Rn. 51 – Abellio Rail). Dies gilt erst recht, wenn zugleich Qualitätskriterien einen hohen Einfluss auf die Zuschlagsentscheidung haben, weil auch dies namentlich dem ressourcenstarken früheren Inhaber eines Monopols mehr als anderen Bewerbern entgegenkommt (BGH, Beschluss vom 4. April 2017, X ZB 3/17, NZBau 2017, 366 Rn. 37). Gerade bei einem noch im „Aufwuchs“ befindlichen Markt wie dem für Postdienstleistungen ist eine Auftragsgestaltung zu vermeiden, die entweder nur vom vormaligen Monopolisten oder von wenigen großen Dienstleistungsunternehmen bedient werden kann, weil die Mehrzahl der „neuen“ Marktteilnehmer die geforderten Dienstleistungen nur regional selbst erbringt (OLG Schleswig, Beschluss vom 25. Januar 2013, 1 Verg 6/12, NZBau 2013, 395, 397). Für diese mittelständische Unternehmen müssen die zu bildenden Lose zu bewältigen sein, ohne überwiegende Teile des Auftrags über „Nachunternehmer“ und Teilleistungs- oder Konsolidierungsaufträge in Form von Kooperationen mit anderen regionalen Unternehmen oder mit großen, überregional tätigen Unternehmen abwickeln zu müssen (OLG Schleswig, Beschluss vom 25. Januar 2013, 1 Verg 6/12, NZBau 2013, 395, 398), weil ihnen ansonsten kein praktisch wirksamer wettbewerblicher Spielraum bleibt (OLG Schleswig, Beschluss vom 25. Januar 2013, 1 Verg 8/12, ZfBR 2013, 294, 295).
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bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann sich die Antragsgegnerin vorliegend nicht mit Erfolg auf wirtschaftliche und/oder technische Gründe berufen, die ausnahmsweise im Rahmen einer Gesamtabwägung das Absehen von einer Unterteilung in regionale Postleitzahlen-Gebiete rechtfertigen.
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Die Antragsgegnerin hat in ihrem Vergabevermerk hierzu unter 2. c) Losaufteilung (dort Seite 5 u. 6f.) ausgeführt, dass Alternative Zustelldienste (AZD´s) fast ausschließlich regional tätig seien, sie jedoch in den letzten Jahren ihr Leistungsspektrum erweitert und ihre Postdienstleistungen insbesondere durch Bildung von Kooperationen mit anderen AZD`s und der Zusammenarbeit mit der E. ausgebaut hätten. Hierdurch sei es ihnen möglich, Postverträge für regionale und auch deutschlandweite Sendungen anzubieten bzw. abzuschließen. Der erfolgte Zuschnitt der Lose 1 und 2 ermögliche es den AZD´s daher, sich an der Ausschreibung zu Los 1 und 2 jeweils in der Alternative B (Übergabe unfrankierter und nicht vorsortierter Briefe) zu beteiligen und am Wettbewerb teilzunehmen. Weiter führt sie auf Seite 9, 2. Absatz des Vergabevermerks aus, dass es bei der Teillosbildung allein darauf ankommen, ob die gebildeten Lose für mittelständische Unternehmen zu bewältigen seien, ohne überwiegende Teile des Auftrags über Nachunternehmer und Teilleistungs- und Konsolidierungsaufträge abwickeln zu können.
57
Diese Ausführungen genügen den Anforderungen nicht. Abgesehen davon, dass die Antragsgegnerin eine Gesamtabwägung zwischen den Vorteilen eines bundesweiten Gebietsloses für die zu beschaffenden Briefpostdienstleistungen und den Interessen der grundsätzlich regional tätigen AZD´s an einer weiteren Unterteilung in regionale Gebietslose nicht vorgenommen hat, fehlt es aber auch an anerkennenswerten wirtschaftlichen und/oder technischen Gründen, die ein Abweichen von dem Grundsatz der losweisen Vergabe tragen.
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Wirtschaftliche Gründe liegen vor, wenn eine Aufteilung in Lose zu einer unverhältnismäßigen Verteuerung der Gesamtleistung oder einer deutlichen Verzögerung des Gesamtvorhabens führen würde (siehe nur Ziekow in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., GWB § 97 rn. 89 m.w.Nachw.). Ausführungen zu solchen wirtschaftlichen Gründen enthält der Vergabevermerk unter der Überschrift „Losaufteilung“ nicht. Allein entscheidend für das Absehen von einer weiteren Aufteilung der Lose war für die Antragsgegnerin an dieser Stelle vielmehr, dass es den AZD´s jedenfalls bei einer Zusammenarbeit mit weiteren AZD´S möglich ist, bundesweit Briefpostdienstleistungen zu erbringen und sich daher im Wettbewerb mit anderen Unternehmen durch Abgabe eines Angebots auf die Alternative B des jeweiligen Loses zu beteiligen. Dies ist aber – wie oben ausgeführt – nicht der Maßstab für ein Absehen von einer (weiteren) Aufteilung der auf das gesamte Bundesgebiet bezogenen Lose.
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Nichts anderes folgt aus den Ausführungen der Antragsgegnerin unter Ziff. 1. b . aa) Ausgangslage des Vergabevermerks (dort S. 1) zu technischen Besonderheiten des Bereichs Druckoutput. Dort heißt es, dass aufgrund des vorhandenen IT-Systems bzw. der vorhandenen IT-Struktur nur freigemachte/vorfrankierte und nach Formaten und Leitregionen vorsortiert Sendungen (Variante A) oder unfreie/unfrankierte und nur nach Formaten vorsortierte Sendungen (Variante B) erzeugt und an die künftigen Auftragnehmer übergeben werden können. Die Implementierung einer „flexiblen“ Kombination der in der Leistungsbeschreibung gebildeten Lose und Varianten sei derzeit mit Blick auf die angestrebte Vertragslaufzeit, sowohl unter wirtschaftlichen als auch ressourcentechnischen Gründen nicht darstellbar. Allerdings fehlen in der Folge jegliche Ausführungen dazu, welcher finanzielle und zeitliche Aufwand konkret anfallen würde, um die für eine Aufteilung in Regionallose erforderliche Vorsortierung nach Leitregionen in Alternative B zu realisieren. Demzufolge findet die im Rahmen des § 97 Abs. 4 S. 2 GWB erforderliche Abwägung der widerstreitenden Interessen auch nicht statt.
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Soweit die Antragsgegnerin auf die Notwendigkeit der Vermeidung einer unwirtschaftlichen Zersplitterung abstellt, wird dies lediglich für die allein der E. und Konsolidierungsunternehmen offenstehende Alternative A mit Zahlen unterlegt. In der im Sinne der Förderung des Wettbewerbs auf dem ehemaligen Monopolmarkt Post weitaus interessanteren Alternative B spielt die Stafflung der Rabattstufen des vormaligen Monopolisten E.aber keine Rolle.
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Nicht zum Erfolg verhilft der Antragsgegnerin auch ihr ergänzender Vortrag im Nachprüfungsverfahren, wonach für den erforderlichen Ausbau der Frankierung aus der Stapellogik der Software bei ihrem IT-Dienstleister geschätzt 75 Arbeitstage und Kosten in Höhe von 94.000,00 Euro anfielen. Dieser zeitliche und finanzielle Aufwand für die Software-Umstellung vermag bei einem Auftragsvolumen von geschätzt 35 Millionen Euro ein Überwiegen der wirtschaftlichen Interessen der Antragsgegnerin vor dem Hintergrund der Erforderlichkeit, die Öffnung des immer noch maßgeblich vom ehemaligen Monopolisten E.geprägten Markts für Postdienstleistungen zu befördern, nicht zu begründen. Zudem ist eine allein auf die Kosten der Umstellung der IT abstellende Betrachtung für eine Bewertung der wirtschaftlichen Interessen der Antragsgegnerin nicht ausreichend. Schon in wirtschaftlicher Hinsicht käme es auf den Vergleich der Gesamtkosten des Auftrags bei Gesamtvergabe einerseits und Vergabe in regionalen Teillosen anderseits an. Die Antragsgegnerin hat indes nicht untersucht, ob und gegebenenfalls welche Einsparungen mit einer dem regionalen Zuschnitt der Alternativen Zustelldienste entsprechenden Teillosvergabe nach Zustellregionen einhergehen würden.
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cc) Die demzufolge gebotene Aufteilung der Postdienstleistungen in regionale Gebietslose erfordert allerdings weder eine Aufteilung nach den durch die ersten beiden Ziffern der Postleitzahl definierten Zustellregionen noch einen am Tätigkeitsraum der Antragstellerin ausgerichteten Zuschnitt des für diese interessanten Gebietsloses. Die Gebietslose haben sich vielmehr an den typischen Tätigkeitsräumen der Mehrzahl der regional tätigen mittelständischen Postdienstleister zu orientieren.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 GWB. Demnach trägt die Antragsgegnerin die Kosten ihres unbegründeten Rechtsmittels.
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Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent des Bruttoauftragswerts, wobei vorliegend von der Schätzung der Antragsgegnerin auf 35 Millionen Euro auszugehen ist, da die Antragstellerin kein Angebot eingereicht hat.