Vergabekammer Westfalen, Az.: VK 1 – 31/23, Beschluss vom 27.10.2023 – Bodenbelagsarbeiten, produktneutrale Ausschreibung, Leitfabrikat

Okt 27, 2023 | Nachrichten, Rechtsprechung

Vergabekammer Westfalen

Aktenzeichen: VK 1 – 31/23

Beschluss vom 27.10.2023

 

In dem Nachprüfungsverfahren wegen der Vergabe von Bodenbelagsarbeiten

VK 1 – 31/23

pp.

hat die Vergabekammer Westfalen durch den Vorsitzenden Gaidies-Grundmann, den hauptamtlichen Beisitzer Spinzig und die ehrenamtliche Beisitzerin Reddemann auf die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2023

am 27. Oktober 2023 entschieden:

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf die Vergabeunterlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu ändern und eine neue, angemessene Angebotsfrist festzulegen.

2. Die Kosten des Verfahrens werden auf XXXX,€ festgesetzt.

3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten der Antragstellerin.

4. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Gründe:

I.

Mit EU-Bekanntmachung vom 03.08.2023 schrieb die Antragsgegnerin Bodenverlege- und Bodenbelagsarbeiten in einem europaweiten, offenen Verfahren aus. Im Leistungsverzeichnis wurde näher beschrieben, dass es um die Lieferung und den Einbau eines Sportbodens in der ebenfalls neu zu errichtenden und separat vergebenen Mehrzweckhalle mit Anbau in unmittelbarer Nähe einer bestehenden Schule gehen sollte. Der Auftragswert wurde mit ca. XXXXXX,EUR angegeben. Laut Vergabevermerk handelt es sich um eine geförderte Maßnahme, zu der bereits Zuwendungsbescheide aus dem Jahr 2020 vorliegen.

Ausweislich der Vergabeunterlagen ergibt sich aus einer internen Kommunikation, dass keine Eignungskriterien gefordert werden. In der EU-Bekanntmachung wurden die entsprechenden Ziffern III.1.1) ff. nicht ausgefüllt. Andererseits wurde im Formblatt 211 EU unter C) gefordert, dass das Formblatt 124 (Eigenerklärung zur Eignung) mit dem Angebot einzureichen ist. Daneben stand dezidiert unter Ziff. 7 im Formblatt 212 EU (Teilnahmebedingungen für die Vergabe von Bauleistungen), welche Nachweise Unternehmen einzureichen haben. Entsprechende Anforderungen stehen ebenfalls im Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen (Formblatt 216), dort unter Ziff. 1.2 (Unterlagen, die mit dem Angebot abzugeben sind) beispielsweise „Angabe der PQ-Nummer im Angebotsschreiben oder Formblatt Eigenerklärung zur Eignung oder Einheitliche Europäische Eigenerklärung“ und Ziff. 2 (Unterlagen, die auf Verlangen der Vergabestelle vorzulegen sind).

Weiter ist in der EU-Bekanntmachung unter Ziff. II.2.10) unter der Überschrift „Angaben über Varianten/Alternativangebote“ festgelegt, dass Varianten/Alternativangebote nicht zulässig sind („nein“). Unter Ziff. II.2.11 („Angaben zu Optionen“) steht, dass Nebenangebote nur bei Abgabe eines Hauptangebotes zulässig sind. In den weiteren Vergabeunterlagen ist unter Ziff. 6.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Formblatt 211 EU) festgesetzt, dass Nebenangebote nur in Verbindung mit einem Hauptangebot zugelassen sind. Gem. Ziff. 4.1 der Teilnahmebedingungen (Formblatt 212 EU) müssen Nebenangebote die geforderten Mindestanforderungen erfüllen, was mit Angebotsabgabe nachzuweisen ist. In den Vergabeunterlagen stehen keine weiteren Mindestanforderungen an Nebenangebote.

Im Leistungsverzeichnis unter der Position 36.02.08 („Sportbodenkonstruktion mit Oberbelag“) gab die Antragsgegnerin u. a. bezüglich „Oberbelag aus Vinyl“ vor:

„Elastischer PVC-Bodenbelag nach EN 649, mit einer ungefüllten Nutzschicht und einer zusätzlichen Glasfaser-Gittergewebeeinlage. […]

Materialeigenschaften:

Gesamtdicke: mind. 2,0 mm

Dicke der Nutzschicht: mind. 1,0 mm!!

Resteindruck: ca. 0,03 mm Verschleißgruppe EN 649: T

Ungefüllte Nutzschicht

Trittschallverbesserung mind. 8 dB

Rutschhemmung R10“.

Des Weiteren führte sie dort aus:

„Farbe nach Wahl des Auftraggebers aus preisgleicher Farbkollektion des angebotenen Oberbelages

Richtqualität Oberbelag: [„Richtqualität“; anonymisiert durch die Vergabekammer] oder gleichwertig.“

Ferner wurde im Vergabevermerk unter „8. Vermerk zu Produkten/Leistungen“ wörtlich festgehalten: „Bei der Beschreibung der Leistung wird aus allgemeinverständlichen Gründen ein Leitfabrikat vorgegeben. Da aber gleichwertige Erzeugnisse bzw. Verfahren auf dem Markt vorhanden sind, wird in den entsprechenden Positionen die Option zur Angabe eines gleichwertigen Produktes eingeräumt.“

Die Frist für den Eingang der Angebote wurde ursprünglich auf den 04.09.2023, 8:00 Uhr festgelegt, im Zuge des Nachprüfungsverfahrens jedoch verlängert.

Die Antragstellerin wies die Antragsgegnerin mit E-Mail vom 10.08.2023 darauf hin: „in der LV-Position 36.02.08 Sportboden mit Oberbelag Vinyl fordern Sie in der Detailbeschreibung technische Eigenschaften, welche nur von dem angegebenen Richtfabrikat und einem Hersteller erfüllt werden. Somit liegt eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung vor.“ Weiter schrieb die Antragstellerin: „Im Detail ist dies folgende Vorgabe: Dicke der Nutzschicht mind. 1 mm. Speziell die Nutzschichtdicke von 1 mm in Verbindung mit einem Glasfasergitter als Trägerschicht wird nur von einem Produkt / Hersteller [Richtqualität] erfüllt. Somit können keine Produkte anderer Hersteller angeboten werden und die Vergleichbarkeit gemäß VOB ist nicht gegeben, wodurch ein Verstoß gegen die VOB vorliegt.“

Darüber hinaus empfahl die Antragstellerin statt der 1 mm „mind. 0,7 mm“ zu fordern, damit gleichwertige Angebote möglich und ein Wettbewerb gemäß VOB gegeben sei. Alternativ könnten auch hochwertige, homogene Vinylbeläge ohne Glasfasergitter mit einer Nutzschichtstärke von 2 mm zugelassen werden. Ohne entsprechende Änderung der Vorgaben zum Oberbelag sei die Ausschreibung aufzuheben.

Auf diese E-Mail antwortete die Antragsgegnerin mit Nachricht an alle Bietenden zu den sie erreichten „Fragen“ am 14.08.2023 mit den folgenden Ausführungen: „Wir haben Ihre Einwände technisch und rechtlich geprüft und müssen Ihnen mitteilen, dass wir an unserer Leistungsbeschreibung festhalten und daher keine Änderung oder Aufhebung des Vergabeverfahrens beabsichtigten.“ Zur Begründung führte sie aus, dass die ausgeschriebenen Eigenschaften des Sportbodens zum einen auf dem Farb- und Materialkonzept der Planung beruhten, zum anderen sei eine Nutzschicht von 1 mm und dem eingebetteten Glasfaser-Gittergewebes den hohen Anforderungen an die Qualität, der hohen Strapazierfähigkeit bei Belastungen, der Langlebigkeit und Pflegeleichtigkeit des Materials geschuldet. „Bei einer Reduzierung der Nutzschicht um ca. 30% ist die technische Gleichwertigkeit nicht gegeben. Das angestrebte Ziel der Strapazierfähigkeit und Langlebigkeit des Sportbodens kann mit einer so stark verringerten Dicke der Nutzschicht nicht erreicht werden“, so die Ausführungen der Antragsgegnerin.

Am 29.08.2023 hat die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Westfalen eingereicht.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass ein Verstoß gegen das Gebot der Produktneutralität gemäß § 7 EU Abs. 2 VOB/A vorliege. Dieses besage, dass öffentliche Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen produktspezifische Angaben machen dürfen. Dieser Fall liege hier nicht vor.

Das Gebot zur produktneutralen Leistungsbeschreibung sei eine Ausprägung des Wettbewerbsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 1 S. 1 GWB. Die öffentliche Hand gebe fremde Gelder (Steuergelder) aus, hier konkret aufgrund der Förderung sogar fremde Fördermittel aus öffentlicher Hand. Ziel des europäischen Vergaberechts sei es unter anderen, dass so viele Wettbewerber wie möglich von den Beschaffungsvorhaben der öffentlichen Hand profitieren sollten, indem ein möglichst großer Bieterkreis zumindest eine faire Chance erhalte, wertungsfähige Angebote unterbreiten zu können. Jede Einschränkung des Wettbewerbs, in besonderem Maße durch die Angabe eines konkreten Produkts, sei vor diesem gesetzgeberischen Ziel kritisch zu sehen und eng auszulegen. Schon allein die Nennung eines Produkts oder Herstellers sei grundsätzlich unzulässig, weil dieses Produkt oder dieser Hersteller eben alleine durch seine namentliche Nennung bevorzugt werde.

§ 7 EU Abs. 2 VOB/A sehe zwei getrennte, sich gegenseitig ausschließende Ausnahmefälle vor, in denen ein konkretes Produkt ausnahmsweise genannt werden dürfe. Nach § 7 EU Abs. 2 S. 1 VOB/A sei dies ausnahmsweise zulässig, wenn es durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Alternativ sei nach § 7 EU Abs. 2 S. 2 VOB/A ein Verweis auf ein bestimmtes Produkt ausnahmsweise auch dann zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann, wobei – nur in dieser Fallgruppe – der Verweis mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen ist. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegnerin habe die Voraussetzungen für das Vorliegen dieser Ausnahmetatbestände nicht dargelegt und nicht nachgewiesen.

Die Rechtsprechung ziehe enge Grenzen für § 7 EU Abs. 2 S. 2 VOB/A. Dies sei nur in den seltenen Fällen denkbar, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemein verbindliche Bezeichnungen nicht möglich sei. S. 2 verlange, dass die Anforderungen an die Lieferung oder Leistung objektiv ausschließlich durch Bezugnahme auf das „Leitprodukt oder -verfahren“ beschrieben werden könnten. Die Voraussetzungen seien voll überprüfbar, die Vergabestelle habe insoweit kein Ermessen. Ein sog. „Leitprodukt“ dürfe benannt werden, wenn es nahezu unmöglich sei, mit allgemein verständlichen Worten den Leistungsgegenstand eindeutig und umfassend zu beschreiben. Auf den damit verbundenen Aufwand bei der Leistungsbeschreibung komme es dabei nicht an. Diese Situation komme tatsächlich nur selten vor, auch wenn in der Praxis die Angabe eines Leitprodukts eher die Regel sei. Eine solche besondere Ausnahmesituation liege in dem hier streitgegenständlichen Sachverhalt nicht vor.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass keine hinreichende Dokumentation der Gründe im Vergabevermerk und im Nachprüfungsverfahren vorliege. Die Antragsgegnerin müsse die Gründe, die sie für einen Ausnahmetatbestand im Sinne des § 7 EU Abs. 2 VOB/A anführen will, dokumentieren. Die bloße Wiedergabe des Wortlautes der Norm reiche nicht aus. Die pauschalen Ausführungen zur Produktangabe im Vergabevermerk seien kein tauglicher Versuch, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 EU Abs. 2 S. 2 VOB/A für jede einzelne LV-Position gesondert zu dokumentieren.

Selbst wenn die Voraussetzungen des § 7 EU Abs. 2 S. 2 VOB/A erfüllt wären, sei die Kombination mit den weiteren Vorgaben in der LV-Position 36.02.08 deshalb unzulässig, weil es kein weiteres Produkt als das Leitfabrikat gebe, welches alle Anforderungen in Summe erfüllte. Die Antragstellerin sei seit mehreren Jahrzehnten Expertin in dem Segment der Sportböden und verfüge daher über ein dahingehendes Fachwissen. In dem spezifischen Bereich der „Sportböden“ seien der Antragstellerin keine anderweitigen Produkte auf dem Markt bekannt, die alle Anforderungen, ganz konkret in Verbindung mit der Nutzschicht des Oberbelags von mindestens 1,0 mm aufwiesen. Auch das von der Antragsgegnerin nachträglich genannte Produkt „[…]“ erfülle nicht alle weiteren Voraussetzungen, die im Leistungsverzeichnis aufgestellt seien.

Darüber hinaus könne sich die Antragsgegnerin für die namentliche Nennung des Produkts in Verbindung mit der Vorgabe zur Nutzschichtdicke von mind. 1,0 mm in der LV-Position 36.02.08 auch nicht auf § 7 EU Abs. 2 S. 1 VOB/A berufen. Die LV-Position 36.02.08 bestimme ausdrücklich für die „Richtqualität Oberbelag“ „[Richtqualität] oder gleichwertig“ und beschränke sich wegen des Zusatzes „oder gleichwertig“ erkennbar auf den Ausnahmetatbestand nach § 7 EU Abs. 2 S. 2 VOB/A.

Alle Erwägungen, die die Antragsgegnerin im Hinblick auf § 7 EU Abs. 2 S. 1 VOB/A anstelle, seien aus Sicht der Antragstellerin schon deshalb gegenstandslos, weil sie sich nicht auf das hier allein maßgebliche Leistungsverzeichnis bezögen, in dem eindeutig und unmissverständlich der Zusatz „oder gleichwertig“ steht. Liege ein sachlicher Rechtfertigungsgrund nach § 7 EU Abs. 2 S. 1 VOB/A vor, sei der Zusatz „oder gleichwertig“ unzulässig, weil der Auftraggeber maßgeblich Spielräume suggeriere und damit möglicherweise sogar Angebote initiiere, die wegen unzulässiger Änderung am Leistungsverzeichnis aus formalen Gründen ausgeschlossen werden müssten.

Eine Produktvorgabe liege vor, wenn es dem öffentlichen Auftraggeber genau auf ein bestimmtes Produkt ankomme, welches auch nicht wie bei der Angabe eines Leitfabrikats durch ein anderes ersetzt werden könne. Eine Produktvorgabe liege ebenso vor, wenn der öffentliche Auftraggeber durch eine Vielzahl von Vorgaben praktisch nur ein spezifisches Produkt ausschreibe, weil nur ein einziges Produkt allen Vorgaben gerecht werden könne.

Rein vorsorglich trägt die Antragstellerin vor, dass auch die Voraussetzungen des § 7 EU Abs. 2 S. 1 VOB/A nicht vorlägen. Zum einen sei die Bestimmung des Beschaffungsbedarfs durch Einschränkung auf Produkte mit einer Nutzschichtdicke des Oberbelags von mind. 1,0 mm sachlich nicht gerechtfertigt. In der Vergabeakte selbst gebe es keine Dokumentation der Antragsgegnerin für die Vorgabe von mind. 1,0 mm. Es sei lediglich sehr pauschal und LV-übergreifend festgestellt, dass „aber gleichwertige Erzeugnisse bzw. Verfahren auf dem Markt vorhanden sind“. Die objektive Richtigkeit dieser Behauptung, dass es gleichwertige Erzeugnisse auf dem Markt gäbe, bestreite die Antragstellerin weiterhin. Auch habe die Antragsgegnerin selbst eingeräumt, dass es ihr „nicht möglich ist abzuschätzen, ob auf dem europäischen Markt andere gleichwertige Fabrikate existierten“. Somit sei die ursprüngliche Dokumentation in der Vergabeakte sachlich falsch, weil die Antragsgegnerin dort als uneingeschränkte Tatsachenbehauptung dokumentiert hatte, dass gleichwertige Erzeugnisse auf dem Markt vorhanden seien, später jedoch einräume, diese Behauptung vorher gar nicht geprüft zu haben.

Soweit die Antragsgegnerin nunmehr nachträglich Gründe anführe, verweist die Antragstellerin darauf, dass es dem Auftraggeber zwar gestattet sei – auch im laufenden Nachprüfungsverfahren –, die im Vergabevermerk angeführten Gründe zu präzisieren. Nicht bzw. nur sehr eingeschränkt möglich sei demgegenüber das erstmalige Anführen von neuen Begründungsansätzen. Diese engen Voraussetzungen hinsichtlich neuer Begründungsansätze seien vorliegend nicht erfüllt.

Erstmals im Nachprüfungsantrag selbst beanstandete die Antragstellerin die folgenden Gesichtspunkte:

Verschleißgruppe EN 649 T. Bereits im Oktober 2010 sei die neue internationale Spezifikation für heterogene PVC-Beläge, EN 10582, veröffentlicht worden, welche im April 2012 in Kraft getreten sei und die EN 649 ersetzt habe. Eine nicht mehr gültige Norm zu fordern, um dann womöglich Produkte ausschließen zu können, welche diese nicht erfüllen, sei ein gravierender Vergaberechtsverstoß. Die Firma des [Richtqualität] weise in diesem Zusammenhang in ihrem technischen Datenblatt mit Stand 02/23 auch nicht mehr die genannte Verschleißgruppe aus, sondern den Bindemittelgehalt nach EN ISO 10582. Der dort ebenfalls genannte Typ I sei die höchste Stufe. Gehe es der Antragsgegnerin also um die Langlebigkeit und Strapazierfähigkeit, so sei dies in der Norm klar geregelt. Bindemittelgehalt und Einstufung als Typ I seien die höchste Stufe, unabhängig von einer Nutzschichtdicke von 0,7 oder 1,0 mm.

Rutschhemmung R10. Die Rutschhemmung sei u. a. bei elastischen Bodenbelägen von Bedeutung, wenn diese im Objekt- und/oder Arbeitsbereich eingesetzt werden. Die Klasse R10 lege einen Neigungswinkel von > 10° 19° fest, welcher z. B. in sanitären Räumen, Sozialräumen oder gewerblich genutzten Lagerräumen relevant sei. Für einen Sportboden sei dieser Wert hingegen nicht relevant, weil Sportböden immer eben eingebaut würden, und zwar nach erhöhten Ebenheitsanforderungen. Werde der Belag als Sportbodenbelag eingesetzt, so sei das sogenannte Gleitverhalten in den Normen DIN V 18032-2 und DIN EN 14904 geregelt, in denen auch andere Parameter festgelegt seien, die ein Sportbodenbelag zu erfüllen habe. Hier also eine technische Eigenschaft zu fordern, welche mit dem Einsatzzweck des Belages nichts zu tun hat, um somit ggfs. Produkte mit der Einstufung R9 auszuschließen, sei unzulässig.

Ergänzend trägt die Antragstellerin diesbezüglich unter dem 01.09.2023 vor, dass von ihr auch die Forderung nach dem Gleitverhalten/Rutschsicherheit gerügt worden sei. Sie nimmt in diesem Zusammenhang Bezug auf die an sie gerichtete E-Mail des Instituts für Sportstättenprüfung vom 29.08.2023. Der Inhalt dieser E-Mail bestätige, dass die Rutschsicherheit bzw. der sogenannte Gleitreibungsbeiwert in der DIN V 18032-2 und DIN EN 14904 geregelt seien, die im vorliegenden Verfahren Anwendung fänden. Darüber hinaus sei eine andere Vergabestelle in einem anderen Vergabeverfahren mit identischem Sachverhalt nach ursprünglichem Ausschluss des Angebots der Antragstellerin auf deren Rüge hin später zu dem Ergebnis gekommen, dass gegen die Produktneutralität verstoßen worden sei. Die Vergabestelle habe daraufhin das Leistungsverzeichnis grundlegend geändert.

Trittschallverbesserung mind. 8 dB. Auch hier werde nach Ansicht der Antragstellerin eine technische Anforderung zu Grunde gelegt, welche für den Einsatzzweck des Belags als Sportbodenbelag nicht geregelt sei. In DIN V 18032-2 und DIN EN 14904 gebe es kein Messverfahren, mit welchem das Trittschallverbesserungsmaß ermittelt werden muss. Der Sportbodenbelag werde immer auf einer elastischen Konstruktion verklebt und nicht auf einem Estrich/Beton. Das Messverfahren, welches den Trittschall bzw. die Verbesserung bemesse, finde keine Anwendung. Sportböden und deren Unterbau würden in der Regel immer auf einer Rohbetonsohle aufgebaut. Um den Trittschall bzw. die Verbesserung nach EN ISO 717-2 zu messen, bedürfte es einer Geschossdecke, unter der im darunterliegenden Raum zuerst ohne Bodenbelag gemessen würde. Im Anschluss würde die Messung dann mit einem Bodenbelag erfolgen. Die Differenz der Messergebnisse ergäbe dann die Verbesserung/Verschlechterung.

Schließlich ist die Antragstellerin der Auffassung, dass Verstöße gegen § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 S. 1 und S. 4 lit. b) VOB/A vorlägen, indem ausweislich der unklaren und widersprüchlichen Angaben zu Nebenangeboten und den Schriftsätzen der Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren nicht mehr ersichtlich sei, welche Prüfungen die Antragsgegnerin bei Abweichungen von Einzelwerten im LV vornehmen werde. Die Nebenangebote sind gem. Ziff. II.2.10 der EU-Bekanntmachung unter der Überschrift „Angaben über Varianten/Alternativangebote“, dem einzig richtigen Ort für die Angabe zu Nebenangeboten, ausdrücklich („nein“) nicht zugelassen. Widersprüchlich werde die EU-Bekanntmachung soweit in Ziff. II.2.11 unter einer anderen Überschrift „Angaben zu Optionen“ und insoweit unerwartet stehe, dass Nebenangebote nur bei Abgabe eines Hauptangebotes zulässig seien. Davon abweichend und ebenfalls unklar seien die Angaben in den Vergabeunterlagen. Gem. Ziff. 6.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe (Formblatt 211 EU) seien Nebenangebote zugelassen, aber nur in Verbindung mit einem Hauptangebot. Gem. Ziff. 4.1 der Teilnahmebedingungen (Formblatt 212 EU) müssten Nebenangebote die geforderten Mindestanforderungen erfüllen, was mit Angebotsabgabe nachzuweisen sei. In den Vergabeunterlagen stünden jedoch keine weiteren Mindestanforderungen an Nebenangebote.

Darüber hinaus verstoße die Antragsgegnerin durch widersprüchliche Angaben zu Eignungskriterien in der EU-Bekanntmachung und in den Vergabeunterlagen gegen ihre Pflicht zur eindeutigen und wirksamen Aufstellung von Eignungskriterien. In den Ziffern III.1.1 bis III.1.3 der EU-Bekanntmachung gebe es keine Angaben zu Eignungskriterien. Eignungskriterien müssten jedoch nach der Rechtsprechung in der EU-Bekanntmachung selbst und dürften nicht nur in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden. Der interne Verzicht der Antragsgegnerin ausweislich der Vergabedokumentation sei für die Bieter nicht erkennbar gewesen und für alle anderen Interessenten – außer der Antragstellerin – bis heute nicht erkennbar. Gem. C) der Aufforderung (Formblatt 211 EU) müsse das Formblatt 124 (Eigenerklärung zur Eignung) mit dem Angebot eingereicht werden. Gem. Ziff. 7 der Teilnahmebedingungen (Formblatt 212 EU) müssten präqualifizierte Unternehmen ihre PQ-Nummer angeben und nichtpräqualifizierte Unternehmen die „Eigenerklärung zur Eignung“ oder die EEE einreichen. Entsprechende Anforderungen stünden auch im Verzeichnis der im Vergabeverfahren vorzulegenden Unterlagen (Formblatt 216), dort Ziff. 1.2 (mit dem Angebot) und Ziff. 2 (auf Verlangen). Die Antragsgegnerin habe jedoch keine Eignungskriterien aufstellen wollen und dies ausweislich einer internen Kommunikation durch bloßes Freilassen der Felder in der EU-Bekanntmachung auch gegenüber den Bietern bekanntgegeben.

Die Antragstellerin beantragt:

1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf die Vergabeunterlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu ändern und eine neue, angemessene Angebotsfrist festzulegen.

2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten der Antragstellerin.

3. Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin wird für notwendig erklärt.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor, dass die Errichtung der neuen Mehrzweckhalle einer vielfältigen Nutzung als Sport- und Veranstaltungshalle diene. So solle die Halle durch lokale Sportvereine genutzt werden können, aber auch eine weitergehende Nutzung durch das lokale Vereinswesen, wie auch die Durchführung von Konzerten und Feiern seien beabsichtigt. Die Nutzung als Mehrzweckhalle sei aufgrund der Vorgaben des Fördermittelgebers vorgeschrieben. Die baulichen Anforderungen seien folglich vielfältig und müssten unterschiedlichen Bedürfnissen genügen, welche für die Zukunft nur bedingt abgesehen werden könnten. Der Vorbereitung der Ausschreibung seien intensive Abstimmungsprozesse über die verschiedenen Nutzungsarten und die hieraus resultierenden technischen Anforderungen vorausgegangen. Hierbei sei auch erörtert worden, wie eine möglichst hohe Produktqualität und Langlebigkeit untern den o. g. Nutzungsarten gewährleistet werden könne. Dabei sei auch ausdrücklich abgewogen worden, ob ein Sportboden mit einer Nutzschichtstärke von 0,7 mm ausreichend wäre. Dies sei ausdrücklich verneint worden.

Die Inhalte des Leistungsverzeichnisses unter der Ziffer 36.02.08, hier „Dicke der Nutzschicht: mind. 1,0 mm!!“ und „Richtqualität Oberbelag: [Richtqualität] oder gleichwertig.“ seien kein „Versehen“, sondern seien bewusst in die Ausschreibung übernommen worden, um die benötigten Qualitätsanforderungen deutlich zu machen. Ebenso bewusst sei indes kein spezifisches Fabrikat verpflichtend vorgegeben, sondern der Nachweis der Gleichwertigkeit anderer Fabrikate ausdrücklich zugelassen worden, da es der Antragsgegnerin nicht möglich sei abzuschätzen, ob auf dem europäischen Markt andere gleichwertige Fabrikate existieren. Angesichts der Vielfalt des Marktes sei dies aber wahrscheinlich, zumal die Antragsgegnerin nicht zu einer vorherigen Markterkundung verpflichtet gewesen sei.

Auch ohne eine solche Rechtspflicht habe eine nachträglich vorgenommene, erweiterte Markterkundung ein weiteres Fabrikat ergeben, welches als gleichwertig mit dem [Richtqualität] bewertet werden könne, nämlich das Produkt „[…]“, welches ebenfalls eine Nutzschichtdicke von 1,02 mm aufwiese. Damit sei dargelegt, dass hier kein verdecktes Alleinstellungsmerkmal eines bestimmten Produktes ausgeschrieben wurde und der Grundsatz der Produktneutralität angemessen gewahrt worden sei.

Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass der Nachprüfungsantrag bereits unzulässig sei.

Die Antragstellerin berufe sich in ihrem Vorbringen lediglich pauschal und ohne weitere Konkretisierung auf die vermeintlich fehlende Produktneutralität ohne darzulegen, inwieweit ihr hierdurch ein Schaden gemäß § 160 Abs. 2 S. 2 GWB entstanden ist oder zu entstehen droht. Ein solcher sei angesichts des Gesellschaftszweckes auch nicht anzunehmen. Wenn es sich bei der Antragstellerin um eine Herstellerin von Sportböden handeln sollte, wäre sie in der Lage, einen gleichwertigen Boden herzustellen. Handelte es sich hingegen um eine Händlerin bzw. einen Montagebetrieb spräche nichts dagegen, dass sie einen Sportboden mit den genannten Eigenschaften erwirbt und anbietet. Weder habe die Antragstellerin dargelegt, dass sie nicht in der Lage sei, das geforderte Produkt anzubieten, noch, dass ein solches Angebot für sie in irgendeiner Weise unwirtschaftlich sei. Der Antragstellerin fehle somit die Antragsbefugnis.

Ihr fehle auch hinsichtlich eines vermeintlichen Dokumentationsmangels die Antragsbefugnis, da ein Dokumentationsmangel allein nicht die Zuschlagschancen der Antragstellerin verschlechtere. Zwar sei die Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers zur ordnungsgemäßen Dokumentation als drittschützend anerkannt. Bei Verstößen gegen diese Pflicht sei aber durch den Antragsteller darzulegen, inwieweit hierdurch seine Zuschlagschancen verschlechtert würden. Daran fehle es hier.

Darüber hinaus sei die Antragstellerin nach Ansicht der Antragsgegnerin mit ihrem Vorbringen hinsichtlich der Vorgaben „Verschleißgruppe EN 649 T“, „Rutschhemmung R10“ sowie „Trittschallverbesserung mind. 8 dB“ gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB präkludiert. Sie habe es versäumt, diese Punkte rechtzeitig gegenüber der Antragsgegnerin zu rügen, obwohl diese bereits aus dem Leistungsverzeichnis erkennbar gewesen und offensichtlich vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erkannt worden seien. Im Übrigen sei auch hier nicht klar, worin die Rechtsverletzung der Antragstellerin bestehen solle, weshalb auch die Antragsbefugnis entfalle.

Die Antragsgegnerin ist ferner der Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag auch unbegründet sei.

Vorliegend sei bereits keine produktspezifische Ausschreibung eines bestimmten Fabrikats gegeben. Die Antragsgegnerin habe gerade kein bestimmtes Fabrikat zwingend vorgegeben, sondern lediglich auf ein Richtfabrikat verwiesen. Eine solche Beschreibung sei zulässig, sofern gleichwertige Fabrikate zugelassen würden. Daran bestünde hier kein vernünftiger Zweifel, da als Richtqualität ausdrücklich „[Richtqualität] oder gleichwertig“ gefordert sei. Daran änderte es auch nichts, dass die vorgegebene Dicke der Nutzschicht von mindestens 1,0 mm auch durch das als Richtqualität vorgegebene [Richtqualität] erfüllt werde. Im Gegenteil: Wäre dies nicht der Fall, läge ein Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung nach § 121 Abs. 1 S. 1 GWB vor. Es sei nicht davon auszugehen, dass es sich bei der vorgegebenen Nutzschicht um ein Alleinstellungsmerkmal handelte. Die Antragsgegnerin habe sich bewusst dafür entschieden, die zwingend benötigten Spezifikationen des Bodenbelags vorzugeben, um einen breiten europäischen Wettbewerb zu gewährleisten und kein zwingend anzubietendes Fabrikat vorzugeben.

Die Antragsgegnerin meint darüber hinaus, dass – selbst wenn es tatsächlich so wäre, dass nur das als Richtqualität angegebene Produkt des Herstellers [Richtqualität] die spezifischen Anforderungen des Leistungsverzeichnisses erfüllen sollten – es vorliegend gemäß § 7 EU Abs. 2 S. 1 VOB/A durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sei. Zunächst sei zu betonen, dass das Vergaberecht nicht regelte, was zu beschaffen ist, sondern wie eine Leistung zu beschaffen ist, d. h. in welchem wettbewerblichen Rahmen eine Beschaffung stattfindet. Der Auftraggeber sei daher in der vorgelagerten Festlegung der Bedarfe grundsätzlich frei. Er entscheide anhand der ermittelten Erfordernisse der Beschaffung im Einzelfall über den konkret zu vergebenden Auftrag, wobei er sich hierbei von technischen, wirtschaftlichen oder gestalterischen Erwägungen leiten lassen könne.

Diese Bedarfsfeststellung und die daraus resultierende Leistungsbeschreibung habe die Antragsgegnerin in nicht zu beanstandender Weise vorgenommen, indem sie die notwendigen Anforderungen an den Boden der Mehrzweckhalle ermittelt und in Leistungsspezifika überführt habe. Wenn hierdurch tatsächlich ein Produkt eines bestimmten Herstellers einen Vorteil erlangen sollte, wäre dies gerechtfertigt. Denn die Antragsgegnerin habe in ihrer Rügeerwiderung ausdrücklich auf die „hohen Anforderungen an die Qualität, der hohen Strapazierfähigkeit bei Belastungen, der Langlebigkeit und Pflegeleichtigkeit des Materials“ als Gründe für die Spezifikation des Leistungsverzeichnisses benannt. Diese Anforderungen seien auch durch den Leistungsgegenstand gerechtfertigt. Denn wie bereits ausgeführt handele es sich um eine Mehrzweckhalle. Das bedeute, dass der Boden der Halle in einem ganz anderem Umfang Beanspruchungen ausgesetzt sei, als dies bei einer rein sportlichen Nutzung der Fall wäre. Denkbar seien in diesem Kontext nur beispielhaft eine deutlich erhöhte punktuelle Belastung des Bodens durch eine Bestuhlung mit zum Teil schweren Personen oder Musikinstrumenten, eine verstärkte Verschmutzung durch Flüssigkeiten bei Veranstaltungen, die Nutzung durch ältere und gebrechliche Menschen mit Stöcken, Rollstühlen und Rollatoren und viele weitere Szenarien. Diese (zum Teil unvorhersehbare) Nutzung der Halle in der Zukunft, welche aber sicherlich eine über das übliche Maß hinausgehende Strapazierung des Bodens nach sich ziehen werde, rechtfertige in jedem Fall die Vorgabe der Dicke der Nutzschicht. Hierbei ist es auch unerheblich, ob dies eine durch Normen festgelegte Einstufung überschreite. Die Anforderungen welche an den Boden zu stellen seien, orientierten sich an den tatsächlichen Gegebenheiten und nicht etwa an verfügbaren Normen welche sich z.B. am Bindemittelgehalt orientieren. Andere Wirtschaftsteilnehmer würden durch diese Vorgabe nicht diskriminiert, da auch diese berechtigt seien, ein gleichwertiges Fabrikat mit den geforderten Spezifikationen anzubieten.

Die Antragsgegnerin ist schließlich der Auffassung, dass bereits kein Dokumentationsmangel vorliege. Es seien nachvollziehbare Gründe angegeben worden, welche vielleicht nicht besonders ausführlich gewesen seien. Dies sei vorliegend aber auch nicht erforderlich gewesen, da hier einerseits nur eine überschaubare Marktbeschränkung gegeben sei, sich andererseits die Begründung für die Forderung nach bestimmten Produkteigenschaften des Bodens angesichts des Bauvorhabens „Mehrzweckhalle“ von selbst erschließe. Der öffentliche Auftraggeber könne hier den Erwartungshorizont eines fachkundigen und erfahrenen Bieters voraussetzen. Die Gründe welche hier für bestimmte Anforderungen an den Boden der Mehrzweckhalle sprächen, seien so offensichtlich, dass sich die Antragsgegnerin in ihrer Verfahrensdokumentation richtigerweise auf „allgemeinverständliche Gründe“ berufen habe können.

Sofern dennoch eine weitergehende Begründung als erforderlich erachtet werde, sei diese nachträgliche Begründung spätestens durch die Stellungnahme der Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren erfolgt.

Die Kammer nimmt Bezug auf die Vergabeakten, die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten und deren Ausführungen in der am 12.10.2023 stattgefundenen mündlichen Verhandlung, sowie auf die noch laufende Ausschreibung mit der o. g. Referenznummer. Die Entscheidungsfrist nach § 167 Abs. 1 GWB wurde durch Entscheidung des Vorsitzenden bis zum 31.10.2023 verlängert.

II.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Die Zuständigkeit der Vergabekammer Westfalen ergibt sich aus § 156 GWB i. V. m. § 2 Abs. 2 VK ZuStV NRW, weil die Antragsgegnerin ihren Sitz in […] (Regierungsbezirk […]) und damit im Zuständigkeitsbereich der Vergabekammer Westfalen hat.

Die Antragsgegnerin ist eine Gebietskörperschaft und damit öffentlicher Auftraggeber i. S. v. § 99 Nr. 1 GWB und der Auftragswert liegt mit ca. XXXXXX,EUR gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB oberhalb des erforderlichen Schwellenwertes.

Nach § 160 Abs. 2 GWB ist jedes Unternehmen antragsbefugt, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie hat ihr Interesse an dem Auftrag hinreichend dargelegt, weil sie ein Angebot abgeben möchte, sich derzeit jedoch an der Abgabe eines Angebots wegen eines aus ihrer Sicht vorliegenden Vergaberechtsverstoßes gegen das Gebot der Produktneutralität gehindert sieht. Ebenfalls legt die Antragstellerin dar, dass ihr ein Schaden droht, da jedenfalls ihre Aussichten auf einen Zuschlag bei unveränderter Leistungsbeschreibung verschlechtert würden, weil sie keine laufenden Geschäftsbeziehungen mit dem Hersteller des als [Richtqualität] genannten Sportbodens unterhalte und bei Einbeziehung dieses Produktes wirtschaftliche Nachteile habe.

Der Nachprüfungsantrag ist auch nicht unzulässig gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB. Danach ist der Antrag unzulässig, soweit der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat.

Die Antragstellerin hat den geltend gemachten Verstoß vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 GWB gegenüber der Antragsgegnerin gerügt. Mit E-Mail vom 10.08.2023 hat sie eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darauf gestützt, dass in der LV-Position 36.02.08 technische Eigenschaften gefordert werden, die nur von dem dort angegebenen Sportboden erfüllt würden. Konkret nannte die Antragstellerin die vorgegebene Dicke der Nutzschicht von mind. 1 mm in Verbindung mit einem Glasfasergitter als Trägerschicht.

Soweit die Antragstellerin erstmals im Nachprüfungsantrag auch die Vorgaben zur Verschleißgruppe EN 649 T, zur Rutschhemmungsklasse R 10 und zur Trittschallverbesserung um mind. 8 dB gerügt hat, liegt keine Präklusion mangels vorheriger Rüge im Sinne von § 160 Abs. 3 S. 1 GWB vor, da es der Antragstellerin insoweit unverändert um den Verstoß einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung durch produktspezifische Anforderungen in der LV-Position 36.02.08 geht. Die Antragstellerin vertieft damit lediglich ihre bereits vorherige Argumentation aus dem Rügeschreiben vom 10.08.2023.

Schließlich ist die Kammer gemäß § 168 Abs. 1 S. 2 GWB an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Unter Ziff. 2.3. nimmt die Kammer vorsorglich Stellung zu den von der Antragstellerin behaupteten Verstößen wegen widersprüchlicher Angaben zur Zulassung von Nebenangeboten sowie wegen widersprüchlicher Angaben zu Eignungskriterien.

2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.

Es liegt ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 7 EU Abs. 2 VOB/A vor.

2.1. Die Antragsgegnerin verstößt gegen § 7 EU Abs. 2 VOB/A, indem sie im Leistungsverzeichnis unter 36.02.08 eine Nutzschichtdicke von mindestens 1,0 mm fordert, ohne einen Sachgrund nachvollziehbar dargelegt zu haben. Die bisherigen Ausführungen der Antragsgegnerin sind zur hinreichenden Begründung nicht geeignet. Ob vorliegend nur der als [Richtqualität] genannte Sportboden diese Vorgabe erfüllt oder auch andere Produkte auf dem Markt vorhanden sind, welche diese Eigenschaft haben, kann dahinstehen. Jedenfalls fehlt es an einem nachvollziehbaren Sachgrund für diese – wettbewerbseinschränkende – Eigenschaftsvorgabe in der Vergabedokumentation der Antragsgegnerin.

2.1.1. Grundsätzlich unterliegt die Wahl des Beschaffungsgegenstands der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers, deren Ausübung dem Vergabeverfahren vorgelagert ist. Das Vergaberecht regelt demnach nicht, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung. Einer besonderen vergaberechtlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf die Bestimmung des Auftragsgegenstands durch den Auftraggeber nicht. Sie ergibt sich aus der Vertragsfreiheit. Die danach im jeweiligen Fall vorgenommene Bestimmung des Beschaffungsgegenstands ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen im Ausgangspunkt nicht zu kontrollieren (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.05.2013, VII-Verg 16/12).

2.1.2. Dieses Bestimmungsrecht, welcher Gegenstand mit welchen Eigenschaften beschafft werden soll, wird aber durch die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung begrenzt, von der nur unter bestimmten Voraussetzungen abgewichen werden darf (vgl. OLG München, Beschl. v. 26.03.2020, Verg 22/19). Eine solche Ausnahmevorschrift ist § 7 EU Abs. 2 VOB/A.

§ 7 EU Abs. 2 VOB/A bestimmt: (Satz 1:) Soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die von einem bestimmten Unternehmen bereitgestellten Produkte charakterisiert, oder auf Marken, Patente, Typen oder einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden. (Satz 2:) Solche Verweise sind jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann; solche Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.

Gegen die Verpflichtung zur produktneutralen Ausschreibung wird nicht nur dann verstoßen, wenn ein Leitfabrikat offen in der Leistungsbeschreibung genannt wird, sondern auch dann, wenn durch die Vielzahl der Vorgaben verdeckt ein bestimmtes Produkt vorgegeben wird und nur mit diesem die Anforderungen der Leistungsbeschreibung erfüllt werden können. (vgl. OLG München, a. a. O.).

2.1.3. Die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des öffentlichen Auftraggebers sind eingehalten, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist [vgl. § 7 EU Abs. 2 S.1 VOB/A; Anmerkung der Kammer], vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.04.2016, VII-Verg 47/15; OLG München, a. a. O.) Ob diese vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit im Einzelfall eingehalten wurden, unterliegt der Prüfung durch die Nachprüfungsinstanzen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.05.2013, VII-Verg 16/12).

2.1.4. Zunächst ist festzuhalten, dass ein öffentlicher Auftraggeber nicht gehalten ist, sich durch eine Markterkundung einen Überblick über die vorhandenen technischen Lösungen zur Befriedigung seines Beschaffungsbedarfs zu verschaffen, um so die Voraussetzungen für eine produktneutrale Ausschreibung herzustellen. Ob eine andere (technische) Lösung möglich ist, muss daher nicht notwendigerweise vom Auftraggeber untersucht werden, denn eine Pflicht zur Markterkundung würde zu einer unangemessenen Verrechtlichung der Beschaffungsentscheidung führen (vgl. VK Sachsen, Beschl. v. 30.08.2016, 1/SVK/016-16; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.07.2012, Verg 7/12). Dies wird auch durch § 2 EU Abs. 7 S. 1 VOB/A bekräftigt, der die Durchführung einer Markterkundung in das Ermessen des öffentlichen Auftraggebers stellt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.04.2016, VII-Verg 47/15). Ebenso wenig muss ein öffentlicher Auftraggeber seine Ausschreibung so ausrichten, dass jedes in Frage kommende Unternehmen sich durch eine Angebotsabgabe am Vergabeverfahren beteiligen kann (vgl. VK Bund, Beschl. v. 29.01.2015, VK 2 – 117/14).

2.1.5. An das Vorliegen eines Sachgrundes dürfen auch keine unverhältnismäßigen Anforderungen gestellt werden. Wie bereits dargelegt, genügt die sachliche Rechtfertigung durch den Auftragsgegenstand. Die Überlegungen der Vergabestelle müssen für Dritte nachvollziehbar sein. Die Nachprüfungsinstanzen sind hingegen nicht befugt zu prüfen, ob der Beschaffungsbedarf des öffentlichen Auftraggebers nicht in anderer Weise erfüllt werden kann, weil ansonsten das Vergaberecht unzulässiger Weise auf die Frage erweitert würde, was der Auftraggeber beschafft (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.04.2016, VII-Verg 47/15).

2.1.6. Es reicht allerdings nicht aus, dass der öffentliche Auftraggeber die sachlichen Gründe lediglich behauptet; sie müssen auch tatsächlich vorliegen (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O.). Hierzu bedarf es einer entsprechenden (detaillierten) Dokumentation der Erwägungen (vgl. nur VK Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 16.09.2015, 3 VK LSA 62/15). Dem öffentlichen Auftraggeber ist es zwar grundsätzlich gestattet, die Gründe seiner Beschaffungsentscheidung im Nachprüfungsverfahren zu präzisieren, soweit er diese nicht bereits in allen Einzelheiten in den Vergabeunterlagen dokumentiert hat (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O.). Jedoch ist eine erstmalige Rechtfertigung im Nachprüfungsverfahren in Bereichen, in denen dem öffentlichen Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zusteht, erheblich eingeschränkt (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 31.03.2020, 13 Verg 13/19).

2.1.7. Vor diesem Hintergrund liegt keine – auch nicht im Nachprüfungsverfahren ausreichend präzisierte – hinreichende Dokumentation der Erwägungen vor, weshalb ein sachlicher Grund im oben dargestellten Sinne fehlt. Weshalb die Antragsgegnerin konkret eine Nutzschichtdicke von mindestens 1,0 mm verlangt, ist in ihrem Vergabevermerk nicht erläutert und ergibt sich auch nicht nachvollziehbar aus der in der Bieterantwort vom 14.08.2023 genannten, pauschalen Begründung. Dort heißt es lediglich „Bei einer Reduzierung der Nutzschicht um ca. 30% ist die technische Gleichwertigkeit nicht gegeben. Das angestrebte Ziel der Strapazierfähigkeit und Langlebigkeit des Sportbodens kann mit einer so stark verringerten Dicke der Nutzschicht nicht erreicht werden“. Warum eine technische Gleichwertigkeit bei einer angenommenen Nutzschichtdicke von beispielsweise 0,7 mm ausscheiden soll, ergibt sich nicht aus dieser bloßen Feststellung, dass eine technische Gleichwertigkeit nicht gegeben sei. Auch mit ihrem ergänzenden Vorbringen konnte die Antragsgegnerin keinen entsprechenden Sachgrund nachvollziehbar darlegen. Dies wäre jedoch notwendig gewesen, weil nach Einschätzung der Kammer im vorliegenden Nachprüfungsverfahren einiges dafürspricht, dass die Ausschreibung auf das als [Richtqualität] genannte Produkt zugeschnitten ist.

Auch der Verweis der Antragsgegnerin auf die „hohen Anforderungen an die Qualität, der hohen Strapazierfähigkeit bei Belastungen, der Langlebigkeit und Pflegeleichtigkeit des Materials“, als Gründe für die Spezifikation des Leistungsverzeichnisses, sind nicht näher und damit nicht hinreichend nachvollziehbar beschrieben.

Darüber hinaus ergibt sich aus dem weiteren Vorbringen der Antragsgegnerin, dass es ihr nicht möglich sei abzuschätzen, ob auf dem europäischen Markt andere gleichwertige Fabrikate existierten, während sie im Vergabevermerk unter „8. Vermerk zu Produkten/Leistungen“ ausführt „Bei der Beschreibung der Leistung wird aus allgemeinverständlichen Gründen ein Leitfabrikat vorgegeben. Da aber gleichwertige Erzeugnisse bzw. Verfahren auf dem Markt vorhanden sind, wird in den entsprechenden Positionen die Option zur Angabe eines gleichwertigen Produktes eingeräumt.“ Dieser Widerspruch wird auch nicht dadurch aufgelöst, dass die Antragsgegnerin dies aber für „wahrscheinlich“ halte angesichts der Vielfalt des Marktes. Das von der Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren genannte Produkt „[…]“ ist nach Auffassung der Kammer schon ungeeignet dem Widerspruch entgegenzutreten, da es offensichtlich die im LV festgelegten Anforderungen nicht in Gänze erfüllt. So weist das genannte Produkt den Wert „R9“ (anstatt dem geforderten Wert „R10“) im Hinblick auf die Rutschsicherheit auf.

2.1.8. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass § 7 EU Abs. 2 S. 2 VOB/A ausdrücklich verlangt, dass der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann; nur dann dürfen Verweise (auf ein Leitfabrikat) mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ versehen werden. Vorliegend führt die Antragsgegnerin jedoch selbst aus, dass bei der Beschreibung der Leistung aus „allgemeinverständlichen Gründen“ ein Leitfabrikat vorgegeben sei. Eine (bloße) „Allgemeinverständlichkeit“ ist nach Auffassung der Kammer nicht gleichzusetzen mit der fehlenden Möglichkeit, den Auftragsgegenstand hinreichend genau und allgemein verständlich zu beschreiben. Dies wird dadurch bekräftigt, dass die Antragsgegnerin sehr wohl in der Lage war, konkrete Einzelvorgaben im Leistungsverzeichnis festzulegen.

Es kann im Ergebnis dahinstehen, ob sich die Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Vorgabe einer Nutzschichtdicke von mind. 1,0 mm im Hinblick auf § 7 EU Abs. 2 VOB/A auf die Variante des Satzes 1 oder des Satzes 2 stützt, da die Voraussetzungen beider Tatbestandsalternativen nicht vorliegen. Weder ist die genannte Festlegung auf mind. 1,0 mm durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt, noch ist klar, warum der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann. Es mangelt somit an einem – nachvollziehbaren und hinreichend dokumentierten – Sachgrund für die Festlegung der Antragsgegnerin.

2.2. Darüber hinaus mangelt es aus den genannten Gründen ebenfalls an einem – nachvollziehbar dargelegten und dokumentierten – Sachgrund für die weiteren, von der Antragstellerin angegriffenen Vorgaben in den Vergabeunterlagen (Verschleißgruppe EN 649 T; Rutschhemmungsklasse R 10; Trittschallverbesserung um mind. 8 dB), weshalb die Antragsgegnerin auch hiermit gegen § 7 EU Abs. 2 VOB/A verstößt.

2.3. Vorsorglich weist die Kammer im Hinblick auf die Angaben zur Zulassung von Nebenangeboten und zu den Eignungskriterien in der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen daraufhin, dass diese Inkonsistenzen zueinander aufweisen. Nach § 122 Abs. 4 GWB sind Eignungskriterien in der Auftragsbekanntmachung, der Vorinformation oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung aufzuführen. Entsprechend § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 VOB/A muss die Möglichkeit Nebenangebote einzureichen in der Auftragsbekanntmachung oder in der Aufforderung zur Interessensbestätigung zugelassen werden. Um insoweit ein zukünftiges Nachprüfungsverfahren zu vermeiden, sollte die Antragsgegnerin dazu eindeutige Festlegungen treffen.

III.

Durch den Verstoß gegen § 7 EU Abs. 2 VOB/A haben sich die Chancen der Antragstellerin auf den Zuschlag verschlechtert. Sie wird dadurch in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Konkret betroffen sind hier das Diskriminierungsverbot und der Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 97 Abs. 2 GWB.

Die Antragstellerin hat dargelegt, dass sie aufgrund der nicht gerechtfertigten Festlegungen im Leistungsverzeichnis nur deutlich teurer anbieten kann als Firmen, die eine ständige Geschäftsbeziehung mit dem Hersteller des unter Position 36.02.08 genannten Sportbodens unterhalten. Durch die Vorgaben der Antragsgegnerin zur Beschaffenheit des Sportbodens verschlechtern sich die Zuschlagschancen der Antragstellerin und sie wird in ihren Rechten aus § 97 Abs. 2 GWB verletzt.

IV.

1. Die Kosten des Verfahrens werden auf XXXX,EUR festgesetzt.

Gemäß § 182 Abs. 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammern Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung findet Anwendung. Für die Berechnung der Verfahrensgebühr zieht die Kammer die Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes und der Länder heran (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 06.01.2005, VII-Verg 30/05). Maßgeblich für die Berechnung der Gebühr ist grundsätzlich die streitbefangene Auftragssumme (vgl. BGH, Beschl. v. 25.10.2011, X ZB 5/10). Ausgehend von einer Auftragssumme von XXXXXX,EUR wäre vorliegend ein Wert von XXXX EUR als Verfahrensgebühr zu Grunde zu legen.

2. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer Westfalen, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten der Antragstellerin zu tragen. Insoweit wird die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig erklärt.

Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die Kosten zu tragen, § 182 Abs. 3 S. 1 GWB. Hier unterliegt die Antragsgegnerin, womit ihr die Verfahrensgebühr aufzuerlegen war.

Zudem hat der im Nachprüfungsverfahren Unterliegende auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu tragen, § 182 Abs. 4 S. 1 GWB. Aufgrund der Komplexität der im vorliegenden Verfahren aufgeworfenen Rechtsfragen war die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Mithin hat die Antragsgegnerin auch diese Aufwendungen zu tragen.

3. Die Antragsgegnerin ist im vorliegenden Verfahren von der Zahlung der Gebühren gem. § 182 Abs. 1 GWB i. V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 VwKostG befreit.

Rechtsmittelbelehrung

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