2. Vergabekammer des Bundes
VK 2 – 56/23
Beschluss
In dem Nachprüfungsverfahren der
[…]
– Antragstellerin –
Verfahrensbevollmächtigte:
[…]
gegen
[…]
– Antragsgegnerin –
Verfahrensbevollmächtigte:
[…]
[…]
– Beigeladene –
wegen der Vergabe […], hat die 2. Vergabekammer des Bundes durch […] auf die mündliche Verhandlung vom 10. August 2023 am 17. August 2023
beschlossen:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin.
3. Die Zuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin war erforderlich.
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin (Ag) veröffentlichte am […] eine unionsweite Auftragsbekanntmachung für ein offenes Verfahren zur Beschaffung von Wärmedämmarbeiten an mehreren Wohngebäuden. […].
Einziges Zuschlagskriterium ist […] der Preis.
Der hiesigen Ausschreibung vorausgegangen waren zwei in separaten Vergabeverfahren an die Antragstellerin (ASt) vergebene Aufträge. Die mit der ASt geschlossenen Verträge wurden von der Ag allerdings wie folgt außerordentlich gekündigt:
– Vertrag betr. […] Wärmedämmverbundsystem, gekündigt durch die Ag am 31. März 2023 unter Berufung auf Leistungsverzug der ASt nach § 5 Abs. 4 VOB/B;
– Vertrag betr. […] Innenputzarbeiten, gekündigt durch die Ag am 9. Mai 2023 unter Berufung auf mangelhafte/vertragswidrige Leistung nach § 4 Abs. 7 oder 8 VOB/B.
Die ASt widersprach diesen Kündigungen jeweils.
Die besonderen Vertragsbedingungen, die den Vergabeunterlagen der vorangegangenen Aufträge zugrunde lagen, enthielten u.a. folgende Regelung:
„Der Auftragnehmer hat zu den Baustellenbesprechungen, die der Auftraggeber regelmäßig durchführt, einen geeigneten Vertreter zu entsenden. Die Besprechungen finden jeweils wöchentlich und nach Bedarf statt.“
Der Kündigung des Vertrages betreffend die Wärmedämmverbundarbeiten ging der folgende Sachverhalt voraus, wobei hier insbesondere nicht sämtliche zwischen den Beteiligten gewechselten Schreiben aufgeführt sind:
Die Ausführungsfristen für die ersten Häuser begannen am 11. Oktober 2022. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2022 gab die ASt eine Bedenkenanmeldung wegen der Schlagregendichtigkeit der Fensterbänke ab, mit weiterem Schreiben vom selben Tag dann eine Behinderungsanzeige. Am 14. Oktober 2022 wies die Ag Behinderungsanzeige und Bedenkenanmeldung zurück und mahnte den Beginn der Dämmarbeiten an den beiden ersten Häusern an. Diese wurden daraufhin begonnen, jedoch nicht zu Ende geführt. An zwei weiteren Häusern wurde mit der Fassade nicht begonnen, jedoch die […] zu 95% fertiggestellt. An weiteren zwei Häusern wurde weder an der Fassade noch in der […] mit der Arbeit begonnen.
Die ASt bemängelte insbesondere, dass an den zu dämmenden Gebäuden, ihrer Auffassung nach abweichend von der ursprünglichen Planung, bereits Fensterbänke angebracht seien und ein entsprechender Anschluss des von ihr zu errichtenden Wärmedämmverbundsystems in diesem Bereich geboten sei. Dies erfordere deutlichen Zusatzaufwand. Über die korrekte Ausführung der Dämmarbeiten stritten ASt und Ag auch unter Hinzuziehung von Gutachtern.
Am 9. März 2023 übersandte die Ag der ASt eine Abhilfeaufforderung wegen unzureichender Förderung der Baumaßnahme. Die Arbeiten an den Häusern seien teils nicht fortgeführt, teils auch gar nicht begonnen worden, obwohl die Außentemperaturen dies zugelassen hätten. Abhilfe werde bis spätestens zum 13. März 2023 erwartet.
Die ASt forderte daraufhin eine geänderte Ausführungsplanung hinsichtlich der ausgeführten Probeflächen, damit sie in der Lage sei, ein entsprechendes Nachtragsangebot auszuarbeiten.
Mit Schreiben vom 14. März 2023 mahnte die Ag die ASt. Die Baustelle sei nicht besetzt, die Ausführung der Leistung werde nicht fortgesetzt bzw. begonnen. Unter Androhung der Vertragskündigung wurde eine Nachfrist bis spätestens zum 20. März 2023 gesetzt, um der Abhilfeaufforderung nachzukommen.
Die Ag übersandte der ASt am 20. März 2023 ein Nachtrags-Leistungsverzeichnis, welches Modifikationen im Bereich der Dämmarbeiten an Fensterbänken bzw. Gesimsblechen enthielt. Die ASt sollte zu diesem bis zum 27. März 2023 ein Angebot abgeben, was sie im weiteren Verlauf auch tat. In einem Schreiben der Ag an die Verfahrensbevollmächtigten der ASt ebenfalls vom
20. März 2023 hieß es u.a. weiter:
„in vorbezeichneter Angelegenheit übersenden wir Ihnen unsere heutige E-MaiI an die [ASt] nebst der gewünschten Pläne und dem gewünschten Nachtrags-LV zur Kenntnisnahme. Wir ordnen an, die dort beschriebene Leistung zu erbringen. Die dafür erforderlichen Mehrkosten werden wir vergüten.“
Weiter wurde ausgeführt, dass, unabhängig vom jetzt vorgelegten Nachtragsleistungsverzeichnis, auch die bisherige Planung schon mangelfrei gewesen sei und daher kein Leistungsverweigerungsrecht der ASt bestanden habe. Auch sei die ASt mit der Leistungserbringung in Verzug. „Es ist nicht ersichtlich, warum Ihre Partei nicht auf der Baustelle arbeitet. Selbst wenn noch Details in Abstimmung waren, hätte Ihre Partei beispielsweise schon längst mit den beauftragten Leistungen
1. Untergrundvorbereitung
2. Sockeldämmung
3. […]
4. Balkonaußenseiten einschließlich Bewegungsfugenprofil
5. […]
6. Mineralwolledämmung in allen Erdgeschossen
7. Dämmung […], arbeiten können.
Mithin haben wir Zweifel an der Leistungsfähigkeit Ihrer Partei. Fehlt es der [ASt] an Personal oder ist dieses noch auf anderen Baustellen gebunden?
Wir fordern Ihre Partei hiermit nochmals auf, die beauftragten Arbeiten unverzüglich zu beginnen bzw. fortzuführen und die Baustelle spätestens bis zum 27.03.2023 angemessen zu besetzen.
Wir behalten uns die Geltendmachung von Verzugskosten ausdrücklich vor. […]
Wir weisen außerdem darauf hin, dass Ihre Partei im Fall des fruchtlosen Ablaufs der vorgenannten Frist mit der Kündigung des Vertrags nach § 8 Absatz 3 in Verbindung mit § 5 Absatz 4 VOB/B rechnen muss.
4. Verstoß gegen Kooperationspflichten
Wir mussten feststellen, dass Ihre Partei zuletzt bei telefonischen Anfragen für uns nicht erreichbar war. Mitarbeiter der [ASt] teilten mit, dass sie nicht berechtigt seien Auskünfte zu erteilen. Mithin verweigerte Ihre Partei auch den Kontakt zu unseren Bauleitern. Die wöchentliche Abstimmung der Feintermine -wie im Aufklärungsgespräch am 09.08.22 vereinbart-, werden von Ihrer Partei nicht eingehalten. Ihre Partei verstößt gegen ihre verträglichen Nebenpflichten. Wir fordern ihre Partei hiermit auf, ab sofort die wöchentlichen Abstimmungstermine mit unseren Bauleitern vertragsgemäß einzuhalten und als kooperativer Vertragsparther für uns und für die von uns eingesetzten Bauleiter erreichbar zu sein. Wir setzen Ihrer Partei hiermit eine Frist zur
Abhilfe bis zum 03.04.2023.“
Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 24. März 2023 teilte die ASt mit, dass die Planungen weiterhin fehlerhaft seien, auf Wunsch aber dennoch umgesetzt würden.
Am 27. März 2023 erinnerte die Ag die ASt per E-Mail an die wöchentlichen Jour fixe-Termine.
Die Teilnahme der ASt werde erwartet. Diese antwortete am 28. März 2023:
„da die Ausführung derzeit nach wie vor im Klärungsprozess ist derzeit eine Teilnahme am jour-fixe nicht erforderlich. Natürlich werden wir wie gewohnt teilnehmen sobald dies angebracht ist.“
Am 30. März übermittelte die ASt das bepreiste Nachtragsangebot an die Ag.
Am 31. März 2023 kündigte die Ag den Vertrag über die Wärmedämmarbeiten außerordentlich.
Der Sachverhalt betreffend die Kündigung des Vertrages der ASt hinsichtlich der Innenputzarbeiten stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
Die Kündigung erfolgte am 9. Mai 2023. Dem vorangegangen waren u.a. eine Behinderungsanzeige der ASt wegen angeblich fehlender Treppenbeläge, die von der Ag zurückgewiesen worden war. Weiter bestanden Streitigkeiten zwischen Ag und ASt über die Frage, ob die ASt fehlerhaft in einzelnen der Häuser eine Eckschutzschiene statt einer Putzabschlussschiene eingesetzt habe, wohingegen die ASt der Ansicht war, dass das fragliche Detail aus den Planunterlagen nicht ersichtlich sei und insoweit auch kein Fehler der ASt vorliege. Die ASt reichte hinsichtlich der angeblich fehlenden Planunterlagen am 3. Mai 2023 Behinderungsanzeige ein.
Das hier streitgegenständliche Vergabeverfahren betrifft die erneute Vergabe der Wärmedämmarbeiten.
Die ASt gab im streitgegenständlichen Vergabeverfahren ein Angebot ab und rangierte gemäß der Mitteilung des Ausschreibungsergebnisses nach Angebotsöffnung am 6. Juni 2023 preislich auf dem ersten Platz. Ein drittes Unternehmen, das preislich zwischen ASt und Beigeladener (Bg) lag, wurde ausgeschlossen, weil die von diesem Bieter nachgeforderten Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht worden sind. Infolgedessen belegte die Bg Platz zwei der Wertungsrangfolge.
Die ASt reichte mit ihrem Angebot das von der Ag angeforderte Formblatt 124 ein und erklärte dort, es lägen für das Unternehmen der ASt keine Ausschlussgründe gemäß § 6e EU VOB/A vor.
Die Ag teilte der ASt mit Schreiben vom 14. Juni 2023 mit, die Erklärung zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen nach § 6e EU VOB/A sei wegen der Kündigungen der ursprünglichen Aufträge zwischen ihr und der ASt nach Auffassung der Ag falsch. Es sei der Ausschlussgrund nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A verwirklicht. Vor diesem Hintergrund hörte die Ag die ASt zur Frage einer Selbstreinigung im Hinblick auf die von der Ag vorgebrachten Kündigungsgründe an. Die ASt antwortete der Ag fristgemäß mit Schreiben vom 20. Juni 2023, es gebe von ihrer Seite keine Schlechtleistungen, die Kündigungen seien unbegründet, es bestehe daher kein Bedarf für eine Selbstreinigung der ASt.
Die Ag dokumentierte in einem Vermerk vom 26. Juni 2023 den ihrer Ansicht nach den Kündigungen zugrunde liegenden Sachverhalt und prognostizierte, die ASt habe in den gekündigten Vertragsverhältnissen gezeigt, dass sie für die im streitgegenständlichen Vergabeverfahren erneut ausgeschriebenen Leistungen nicht leistungsfähig und offensichtlich leistungsunwillig sei. Eine nochmalige Zusammenarbeit mit der ASt sei der Ag daher nicht zuzumuten. Die ASt habe die ihr eingeräumte Möglichkeit zur Selbstreinigung nicht wahrgenommen; sie habe kein Problembewusstsein entwickelt und die Rechtmäßigkeit der außerordentlichen Kündigungen bestritten. Daher sei die ASt nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 EU VOB/A von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen.
In einem Vermerk vom 27. Juni 2023 dokumentierte das von der Ag mit der Erarbeitung eines Vergabevorschlags betraute Architektenbüro, es sei nicht davon auszugehen, dass die ASt die ausgeschriebene Leistung in Bezug auf Qualitäten und Termine vertragsgerecht ausführen werde. Es werde von einer Beauftragung der ASt dringend abgeraten und ihr Angebot unter Bezugnahme auf die Prognoseentscheidung der Ag vom 26. Juni 2023 aus der Wertung genommen. Hintergrund seien die Kündigungen der bisherigen Verträge mit der ASt über die nunmehr neu ausgeschriebenen Leistungen. Die wesentlichen Gründe der Kündigung seien zum einen, dass die ASt trotz mehrfacher Aufforderung nicht an wöchentlichen Baubesprechungen teilgenommen habe, so dass Arbeiten nicht mit den anderen vor Ort tätigen Gewerken koordiniert werden könnten. Ferner sei die für die Vermeidung von Schwitzwasserbildung erforderliche Wärmedämmung trotz Aufforderung und entsprechender Witterung nicht montiert worden, so dass für Trocknung und Beheizung hohe Mehrkosten entstanden seien und die nicht gedämmten Gebäude einem erheblichen Schadensrisiko ausgesetzt seien. Zum anderen habe die ASt im Hinblick auf die Innenputzarbeiten einen festgestellten Mangel im Treppenhaus (keine schallschutztechnische Trennung des Innenputzes am Treppengeländer) trotz schriftlicher Aufforderung nicht behoben, so dass in allen Treppenhäusern Zusatzkosten und Bauzeitverzug entstünden.
Mit Vermerken vom 3. und 4. Juli 2023 stellten die intern zuständigen Stellen der Ag fest, dass die ASt nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A auszuschließen sei. Das Angebot eines preislich an zweiter Stelle rangierenden Bieters sei auszuschließen, weil dieser Bieter nachgeforderte Unterlagen nicht fristgerecht eingereicht habe. Es sei daher dem drittplatzierten Angebot der Zuschlag zu erteilen.
Die Ag teilte der ASt mit Schreiben vom 6. Juli 2023 gemäß § 134 GWB mit, sie beabsichtige, der Bg den Zuschlag zu erteilen. Die ASt werde ausgeschlossen, weil diese wesentliche Anforderungen bei der Ausführung von öffentlichen Aufträgen erheblich und fortdauernd mangelhaft erfüllt habe. Aus diesem Grund seien die entsprechenden Aufträge für das Wärmedämmverbundsystem und für die Innenputzarbeiten gekündigt worden. Bei dem streitgegenständlichen Vergabeverfahren handele es sich um die nach der Kündigung erforderliche Neuausschreibung des Wärmedämmverbundsystems. Nach Prüfung der Bewerbung der ASt sehe die Ag keine Anhaltspunkte, die eine ordnungsgemäße und zuverlässige Vertragserfüllung von Seiten der ASt erwarten ließen.
Die ASt rügte ihren Ausschluss mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12. Juli 2023 gegenüber der Ag. Die von der Ag ausgesprochenen fristlosen Kündigungen seien zumindest hoch streitig und könnten daher keine Grundlage für die Annahme vorangegangener Schlechtleistungen i.S.d. §6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A sein.
Die Ag half der Rüge der ASt nicht ab und teilte dies der ASt mit Schreiben vom 13. Juli 2023 mit.
2. Mit Schreiben ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 14. Juli 2023, eingegangen bei der Vergabekammer und übermittelt an die Ag am gleichen Tag, beantragt die ASt die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens.
a) Zur Begründung des Nachprüfungsantrags führt die ASt wie folgt aus:
Die ASt hält die Voraussetzungen des § 6e EU Abs. 1 Nr. 7 VOB/A für nicht gegeben. Es fehle bereits daran, dass die ASt keine wesentlichen Anforderungen mangelhaft erfüllt habe, weshalb die von der Ag ausgesprochenen Kündigungen unwirksam seien, die geltend gemachten Kündigungsgründe lägen nicht vor:
– Die ASt habe die Ag ab Februar 2023 darauf hingewiesen, dass die für die Einarbeitung des Wärmedämmverbundsystems im Fensterbereich und insbesondere an den Fensterbänken bzw. den Sonnenschutzelementen erforderliche Ausführungsplanung nicht vorliege bzw. keine sachgerechte Ausführung der Arbeiten möglich sei. Die Errichtung eines Musterelements habe sich lediglich durch die Lieferzusage des Systemherstellers verzögert, nicht durch Verschulden der ASt. Die Ag sei am 8. März 2023 aufgefordert worden, eine aktualisierte Ausführungsplanung und ein zu bepreisendes Nachtragsleistungsverzeichnis für die geänderte Leistung vorzulegen. Mit Schreiben vom 9. März 2023 habe die Ag die ASt aufgefordert, Abhilfe zu schaffen, obwohl das konkrete Leistungssoll weiter unklar gewesen sei. Die ASt habe die Ag daher am 13. März 2023 aufgefordert, entsprechend geänderte Planungsunterlagen zu übermitteln, um ein Nachtragsangebot ausarbeiten zu können. Am 20. März 2023 habe die Ag der ASt diese Planungsunterlagen und ein Nachtragsleistungsverzeichnis übermittelt und die ASt aufgefordert, die Baustelle bis zum 27. März 2023 zu besetzen und die Arbeiten fortzuführen. Die ASt habe der Ag darauf mit Schreiben vom 24. März 2023 mitgeteilt, dass die vorgelegten Planungsunterlagen fehlerhaft seien und dass sie bereit sei, die fehlerhafte Planung umzusetzen, wenn dies durch die Ag angeordnet werde. Das bepreiste Nachtragsangebot habe die Ag am 30. März 2023 übermittelt. Es sei vereinbart worden, die Arbeiten am 3. April 2023 fortzuführen. Die Ag habe das Vertragsverhältnis dann jedoch am 31. März 2023 gekündigt.
– Hinsichtlich der Innenputzarbeiten habe die ASt die Kündigung vom 9. Mai 2023 am 19. Mai 2023 zurückgewiesen. Zum Zeitpunkt der Kündigung seien 95% der Leistung bereits erbracht gewesen, lediglich Restleistungen betr. Filzputz in den Treppenhäusern hätten ausgestanden. Soweit die Ag die Kündigung darauf gestützt habe, die ASt habe in den Treppenhäusern […] die Leibungskante falsch verputzt und fälschlich eine Eckschutzschiene gesetzt, obwohl aus den Planungsunterlagen eine Abdeckung durch eine Putzabschlussschiene aus Stahlblech ersichtlich gewesen sein solle, hätten insofern keine Planungsunterlagen betreffend den Innenputz im Treppenhausbereich vorgelegen. Die ASt habe die einschlägigen Toleranzen eingehalten. Die von der Ag bemängelte Schallbrücke sei darauf zurückzuführen, dass die im Auftrag der Ag vorproduzierten Abdeckbleche nicht gepasst hätten.
Vor diesem Hintergrund könne nicht von den seitens der Ag in den beiden Kündigungen geltend gemachten vertraglichen Pflichtverletzungen ausgegangen werden, was aber für einen Ausschluss nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A bzw. § 124 Abs. 1 Nr. 7 GWB erforderlich sei. Es fehle bereits an der von der Rechtsprechung herausgearbeiteten niedrigeren Anforderung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einer Pflichtverletzung. Die Ag könne schon nicht aufklären, warum sie trotz des behaupteten Nichtbestehens der von der ASt vorgetragenen Mängel ein Nachtragsleistungsverzeichnis ausgearbeitet und die ASt um Abgabe eines neuen Angebotes aufgefordert habe. Hinsichtlich der Leistungen für das Wärmedämmverbundsystem sei höchst streitig, ob die von der Ag vorgesehene Ausführung mangelfrei möglich sei.
Die Ag habe in der streitgegenständlichen Ausschreibung wesentliche Aspekte, die die ASt im Hinblick auf die ursprünglich vorgesehene Ausführung vorgebracht habe und die von der Ag damals als unzutreffend zurückgewiesen worden seien, im nun neuen Leistungsverzeichnis berücksichtigt. Ursprünglich sollten die Fensterbänke und Fassadengesimsbleche nach Einbau des Wärmedämmverbundsystems eingebaut werden. Dies sei in der neuen Ausschreibung dahin angepasst worden, dass der Einbau der Fensterbänke vor dem Einbau des Wärmedämmverbundsystems erfolgen solle, der Einbau der umlaufenden Fassadengesimsbleche erst nach Einbau des Wärmedämmverbundsystems. Dies belege, dass der ASt für den gekündigten Auftrag keine geeigneten Planungsunterlagen vorgelegen hätten, so dass es ihr auch unmöglich gewesen sei, die von der Ag geforderten Teilleistungen auszuführen, da diese bei einer späteren Montage des Wärmedämmverbundsystems wieder zurückzubauen gewesen wären. Die ASt habe durch Beauftragung eines eigenen Sachverständigen und Einbeziehung des Systemherstellers des Wärmeverbundsystems konstruktiv auf eine Lösung der Situation hingearbeitet.
Die ASt habe ihre Leistungsbereitschaft stets hervorgehoben und mitgeteilt, dass sie den Anordnungen wie zur Vorhaltung entsprechender Arbeitskräfte umgehend nachkomme. Eine entsprechende Beauftragung bzw. Anordnung sei jedoch durch die Ag nicht erfolgt. Die Kündigung durch die Ag wenige Tage nach Erhalt der überarbeiteten Planungsunterlagen sei nicht nachvollziehbar.
Hinsichtlich des gekündigten Vertrags zu den Innenputzarbeiten sei festzustellen, dass zwischen Ag und ASt streitig sei, ob überhaupt eine Schlechtleistung vorliege bzw. ob angesichts des Leistungsstands eine wesentliche Anforderung mangelhaft erfüllt worden sein könne.
Soweit die Ag die Kündigungen auf die unterbliebene Teilnahme der ASt an den Jour fixe-Terminen stütze, habe sie schon nicht dargelegt, an welchen Terminen konkret die ASt unentschuldigt nicht teilgenommen habe und warum es hierdurch zu einer Beeinträchtigung der Kooperation gekommen sein soll. Die Jour fixe-Termine seien aufgrund der Vielzahl der Teilnehmer für eine konkrete Problembesprechung ungeeignet, hier könnten nur die Leistungsstände der einzelnen
Arbeiten zum Zwecke der Koordinierung besprochen werden. Zwischen ASt und Ag seien jedoch über einen Zeitraum von mehreren Wochen Gespräche geführt und E-Mails ausgetauscht worden, so dass der ASt keine mangelnde Kommunikation zu unterstellen sei.
Die Vergabeakte sei unvollständig insoweit, als in der Sachverhaltsdarstellung etliche Kontakte zwischen ASt und Ag nicht wiedergegeben würden. Diese unvollständige Sachverhaltsermittlung stelle eine fehlerhafte Ermessensausübung dar. Auch sei die Prognoseentscheidung einzig mit dem Ziel des Ausschlusses der ASt erstellt. Die ASt habe selbst nach den erfolgten Kündigungen noch das Gespräch mit der Ag gesucht, diese habe jedoch das ausdrückliche Leistungsangebot der ASt ignoriert.
Die Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten hält die ASt für notwendig. Für die Ag sei jedoch die Hinzuziehung von Bevollmächtigten nicht notwendig. In seinem originären Aufgabenbereich habe sich der Auftraggeber die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse selbst zu beschaffen. Die Ag verfüge vorliegend auch über ein Justiziariat.
Die ASt beantragt,
1. die Ag in Textform über den Antrag auf Nachprüfung gemäß § 169 Abs. 1 GWB zu informieren,
2. die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß §§ 160 ff. GWB,
3. der Ag zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Bg zu erteilen,
4. der Ag aufzugeben, den Ausschluss der ASt zurückzunehmen, das Vergabeverfahren in den Zeitpunkt der Angebotswertung zurückzuversetzen und den Antrag bei fortbestehender Beschaffungsabsicht unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu vergeben,
5. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der ASt für notwendig zu erklären,
6. der ASt Einsicht in die Vergabeakte gemäß § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren, sobald diese bei der Vergabekammer eingegangen ist,
7. der Ag die Kosten des Verfahrens sowie die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung einschließlich der vorprozessualen Anwaltskosten aufzuerlegen.
b) Die Ag beantragt mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 21. Juli 2023:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Akteneinsicht wird versagt.
3. Die ASt trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Ag.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Ag wird für notwendig erklärt.
Die Ag hält den Nachprüfungsantrag für zulässig, aber unbegründet. Der von der Ag geltend gemachte Ausschlussgrund des § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A sei gegeben. Die ASt habe zweimal aufeinanderfolgend in den vorausliegenden gekündigten Vertragsverhältnissen innerhalb kürzester Zeit schlecht geleistet.
Soweit es den gekündigten Vertrag über die Errichtung des Wärmedämmverbundsystems betreffe, habe die ASt über einen Zeitraum von fast einem halben Jahr die Leistung verweigert bzw. diese nur schleppend ausgeführt. Eine von der ASt angebrachte Bedenkenanmeldung sei schon nicht formgerecht gewesen, weil es an der Mitteilung gefehlt habe, welche Konsequenzen aus der Nichtberücksichtigung dieser Bedenken folgen würden. Auch bei der von der ASt angebrachten Behinderungsanzeige habe der Hinweis auf die konkreten Auswirkungen der angeblichen Behinderung gefehlt. Auch habe die Ag diese beiden Anzeigen bereits im Oktober 2022 zurückgewiesen, so dass die ASt zur Leistungserbringung verpflichtet gewesen sei. Im Übrigen hätte die ASt sämtliche anderen Arbeiten, die nicht von ihren Bedenken betroffen gewesen seien, ausführen können, was rund 65 % der geschuldeten Leistung ausgemacht hätte. Auf Gesprächsangebote der Ag habe die ASt nicht oder nur mit wochenlanger Verzögerung reagiert. Die bei einem gemeinsamen Gespräch dann vereinbarte Erstellung einer Musterfassade habe die ASt nur verzögert umgesetzt. Entgegen ihrer Verpflichtung habe die ASt im Jahr 2023 auch nur an einem Jour fixe-Termin teilgenommen und sei auch für die Ag und die örtliche Bauleitung nahezu nie erreichbar gewesen. Die Ag habe mit der ASt Termine außerhalb der Jour fixe-Tage absprechen müssen, was auch nicht immer gelungen sei. Als Folge des Verhaltens der ASt sei mit einer verspäteten Fertigstellung des Bauvorhabens um mindestens 10 Monate zu rechnen, was u.a. zu Mietausfällen, Zusatzkosten für erforderliche Trocknung und Beheizung, längere Standzeiten für das Gerüst und Verzögerungen der Tiefbauten führe. Entgegen der Behauptungen der ASt sei die Planung der Ag fehlerfrei gewesen. Die erfolgten Anpassungen hätten nur der Arbeitserleichterung für die ASt gedient. Während sich die ASt geweigert habe, die Arbeiten auszuführen, seien diese in baugleichen Gebäuden durch einen anderen Auftragnehmer erfolgreich fertiggestellt worden. Die ASt habe wesentliche Anforderungen aus dem Vorauftrag daher erheblich und fortdauernd mangelhaft erfüllt, was die vorzeitige Kündigung rechtfertige. Dass die ASt die Baustelle Anfang Mai 2023 geräumt habe, sei dahin zu verstehen, dass sie etwaige Vorbehalte gegen die ausgesprochene Kündigung nicht weiter aufrechterhalte.
Hinsichtlich des gekündigten Vertrages über die Innenputzarbeiten habe sich die ASt im Leistungsverzug befunden. Die Behinderungsanzeige der ASt habe weitestgehend auf unzutreffenden Behauptungen beruht. Auch habe die ASt ebenfalls in diesem Vertragsverhältnis ihre Pflicht zur Teilnahme an den Jour fixe-Terminen nicht erfüllt. Einer Aufforderung zur Mängelbeseitigung sei die ASt nicht nachgekommen. Soweit die ASt dann Behinderung wegen angeblich fehlender Planunterlagen angemeldet habe, habe die Ag auf das Vorhandensein eindeutiger Unterlagen hingewiesen, wie auch darauf, dass die ASt die entsprechenden Arbeiten in anderen Gebäuden auch korrekt ausgeführt habe. Soweit sich die ASt auf den Standpunkt stelle, dass wesentliche Ausführungsdetails gefehlt hätten, hätte sie Bedenken anmelden müssen und in jedem Fall eine mangelfreie Leistung erbringen müssen. Da sie jedoch anstelle der Putzabschlussschiene eine Eckschutzschiene ausgeführt habe, die eine Schallbrücke erzeuge, liege ein erheblicher Mangel vor, den die ASt auch nach Abhilfeaufforderung nicht beseitigt habe. Dies rechtfertige die außerordentliche Kündigung.
Die ASt habe, gemäß der vorgelegten Übersicht, von den insgesamt 31 Jour fixe-Terminen während der Laufzeit der beiden vorangegangenen Vertragsverhältnisse nur an 9, von der Ag konkret benannten, Terminen teilgenommen.
Bei dem Ausschlussgrund des § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A handele es sich um einen fakultativen Ausschlussgrund, dessen Überprüfung durch die Vergabekammer nur eingeschränkt möglich sei. Soweit in der Dokumentation zur Eignungsprüfung der ASt angegeben sei, dass eine Verfehlung nach § 124 GWB einen zwingenden Ausschlussgrund darstelle, handele es sich um einen Programmierfehler im verwendeten Programm. Die Ag habe ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt. Hinsichtlich der ASt liege eine negative Prognose vor, da dieser ausreichend Personal zu fehlen scheine. Bei erneuter Beauftragung sei zu erwarten, dass die Konflikte aus der Vergangenheit seitens der ASt fortgesetzt würden. So habe die ASt insbesondere auch kein Problembewusstsein entwickelt, so dass sie die Frage nach einer Selbstreinigung mit dem bloßen Hinweis, dass aus ihrer Sicht die Kündigungen unwirksam gewesen seien, zurückgewiesen habe. Hinzu komme, dass zwei Kündigungen in kurzem zeitlichem Abstand hätten ausgesprochen werden müssen. Hinsichtlich der Kündigung des ersten Vertrages betreffend die Wärmedämmung sei zu beachten, dass die Diskussion um den richtigen Anschluss der Fenster- und Gesimsbleche völlig untergeordnet sei im Vergleich zu den anderen Arbeiten, die hätten ausgeführt werden können. Die Ag habe sich bei der Entscheidung mit der Nichtteilnahme an den Jour fixe-Terminen befasst und mit dem Stand der Arbeiten an den Gebäuden. Diesbezüglich habe sie den Sachverhalt exakt erfasst.
Die Verhältnismäßigkeit sei gewahrt. Vorliegend gehe es um die Fertigstellung eines großen Bauvorhabens mit […] Wohnungen. Durch das Verhalten der ASt werde die Fertigstellung um viele Monate verzögert.
c) Mit Beschluss vom 18. Juli 2023 ist die Bg zum Verfahren hinzugezogen worden. Sie hat sich schriftsätzlich nicht zum Nachprüfungsantrag eingelassen und auch an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen.
3. Der ASt ist Akteneinsicht in mit der Ag abgestimmtem Umfang gem. § 165 Abs. 2 GWB gewährt worden. Die Kammer hat den Beteiligten einen rechtlichen Hinweis zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erteilt. In der mündlichen Verhandlung wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten umfassend erörtert. Auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, die Vergabeakte der Ag, soweit sie der Kammer vorlag, sowie die Verfahrensakte wird Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Insbesondere richtet er sich gegen die Vergabeentscheidung eines dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Auftraggebers, wobei der Auftragswert – unter Berücksichtigung der Gesamtbaumaßnahme – auch oberhalb des einschlägigen Schwellenwertes für eine verpflichtende europaweite Bekanntmachung liegt, §§ 98, 99 Nr. 2, § 103 Abs. 1 Abs. 3 S. 1, § 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 159 Nr. 2 GWB, § 1 EU Abs. 1 und 2 VOB/A i.V.m. § 3 VgV.
Die ASt ist auch antragsbefugt i.S.d. § 160 Abs. 2 GWB. Sie hat ein auf Rang 1 der Wertungsreihenfolge liegendes Angebot eingereicht, durch den von der Ag verhängten Angebotsausschluss droht sie jedoch ihre Zuschlagschance zu verlieren.
Den Ausschluss des Angebotes, der der ASt mit Schreiben vom 6. Juli 2023 mitgeteilt worden ist, hat die ASt mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 12. Juli 2023 und damit innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB gerügt. Auch die Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB ist mit dem Nachprüfungsantrag vom 14. Juli 2023 eingehalten.
2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch nicht begründet. Die Ag hat die ASt zu Recht von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausgeschlossen, da sie bei vorangehenden Bauaufträgen erheblich und fortdauernd mangelhaft geleistet hat.
§ 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A bestimmt, dass der öffentliche Auftraggeber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ein Unternehmen zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen kann, wenn das Unternehmen eine wesentliche Anforderung bei der Ausführung eines früheren öffentlichen Auftrags erheblich oder fortdauernd mangelhaft erfüllt hat und dies u.a. zu einer vorzeitigen Beendigung geführt hat. Erwägungsgrund 101 der Richtlinie 2014/24/EU nennt als Beispiele Lieferungs- oder Leistungsausfall sowie erhebliche Defizite der gelieferten Waren oder Dienstleistungen, die sie für den beabsichtigten Zweck unbrauchbar machen. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der ASt vor.
a) Die ASt hat in den beiden vorangegangenen Aufträgen betreffend die Wärmedämmung bzw.
den Innenputz mangelhaft erfüllt.
aa) Hinsichtlich des Vertrages zur Anbringung des Wärmedämmverbundsystems ist die Schlechtleistung zum einen darin zu sehen, dass die ASt die Dämmarbeiten nicht fristgerecht durchgeführt hat. Hierbei muss nicht entscheidend darauf abgestellt werden, ob die Bedenken der ASt gegen die Art der von der Ag vorgesehenen Anbindung der Wärmedämmung in den Fenster- und Gesimsflächen berechtigt waren. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung war letztlich unstreitig, dass es technisch möglich gewesen wäre, unter Außenvorlassen der Bereiche unmittelbar an den Fenstern und Gesimsen jedenfalls die übrigen auftragsgegenständlichen Flächen zu dämmen. Im Schreiben der Ag vom 20. März 2023 sind hier insgesamt 7 weitere Bereiche aufgeführt, die von den geltend gemachten Bedenken der Ag nicht betroffen waren. Laut der Bekanntmachung des hier streitgegenständlichen Dämmauftrages, der ja die im ursprünglichen Auftrag von der ASt zu erbringenden Leistungen enthält, handelt es sich insgesamt um eine Fläche von knapp […] qm. In der mündlichen Verhandlung führte die ASt aus, dass die streitigen Verarbeitungsschritte eine Fläche von rund […] qm beträfen. Dies deckt sich in etwa mit der schriftsätzlichen Angabe der Ag, dass rund 65 % der ursprünglich beauftragten Dämmarbeiten nicht von der Behinderungsanzeige der ASt betroffen seien und somit hätten durchgeführt werden können. Die ASt hat diese Arbeiten jedoch nicht vorgenommen, sondern unter Berufung auf die streitigen Punkte letztlich fast keine Leistungen, in jedem Fall deutlich weniger als die wie vorstehend beschrieben möglichen Leistungen erbracht. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat die ASt sich insoweit auf den Gesichtspunkt der Unwirtschaftlichkeit berufen, wenn die Arbeiten nicht am Stück von unten nach oben durchgeführt werden könnten, sondern immer wieder Lücken gelassen werden müssten. Dieser Vortrag ist jedoch nicht nur völlig unsubstantiiert geblieben, sondern insbesondere auch vorab der Ag gegenüber nie zur Begründung der unterbliebenen Arbeiten angebracht worden. Da die ASt somit einen Gutteil der Gesamtarbeiten nicht ausgeführt hat, obwohl sie insoweit keine Behinderungsanzeigen etc. geltend gemacht hat, liegt schon hierin eine Pflichtverletzung. Auf den Umstand, dass die Ag die Bedenken- und Behinderungsanzeige der ASt hinsichtlich der Anbindung des Wärmedämmsystems im Bereich der Fensterbänke bereits im Oktober 2022 zurückgewiesen hat und die ASt also auch insoweit die Arbeiten hätte durchführen können, kommt es nicht mehr entscheidend an. Selbst wenn in den trotz der Zurückweisung zwischen Ag und ASt geführten Diskussionen ein jedenfalls implizites Einverständnis der Ag zu sehen sein sollte, die diesbezüglichen Arbeiten vor einer Klärung der fachlichen Fragen nicht durchzuführen, ist spätestens der Darstellung der unabhängig davon durchführbaren Arbeiten im Schreiben der Ag vom 20. März 2023 zu entnehmen, dass diese übrigen Arbeiten in jedem Fall unverzüglich durchzuführen waren, ohne dass die ASt dem nachgekommen wäre.
bb) Ein weiterer Mangel der Leistungen, diesmal bezogen sowohl auf den Auftrag zur Anbringung des Wärmedämmverbundsystems wie auch des Innenputzes, ist darin zu sehen, dass die ASt die überwiegende Anzahl der Jour fixe-Termine nicht wahrgenommen hat. Gemäß der von der Ag erstellen Übersicht, die von der ASt letztlich nicht angegriffen worden ist, waren Vertreter der ASt nur bei 9 von insgesamt 31 Terminen anwesend. Im Jahr 2023 handelte es sich insoweit, bis zur Kündigung des Vertrages über die Wärmedämmarbeiten Ende März, um lediglich einen Jour fixe, an dem die ASt teilnahm. Eine zweite Teilnahme im April 2023 erfolgte sodann im Rahmen der Arbeiten zur Anbringung des Innenputzes. Eine Schlechtleistung i.S.d. § 6e EU abs. 6 Nr. 7 VOB/A kann nicht nur bei Verletzung einer direkt den Vertragsgegenstand ausmachenden Pflicht vorliegen, wie hier insbesondere betreffend die unmittelbaren Wärmedämm- bzw. Putzarbeiten. Auch ein Verstoß gegen den kaufmännischen Teil des Vertrages kann als Schlechtleistung in diesem Sinne eingestuft werden (vgl. EuGH v. 3. Oktober 2019 – C 267/18 sowie OLG Frankfurt v. 3. Mai 2018 – 11 Verg 5/18, jeweils zum ungenehmigten Nachunternehmereinsatz). Vorliegend war die Teilnahme an den wöchentlichen Jour fixe-Besprechungen in den zusätzlichen Vertragsbedingungen ausdrücklich vereinbart. Die Nichtteilnahme an diesen Veranstaltungen stellt damit einen Mangel der Leistung dar. Soweit sich die ASt im Rahmen der mündlichen Verhandlung ohne weitere Substantiierung darauf berufen hat, sie sei den Besprechungen ferngeblieben, wenn entweder das eigene Unternehmen geschlossen gewesen sei oder wegen Schlechtwetters ohnehin keine Arbeiten auf der Baustelle möglich gewesen seien, so gibt schon die vertragliche Verpflichtung zur Teilnahme eine solche Einschränkung nicht her. Die E-Mail der ASt vom 28. März 2023, nach der die Ausführung der (Dämm-)Arbeiten derzeit noch im Klärungsprozess und eine Teilnahme am Jour fixe daher nicht erforderlich sei, spricht im Übrigen auch dagegen, dass die Nichtteilnahme lediglich aufgrund von Betriebsferien oder Schlechtwetter erfolgte. Die Aussage, man werde teilnehmen, sobald dies angebracht sei, dürfte vielmehr so zu verstehen sein, dass die ASt hier auf ihre eigene Einschätzung zur Sinnhaftigkeit der Teilnahme abstellte und diese zum Maßstab einer Teilnahmepflicht machte. Ohne dass es noch darauf ankäme, entspräche ein solches Vorgehen jedenfalls nicht der vertraglichen Verpflichtung der ASt.
b) Die Einschätzung der Ag, dass sich die dargestellte Mangelhaftigkeit der Leistungen auf wesentliche Anforderungen bezog und sowohl erheblich als auch fortdauernd war, ist nicht zu beanstanden.
Hinsichtlich der unterbliebenen Wärmedämmarbeiten, einschließlich der von der Ag in ihrem Schreiben vom 20. März 2023 gegenüber der ASt angemahnten Leistungen, handelt es sich um Hauptleistungspflichten aus dem vorangegangenen Auftrag, was für die Wesentlichkeit der Anforderung spricht (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 – VII-Verg 7/18, juris-Rn. 44). Diese wesentliche Anforderung wurde auch erheblich und fortdauernd verletzt. Die Ag legt insoweit nachvollziehbar dar, dass es nicht nur zu Verzögerungen dieser unmittelbaren Dämmarbeiten kam, sondern auch weitere Gewerke auf der Baustelle mit betroffen wurden. So z.B. kam es zu Behinderungen bei Tiefbauarbeiten, für die ein Gerüst, welches für die Dämmarbeiten erforderlich ist, zwischenzeitlich ab- und wieder aufgebaut werden musste. Neben diesen Koordinationsproblemen auf der Baustelle, die auch zu zusätzlichen Vorhaltekosten führen, stützt die Ag ihre Entscheidung insbesondere auch auf die Gefahren, die sich durch Schwitzwasserbildung infolge der unzureichenden Dämmung der Häuser ergeben haben und denen durch Trocknung und Beheizung begegnet werden musste. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Außenarbeiten an den Häusern nunmehr womöglich bis zum Winter nicht fertiggestellt werden können und die Schlechtwetterunterbrechungen so zusätzliche Verzögerungen bewirken werden. Schließlich führt der insgesamt verursachte Verzug der Bauarbeiten auch zu einer späteren Bereitstellung des Wohnraumes und damit auch zu verringerten Mieteinnahmen der Ag. Die insgesamt mehrmonatigen Verzögerungen selbst auch nur derjenigen Arbeiten, die grundsätzlich ohne abschließende Klärung der Verarbeitungsweise an Fensterbänken und Gesimsblechen möglich gewesen wären, sind damit erheblich und aufgrund der zeitlichen Dauer über mehrere Monate auch fortdauernd.
Auch bei der Teilnahme an den Jour fixe-Terminen handelt es sich um eine wesentliche Anforderung beider Voraufträge. Ausschlaggebend ist für das Kriterium der Wesentlichkeit, welche Bedeutung der jeweiligen Anforderung für den öffentlichen Auftraggeber zukommt, mithin wie sich eine mangelhafte Erfüllung für ihn auswirkt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018, a.a.O.) Dies ergibt sich schon aus der expliziten vertraglichen Verpflichtung zur Teilnahme, die die Wichtigkeit der Jour fixes für die Ag hervorhebt. Soweit die ASt im Rahmen der mündlichen Verhandlung von einem gescheiterten Versuch berichtete, Baumaterial anzuliefern, aufgrund der Nichtbefahrbarkeit einer Rampe für den Gabelstapler die Lieferung jedoch nicht durchführen konnte, zeigt auch gerade dieses Beispiel die Relevanz der koordinierenden Besprechungen zwischen den einzelnen Gewerken auf größeren Baustellen und damit die Erheblichkeit der Pflicht, an den Jour fixes teilzunehmen. Die Ag führt nachvollziehbar aus, dass gerade auch in den kritischen Phasen, in denen die ASt die Arbeiten ihrer Auffassung nach nicht erledigen konnte, erhöhter Absprachebedarf bestanden habe. Die Nichtteilnahme an vom Auftraggeber verpflichtend vorgeschriebenen regelmäßigen Jour fixe-Besprechungen, trotz mehrfacher Aufforderungen zur Teilnahme durch die Ag, stellt eine erhebliche Pflichtverletzung dar. Der Erheblichkeit steht dabei nicht entgegen, dass ASt und Ag über die Frage der fachgerechten Anbringung der Dämmstoffe außerhalb der wöchentlichen Baustellenbegehungen in Kontakt standen. Selbst bei Unterstellung des, von der Ag bestrittenen, Vortrags der ASt, nach dem am Jour fixe nur die Baustände der einzelnen Gewerke erhoben würden und für die Diskussion der konkreten Bedenken der ASt keine Zeit gewesen wäre, wirken sich Verzögerungen bei der ASt ersichtlich auch auf andere Gewerke aus. Allein aus diesem Grunde wäre eine Teilnahme an den Besprechungen erforderlich gewesen, um jedenfalls zu Dauer und Umfang der Verspätung Auskunft zu geben. Auch hinsichtlich des zweiten Vorauftrages betreffend den Innenputz hätte auf diesen Besprechungen z.B. die Frage der Ag geklärt werden können, wann die wenigen restlichen Arbeiten zum Abschluss des Auftrages erbracht werden. Der Verpflichtung zur Teilnahme ist die ASt auch über die gesamte Dauer beider Voraufträge und damit fortlaufend nur sehr unregelmäßig nachgekommen.
c) Diese erheblichen Schlechtleistungen haben auch in beiden Voraufträgen zu einer vorzeitigen Beendigung der Aufträge durch fristlose Kündigung von Seiten der Ag geführt. Die ASt hat den Kündigungen jeweils widersprochen. Eine gerichtliche Prüfung, die zur rechtskräftigen Feststellung der Rechtmäßigkeit der Kündigungen geführt hätte, ist bislang nicht erfolgt, jedoch für die Nachprüfung des von der Ag verfügten vergaberechtlichen Ausschlusses nach § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A auch nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass der Auftraggeber von der Schlechterfüllung Gewissheit hat, also eine Überzeugung gewonnen hat, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 – VII-Verg 7/18, juris-Rn. 49).
Hiervon ist auszugehen. Die oben genannten Umstände, nämlich die Nichtvornahme der Dämmarbeiten, einschließlich der von der Ag in ihrem Schreiben vom 20. März 2023 als ausführbar aufgeführten sieben Leistungen, selbst an solchen Stellen, an denen die ASt keine Bedenken angemeldet hatte, wie auch die Nichtteilnahme an den Jour fixes ohne tragfähige Entschuldigung, sind letztlich auch als Ergebnis der mündlichen Verhandlung als unstreitig feststehend anzusehen. Die Beurteilung dieser Umstände als erhebliche und fortdauernde Verletzung wesentlicher Anforderungen der vorangegangen Aufträge steht auch aus Sicht der Vergabekammer entsprechend den vorstehenden Ausführungen nicht ernsthaft in Zweifel.
Soweit die ASt in der mündlichen Verhandlung Zweifel an der Gewissheit der Ag geäußert hat, weil insbesondere ihr Vorbringen zur Nichtteilnahme an den Jour fixes den Kündigungen nicht zugrunde gelegen habe, sondern erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens nachgeschoben worden sei, geht dieser Einwand fehl. Die Ag hat bereits in ihrem Schreiben vom 20. März 2023 die Nichtteilnahme der ASt an den Jour fixes als Verstoß gegen die Kooperationspflicht abgemahnt und die ASt zur Abhilfe aufgefordert. Im Zusammenhang mit der diesem Aspekt vorangegangenen Aufforderung an die ASt, die von der Ag benannten übrigen Leistungen fortzuführen bzw. aufzunehmen und die Baustelle angemessen zu besetzen, hatte die Ag zudem auf die Möglichkeit der Kündigung bei fruchtlosem Ablauf der insoweit gesetzten Frist explizit hingewiesen. Für einen verständigen Empfänger dieses Schreibens war damit ohne Weiteres ersichtlich, dass auch die von der Ag zusätzlich angemahnte unbedingte Erfüllung der vertraglichen Nebenpflichten für den Fortbestand des Auftrags relevant war.
Es ist auch nicht davon auszugehen, der Ag habe die für den Ausschluss nötige Gewissheit gefehlt, weil sie im Schreiben vom 20. März 2023 die ASt einerseits zur Abgabe eines Nachtragsangebots bis zum 27. März 2023 und andererseits die Besetzung der Baustelle bzw. Fortführung/Aufnahme der übrigen Arbeiten binnen derselben Frist gefordert habe. Diese parallelen Anforderungen waren für einen verständigen Empfänger nicht widersprüchlich, sondern unmissverständlich kumulativ zu verstehen. Die Ag hat im Schreiben vom 20. März 2023 explizit darauf hingewiesen, dass bei fruchtlosem Ablauf der Frist für die Besetzung der Baustelle und den Beginn bzw. die Fortführung der benannten sieben Leistungen mit der Kündigung des Vertrages zu rechnen sei. In diesem Zusammenhang hat die Ag zudem darauf hingewiesen, dass sie Zweifel an der Leistungsfähigkeit der ASt habe. Für einen verständigen Empfänger dieser Informationen war damit ohne Weiteres ersichtlich, dass die Ag unabhängig von der Nachtragsthematik entsprechend vorgehen werde, weil sie auf der Grundlage ihrer Darlegungen davon ausging, dass die ASt nicht vertragskonform leiste und ein weiteres Zuwarten nicht akzeptieren werde. Die folgenden Ausführungen im Schreiben vom 20. März 2023 zur bemängelten Nichtteilnahme der ASt an den Jour fixes stützen diesen Eindruck.
d) Die Ag hat bei der Entscheidung über den Ausschluss der ASt ihr Ermessen pflichtgemäß ausgeübt.
Der grundsätzlichen Ausübung von Ermessen hinsichtlich der Frage, ob die vorangegangenen Kündigungen zweier Auftragsverhältnisse zum Ausschluss der ASt führen sollen, steht nicht entgegen, dass im von der Ag verwendeten Fragebogen zur Eignungsprüfung im Erläuterungstext zu Ziffer […] – Schwere Verfehlung gem. § 124 GWB noch der Klammerzusatz „zwingender Ausschlussgrund“ angegeben ist. Die Ag hat insoweit erklärt, dass es sich um einen Programmierfehler des Herstellers der entsprechenden Software handelt, die Ag habe hier ihr Ermessen ausgeübt und sei nicht von einem zwingenden Ausschlussgrund ausgegangen.
Entscheidend kann es hier auch nur darauf ankommen, ob sich aus der Vergabeakte dokumentierte Ermessenserwägungen ergeben, nicht hingegen darauf, ob ein vorgegebener Formulartext richtig oder falsch ist. Aus der Vergabeakte lässt sich unmissverständlich entnehmen, dass die Ag hinsichtlich des Ausschlusses der ASt Ermessenserwägungen angestellt hat. So findet sich schon im vorbereitenden Vermerk vom 26. Juni 2023 nicht nur eine ausführliche Sachverhaltsdarstellung und Begründung der Kündigung beider Voraufträge, sondern insbesondere auch eine Prognose zur (nicht) zu erwartenden zukünftigen Vertragserfüllung durch die ASt. Wäre die Ag davon ausgegangen, dass das Vorliegen vorangegangener Vertragskündigungen aufgrund Nichterfüllung wesentlicher Verpflichtungen einen zwingenden Ausschlussgrund darstellt, wären solche weiteren Überlegungen nicht erforderlich gewesen. Auch der weitere Vermerk vom 27. Juni 2023 enthält unter […] eine (negative) Prognose und rät von der Beauftragung dieses Angebotes ab, was sich bei Annahme eines zwingenden Ausschlussgrundes erübrigen würde. Die beiden abschließenden Vermerke vom 3. und 4. Juli 2023 nehmen jeweils auf die Prognose Bezug und führen Argumente auf, um die Ausschlussentscheidung zu begründen. Insoweit ist sichergestellt, dass die Ag hier eine Entscheidung getroffen hat, ohne fehlerhaft von einer Bindung infolge eines zwingenden Ausschlussgrundes auszugehen. Der von der ASt insoweit behauptete Fehler liegt somit nicht vor.
Das Ermessen ist auch sachgerecht ausgeübt worden. Insbesondere ist nicht deshalb von einer unvollständigen Sachverhaltsermittlung der Ag auszugehen, weil im Vermerk vom 26. Juni 2023 der Sachverhaltsteil nicht sämtliche Kontakte zwischen Ag und ASt aufführt. So betreffen die von der ASt als unberücksichtigt monierten Kontakte den in der Sachverhaltsdarstellung unter „Detailabstimmungen zur zweiten Dichtungsebene“ dargestellten Zeitraum. Entscheidend für die Darstellung der Kündigung des ersten Vertragsverhältnisses betreffend die Dämmarbeiten ist in dieser Sachverhaltsdarstellung dann jedoch der unter „Formaler Ablauf bis zur Kündigung“ beschriebene Ablauf, der u.a. die Abhilfeaufforderung vom 9. März 2023, die Mahnung vom 14. März 2023 und das Schreiben vom 20. März 2023 enthält, in dem die Ag u.a. ausdrücklich zur Durchführung der übrigen Arbeiten auffordert, die von den Streitigkeiten betreffend die korrekte Anbindung der Dämmung an Fensterbänke und Gesimse nicht betroffen sind. Im Vermerk auf […] wird dann ausgeführt: „Die wesentlichen Gründe der Kündigung waren, die unberechtigte Leistungsverweigerung (wirksame Behinderungsanzeigen liegen nicht vor) sowie die Weigerung an den wöchentlichen Jour-fixe Terminen teilzunehmen, so dass die Arbeiten nicht mit den anderen vor Ort tätigen Gewerken koordiniert werden konnten.“ Die Aufzählung weiterer Schreiben der ASt zur Frage der korrekten Anbindung der Dämmung an den nach Ansicht der ASt bestehenden Problemstellen Fensterbänke und Gesimse hätte nichts daran geändert, dass Behinderungsanzeigen jedenfalls hinsichtlich der von der Ag mit Schreiben vom 20. März 2023 nochmals ausdrücklich zusammengestellten übrigen sieben Arbeitsbereichen nicht vorlagen und eine Teilnahme an den Jour fixes nicht wie geschuldet erfolgt ist. Insoweit ist die Sachverhaltsdarstellung in der Vergabeakte sachgemäß.
Auch im Übrigen hat die Ag ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt. Die Ag stellt auf die von ihr ausgesprochenen Kündigungen ab und auf unterbliebene Maßnahmen der ASt, die für den jetzt ausgeschriebenen Auftrag eine möglichst reibungslose Durchführung erwarten lassen. Unschädlich ist insoweit, dass die Prognoseentscheidung abwertende Urteile zur ASt enthält wie „nicht leistungsfähig“ und „nicht leistungswillig“ oder „unzuverlässig“. Dies belegt entgegen der Auffassung der ASt nicht, dass die Ag zum Zeitpunkt der Prognoseentscheidung die Ausschlussentscheidung bereits getroffen hatte, sondern begründet vielmehr diese Ausschlussentscheidung. Schließlich hatte die Ag bereits in ihrem Schreiben vom 20. März 2023 Zweifel an der Leistungsfähigkeit der ASt geäußert und dies schlüssig mit den von der Ag aufgeführten übrigen Leistungen begründet, die die ASt habe ausführen können, dies aber nur unzureichend getan habe. Die ASt hatte es nach der hierfür gesetzten Frist bis zum 27. März 2023 in der Hand gehabt, den explizit geäußerten Verdacht der Ag, die ASt sei möglicherweise nicht leistungsfähig, zu zerstreuen, indem sie gemäß der Aufforderung der Ag die Arbeiten aufgenommen bzw. fortgeführt und die Baustelle angemessen besetzt gehabt hätte. Zu Recht hat die Ag auch die Folgen für das Gesamtbauvorhaben, wie längere Standzeiten für Gerüste, Arbeitsunterbrechung im Tiefbau, Vorhaltekosten für z.B. Rollläden, Schadensrisiko für das Gebäude durch Schwitzwasser sowie erhöhte Heizkosten einfließen lassen.
e) Die Entscheidung, die ASt vom Vergabeverfahren auszuschließen, ist unter Berücksichtigung der Schwere der Pflichtverletzung wie auch des Ausmaßes des dadurch verursachten Schadens verhältnismäßig.
Die ASt hat es unterlassen, selbst die „unstreitigen“ Arbeiten, gegen deren Durchführung sie keine fachlichen Bedenken angemeldet hat, durchzuführen. Dies trotz mehrfacher Aufforderung der Ag, mit den Arbeiten zu beginnen, wobei die Möglichkeit der ggf. auch nur teilweisen Durchführung ebenfalls ausdrücklich im Raum stand. Die Aufforderung der Ag in ihrem Schreiben vom 20. März 2023, die ASt möge mit den dort genannten sieben Leistungen beginnen bzw. diese fortführen und die Baustelle angemessen besetzen, ließen der ASt entsprechenden Spielraum. Gleichzeitig hat die ASt zusätzliche Möglichkeiten, durch Teilnahme an den Jour fixe-Terminen zu einer Problemlösung zu finden oder jedenfalls die Auswirkungen auf die restlichen Bauarbeiten durch Absprachen hinsichtlich der zu erwartenden Verzögerungen zu minimieren, ohne tragfähige Entschuldigung ausgelassen. Die Ag hatte der ASt im Schreiben vom 20. März 2023 eine zusätzliche Frist bis zum 3. April 2023 gesetzt, um die Teilnahme an den regelmäßigen Jour fixeTerminen sicherzustellen. Dass die Ag die Mitteilung der ASt in ihrer E-Mail vom 28. März 2023, sie halte bis zur weiteren Klärung eine Teilnahme für nicht erforderlich, als eine Verweigerung der der ASt eingeräumten Abhilfemöglichkeit eingeordnet und im Hinblick auf die Kündigung des Dämmauftrags berücksichtigt hat, ferner vor diesem Hintergrund keine Basis für eine vertrauensvolle und zuverlässige Zusammenarbeit mit der ASt in einem auf das streitgegenständliche Vergabeverfahren zu erteilenden Auftrag sah, ist keine unangemessene Vorgehensweise. Die Auswirkungen des Verhaltens der ASt sind in Bezug auf die gekündigten Voraufträge wie bereits dargestellt erheblich. Die Ag hat vor diesem Hintergrund eine Prognose angestellt, nach der sie nachvollziehbar zu der Einschätzung gelangt, dass der ASt eine hinreichende Zuverlässigkeit fehlt, im hier streitgegenständlichen Auftrag mangel- bzw. verzögerungsfrei zu leisten bzw. mit dem Auftraggeber hinreichend zu kooperieren. Wenn der Auftraggeber – wie hier – keine Gewähr für ein kooperatives Zusammenarbeiten infolge der mit hinreichender Gewissheit bejahten Schlechtleistungen und ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen sieht, ist ein Ausschluss nicht unangemessen. Dies auch unter Berücksichtigung der Folgen einer weiteren Verzögerung der Arbeiten, die von einem gemäß der Prognose als unzuverlässig einzuschätzenden Unternehmen ausgehen könnte. Insoweit hat die Ag in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargelegt, dass in angrenzenden sanierungsbedürftigen Altbauten zahlreiche Mieter auf den Umzug in die fertigzustellenden Wohnungen warten. In Anbetracht dieser Umstände erscheint der Ausschluss der ASt auch bei Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses der ASt am Auftrag als verhältnismäßig.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1, 2 und 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 VwVfG.
Die Kosten (Gebühren und Auslagen) wie auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Ag sind der ASt aufzuerlegen, da sie im Verfahren unterliegt.
Die Bg hat sich nicht am Verfahren beteiligt und ist damit kein Kostenrisiko eingegangen. Es entspricht daher der Billigkeit, ihr auch keinen Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich ihrer notwendigen Aufwendungen zuzugestehen.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Ag war notwendig. Diese Frage ist nicht schematisch, sondern auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalls zu entscheiden. Maßgeblich ist hier, ob die Ag in der Lage gewesen wäre, das für eine sinnvolle Rechtsverteidigung Gebotene gegenüber der Vergabekammer selbst vorzubringen. Hinsichtlich auftragsbezogener Sach- und Rechtsfragen hat sich die Vergabestelle die erforderlichen Rechtskenntnisse zu verschaffen und bedarf daher grundsätzlich keiner anwaltlichen Unterstützung. Vorliegend ist der Ausschluss eines Bieters aufgrund vorheriger Schlechtleistungen zu prüfen. Dabei handelt es sich im Ausgangspunkt um eine Frage, die in jedem Vergabeverfahren auftreten kann und die daher als zum originären Aufgabengebiet einer Vergabestelle zugehörig zu qualifizieren ist. Besonders zu berücksichtigen ist, dass die Ag über ein eigenes Justiziariat verfügt, welches auch die mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer begleitet hat. Gleichzeitig ist jedoch zu berücksichtigen, dass für die Prüfung des Ausschlussgrundes des § 6e EU Abs. 6 Nr. 7 VOB/A auch außervergaberechtliche Fragestellungen zu beantworten waren, da die Rechtmäßigkeit der beiden vorangegangenen Kündigungen nicht gerichtlich bestätigt war. Erforderlich war für die Ag daher eine Entscheidung in der komplexen Gemengelage von Vergaberecht und Bauvertragsrecht unter Berücksichtigung der für das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes erforderlichen Sicherheit hinsichtlich des Vorliegens der Schlechtleistungen. Dies stellt eine besondere Schwierigkeit des vorliegenden Falles dar und rechtfertigt die Zuziehung spezialisierter anwaltlicher Bevollmächtigter. Auch der Grundsatz der prozessualen Waffengleichheit zur ebenfalls anwaltlich vertretenen ASt stützt dieses Ergebnis.
IV.
Gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung der Entscheidung beginnt, schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf – Vergabesenat – einzulegen.
Die Beschwerdeschrift muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die Beschwerde ist bei Gericht als elektronisches Dokument einzureichen. Dieses muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden. Dies gilt nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind. Ist die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird, und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.
Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist. Hat die Vergabekammer den Antrag auf Nachprüfung abgelehnt, so kann das Beschwerdegericht auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängern.
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